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Begründet von H. Auspitz und F. J. Pick.
ARCHIV
• für
Dermatologie und Syphilis.
Unter Mitwirkung von
Prof. M’CALL ANDERSON, Dr. ARNING, Dr. BEHREND, Dr. BESNIER, Prof. BERGH, Prof. BOECK,
Prof. DUHRING, Prof. v. DÜRING, Dr. EHRMANN, Dr. ELSENBERG, Prof. EPSTEIN, Dr. FABRY,
Prof. FINGER, Dr. J. GRÜNFELD, Prof. HASLUND, Prof. v. HEBRA, Dr. C. HERXHEIMER, Dr.
HOCHSINGER, Dr. HOROVITZ, Prof. JADASSOHN, Prof. JANOVSKY, Prof. JARISCH, Dr. JO¬
SEPH, Prof. KÖBNER, Dr. KOPP, Prof. LANG, Dr. LEDERMANN, Prof. LUKAS IE WICZ, Dr.
LUSTGARTEN, Dr. du MESNIL, Prof. MRACEK, Prof. NEUMANN, Dr. OBERLÄNDER, Prof.
PETERSEN, Prof. POSPELOW, J. K. PROKSCH, Prof. REDER, Prof. RIEHL, Dr. RÖNA, Dr. O.
ROSENTHAL, Dr. SCHIFF, Dr. SCHÜTZ, Dr. SCHUSTER, Prof. STUKOWENKOW, Dr. SZADEK,
Prof. TARNOWSKY, Dr. TOUTON, Dr. ULLMANN, Dr. VELEL, Dr. v. WATRASZEWSKI, Prof.
WELANDER, Dr. WINTERNITZ, Prof. WOLFF, Dr. v. ZEISSL
Prof. Caspary,
Prof. Dootrelepont,
und in Gemeinschaft mit
Prof. Kaposi, Prof. Lesser,
Prof. Neisser,
Prof. Scliwimmer,
Königsberg
Bonn
Wien Berlin
Breslau
Budapest
herausgegeben von
Prof. F. J. Pick in Prag.
Neununddreissigster Band.
Wien und Leipzig.
Wilhelm Braumüller,
k. u. k. Hof- und Universitätabuchbändler.
18 97 .
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V,- /
K.. u. k. II -nuifh<h urkrn* i A. Han*" l’ fa ;
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Inhalt.
Original-Abhandlungen.
Pag,
Ueber multiple Dermatomyome. Von Hofratb Prof. Neumann in
Wien. (Hierzu Taf. I—IV.). 3
Ueber die sogenannte diphtheroide Form des venerischen Geschwürs
auf dem Cervix uteri. Von Dr. C. Rasch, erstem Assistenten an
der Klinik für Hautkrankheiten der Universität Kopenhagen . . 17
Aus dem Privatlaboratorium des Herrn Docenten Dr. Ehrmann in
Wien. Die Genese der paraurethralen Gänge, mit besonderer
Rücksicht auf die gonorrhoische Erkrankung derselben. Von
Dr. Peter Rona, Wien. (Hierzu Taf. V und VI.). 27
Ueber virulente Bubonen und den Ulcus molle-Bacillus. Von Dr.
Rudolf Krefting, Christiania. 51
Aus der k. k. dermatol. Universitätsklinik von Prof. F. J. Pick in
Prag. Ueber extragenitale Syphilisinfection. Von Dr. Friedrich
Bloch, Secundärarzt der Klinik. 65
Aus der königl. Universitätsklinik für Syphilis und Hautkrankheiten
des Herrn Geheimrath Prof. Dr. Doutrelepont zu Bonn. Ueber
locale Veränderungen nach intramusculärer Injection von Hydrar-
gyrum salicylicum. Von Dr. Max Wolters, Privatdocenten für
Dermatologie, I. Assistenzarzt der kgl. dermatol. Universitäts¬
klinik zu Bonn. (Hierzu Taf. VII u. VIII).163
Aus der k. k. dermatolog. Universitätsklinik von Prof. F. J. Pick
in Prag. Ueber eine eigenthümliche Form multipler infectiöser
Hautgangrän. Von Dr. Ludwig Wae 1 sch, I. Assist, der Klinik.
(Hierzu Taf. IX.).173
Reinzüchtung des Gonococcus Neisser in zwei Fällen gonorrhoischer
Metastase. Von J. Jundell, Assistenten der medicinischen Klinik
Serafimerlazaretet, Stockholm.195
Lungenembolie bei Injection von Hydrargyrum salicylicum. Von
Dr. Bernhard Schulze, Arzt für Hautkrankheiten in Kiel. . . . 209
Aus der Münchener chirurgischen Klinik. Ueber Alopecia congenita.
Von Privatdocent Paul Ziegler, I. Assistenzarzt. (Hierzu Taf. X,
XI und XII.)..213
Aus Prof. Welander’s Klinik im Krankenhause St. Göran zu Stock¬
holm. Zur Frage von der gonorrhoischen Allgemeininfection. Von
Dr. G. Ähman. Assistenzarzt am Krankenhause St. Göran . . . 323
317376
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IV
Inhalt.
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Pag.
Aus I)r. Max Joseph’s Poliklinik für Hautkrankheiten in Berlin.
lieber Porokeratosis. Von Dr. Max Joseph. (Hierzu Taf. XIII
und XIV).385
Ein seltener Fall regionärer Atheromcystenbildung (Molluscum athe-
romatosum Kaposi) an der Scrotalhaut. Von Dr. Nicolaus Ü s ter-
mayer in Budapest. 353
Ueber die Behandlung des Lupus vulgaris mit besonderer Berück¬
sichtigung der Thiersch’schen Transplantationsmethode. Von Dr.
J. Fabry in Dortmund . 355
Zur Frage von der Injectionstechnik bei der Behandlung von Syphilis.
Von Magnus Möller, Docent der Syph. u. Derm. in Stockholm 383
Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete der Dermatologie
und Syphilis.
Verhandlungen der Wiener dermatologischen Gesellschaft .111, 237, 405
Verhandlungen der Berliner dermatologischen Vereinigung 125, 232, 418
Verhandlungen des Vereines Ungar. Dermatologen und Urologen . 99, 225
Venerische Krankheiten. 129. 295 , 424
Hautkrankheiten.243
Buchanzeigen und Besprechungen . . 154, 310, 473
Nekrolog .3H, 47(i
Varia .319
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Originalabtiandlungei)
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Archiv f. Dermatol, u. Syphil. Band XXXIX.
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lieber multiple Dermatomyome.
Von
llofrath Prof. NeillliaiUI in Wien.
(Hierzu Taf. I—IV.)
Die Hautmyome gehören im Allgemeinen und die multi¬
plen Dermatomyome insbesondere zu den seltensten Affectionen,
so dass selbst Fachmänner der pathologischen Anatomie, und
Chirurgen, desgleichen Dermatologen, welche ein grosses Be¬
obachtungsmaterial besitzen, gar keinen oder höchstens singuläre
Fälle zu Gesicht bekommen. Das Interesse, welches sich an die
multiplen Dermatomyome knüpft, liegt jedoch nicht in ihrer
Seltenheit, sondern in nosologisch wichtigen, noch nicht klar ge¬
stellten Momenten, wie dem Ausgangspunkt und der Art ihrer Ent¬
stehung, der Langwierigkeit des progressiven Stadiums gleich¬
wie der nahezu exceptionellen Stabilität in der Acme und der
Eigentümlichkeit, dass in den einzelnen Fällen und zwar in
der Regel nur in vollständig entwickelten Tumoren, spontaner
oder durch äussere Einwirkung hervorgerufener, mitunter sehr
heftiger Schmex*z vorhanden ist, während er in andern gänz¬
lich fehlt.
Klinisch gelangen die multiplen Dermatomyome haupt¬
sächlich durch die Schmerzhaftigkeit und grosse Ausbreitung,
durch die Spärlichkeit charakteristischer Erscheinungen bedingte
Schwierigkeit der Diagnose, deren Sicherstellung die Biopsie
erfordert, zu erheblicher Bedeutung. Die spärliche Casuistik
dürfte die Mittheilung des folgenden typischen Falles von
einfachen multiplen Dermatomyomen genügend motiviren.
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N e u m a n n.
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Derselbe betrifft die 54jähr., anämische und abgomagerte, schwach¬
sinnige A. St., welche wegen eines ulcerösen Syphilides an der Nasen¬
wurzel der Klinik übergeben wurde. Die rntersuehung der allgemeinen
Decke ergibt an der äussern Fläche des linken Oberarmes disseminirt
schrotkorn- bis kleinerbsengrosse, über das Hautniveau elevirte, theils
runde, theils elliptische, glatte, an der Peripherie licht braun, im cent¬
ralen Theile heller gefärbte Knoten. Sie erscheinen scharf begrenzt, wie
in die Haut eingesprengt, mit ihr beweglich, derb, weder spontan, noch
gegen Fingerdruck abnorm empfindlich. Die Färbung abgerechnet, bietet
ihre epidermidale Bedeckung keine Differenz gegen die Umgebung. Die
zwischen den Effiorescenzen gelegenen Hautpartien bieten in Bezug auf
tactile und thermische Reize keine Anomalie dar. Im Ganzen zeigen die
Effiorescenzen, wie Besnier, 1 ; welcher zuerst eine genaue Darstellung
der Affection lieferte, hervorhob, ein Aussehen, welches der Urticaria
papulosa am nächsten stellt.
An der Innenfläche des rechten Oberarmes finden sich drei erbsen¬
grosse, an der Peripherie rothgefärbte — desgleichen über der Bücken¬
haut disseminirt, zahlreiche hirsekorn- bis erbsengrosse, den erstgescliil-
derten im Uebrigen gleichbeschafiene Effiorescenzen.
Auf Grund der vorliegenden Erscheinungen war die Dia¬
gnose nicht festzustellen und die Biopsie unerlässlich. Es
wurde daher ein Knoten excidirt und der mikroskopischen
Untersuchung unterzogen. Diese ergab folgenden histologischen
Befund. Die Hauptmasse besteht aus in den verschiedensten
Richtungen, zum Theile der Hautoberfläche parallel verlaufenden,
vielfach sich kreuzenden Bündeln glatter Muskelzellen, die dem¬
gemäss theils in Querschnitten, theils in ihrer Länge mit dem
charakteristischen Kern sich präsentiren. Die Muskelzellen sind
zum Theil von normaler Dimension, zum Theil dünner und
gleichzeitig kürzer. Zwischen den Muskelbündeln finden sich
faseriges Bindegewebe und in ansehnlicher Menge elastische Fasern.
In und zwischen dem Bindegewebe und zwischen den Muskel¬
bündeln verlaufen die spärlichen Blutgefässe, welche stellenweise
vou Rundzellen umgeben sind. Letztere finden sich auch an
den Gefässen des Papillarkörpers, welcher wie die Epidermis-
Schicht sehr verschmächtigt erscheint. Sowohl nach auf- als
nach abwärts nehmen die Muskelzellen allmälig an Menge ab,
so dass die Abgrenzung nach beiden Richtungen zumeist aus
‘) Los dermatomyomes (fibroniyomes, liomyomes 011 myomes eutanes.
Ann. de Dermat. et de Svphiligr. II. p. 1. 18Sn. 25 ff.
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Ein Fall von multiplen Dermatomyomen.
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Bindegewebe besteht, und nur wenig Muskelzellen nach oben
an den Papillarkörper, nach der Tiefe das Niveau der Knäuel¬
drüsen erreichen. Die Haarbälge sind spärlich, die Talgdrüsen
in der Wandung durch Ruudzellen verdickt. Nächst ihnen liegen
dichte Muskelzellen der Arrectores pilorum. Nerven wurden
nicht gefunden, an den Arterien ausser der bereits erwähnten,
keine Veränderung der Wandung, welche auf einen Zusammen¬
hang der neugebildeten Muskelzellen mit denen der Blutgefässe
schliessen lassen konnte. Dieser Befund bietet ein typisches
Bild des reinen Dermatomyom, wie es zuerst von Besnier
(bez. Balz er 1. c. 32—33) namentlich aber Arnozan und
Vaillard J ) nach einem mit Pur pur in behandelten Präparat
beschrieben wurde, mit dem Unterschiede, dass in dem vor¬
liegenden Falle keine Nerven sich vorfanden. Doch bieten die
multiplen Dermatomyome neben der grossen Uebereinstimmung
in den essentiellen histologischen Elementen auch erhebliche
Differenzen dar, so dass wir abweichend von Babes’ 2 ) Ein-
theilung, zwei Formen unterscheiden möchten. Die eine Form
bildet das rein musculäre Myom, dessen Hauptmasse aus
glatten Muskelzellen, fibrillärem Bindegewebe und elastischen
Fasern besteht, letztere jedoch so schwach vertreten sind, dass
die Neubildung nicht als Fibro-Myom bezeichnet werden kann.
Die zweite: das cavernöse Myom, welches nebst glatten
Muskelzellen reichlich Blutgefässe und den Bau cavernöser
Gebilde aufweist. Bemerkenswerth ist, dass beide Formen neben
einander Vorkommen, wie in dem von Virchow 3 ) beobachteten
Falle, der sie als Myoma teleangiectodes unter die erectilen
Geschwülste rangirte. In diesem Falle, wo in einem Zeitraum
von 13 Jahren sich ein Dutzend höchst schmerzhafter Knoten
') Myornes ä fibres lisses, multiples, confluents et isoles de la peau.
Soeiete d’Anatom. et de Phvsiol. de Bordeaux. Seance du 7. dec. 1880.
Journ. de med. de Bordeaux. 1881. Ann. de Denn, et de Syph. 1881. 60.
2 ) Handbuch der Hautkrankheiten, v. Ziemssen’s Handb. d. spec.
Pathol. und Therap. XIY. 2. 499. Nach Babes bilden die cavernösen
Myome eine und die multiplen Dermatomyome die zweite Species der
Hyperplasien der Arrectores pilorum. Da auch die cavernösen Hautmyome
multipel Vorkommen, ist die Eintheilung Babes’ nicht zutreffend.
3 ) Leber cavernöse (erectile) Geschwülste und Teleangiektasien.
Archiv. 1854. 6. 553—54.
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N eu mann.
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au der Brustwarzengegeud (eines Mannes) entwickelt hatten,
bestand der eine der ausgeschnittenen Tumoren fast ganz aus
Muskelzellen, während der zweite, „namentlich gegen seine
Oberfläche hin, äusserstzahlreiche ganz weite Gef äs s-
scIllingen führte, aus denen nach unten eine Menge feinere
Gefässe hervortraten. Mitten in dem Gewebe fanden sich grosse
Nervenstäinme mit mehrfacher Auflösung in Aeste.“ Die hierauf
von Förster 1 ), Kl ob 2 ), So ko low 3 ) mitgetheilten Fälle
betreffen solitäre Hautmyome, welche gleich dem von Virchow
nicht bloss in Bezug auf die histologische Natur sondern auch
Localisation der Neubildung in Betracht kommen. Kl ob hat
die von ihm untersuchten zwei, etwas über bohneu- und kirschen¬
grossen Geschwülste, da sich Muskelfasern nur in sehr unter¬
geordneter Anzahl naclnveisen Hessen, unter die Fibroide der
Mamma aufgenommen. Es handelte sich demnach in diesem
Kalle um ein Fibromyoma; während Sokolow ausdrücklich
hervorhebt, dass das Gewebe der von ihm untersuchten
Geschwulst kein Fibromyom, sondern ein reines „Myoma laevi-
cellulare“ (recte: „levicellulare“) war. Die Zwischenräume der
einzelnen Muskelzellen waren nämlich, nach Angabe des Autors,
ebenso eng wie sie sich „im reinen Muskelgewebe zeigen,
d. h. sie entsprachen der Kittsubstanz, welche in KHO auf¬
gelöst war“.
Dem gegenüber bietet der von Besnier (1. c. ;»4) an¬
geführte Fall Yerneuil's Verschiedenheiten des histologischen
Baues der Knoten, die bedeutender sind als im Falle V irchow's.
Während ein Theil der Knoten getasslos war, hatten andere
reichlich Gefässe (un lacis vasculaire extremement riebe) gleich¬
wie Nervenfasern; einzelne auch quergestreifte Muskel¬
fasern, ähnlich den Herzmuskelfaser n. In sä m m 11 i c h e n
Knoten fanden sich glatte Muskelzellen vor.
l ) Myome am Scrotum. Wiener med. Wochenscdir. 1858. 13') und
Handbuch der spec. path. Anat. 2. AuH. 18(>3. 1042. Handbuch d. alldem,
pathoi. Anat. 344.
*) Pathologische Anatomie der weiblichen Sexualor^anc. 18dl. 402.
3 ) Myoma laevicellulare (Leiomyonui) der r. Brustwarze. Yirehow’s
Archiv. 1873. 5S. 31 (i.
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Ein Fall von multiplen Dermatomyomen.
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Auch die von Jadassolin 1 ) untersuchten zwei Fälle
zeigen bemerkenswerthe Verschiedenheiten. Der erste der von
ihm beobachteten bez. untersuchten Fälle lieferte einen mit
dem unserigen, die Nerven ausgenommen, fast völlig gleichen
histologischen Befund. Auch hier war zwischen den Muskel-
tiündeln fibrilläres Bindegewebe vorhanden, welches nach der
Peripherie hin stärker wurde, die spärlichen Gefässe verliefen in
diesen bindegewebigen Interstitien, an deren Wand Jadassohn
keine Abnormität finden konnte, die Rundzellen in unregel¬
mässigen Haufen von wechselnder Zahl und Grösse, „eingekeilt
in die zwischen den Muskelbündeln vorhandenen Lücken“ (in
denen wir auch Gefässe verlaufen sahen). Die grössten dieser
Ruudzellenhaufen schlossen sich an die Talg- und Schweiss-
driisen an. Die ganze Muskelmasse war durchsetzt und begleitet
von einem sehr reichlichen Maschenwerk elastischer Fasern.
Nervenstämmchen fanden sich bloss an der Unterseite eines
Knotens, nicht in dem Tumor selbst. In zwei kleineren Knötchen
fand sich „ein weit maschiges Netzwerk von Muskelbündeln,
das sich augenscheinlich sehr viel weiter erstreckte als makro¬
skopisch das Knötchen zu constatiren gewesen war. Bestimmte
Beziehungen auch dieser kleinen Tumoren zu irgend einem
normalen Bestandtheile der Haut, speciell zu den Haarbälgen
bezw. den Arrectores oder zu Arterien liessen sich trotz Durch¬
sicht einer grossen Anzahl von Schnitten — nicht naclnveisen.“
Im zweiten Falle, in welchem die Anfangsstadien des Pro-
cesses sehr deutlich ausgesprochen waren, liess sich mit vollster
Sicherheit die Bildung der Knötchen im Anschluss an einen
Haarfollikel constatiren, indem aus jedem der kleinsten Knöt¬
chen ein Stumpf eines Lauugohaares hervorragte. Nerven¬
fasern waren auch hier nicht vorhanden und fehlte auch der
Schmerz trotz des seit der Kindheit bestehenden Leidens der
37jährigen Kranken.
In dem bereits erwähnten, von Arnozan und Vaillard
beobachteten Falle, in welchem die Schmerzen am Vorderarm
ain intensivsten sowohl spontan als auf äussere Einwirkung
') Zur Kenntniss der multiplen Myome der Haut. Virehow 7 s Arch.
1890. 121. 88.
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Neumann.
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auftraten, wie Druck, Schlag, Kratzen, thermische Reize (Kälte
und Hitze), wurden die schmerzhaften Knoten auf jeden Reiz,
welcher den Schmerz auslöste, blass und farblos und bekamen
erst allmälig mit dem Beginn des Nachlasses der
Schmerzen ihr früheres Colorit. Diese Erscheinung war habi¬
tuell und konnte nach Belieben hervorgerufen werden. Dabei
ergab die mikroskopische Untersuchung spärliche Ge fasse
im Innern feine Arterien, die von Bindegewebe umgeben, keine
unmittelbare Verbindung mit den glatten Muskelzellen der Neu¬
bildung zeigten, (entourees d'une atmosphere conjonctive et
jamais au contact immediat des fibres lisses). An den mit
Osmiumsäure behandelten Schnitten vermochten auch diese
Autoren nur an einzelnen ein bis zwei sehr feine Nervenfiiden
zu constatiren. Die Haarbälge und die Knäueldrüsen fanden
sie unverändert, (h c. 65).
V. Brigidi und G. Marcacci. *) welche die bis zur
Zeit der Publication ihres Falles mitgetheilten Fälle von Haut¬
myom tabellarisch zusammenstellten, erklären bezüglich der
Gefässe: „on ne voit pas de vaisseaux dans la müsse, mais le
tissu conjonctif circonvoisin abonde en arteres dont la couch e
musculaire parait hjpertrophi ee; l'adventice garnie
de petites cellules lymphoides et la luniiere considerablement
retrecie obstruee en partie par des cellules lymphoides.
Sie constatiren den absoluten Mangel an Nerven in der Neu¬
bildung, bloss die lateralen Partien waren mit solchen versehen.
Wir schliessen liierau den Befund von Hess,") welcher (ab¬
weichend von fast allen andern) angibt, dass die kleinen Tumoren,
in ihrem Innern von Bindegewebe nicht durchzogen sind und
gefässarm oder vollständig getässlos erscheinen. Peripherisch
dagegen ist die Yaseularisation reichlicher. „Die Musculatur
dieser peripherischen Gefässe ist stark entwickelt, und setzt
sich unmittelbar in die Faserzüge der Tumormasse fort.“ Die
Existenz von reichlichem, nahezu paralh lfaserigem Bindegewebe
ringsum die grösseren Tumoren führt Hess auf Verdrängung
') I>es myomes cutanea (Imparziale ISsl). Ami. de Deriuat. et de
Syphiligr. 1882. II. p. 119.
3 ) Kin Fall von multiplen Derniatoinyomen an der Nase. Viivliow’s
Archiv. 1890. 120, 321.
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Ein Fall von multiplen Dermatomyomen.
9
und Compression von Seiten der (neugebildeten) Musculatur
zurück. Die Druckwirkung äussert sich nach ihm besonders
deutlich am Papillarkörper, welcher über den grösseren Knoten
eine Abplattung zeigt. Ebenso sind die Haarwurzeln und Haut¬
drüsen in der Nähe zur Seite geschoben. Nach ihm ist die
Betheiligung der Arrectores pilorum nirgends nachweisbar.
Hess gibt weiters an, dass bei stärkerer Entwicklung die
Muskelfasern diffus in das umgebende Bindegewebe
eintreten, und sieb in unregelmässiger Weise in
demselben ausbreiten, an andern Stellen aber sieh
schärfer von demselben abtrennen; und dass die letzteren
Formen, als das Anfangsstadium der circumscrip-
ten Tumoren aufzufassen seien. Lukasiewicz *) behauptet,
„dass man oft den weitern Verlauf der stärker entwickelten
Muskelfasern (sc. der Gefdsse) im Neugebilde selbst ver¬
folgen kann“; also einen unmittelbaren Zusammenhang der
Muskelzellen der Blutgefässe mit denen der Neubildung. Weiters
erklärt er, dass auch die Knäueldrüsen „nicht unbetheiligt an
der Neubildung bleiben“, indem er sowohl um die einzelnen
Knäuel herum, als auch in ihrer Wand stärkere Entwickelung
von glatten Muskelfasern und diffuses Eintreten derselben i n
das umgebende Neugebilde constatiren konnte. Eine
„abnorme“ Entwicklung von Nervenfasern, aus der sich die
Schmerzhaftigkeit der Tumoren erklären Hesse, konnte auch
er nicht nachweisen.
Angesichts dieser Verschiedenheiten des histologischen
Befundes, kann es nicht befremden, dass die Ansichten der
Autoren betreffs des Ausgangspunktes der Neubildung aus¬
einander gehen. Allgemein wird angenommen, dass präformirte
Muskelzellen der Cutis das Bildungsmaterial, den Ursprungs¬
herd der Neubildung abgeben. Es darf jedoch nicht ausser
Acht gelassen werden, dass im Hinblick auf den Vorgang der
Neubildung von Muskelfasern aus dem Bindegewebe im schwän¬
gern Uterus, und der von J. A r n o 1 d nachgewiesenen Neubildung
von glatten Muskelzellen im Bindegewebe einer pleuritischen
*) Ueber multiple Dermatoinyome. Archiv f. Dermatol, u. Syphilis.
1892. 33.
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N eum ann.
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Schwarte, auch das Bindegewebe der Cutis als Bildungsherd
keineswegs absolut ausgeschlossen werden könne. Wenn man
jedoch den Standort der Myome berücksichtigt, dass sie nämlich
mit Vorliebe an Stellen sich entwickeln, wo in der Haut glatte
Muskelzellen in reichlicher Menge sich vorfinden, wie in der
Warzengegend der Brustdrüse, dem Scrotum, dem äussern
weiblichen Genitale, ferner die Lage der Neubildung in der
Cutis selbst, ist nicht zu bezweifeln, dass diese an präformirte
Muskelzellen der Haut anknüpft. Aber eben die Frage, welchen
Gebilden der Cutis die Muskelelemente angehören, die den Aus¬
gangspunkt der Neubildung abgeben, wird von den Autoren
verschieden beantwortet. Auf der einen Seite wird behauptet,
dass die Arrectores pilorum den Ursprungsherd bilden, und
Babes’ Ansicht bezw. Eintheilung gemäss, bilden die multiplen
Dermatomvome eine Form von Hyperplasie der Arrectores
pilorum. Es unterliegt keinem Zweifel, dass, wenn auch diese
Ansicht zu weit geht, wohl in den meisten Fällen diesen unge¬
hörige Muskelzellen der Ausgangspunkt der Neubildung sind.
Die Tiefe, in welcher die Knoten sitzen, spricht nicht gegen
ihren Ursprung von den Arrectoren, indem diese, wie ich
constatirte, *) bei manchen Individuen an gewissen I Iautpartien nach
aufwärts bis an den Papillarkörper, nach abwärts in mehrfachen
Zügen bis an das Fettgewebe der Cutis sich erstrecken. Dass bei den
entwickelten Tumoren kein unmittelbarer Zusammenhang mit den
Haarfollikeln bez. deren Muskelapparat besteht, kann nicht als
absolut gütiger Beweis gegen die Statthaftigkeit des Ausgangs¬
punktes von den Arrectoren betrachtet werden. Es kann näm¬
lich durch die an der Peripherie der Tumoren statttindende
Neubildung von Bindegewebe eine Lösung des ursprünglichen
Zusammenhanges herbeigeführt werden. Iliefiir besitzen wir
sehr viele Analoga. Ferner ist zu beachten, dass bei vielen
Dermatonosen, wie beispielsweise bei Lichen ruber, Lichen
syphiliticus, Prurigo, demnach bei AÜ'ectionen, wo der Haarbalg
Beizungen ausgesetzt und verstopft wird, constant Hypertrophie
dieser Muskeln vorgefunden wird. Bei Syphilis, Variola und
anderen Krankheiten sind die Arrectoren in eminenter Meise
betheiligt.
*) Sitzungsberichte der Akacl. d. Vissenscb. Math. Nat. CI. Istib.
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Ein Fall von multiplen Dermatomyomen.
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Dass die musculösen Elemente der Blutgefässe den Aus¬
gangspunkt der Neubildung abgeben, ist bisher nur von den
Venen, in einem von Aufrecht 1 ) an der Vena saphena, und
einem zweiten von Böttcher 2 ) an der Vena ulnaris beob¬
achteten Falle sichergestellt. Was die Arterien betrifft, haben
B r i g i d i und Ma r c a c c i auf Grund des vorhin angeführten histo¬
logischen Befundes erklärt, dass die Knoten aus der Muskulatur
der Tunica media der nächstgelegenen Gefässe, hauptsächlich
der Arterien und der der Gänge der Schweissdrüsen hervorgehen.
Dieser Ansicht ist H e s s in Bezug auf die Arterien beigetreten,
obschon sein Befund ebensowenig wie der der früher genannten
Autoren einen unmittelbaren Zusammenhang der Muskelzellen
der Knoten mit den Muskelzellen der Gefässhaut, wie der
bisher alleinstehende von Lukasiewicz, constatirt. A priori
ist diese Provenienz nicht zu negiren und eine Lösung des
Zusammenhanges mit der Neubildung durch die Contraction
der Arterien unschwer zu erklären. Doch dürften die muskulösen
Elemente der Blutgefässe, angesichts der Thatsache, dass an
ihnen ausserhalb der nächsten Umgebung der Neubildungen,
ja an diesen selbst, keine Anomalie sich vorfand, die Rund¬
zellen an einzelnen Punkten nur eine accidentelle Erscheinung
sind, wohl nur selten der Ausgangspunkt der Neubildung sein.
Im Falle Brigidi undMarcacci wareine ex- und intensive
Gefässerkrankung vorhanden, aber der von ihnen behauptete
genetische Zusammenhang derselben mit den Knoten, war durch
den histologischen Befund nicht erwiesen. Dass auch andere
als die gedachten Muskelelemente der Haut den Bildungsherd
der Myome abgeben können, ist nach der herrschenden Auf¬
fassung nicht zu negiren.
Was die Vermehrung der Muskelzellen bez. das Wachs¬
thum der Neubildung betrifft, dürfte sie hauptsächlich, viel¬
leicht zur Gänze auf Theilung der vorhandenen Muskelzellen
beruhen, wofür die Anwesenheit kleiner dünner Zellen neben
solchen von normaler Dimension spricht. Für die Annahme
einer theilweisen Bildung aus Plasmazellen liegen positive
Anhaltspunkte nicht vor.
J ) Vircbow’s Archiv. 1808. 44.
2 ) Ibidem.
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X e n ru a n n.
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Völlig im Dunkeln sind wir in Bezug auf die Aetiologio.
Die geringe Anzahl der Fälle bietet keine Aufschlüsse darüber,
wodurch die Neubildung der muskulären Elemente angeregt
und durch so lange Zeit unterhalten wird. Der Heredität, dem
Alter und Beruf lässt sich mit Bestimmtheit ein ätiologischer
Einfluss nicht einräumen. Vom 3. Lebensjahre ^wo im Fall
Hess das Leiden auftrat) bis zum (io. (F. Challand) sind die
verschiedensten Altersstufen und verschiedene Berufe vertreten, so
dass die Angabe von B r i g i d i und M a r c a c c i. dass die AtVection
in der mittleren Lebensperiode anftritt. nicht zutrilft. Dasiegen
lässt sich auf Grund der Frequenz der Krankheit in beiden
Geschlechtern ein Einfluss nach dieser Lichtung als wahrschein¬
lich annehmen. Von lli Fällen (die solitären von Förster,
Sokolow. Axel-Key und Santesson ausgeschlossen) ent¬
fallen 11 auf das weibliche — 5 auf das männliche Geschlecht. Be¬
achtenswert h ist. dass die Mehrzahl der Kranken mit schwelen
Krankheiten allgemeiner Natur behaltet, oder perenniremlen
Reizen ausgesetzt war. Die von Besnier beobachtete Kranke
war eine Wäscherin, mit Rheumatismus behaftet, und später
mit Neoplasmen verschiedenen Charakters (Carciimm der Mamma,
Fibromyom des Uterus); der von B r i g i d i und M a r c a e c i
beobachtete Kranke war in einer Salpoterfabrik beschäftigt und
später ein Strassenpflasterer, und im zweiten Falle J a d a s s o h n's
war die Neubildung der Knoten, laut Angabe der Kranken, im An¬
schluss an die Impfung in der Ellbogengegend des rechten Armes,
aufgetreten. Ob und welcher Art von Beziehungen zwischen
der Allgemeinerkrankung, in unserem Falle der Lues, be¬
ziehungsweise der anhaltenden Irritation und der Myombildung
obwalten, ist derzeit nicht zu entscheiden.
Die E n t w i c k lu n g der multiplen Dermatomyome erstreckt
sich über eine Zeitdauer, welche fast von keiner anderen Neu¬
bildung erreicht wird, und sie sind von einer Langlebigkeit, welche
nur von den tolerirten Warzen und Kolonien, die bis an
das Lebensende getragen werden, übertroffen wird. Die Knoten
nehmen äusserst langsam an Grösse zu und überschreiten nach
den bisherigen Beobachtungen nicht die Dimension einer Kirsche.
Hierin und in der Schmerzlosigkeit der meisten, manifestirt sich
der eminent benigne Charakter dieser Neoplasien.
Gck igle
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Ein Eall von multiplen Dermatoiuyomen.
13
Die Vermehrung der Knoten erfolgt schubweise in der
Umgebung bestehender, oder auch entfernt in einem anderen
Hautbezirke, aber doch immer an einem beschränkten Rayon.
Die Intervalle sind verschieden lang, ein völliger Stillstand ist
in dem, soviel ich weiss einzigen usque ad vitae finem beob¬
achteten Fall von Besnier nicht eingetreten. Doch können,
wie bereits Jadassohn’s Beobachtung lehrt, die Knoten
spontan eine Involution eingehen, wahrscheinlich durch Fett¬
metamorphose in Folge unzulänglicher Ernährung. Kalkab¬
lagerung haben Brigidi u. Marcacci gefunden. Die im Falle
Besnier post mortem vorgenommene Untersuchung der Knoten
ergab keine merklichen histologischen Veränderungen gegen¬
über den ersten mikroskopischen Befunden.
Die klinisch wichtigste Erscheinung bilden die Schmer¬
zen. Sie treten, wie bereits erwähnt wurde, in den vollständig
entwickelten Knoten ein, spontan, auf mechanische, oder thermische
Reize in Anfällen von verschiedener Intensität und Dauer, welch
letztere bisweilen über 6 Stunden und darüber sich erstreckt.
Manche Kranke sind auch in dem Intervall zwischen den Anfällen
nicht völlig schmerzfrei. Wodurch es bedingt ist, dass nur die ent¬
wickelten Knoten schmerzhaft werden, dass sie in manchen Fällen
nur auf äussere stärkere, in manchen auf äusserst leichte Reize
mit Schmerz reagiren, dass letzterer so lange anhält, und wo¬
durch die spontanen Anfälle ausgelöst werden, ist bisher keines¬
wegs genügend klargestellt. Diese Erscheinungen waren nicht
in allen Fällen mit dem jeweiligen Befunde in Ueberein-
stimmung. Die Frage, warum bloss die vollständig entwickelten
Knoten schmerzhaft werden, könnte dahin beantwortet werden,
dass sie, wie Unna 1 ) behauptet, „in ähnlicher Weise wie bei
Tubercula dolorosa nur von der abnormen Spannung einiger
Nervenäste, durch die sich vergrössernde Geschwulst abhängig
sind“. Dies dürfte für manche Fälle zutreffend sein. Dagegen
ist jedoch zu bemei’ken, dass Knoten ganz gleicher Dimension
nicht schmerzhaft sind, der durch abnorme Spannung der
Nerven erzeugte Schmerz permanent ist, und nur in der Inten-
') Orth. Handb. d. spec. pathol. Anatomie. Hautkrankheiten. Er-
gänzungsbd. II. Th. 3<>o.
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Gck igle
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14
Neu m a u n.
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sität wechselt; dass endlich viel voluminösere Geschwülste
anderer Kategorie an denselben Standorten, wenig oder
keinen Schmerz erzeugen. Plausibler insofern als sie zutreffender
ist, ist die Annahme, dass erst die vollständig entwickelten
bez. grossen Knoten, Nerven durch Einbeziehung der Um¬
gebung, möglicherweise auch durch Neubildung erhalten, die
entweder durch spontane oder durch äussere Reize ausgelöste
Contraction der Muskelfasern einen Druck oder eine Zerrung er¬
leiden. Hiefür sprechen die bereits hervorgehobenen Erschei¬
nungen an den Knoten während der Schmerzanfälle im Falle
Arnozan und Vaillard, gleichwie die oft die äusserlich
wahrnehmbaren Grenzen bedeutend überschreitende Ausbreitung
der Neubildung der Fläche nach. Die Interniittenz und die
lange Dauer der Contraction der glatten Muskelfasern erklären
in ungezwungener Weise das aulallweise Auftreten und die
lange Dauer der Schmerzanfälle. Dass die glatten Muskelzellen
in den Myomen sich contrahiren, ist durch die Beobachtung
erwiesen. Bei Mangel von Nervenfasern in und um die Knoten
fehlt selbstverständlich auch der Schmerz.
In diagnostischer Beziehung bieten die multiplen Dermato-
myorue nicht mehr die gleichen Schwierigkeiten dar wie
Besnier, der dieselben in beredter Weise schildert. Weder
seine heimischen Genossen, noch die gründliche Kenntniss aus¬
wärtiger Dermatologen, unter welchen einige der hervor¬
ragendsten sich befanden (le savoir profund de quelques der-
matologistes etrangers, dont quelques — uns des plus eminentst,
vermochten eine sichere Diagnose zu stellen. Nach langem
Rathen und Umfragen blieb diesem Autor zur Sicherstellung
der Diagnose bekanntlich nur der eine Weg offen, der auch
heute zu diesem Behufe eingeschlagen wird, die Biopsie, d. i.
Excision eines Tumor zur mikroskopischen Untersuchung bez.
Eruirung des Charakters der Neubildung. Eine Reihe von
Hautaffectionon, welche Besnier diagnostisch noch in Betracht
zog, wie die papulösen Hautausschläge, die subcutanen falschen
und wahren Tubercula dolorosa können derzeit im Vorhinein,
im Hinblick auf äussere Erscheinung, Loealisation insbesondere
Entwicklung und Dauer, ausgeschlossen werden. Die letztere
auch mit Rücksicht auf die Differenzen im Schmerz. Mit Keloid
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Eia Fall von multiplen Dermatomyomen.
15
haben die Knoten des multiplen Dermatomyom bis in eine
gewisse Phase Aehnlichkeit in Form, scharfer Begrenzung, Con-
sistenz, Localisation und auch Schmerzhaftigkeit. Doch zeigen
Entstehung und namentlich Entwicklung einen so bedeutenden
Unterschied, dass bei einer genauen Untersuchung eine Ver¬
wechslung vermieden werden kann.
Die Prognose ist quoad valetudinem nicht — wohl aber
quoad sanationem ungünstig. In Anbetracht jedoch, dass bisher
nur der eine Fall von Besnier usque ad finem beobachtet
wurde, konnten über wichtige Momente des ganzen Krankheits-
processes keine Aufschlüsse gewonnen werden. Hiezu ist die
Beobachtung einer grossen Anzahl von Fällen über einen, wie
die bisherigen Erfahrungen zeigen, die Lebensdauer umfassenden
Zeitraum erforderlich. Vielleicht bietet uns die Beobachtung
des vorliegenden Falles die Gelegenheit zur Klärung mancher
der noch dunkeln Erscheinungen.
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16
X eurnan n.
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Erklärung der Abbildungen auf Taf. I—IV.
Taf. I. Abbildung des Falles.
Taf. II. Partie des Oberarmes von demselben Falle.
Taf. III. Durchschnitt durch ein Knötchen. Färbung mit Pikro-
karmin.
Zeiss Objectiv A ; Ocular 2, Yergrösserung 50.
o Längsschnitte, b Querschnitte von Zügen glatter Muskulatur.
c Talgdrüse, d Haarfollikel, e Gefässquerschnitte. / Gefässlängsschnitte.
Taf. IV. Zeiss Objectiv E ; Ocular 2; Vergr. 300 zeigt eine Talg¬
drüse a mit verdickter Wandung b und daran inserirendem Arrector pili,
welcher ohne scharfe Begrenzung in das Myom übergeht, c Querschnitte,
d Längsschnitte von Zügen glatter Muskulatur, e Bindegewebs-Septa.
Gck igle
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Ueber die sogenannte diphtheroide Form
des venerischen Geschwürs auf dem Cervix
uteri.
Von
Dr. C. Rasoli,
erstom Assistenten an der Klinik, für Hautkrankheiten der Universität Kopenhagen.
Das venerische Geschwür (der weiche Schanker) auf dem
Halse der Gebärmutter gehört zu den ziemlich selten vor¬
kommenden Affectionen. Da dasselbe auch morphologische
Eigenthiimlichkeiten darbietet, welche von den gewöhnlichen
Typen dieses Schankers stark abweichen, und welche Ver¬
anlassung zu diagnostischen Irrthümern geben können, habe
ich es der Mühe werth erachtet, folgende drei Fälle, welche
ich in der letzten Zeit wahrzunehmen Gelegenheit gehabt
habe, mitzutheilen.
1. Fall. 30jährige Frau, welche am 22. Februar 1800 in die
dermatologische Klinik des Communehospitals gebracht wurde, deren
Chef, Prof. Haslund ich für die Erlaubnis*, das Journal benutzen zu
<Hirfen, hiermit danke. Der Mann der Patientin wurde drei Wochen vorher
im Hospital an einem venerischen Geschwür auf dem Frenulum, dem ein
beiderseitiger Bubo folgte, behandelt. Die Pat. hatte vor 2 Monaten zum
vierten Mal geboren. Das Kind, dem nichts fehlte, wurde gleichzeitig
des Stillens wegen aufgenommen. Pat. theilte mit, dass sie ungefähr seit
einem Monat einen eiterigen AusHuss aus der Scheide gehabt habe. Irgend
«in Geschwür an den äusseren Gcschlechtstheilen habe sie indessen nicht
wahrgenommen. Ein solches war jedoch wahrscheinlich vorhanden ge¬
wesen, da sie 3 Wochen lang eine schmerzhafte Drüsengeschwulst in der
linken Leistenbeuge gehabt hatte. Bei der Untersuchung fand sich unbe¬
deutender Ausfluss aus der Harnröhre und reichlicher eiteriger Ausfluss
-aus der Scheide. Auf dem Halse der Gebärmutter um das Üriflciuin,
Archiv f. Dormatol. u. Sypbil. liand XXXIX. o
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18
Rasch.
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welches an den Seiten eingerissen war, fand sich auf der etwas evertirten
Schleimhaut eine Affection, welche sich als gruppenweise auftretende,
confluirende, papulöse Hervorragungen mit fein granulöser Oberfläche
von gelber Farbe darstellte. Jede einzelne Hervorragung war von einer
Grösse, welche zwischen Erbse und Bohne varirte. Bei der geringsten
Berührung zeigte sich starke Blutung. Der Band war gebuchtet, polycy-
klisch. Die Affection war nach aussen von der blassrothen Schleimhaut
auf dem Cervix scharf begrenzt, schien sich aber nach innen bis in den
Cervicalcanal zu erstrecken. Keine Ulcerationsproccsse an den äusseren
Geschlechtstheilen. Während der Behandlung mit Alaundouche, Tannin-
Glycerin-Tampon in der Scheide und späterer Wasserdouche wuchs die
geschwulstartige Masse auf dem Collum gleichmässig und beständig im
Laufe der folgenden 16 Tage. Da man wegen des geschwulstartigen
Charakters der Affection nicht an die Möglichkeit eines venerischen Geschwürs
glaubte und sehr geneigt war, ein beginnendes Epitheliom anzunehmen,
wurde ein Keil zu mikroskopischer Untersuchung ausgeschnitten. Diese
Untersuchung zeigte indessen, dass nur eine diffuse und bedeutende
Rundzellenintiltration ohne Spur von epithelialer Neubildung ') vorhanden
war. Am 17. März wurde die Behandlung geändert, indem man mit täg¬
lichem Einpudern mit Jodoform und trocknem Wattetampom in die
Scheide begann. Am 21. März konnte man notiren : Nach 3tägiger Be¬
handlung mit Jodoform ist die AtVection auf dem Cervix flacher und hat
an Grosse bedeutend abgenommen. Der gelbe pseudomembranöse Belag ist
verschwunden, und die Farbe ist rotli geworden. Da der weiche Sehanker
die einzige Erkrankung ist, bei welcher Jodoform eine so hervorragende,
fast speciflsche Wirkung kat, so war so gut wie bewiesen, dass die
Affection auf dem Collum ein Schanker sein müsste, lim zu noch grösserer
Gewissheit zu kommen, wurde eine Inocnlation auf dein Unterleib ge¬
macht, welche jedoch erfolglos war, vielleicht weil das Gift durch die
angewandte Jodoformbehandlung schon geschwächt worden war, oder
weil man vielleicht statt des von dem Schanker abgesonderten Eiters
etwas von dem reichlichen Secret aus dem Cervicalcanal, welches das
Collum überschwemmte, genommen hatte. Indessen war uns der Zufall
günstig, da ein am 24. März durch Autoinoeulation entstandenes
typisches venerisches Geschwür auf der Uretralpapille von läuglich-
runder Form, 1 Cm. lang und 3—4 Mm. breit mit scharfen Rändern und
graugelbem, anhaftendem Belag gefunden wurde.
Am 1. April war die beschriebene Affection auf der Gebärmutter
vollständig verschwunden, dagegen blieb bis zum Tage der Entlassung
eine rothe, leicht granulöse kreisförmige Erosion um das Oriticium, aus
welcher eine reichliche Absonderung eiterigen Schleims (eine einmalige
*) Die Untersuchung auf dem Ducrey’schen Bacillus ergab ein
negatives Resultat. Das Präparat war aber 8 Tage in Alkohol aufbewahrt
gewesen und unter diesen Umständen gelingt es nie, diese Mikroben
zu färben. (Mündliche Mittheilung von Dr. Krefting in Christiania.)
Gck igle
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lieber die sogen, diphthero'ide Form des vener. Geschwürs. 19
Untersuchung zeigte keine Gonococcen) stattfand. Am 23. April war das
Geschwür in der Harnröhre geheilt. Während des ganzen Aufenthaltes
im Hospital hatte man dann und wann einen eiterigen Ausfluss aus der
Harnröhre, welcher bei der wiederholten Untersuchung keine Gonococcen
zeigte, beobachtet. Die Drüsenentzündung in der Regio inguinalis wurde
unter der Behandlung mit Eis und Bleiplatte im Laufe von 3 Wochen
resorbirt. Am 30. April konnte Pat. entlassen werden, ohne dass sich
bei ihr oder bei dem Kinde, welches jetzt über 4 Monate alt war,
Symptome von Syphilis gezeigt hätten.
Dass die beschriebene Affection auf dem Collum ein venerisches
Geschwür gewesen ist, dafür sprechen also folgende Umstände: 1. Vene¬
risches Geschwür bei der inficirenden Person, 2. Autoinoculation eines
venerischen Geschwürs bei der Patientin selbst, 3. Heilung durch
Jodoform.
2. Fall. Pat., eine 30jährige unverheiratete Arbeiterin, welche vor
3 V, Jahren geboren hatte, und welche früher nicht venerisch inficirt gewesen
war, gab an, 2‘/ 4 Monate vor der Aufnahme (am 16. Juni) angesteckt
worden zu sein. Hier wurden eine grosse Menge genitaler und perigeni¬
taler, folliculärer Schanker und auf dem Halse der Gebärmutter mit dem
Orificium als Centrum eine 2 Mark grosse, über die übrige Schleimhaut
etwas hervorspringende, leicht blutende Geschwürfläche, mit graugelbem,
anhaftendem Belag gefunden. Die Inoculation von dieser Fläche auf dem
Unterleib ergab einen typischen weichen Schanker. Nach 3tägiger Jodo¬
formbehandlung wurde der graugelbe Belag abgestossen, und die Ober¬
fläche wurde hellroth und granulös. Der Ausfluss aus dem Collum war
unbedeutend, aber mit Eiter vermischt, und Pat. hatte Ausfluss aus einer
paraurethralen Krypte zugleich mit jener diffusen, zähen, periurethralen
Geschwulst, welche man gewöhnlich bei Frauen findet, welche einen
chronischen Harnröhrentripper haben oder gehabt haben. Es zeigten sich
keine Symptome von Syphilis, nur eine recht bedeutende Infiltration in
einigen der geheilten Folliculitiden.
3. Fall. 43jährige Frau, aufgenommen am 23. Juli, am 21. Aug.
entlassen. Vor 7 Jahren ist sie vom Manne mit Syphilis inficirt worden.
Keine Recidive in den letzten drei Jahren. Ihr jetziges Leiden besteht
seit 14 Tagen. (Ansteckung vor 3 Wochen), Auf den äusseren Geschleehts-
theilen und auf den perigenitalen Hautpartien finden sich 13 venerische
Geschwüre typischer Art und von verschiedener Grösse, i Inoculation +•)
Auf der centralen Partie des Collum Uteri drei hervorragende, leicht
blutende Plaques von grauröthlicher-graugelblicher Farbe und ein flaches
erbsengrosses Geschwür. Reichlicher eitriger Ausfluss aus demCervicalcanale.
Inoculation auf dem Unterleibe von den hypertrophischen Plaques gibt
ein negatives Resultat, während eine von dem flachen Geschwür gemachte
Inoculation positives Resultat gibt. 29. Juli 2 neue Geschwüre auf dem
linken Schenkel (Autoinoculation). 21. Aug: Unter Behandlung mit warmen
Bädern, Scheidenausspülungen, Aetzungenmit Carbolsäure und Jodoformver¬
band sind jetzt alle neunzehn Geschwüre vernarbt und die Patientin wird als
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20
R a sch.
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geheilt entlassen. Doch besteht natürlich noch die chronische Endometritis
Während des Ilospitalsaufenthaltes ist kein Zeichen von Syphilis wahrge¬
nommen worden.
Wenn schon die venerischen Geschwüre auf dem Cervix
überhaupt sehr selten sind, so scheint die beschriebene diphtheroide
Form den meisten, selbst den Syphilidologon vom Fach unbe¬
kannt zu sein, obgleich dieselbe, wie wir später sehen werden,
wahrscheinlich die häufigste ist. In den allermeisten Iland- und
Lehrbüchern findet man nichts darüber, ja selbst in Lang's
Specialarbeit (Das venerische Geschwür, Wiesbaden Iss?) findet
man mit keinem Worte erwähnt, dass das venerische Geschwür
auf dem Collum zuweilen Eigenthiimlichkeiten, wie in den
oben beschriebenen Fällen. 1 ) darbietet. Trotzdem ist diese
klinische Form schon von dem berühmten Gynäkologen 15 er nutz
in einer Mittheilung an die Soc. med. des hbp. in Paris 1*53
unter dem Namen „Chancre diphtherithpie“ beschrieben (cf. die
unten citirte Abhandlung von Schwärt z). 15. unterschied
dieselbe indessen nicht ätiologisch von dem syphilitischen
Schanker. Der erste, welcher dies that, war A. Gucrin (18(54)
in seinen „Maladies des Organes genitaux externes de la temme".
Desprös (ls70) warf die verschiedenen Formen wieder zu¬
sammen. Is72 erwähnt Fournier mit A. Gucrin als Ge¬
währsmann (in dem Artikel Chancre in Jaccoud's Dictionnaire).
dass ausser den gewöhnlichen multiplen, tiefen, scharfgeränderten
Geschwüren auf dem Halse der Gebärmutter eine Form Vor¬
kommen könne, welche als „une Sorte de plaque jaunätre ou
d'un blaue grisatre, assez analogue ä une fausse membrane
diphtherititpie, et taisant un relief plus ou moins coiisidcrable
an dessus de la ruuqueuse“ beschrieben wird. Lin .lahr nach¬
her 1873 machte Ch. Schwartz das venerische Geschwür und
den syphilitischen Schanker auf dem Collum uteri zum Gegen¬
stand einer Dissertation (Etüde sur les chancres du col uterin.
Paris 1873, Delahaye). Seine Arbeit ist ein Ausdruck für
Foui nier’s Anschauungen und Lehren. F s. klinische Vor-
*) Dasselbe gilt von den gvnücoh»gischen Handbüchern. >elbst in
einer so neuen Arbeit wie Winters Lehrbuch der gynäkologischen Dia¬
gnostik. Leipzig ist diese Form nicht erwähnt. Die IJe&chrcibung
des venerischen Geschwürs auf dem Cervix ist auf die übliche Re-
schreibung dieser Schanker, wie sie auf der Haut Vorkommen, beschränkt.
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Ueber die sogen, diphtheroide Form des vener. Geschwürs.
21
lesungen im Anfang der 70ger Jahre machte der Verwirrung
und der Verwechslung der verschiedenen Krankheiten, welche
früher so allgemein gewesen war, ein Ende. F. hat später selbst
(Le^ons sur la Syphilis chez la femme, 2 edit. 1881) bei Be¬
sprechung der Differentialdiagnose zwischen dem syphilitischen
Schanker und dem venerischen Geschwür auf dem Collum eine
kurz gefasste Darstellung der verschiedenen Formen, unter
denen das venerische Geschwür sich auf dem Collum zeigen
kann, gegeben. Im selben Jahre (1881) hat Mo lenes in den
,.Annales du dermatologie 14 unter dem Titel: „Contribution
ä l’etude de chancre non infectant du col de Tuterus (variete
diphtheroide) folgende 2 Fälle von ganz derselben Art wie
unser erster Fall beschrieben.
1. 21jähriges Mädchen; 2 Geburten, wonach Leukorrhoe. Bei der
Untersuchung fanden sich 2 Geschwüre auf den grossen Lippen, ein
Geschwür in der linken Genitocruralfalte, eine Menge Geschwüre im
Introitus und um die Uretralpapille. Auf dem Collum uteri sah man
eine hervorspringende Plaque mit rothera Rande und weissgelbem Belag
sowie zahlreiche gefurchte Depressionen („gleichwie die Oberfläche des
Gehirns mit seinen Gvri und Sulei*‘). Ausserdem 2 Geschwüre in dem
obersten Theil der Scheide. Positive Inoeulation. Dauer: 3 Wochen.
2. 2ujähriges Mädchen; 2 Geburten. Chronische Endometritis. Auf
der grossen Lippe eine Menge folliculärer Geschwüre; auf dem Collum
uteri 2 marnelonnirte, hervorspringende Plaques mit weissgrauem dipk-
theroidem Belag, bestehend aus mehreren durch Furchen getrennte Protu¬
beranzen. Mehrere Geschwüre in der Scheide. Das Geschwür auf dem
Collum heilte erst im Verlauf von 0 Wochen. Pat. hatte zugleich chro¬
nische Metritis und Endometritis und bei der Entlassung blieb eine
Erosion auf dem Collum. Während 3 monatlicher Beobachtung kein
Symptom von Syphilis.
SeitMolenes Mittheilung im Jahre 1881 scheint der
diphtheroide Schanker auf dem Cervix (wie überhaupt das
venerische Gebärmuttergeschwür) nur einmal in der Literatur
erwähnt worden zu sein, und zwar von Di Bella & Ingria
(Sulla ulcera non infettante muliehre, La Sicilia inedica.
Tome I, ref. in diesem Archiv 1890), welche mittheilen, dass
sie auf dem Collum venerische Geschwüre beobachtet haben,
welchen in der Begel der scharfe Rand und der vertiefte Grund
fehlte, während sie sich dagegen als eine graue, etwas über
das Niveau der Schleimhaut hervorspringende, mit einer diphthe-
roiden Pseudomembran bedeckten Phujue zeigen.
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22
K a s c h.
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Wenn man auf Grund unserer und der in der Literatur
berichteten Fälle eine Beschreibung des diphteroiden Schankers
auf dem Collum geben soll, so lässt es sich in aller Kürze mit
folgenden Worten thun. Das venerische Geschwür auf dem
Collum uteri kann, anstatt sich als ein tiefes, scharfgerändertes
Geschwür zu zeigen, als eine papulös hervorspringende,
mit einer anhaftenden Pseudomembran bedeckte, zuweilen
ganz geschwulstartige Masse mit unebener, gefurchter und
knolliger Oberfläche, von gelber Farbe und mit polycyklischer
oder runder Contour, welche von den Umgebungen scharf ab¬
gegrenzt ist, auftreten. Der erste und dritte von unsern 3 Fällen
ist ein Typus für diese Form. Zu anderen Zeiten bildet dieses
Geschwür, wie in unserem zweiten Falle, eine einzelne, nur
schwach hervorspringende Plaque von der Grösse eines Mark¬
stücks, welche sonst dieselben Eigenthümlielikciten wie im erst¬
genannten Falle darbietet. Beide Formen zeigen grosse Neigung
selbst bei leichter Berührung, z. B. mit einem Wattetampon,
zu kleinen Hämorrhagien, eine Eigenthiimliehkeit, welche in
unsern Fällen sehr hervortretend war, und welche auch von
früheren Beobachtern des weichen Schankers auf dem Col¬
lum im Allgemeinen erwähnt wird (Such an eck, Scanzoni
und Dawosky, eit. bei Schwartz). Die Frage, warum der
Schanker in gewissen Fällen das beschriebene Aussehen an¬
nimmt, ist von den Verfassern, welche früher dahin gehörige
Fälle veröffentlicht haben, nicht discutirt worden. Unsere drei
Patienten hatten indessen alle eine vorherbestellende Gebär-
mutterafl’ection, welche uns wohl zu der Annahme berechtigt,
dass sie den Boden auf dem Cervix so vorbereitet habe, dass
der Schanker sich auf so ungewöhnliche Weise hat entwickeln
können. Alle Patienten hatten nämlich eine chronische Endo¬
metritis mit den gewöhnlichen „Erosionen 1 * auf dem Collum,
und in beiden Fällen entsprach die Ausbreitung des Schankers
ungeiähr der Grösse dieser Afl’ection. Auch in den verschiedenen
in der Literatur mitgetheilten Fällen (wie in Molenes' bei¬
den Fällen) findet man erwähnt, dass die Patienten, welche
last alle geboren hatten, an Leukorrhoe oder chronischer
Endometritis litten oder gelitten hatten, ohne dass man jedoch
besonderes Gewicht auf diese Erscheinung legte. Es ist ein-
Go^ 'gle
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Ueber die sogen, diphtheroide Form des vener. Geschwürs. 23
leuchtend, dass die von dem endometritischen Folgeleiden ange¬
griffene Schleimhaut mit ihrem kranken und dünnen, an ein¬
zelnen Stellen fehlenden Epithelium die Entwicklung des Schankers
ganz anders begünstigen kann als ein gesundes Epithel. Von
der Häufigkeit der hier beschriebenen Schankerform weiss man
nicht viel, wahrscheinlich wird sie noch jetzt wie früher recht
allgemein verkannt. Ausser Molenes’ 2 Fällen und Bernutz’s
7 Fällen findet man in Schwärtz’ These einzelne hierher ge¬
hörige Fälle. Fournier, welcher in den 6 Jahren, in denen
er Oberarzt im Lourcine war, 25 Mal das venerische Geschwür
auf dem Cervix beobachtet hat, gibt nicht an, wie oft dasselbe
das papulöse, hypertrophische Aussehen gehabt habe, aber
sagt in seinen Vorlesungen über Syphilis bei der Frau, dass
es „häufig“ diese Form annehme. Wenn man nach dem Studium
aller Krankenberichte, welche überhaupt über Schanker auf
dem Cervix vorliegen, und in denen die Symptome und der
Verlauf einigermassen sorgfältig beschrieben sind, urtheilt, so
bekommt man den Eindruck, dass das venerische Geschwür
auf dem Cervix sich überhaupt weit häufiger in der hier be¬
schriebenen Form als wie das gewöhnliche scharfgeränderte
tiefe Geschwür zeigt. Diese Auffassung nähert sich auch der von
Schwartz gegebenen Darstellung. Dieser Verfasser behauptet
nämlich, dass B er nutz’ diphtheroider Schanker keine Form
sei, welche von den gewöhnlichen Formen scharf abgegrenzt
sei, sondern dass sich alle möglichen Uebergänge zwischen den
hypertrophischen diphtheroiden Schankern und den gewöhn¬
lich beschriebenen Formen finden. Unser 3. Fall stützt diese
Auffassung. Was die Dauer betrifft, so ist dieselbe weit grösser
bei der diphtheroiden Form als bei einem Geschwür von der
gewöhnlichen Form. Während dieses oft im Verlauf von einigen
Tagen, selbst ohne irgend eine andere Behandlung als einfache
Reinlichkeit, heilt, dauert die hier erwähnte Form viele
Wochen, wenn keine Aetzung vorgenommen wird oder wenn
nicht die Jodoformbehandlung eintritt. *)
*) Die grosse Schnelligkeit (5—6 Tage), mit welcher das venerische
Geschwür auf dem Uterus in der Regel heilt, wie die Thatsache, dass
es nie von eiternden Bubonen in der Fossa iliaca begleitet ist, sowie
endlich seine grosse Seltenheit, wird leicht durch das von Aubert be-
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24
Ras c h.
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Die Diagnose wird dem wahrscheinlich leicht sein*
welcher diese Affeetion einmal gesehen oder nur von ihr gehört
hat, da es keine andere Läsion gibt, welche dieser genau gleicht.
Glaubt man die Diagnose nach dem Aussehen allein nicht
stellen zu können, so werden fast immer an oder um die
äusseren Geschlechtstheile ein oder mehrere venerische Ge¬
schwüre von dem gewöhnlichen Aussehen sein, so dass man
durch sie leicht auf den rechten Weg geleitet wird. In den
von Schwartz gesammelten 2ö I-’ällen von Gebärmuttorsehan¬
kern waren 28 Mal Schanker in der Vulva. Sollte man hier
keine Schanker finden, muss man seine Zuflucht zu der
Inoeulation nehmen, welche heim positiven Besultat Sicherheit
für die Diagnose gibt. Man muss hier darauf achten, dass man
wirklich das Sekret von der Oberfläche des Schankers erhält,
und man nicht von dem aus der Gebärmutterhöhle altge¬
sonderten Eiter einimpft, welcher natürlich nur Inoculations-
schanker gelten wird, wenn das Geschwür sich bis in den
Cervicalcanal erstrecken möchte. Ebenfalls muss man sich
natürlich hüten, die Inoeulation zu einem Zeitpunkt vorzunehmen,
wo kurz vorher mikrobicide Agentin mit der Oberfläche des
Schankers in Berührung gewesen sind. Die Ditferentialdiagno>e
von dem syphilitischen Schanker wird zuweilen schwierig sein
können; dieser hat aber, wie die selten vorkommenden Fapeln
auf dem Collum, eine mehr graue Farbe, welche recht ver¬
schieden von der hellgelben des weichen Schankers ist, und
die Inoeulation gibt natürlich ein negatives Resultat. Die Ver¬
härtung. welche sonst, wenn es die Dillorentialdiagnose zwischen
diesen beiden Krankheiten gilt, von so grosser Bedeutung ist.
wird in der Kegel schwierig, selbst bei typisch syphilitischen
Schankern, wegen der Localitüt nachgewiesen werden können.
Da die venerischen Geschwüre ausserdem oft von einer ge¬
wissen Entzündungsgeschwulst begleitet sein können. hat
man hei den Schankern auf dem Collum wenig Vortheil von
diesem Symptom. Zuweilen wird man genüthigt sein müssen,
die Diagnose in suspenso zu lassen, bis sich vielleicht andere
wiesrne Factum, dass das Agens dos venerischen tJescliwürs, wenn es
M!—ls Stunden einer Temperatur von '!7—'!>" ausgesetzt ist, seine
Virulens verliert.
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Ueber die sogen, dipktheroide Form des vener. Geschwürs.
25
Symptome von Syphilis zeigen. Wenn das venerische Geschwür
nur schwach erhaben, wie in unserm zweiten Fall, ist, wird die
Diagnose besonders schwierig sein gegenüber den gewöhnlichen
Erosionen, wie man sie bei Endometritis von gonorrhoischer
oder anderer Natur findet, besonders wenn der Schanker zu¬
weilen, wie in unserem Falle, mit einer solchen Affection zugleich
auftritt. Hier spielt wieder die Farbe der Läsion eine Rolle.
Die Erosionen haben in der Regel eine rothe Farbe, wogegen die
Farbe des Schankers gelbroth, grauroth oder gelblich ist. Diese
Farbe rührt von der anhaftenden diphthero’iden Pseudomembran,
welche man nicht bei der Erosion findet, her. Man muss jedes
Mal, wenn man auf einer Erosion auf dem Collum die be¬
schriebene Pseudomembran findet, an die Möglichkeit eines
weichen Schankers denken. Geben die äusseren Schanker keine
Sicherheit für die Diagnose, so muss man sich diese durch
Inoculation verschaffen. Endlich könute man sich denken, dass
der diphtheroide Schanker in seiner hyperplastischen Form,
wie in unserem ersten Fall, einem Beobachter, welcher den¬
selben zum ersten Mal sieht, Veranlassung zur Verwechse¬
lung mit einem Epitheliom geben könnte. Eine Excision mit
folgender mikroskopischer Untersuchung wird diese Diagnose
bald ausschliessen.
Die Behandlung muss dieselbe sein wie bei dem
venerischen Geschwür im allgemeinen. Das von ErnestBesnier
im Jahre 1867 in die Therapie dieser Krankheit eingeführte
Jodoform feiert hier grosse Triumphe. In unserem ersten Falle
war es überraschend zu sehen, welche Veränderung mit der
Affection bei einer nur 3—4tägigen Jodoformbehandlung vor
sich ging. Ausserdem muss man natürlich durch häufige
Scheidendouchen für eine peinliche Reinlichkeit sorgen, um
den Pat., soweit wie möglich, vor Antoinoculationen zu bewahren.
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Ans dem Privatlaboratorinm des Herrn Docenten
Sr. Ehrmann in Wien.
Die Genese der paraurethralen Gänge, mit
besonderer Rücksicht auf die gonorrhoi¬
sche Erkrankung derselben.
Von
Dr. Peter Röna, Wien.
(Hierzu Taf. V u VI.)
Touton’s Arbeit über „Folliculitis praeputialis et parau-
rethralis gonorrhoica“ *) (1889) bat in Deutschland die Auf¬
merksamkeit auf dieses früher wenig beachtete Capitel gelenkt.
Bei dem nicht geringen theoretischen und praktischen Interesse,
das die Sache bietet, glaube ich durch neue Beiträge keine
unnütze Arbeit gethan zu haben. Neben dem Versuch einer
Erklärung für die Entstehung der paraurethralen Gänge, habe
ich auch auf die histologische Untersuchung des gonorrhoisch
erkrankten Gewebes besonderes Gewicht gelegt, und zu den,
bis jetzt in der Literatur vorhandenen, mikroskopisch genauer
untersuchten Fällen (Touton, Pick, Jadassohu, Fabry)
noch vier eigene Untersuchungen hinzugeliigt, die dem ange¬
sammelten Material des Ambulatoriums des Herrn Doc. Dr. Ehr-
mann entstammen.
In der französischen Literatur findet man schon früher
Angaben über abnorme Gänge und Oeffnungen an der Glans
penis. Sie haben vielfach die unklare Vorstellung einer doppel-
') Archiv f. Permat. u. Syph. 1SS9. I.
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II b n a.
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ten Uretlira erweckt. Jarjavay 1 ) sagt aber schon: „Cette
duplicite de l'urethre n’est qu'une apparance. Le pretendu incat
qui est le plus eleve, et quel'on pourrait prendre pour l'oritice
d'un canal, n'est autre chose qu une gründe lacune, la lacune
la plus anterieuro de celles qifon trouve sur la paroi
superieure de 1'urethre.“ Ebenso äussert sich Guvon:-) „La
duplicite de l’uretlire u'existe pas, sauf les cas de verge double;
il s'agit ordinaireuient des canaux aceessoii dsüber deren
Natur er aber nichts aussagt. Diese Art von Gängen halte ich
nicht in den Kreis meiner Untersuchung gezogen, da sie sich
schon genetisch von den hier behandelten unterscheiden. Während
letztere entwicklungsgeschichtlich mit der Duldung der Urethra
Zusammenhängen, beruhen die crsteren auf Anomalien in der
Bildung der Corpora cavernosa. Die crsteren sind mit der
Kpispadie, die letzteren mit der Hypospadie verwandt.
Auf die paraurethrale Ulenorrhoe hat zuerst Diday a )
aufmerksam gemacht, indem er erwähnt, dass die Ulenorrhoe
zuweilen auf die innerhalb Labien des Orificiums gelegenen
„Schleimdrüsen“ oder blinde Einstülpungen der Harnröhre sich
fortsetzt, und hebt gleichzeitig die zwei praktisch wichtigen
Eolgen dieser Erkrankung hervor. Erstens, dass sie die Dauer
der gonorrhoischen Erkrankung bedeutend verlängern können,
und zweitens, dass sie einen Herd für eine neuerliche An¬
steckung (Autoreinfectio der neueren Autoren) abgehen können.
Zu gleichem Resultate kommt auch Otis 4 ) nach der Analyse
drei eigener Beobachtungen. „The lbregoing cases taken to-
gether appear to me to warrant the inclusion of idllicular
sinuses among the possibie causes of persistant urethral dis-
charge."
Oedmansson 5 ) theilte im Jahre 1 ss.j eine grössere
Beihe von Untersuchungen über die „Urethritis externa“
*) Jarjavav. Do l’uretlire de rhomme. cit. 1 M*i I.ejars.
2 ) Guvon. Vice de Confbrmation de l’uretlire. Paris. Dolahaye 1H>3.
■’j I)iday. De la blennorrha^ie des follicules imupieux du me at
de l’uretlire oliez rhomme. Gaz. hebd. de med. et de Hiir. 1><5 ij p. 27b.
4 ) Otis. Strieture of tlic male uretlira; its radioal eure. ISh).
2. Aull. p. 0.
:, 1 Oedmansson. Xord. med. Ark. Stockholm. I. l^>b. IVlmrsetzt
im Journal de medecine de Paris. 23 amit ISS5.
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Die Genese der paraurethralen Gänge.
29
(Guerin) mit. Von den accessorisehen Gängen beschreibt er
erstens solche, die im Orificium Urethrae liegen. „Ils s’ouvrent
d’ordinaire au voisinage de la commissure posterieure de
l’urethre au bord meine de la levre de l’orifice, parfois plus
auterieurement ou un peu plus en dehors de ce bord.“ Ausser¬
dem auch solche zwischen beiden Blättern des Präputiums:
„Outre ces conduits il en existe aussi d’autres situes entre les
deux couches de prepuce et s’ouvrant pres du frein.“ Er hält
die Gänge für abgeschlossene, dilatirte Lymphgelasse; eine
Annahme, die durch die späteren Untersuchungen hinfällig
geworden ist.
Hamonic 1 ) tlieilt die entzündeten Gänge als »Folliculi¬
tiden“ nach der verschiedenen Localisation folgendermassen ein.
1. Folliculitis der Corona Glandis. (Balanofolliculite.)
2. Folliculitis der Harnröhre.
3. Folliculitis der Fossa navicularis.
4. Follic. am Penistheil der Urethra (Urethro-Folliculite
])enienne).
5. Follicul. der Pars membratiacea et prostatica (Follic.
posterieure).
Jam in 2 ) beschreibt drei Fälle paraurethraler Gänge. Die
abnormen Oelfnungen lagen da zweimal über der etwas nach
unten verlagerten Urethralött’nuug; es bestand also in beiden
Fällen eine leichte Hypospadie. Im dritten Falle lag sie in
der mittleren Partie des linken Labiums 2—3 Mm. vom Rande
entfernt. Von grosser Wichtigkeit ist seine Beobachtung, dass
in jedem der untersuchten Fälle ein gewisser Grad von Deformität
der Harnröhre und des Orifieiums der Urethra vorhanden war.
„Les malades presentaient tous uu vice de conformation conge¬
nital et une largeur excessive du meat.“ Und weiter: j„Que
conclure de la coexistence de ces petits pertuis, orifices de
trajets fistuleux, avec un meat mal forme plus ou moins hypo-
spadique, mais en tous cas trop large V Faut-il y voir un signe
de congenitalite de la fistulette, laquelle ne serait plus alors
*) Haraonic. De follieulit. blennorrhagique de l’liorume. Ann. med.
ebir. franc. et Arang. 1885 cit. bei Touton.
* J ) Jam in. Les fritules juxta-urethrales du meat comme cause de
poreistance de la Blennorrhoe. Anal, des mal. des orig. urin. 188G.
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R <> n a.
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qu’un rudiment de l’urethre accessoire, trace d’un vice de
developpement embryonnaire ?“ Auch J u 11 i e n ’) betont, dass
man die Nebenöffnungen besonders in Fällen von Hypospadie
oder besondere Weite der Urethra findet.
Lejars 2 ) theilt die accessorischen Gänge nach ihrer
Entstehungsweise in zwei Gruppen. In die erste gehören solche,
die auf Ectopien des Rectums, der Canaliculi ejaculatorii, der
prostatischen Gänge zurückzuführen sind; in die zweite, die auf
eine besondere Art der Epispadie beruhen. Er stellt sich vor,
dass durch eine incomplete Verwachsung der nach oben offenen
Spalte der beiden Corpora cavernosa, und zwar nur am oberen
und unteren Rande, ein länglicher Canal entsteht, der eben
den accessorischen Gang darstellt. „Les bourgeons se sondent
au niveau de la peau, il se sondent au niveau du eorps caver-
neux, ils restent separes entre la peau et le corps caverneux;
d’oü le canal sous-coutane.“ Diese Erklärung passt aber nur
für die weiten Gänge am Dorsum Penis, die vom Sulcus coro-
narius bis zur Symphyse reichen, und die ich nicht in den
Bereich meiner Untersuchungen einbezogen habe. Lejars gibt
auch die Abbildung eines solchen Falles. — In letzter Zeit
hat Englisch 3 ) eine umfangreiche Untersuchung über ähnliche
Fälle veröffentlicht.
Ueber die Gänge im Präputium finden sich Angaben bei
v. Dühring. 4 ) Entgegen der allgemein angenommenen An¬
schauung, nach welcher das Präputium sich als eine Hautfalte
über die schon vorgebildete Eichel stülpt (Schweigger-
Seydel, 4 ) behauptet v. D ühri n g, dass es sich aus einem von
Apex glandis glockenartig sich einstülpenden Epithelzapfen her-
ausdifferencirt. Während S c h we i gg e r- S ey d e 1 und 1> ö k a i - ’)
')Jullien. Traite pratique des nmladios vönöriennes. Bailiiere
Paris. 1886, p. 167.
*) Lejars. Des canaux accessoires de l’urethre. Annal. de malad,
des orig. urin. 1888.
3 ) Englisch. lieber doppelte Harnröhre. Centralbl. für die Krank¬
heiten der Harn- u. Sexualorgane 1895.
4 ) Schweigger-Seyde 1. Virchov’s Archiv. Bd. 37, p. 219.
*) Bökai. Die Krankheiten der Urogenitalorgane des kindlichen
Alters. Gerhardt’s Handbuch.
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Die Genese der paraurethralen Gänge.
31
eine spontane Lösung 1 ) der secundären Verwachsung der
Vorhaut mit der Eichel annehmen, leugnet y. Dühring eine
solche „epitheliale Verklebung“, und lässt den Präputialsack
durch einen centralen Verhornungsprocess des Epithelzapfens
entstehen. Dieser Anschauungsweise entsprechend, beschreibt er
nun drei Arten epithelialer Einstülpungen.
1. Cysternen des Frenulums und der angrenzenden Partien
der Glans.
2. Gruppirte Divertikel, an der Innenfläche des Präputiums,
meist in einer mittleren Region des inneren Blattes, in der
Nähe der Frenulum-Anheftung.
3. Appendices des Präputialsackes; Nischen, die durch
den unregelmässigen Ausfall der Hornschicht in der Epithel¬
leiste entstehen sollen. (Entsprechen den „Glandulis Tysonii“
im Sulcus coronarius.)
v. Dühring zieht die Schleimhautgänge nicht in den
Kreis seiner Beobachtung. Auch die Entstehung eines im Linibus
ausmündenden, zwischen beiden Präputialblättern gelegenen
Ganges findet auf der erwähnten Weise keine Erklärung.
Die erste mikroskopische Untersuchung eines gonorrhoisch
erkrankten paraurethralen Ganges verdanken wir Touton
(1889). Der „intrafolliculär* d. h. in einem vorgebildeten
Hohlraum gebildete Abscess lag an der Unterfläche des Präpu¬
tiums, und stellte sich als eine von der Epidermis ausgehende
drüsenähnliche Einstülpung, mit geschichtetem Pflasterepithel
ausgekleidet, dar. Touton fasst den Gang als eine abnorm
gelagerte sogenannte Tyson s’sche Drüse auf. Bei einer späteren
Publication 3 ) spricht sich Touton noch bestimmter für die
drüsige Natur dieser Gänge aus. In diesem Falle lagen zwei
Gänge an der Unterfläche des Penis rechts und links von der
Raphe, und stellten ebenfalls schlauchförmige, von geschichtetem
Pflasterepithel bekleidete Einsenkungen der Epidermis dar.
Touton erklärt dieselben für Talgdrüsen, bei denen in Folge
l ) Nur selten erfolgt die Lösung durch Eiterung. Mat tenheiraer.
Ueber angeb. Anomalie der Genitalien. Journal f. Kinderheilkunde 1869.
*) 1. c.
5 ) Touton. Weitere Beiträge zur Lehre von den gonorrhoischen
Erkrankungen der Talgdrüsen am l’enis. Berl. klin. Wochenschr. 1892.
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der gonorrhoischen Erkrankung das secernirende Epithel ver¬
loren gegangen, und durch geschichtetes Epithel ersetzt ist. —
Diese Erklärung reicht aber gewiss nicht für alle, an dem be¬
treffenden Orte häufig auffindbaren Gänge aus. Man findet sie
bei Leuten, die nie an Gonorrhoe erkrankt waren, angeboren,
und wo gar nichts für die drüsige Natur derselben spricht.
Die Ansicht Jadassohn’s’) geht auch dahin, dass klinisch
kein Anhaltspunkt dafür vorhanden sei, die Talgdrüsennatur der
fraglichen Gebilde anzunehmen. Histologisch hat er auch nie
irgend etwas gefunden, was die Touton’sche Ansicht bestätigt
hätte. — Gleichzeitig weist er darauf hin. dass die Gänge
mit entwickelungsgeschichtlichen Anomalien Zusammenhängen
könnten.
In einer früheren Arbeit *) theilt Jadassohn nach seinen
Beobachtungen die paraurethraleu und präputialen Drüsengange
in vier Abtheilungen ein. 1. Solche zwischen den Blättern des
Präputiums; drüsengangartige Einsenkungen der Epidermis.
2. Feine Gänge dicht neben dem Orif. urethrae, oder auf der
Schleimhautseite der Labien; das ist das häufigste Yorkommniss.
Die siud vorgebildete Gänge, die vielleicht einer abnorm ver¬
lagerten Ausinündung der in der l'rethra ant. mündenden
Littre’sehen Drüsen entsprechen. 3. Gänge an der Unterlläche
des Penis, neben der Baplie, seitlich und nach hinten vom
Frenulum; von unbekannter Herkunft. 4. Weite Gänge am
Dorsuin Penis vom Sulcus coronarius bis zur Symphyse reichend.
Hierher gehört der Fall von Lejars.
Ausserdem wären noch die Publicationen von Pick J )
und Fabry 4 ) anzuführen. Der letztere spricht sich auch für
die Drüsennatur der Gänge aus.
*) Jadassohn. Zur pathol. Anatomie und allg'-m. Pathologie des
gonorrk. Processes. IV. dornuit. Congress 1894.
2 ) Jadassohn. Ueher die Gonorrhoe der pars urethralen und
präputialen Drüsengänge. Deutsehe med. Woehensehr. 1890, Nr. 25. 20.
3 ) Pick, Feber einen Fall von Folliculit. )>räput. gonorrhoica.
I. dermat. Congress 1889.
4 ) Fabry. Zur Frage der Gonorrhoe des parsurethr. u. präputialen
Gänge. Monatsk. f. prakt. Dermat. 1^91.
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Die Genese der paraurethralen Gänge.
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Zum Schlüsse sei noch einer Eintheilung Erwähnung ge-
than, welche C. Taruffi 1 ) gibt. 1. Aberirte Samengänge.
2. Blindsackförmige Gänge. 3. Nebenharnröhren. 4. Abnorme
Afterbildung unterhalb der Harnröhre (Anus penieu).
Nach den im Ehrmann’schen Ambulatorium gemachten
Beobachtungen, kommen abgesehen von den als sogenannte
■doppelte Harnröhren bezeichneten Gängen am Dorsum Penis
folgende, für die Blenorrhoe wichtige Gänge vor.
1. Solche, die an den Bändern der Urethra, respective
am Orif. Urethrae ausmünden; das sind Hohlgänge mit einer
feinen punktförmigen Oeffnung theils in den Urethrallippen,
fheils an der Frenularcommissur. Diese kommen auch bei
normal entwickelter Ux-ethralmündung vor.
2. Gänge bei Hypospadie. Die Hypospadie ist in dieser
Iteihe von Fällen entweder der Art, dass von der an der
Unterfläche des Penis hegenden Mündung der Urethra eine
tiefe Furche bis zum Apex glaudis zieht, die Furche ist offenbar
der nicht geschlossene vordere Theil der Urethralrinne und
findet sich an der Stelle des hier fehlenden Frenulums. In zwei
dieser Fällen, einer davon ist Tal. V, Fig. 1 abgebildet, sahen
wir an beiden Rändern der Rinne und an ihren Seitenflächen
eine grössere Anzahl, in dem einen Falle je 3, in dem anderen
zusammen 8, parallel zur Urethra verlaufende, nach vorne
mündende 2 Mm. bis 1 Cm. lange Gänge, in einem Falle
blennorrhöisch erkrankt, im anderen nicht. Ein dritter, ähnli¬
cher Fall, der für die Genese der Gänge sehr lehrreich ist,
wird weiter unten genauer beschrieben. In der anderen Reihe
von Fällen mündet die Urethra durch eine kleine Oeffnung.
vor welcher unter Umständen statt der Rinne eine dünne Mem¬
bran vorgelagert ist; da befindet sich die Mündung meist noch
hinter dem Ende der Corona glandis, also hinter der Stelle,
wo sich sonst das Freuulum befindet. In diesen Fällen ist
häufig auf dem Apex glandis ein kürzerer oder längerer Blind¬
sack, der offenbar die Anlage der normalen Urethralmündung
*) Cesare Taruffi. Sur les cauaux abnorineaux de laVerge. Bull-
delle sc. med. die Bologna. Maggio. Ref. im Anual. des malad, des org.
mrin. 1891, p. 817.
Archiv f. Dermatol, u. Syphil. Baud XXXIX. 3
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bezeichnet. Da ist die Anlage der Urethralmiindung und die
Anlage der Urethra nicht zusammengetroffen, wie wenn etwa
beim Tunnelbohren die Achsen der Bohrhöhlen einander nicht
treffen. Die Entfernung der beiden Mündungen, der wirklichen
und der bloss angelegten beträgt meist nicht mehr als einen
Centimeter. — Zwischen beiden Gruppen liegen die Fälle, bei
welchen die wirkliche und die als Rinne angelegte Harnröhren¬
mündung nur durch eine dünne Ilautfalte von einander getrennt
sind, die man nur durchtrennen muss, um beide zu vereinigen.
In einem solchen Falle habe ich nach Durchtrennung der Falte,
welche zu dem Zwecke vorgenommen wurde, um die zu enge
Urethralöffnung zu erweitern, an der oberen Urethral wand,
unmittelbar in das hypospadeisehc Orificium mündend, eine feine
Oeffnung gefunden, durch welche mit einer feinen Sonde ein
6 Mm. langer, parallel zur Harnröhre verlaufender Gang son-
dirt werden konnte.
Bei genauer Untersuchung der Ilypospadeischen stellt es
sich heraus, dass bei einer grossen Anzahl von ihnen, in dem
rinnenförmig offen gebliebenen vorderen Theil der Harnröhre,
ein mehr oder minder tiefer oder wenigstens trichterförmig
angedeuteter Hohlgang zu finden ist. Ja man kann sagen,
dass in der Mehrzahl der Fälle sich ein, selbst zwei kurze
nabel- oder trichterförmige Einziehungen in der Rinne, die eine
auf der Seite der wirklichen, die andere auf der Seite der
als Rinne angelegten Harnröhrer.mündung befinden. — Fig. 3,
Taf. VI.
3. Die präputialen I’araurethralgiinge. Es sind dies die be¬
kanntlich von Touton und Pick anatomisch untersuchten, an
Blennorrhoe häufig erkrankenden Gänge im Rimbns Praeputii;
die genauere Beschreibung eines solchen Falles folgt weiter
unten.
4. Priiputiale Hautgänge. Es sind jene Gänge, die an der
Innenfläche des Präputiums münden, die wir nie blenorrhoisch er¬
krankt sahen, und aus denen häufig eine sehumähnliche Masse, bei
Entzündungen (Balanitis) eine seröse Flüssigkeit ausgedrückt
werden kann; sie sind nicht zu verwechseln mit den ihnen sonst
verwandten Gängen, welche oft rechts und links vom Frenulum sich
finden und nichts anderes als vertiefte Freuularnischen sind, die
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Die Genese der paraurethralen Gänge.
35
dadurch zustande kamen, dass das innere Blatt des Präputiums
mehr an die Corona glandis herangezogen ist als de normu;
die ersteren kommen auch an anderen Stellen als wirkliche Aus¬
buchtungen des Präputialsackes, die blindsackförmig sind, mit
einer schmalen Oeffnung in den Präputialraum einmünden und
Talgdrüsenausführungsgänge in sich aufnehmen, vor (siehe unten ).
Sie erkranken nie an Blennorrhoe.
5. Paraurethrale Gänge im Freuularkörper selbst, welche
an der Unterfläche des Penis liegen und nicht in’s Oriticum
urethrae münden; sie können blennorhoisch erkranken. Sie
gehören in eine Kategorie mit den Folgenden.
6. Paraurethrale Gänge an der Unterfläche des Penis in
der Raphe oder schräg über dieselbe verlaufend, wie bei dem
von Touton beschriebenen Falle, die ebenfalls bleunorrhoisch
erkranken könnten.
Ich hatte Gelegenheit fünf paraurethrale Gänge histo¬
logisch zu untersuchen. Darunter waren vier gonorrhoisch
inficirt.
Fall I gehört der unter 3. angeführten Gruppe an; er betraf
einen Patienten, der schon wiederholt an Blennorrhoe erkrankt
war. Er hat z. Z. ein stark gonococcenhaltiges Secret. Im Limbus
Präputii zwischen beiden Blättern befindet sich ein 1 Ctm.
langer, durch die äussere Lamelle fühlbarer bindfadendicker
Strang, der am Rande der Vorhaut ausmündet, daselbst ca. 1 Ctm.
vom Frenulum eutfernt. Der Gang wurde in toto excidirt, in
Alkohol gehärtet. Zur Färbung der Schnitte benutzte ich Sah 1 i's
Boraxmethylenblaulösung, woriö dieselben 5—10 Minuten blieben,
mit nachfolgender Entfärbung in schwach mit Essigsäure an¬
gesäuertem Wasser und absolutem Alkohol. Oder es geschah
die Entfärbung nur in Alkohol. Ausserdem ist eine Schnittreihe
nach Unna’s Vorschrift auf Plasmazellen gefärbt worden, in
polychromen Methylenblau mit nachheriger Entfärbung in
Glycerinäther. Dieselben Methoden sind auch bei den anderen
Gängen angewendet worden.
Die mikroskopische Untersuchung ergab Folgendes. Die
Epidermis der Präputialhaut setzt sich continuirlich in die
Epithelbedeckung des Ganges fort, verliert aber sehr bald den
Epidermischarakter; die Hornschicht hört auf, die Papillen
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werden niedriger, bis sie endlich ganz fehlen; die Zellen, auch
die basalen sind grösser, sueculenter, namentlich in der Stachel¬
zellenschicht.
Der Gang verlauft leicht gebogen, so dass er in einzelnen
Schnitten zweimal getroffen wurde. Reste von Drüsen oder
Drüsenmündungen sind nirgends zu sehen. Die Auskleidung
des Ganges bildet auch in der Tiefe ein mehrschichtiges Pflaster¬
epithel, dessen oberflächlichste Reihe von einer dichten Schichte
von Eiterkörperchen bedeckt wird. Dieselben liegen theils rasen¬
förmig auf und in den sehr grossen Epithelzellen, theils in Einbuch¬
tungen der Zellen, wie in einer Nische. In allen Schichten sind
die weiten Intercellularräume von polvnucleären Leukocvten
dicht erfüllt, die Epithelzellen stellenweise auseinandergedrängt,
hier und da desquamirt.
Die den Gang umgebende dichte Infiltration des Rinde¬
gewebes besteht fast ausschliesslich aus V n n a's Plasmazellen,
welche auch um die erweiterten Capillaren an vielen Stellen
herdweise Anhäufungen bilden, gewöhnlich so, dass sie nicht
der Capillarwand unmittelbar anliegen, sondern durch einigt*
Bindegewebsfasern, oder von einigen kleinen mononucleären
Leukocyten von derselben getrennt sind. Im infiltrirten Gewebe
sieht man auch viele Mastzellen. Reste von Talgdrüsen oder
Spuren derselben, die in den Gang eingemündet hätten, sind
nirgends vorhanden. Gonococeen fand ich am reichlichsten in
den oberflächlichen Lagen des Epithels, wo sie auf den Epithel¬
zellen oder in den Intercellularräumeu frei liegen. In den Eiter¬
zellen eingeschlossen sah man sie nur in den seltensten Eallen.
Ausserdem waren spärliche Gonococeen auch in den tieferen
Epithelschichten und den oberflächlichsten Rindegewebslagen
vorhanden, wohin sie wahrscheinlich durch Spalten im Epithel
gelangt sind ; hier lagen sie auch extracellulär.
Fall II. Derselbe gehört in die suhl» angeführte Gruppe.
Der Gang liegt an der Enterfläche des Penis. Es handelt sich
um einen Mann, der seit zwei Wochen eine leichte Secretion aus
der l rethra hat. in welcher spärlich Gonococeen nachgewiesen
werden. Früher war er nie an Gonorrhoe erkrankt. An der
Luterfläche des Penis befindet sich ein 2 Ctm. langer, schräg
über die Mitellinic verlaufender Gang, etwa 2'„ Ctm. von der
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Die Genese der parauretbraleu Gänge.
Glans entfernt, aus welchem ebenfalls trübes, gouocoeceuhaltiges
Secret ausdrückbar ist An Längsschnitten sieht man, wie die
Epidermis in das Epithel des Ganges übergeht, um gleich den
Schleimhautcharakter anzunehmen. Es ist ein geschichtetes
Pflasterepithel von fünf bis sechs Lagen, dessen weite Inter¬
cellularräume von zahlreichen mononucleäreu und relativ weni¬
ger polynucleären Zellen durchsetzt sind. Im Epithel Anden
sich auch typische Mastzellen. Eine ungemein dichte Inflltration
scbliesst sich eng an die epitheliale Bedeckung an, welche
im Gegensatz zu dem früheren Falle nur aus kleinen mono-
nucleären Leukocyten besteht, und nicht nur den ganzen Ver¬
lauf des Ganges begleitet, sondern als collaterale Entzündung
sich auch darüber hinaus erstreckt. Auch hier sind sehr viele
Mastzellen im Bindegewebe. Der Gonococcenbefund ist hier,
wie im ersten Falle: die meisten ßndet man in den oberfläch¬
lichen Schichten, hier und da eine Epithelzelle vasenförmig
bedeckend, in den tieferen Epithel- und oberflächlichen Binde-
gewebsschichten nur sehr spärliche, freiliegende Gouococcen-
paare. Im Bereiche der collateralen Entzündung konnte ich
keine Gonococcen aufflnden. Hieher gehört auch:
Fall III ; er betrifft einen Hohlgang von 2 Ctm. Länge, der
genau in der Raphe penis unmittelbar vor dem Angulus peno-
serotalis liegend, erst beachtet wurde, als er durch einen
enge anliegenden Verband gerieben sich entzündete. Es wurde
nämlich bei dem Patienten, der eine chronische Blennorrhoe
hatte, eine kleine Balggeschwulst an der oberen Fläche des Penis
exstirpirt. Der Verband, der deswegen angelegt wurde, führte
zu der Entdeckung des Ganges, es zeigte sich die Raphe
durch das Reiben von Seite des Verbandes geschwellt, ge-
röthet und in derselben ein kleiner Punkt, aus dem eine
seröse Flüssigkeit sich entleerte, die keine Gonococcen enthielt.
Das Epithel des Ganges, ebenfalls frei von Gonococcen, war
ein Schleimhautepithel, es war keine Spur von Talgdrüsen vor¬
handen. Der Kranke, ein sehr intelligenter Mann (Buchhalter),
gibt auch genau an, dass er nie vorher eine Entzündung oder
Secretion an dieser Stelle bemerkt hat, w r as umso mehr in's
Gewicht fällt, als er uns selbst auf den Gang aufmerksam
machte.
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Fall IV. Eine blindsaekförmig angelegte Urethral¬
mündung bei einem Manne, der schon wiederholt Gonor¬
rhoe gehabt hat. Zur Zeit ist ein reichlich Gonococcen ent¬
haltender Ausfluss aus der Urethra vorhanden. Die wirkliche
Urethralmündung nach unten verlagert, an der Stelle, wo nor¬
maler Weise der vordere Theil des Frenulum sich befindet; es
besteht also ein leichter Grad von Hypospadie. Am Apex
Glandis, an Stelle der normalen UrethralötFnung ist ein 3 Mm.
tiefer Blindsack vorhanden, aus welchem ebenfalls ein Gono¬
coccen enthaltendes Secret ausdrückbar ist; dieser wurde mit
einem flachen Schnitt excidirt und die Hautfalte, welche ihn
von der Harnröhre trennte, durchschnitten. Es wurde dann die
Mündung, des bereits oben erwähnten Hohlganges an der dor¬
salen Wand der Urethra sichtbar. Geschichtetes Pflasterepithel,
dessen einzelne Zellen auch hier durch weite, von mono- und
polvnucleären Eeukoeyten erfüllte Intcrcellullirräume von
einander getrennt sind, kleidet den Gang aus. Wahrscheinlich
dem Zerfall des Protoplasmas entsprechend, findet man sowohl
die Epithelzellen als auch die Bäume zwischen denselben von
unregelmässigen, ungleich grossen Körnern, Klümpchen und
Protoplasmaschollen begrenzt und bedeckt; es war ein ähn¬
liches Bild, wie es Ehr mann 1 ) an den vergrösserten Zellen
des Stratum spinosum der breiten Condylome gefunden hat.
Eine Verwechslung dieser Körner, mit den gleichmässig grossen,
paarweise angeordneten und stärker gefärbten Gonococcen, die
auch in diesem Präparate nicht nur in der Epithellage, sondern
auch in den oberflächlichsten Bindegewehsschichten zu finden
waren, ist ausgeschlossen. Die Infiltration wird in diesem, wie
im ersten Falle, wiederum fast ausschliesslich aus Plasmazellen
gebildet, auch das Verhalten um die erweiterten Capillaren ist
ein ähnliches. Mastzellen sind ebenfalls in grosser Zahl im
Bindegewebe vorhanden.
In dieser Schnittreihe begegnete ich zum ersten Male
einer Zellform, deren Jadassohn schon Erwähnung timt.*)
Er beschreibt dieselbe als „unregelmässige, 1‘idige. bald sehr
') Ebrniann. Verhandlungen der Wiener denn. tie>ellschaft. 1 SfM;.
*) Jadassohn. Zur pathnl. Anatomie und allgvmeiin.n Pathologie
des gotiorrh. Prozesses. IV. denn. Congres*.
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Die Genese der paraurethralen Gänge.
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langgezogene, bald au Bindegewebsspindelkerne erinnernde
Gebilde“. Diese Beschreibung entspricht vollkommen den von
mir beobachteten Bildern. In sehr dichter Aneinanderlagerung
fand ich sie am Rande des Infiltrates; sie sind aber auch in¬
mitten der entzündlichen Zellanhäufung zu sehen, und greifen
über die Epithelgrenze auch in die Epithelschichte hinein. Ich
möchte mich, nach den von mir beobachteten Bildern, mehr
der Ansicht hinneigen, dass die fraglichen Zellen veränderte
Wanderzellen resp. Leukocyten sind, da ich vielfach Ueber-
gänge von langgezogenen dünnen, zu kurzen breiteren, und
ganz kurzen deutlich den Charakter der Leukocyten tragenden
Zellen gesehen habe.
Fall V. Derselbe zeigt einen ähnlichen Blindsack, wie
der eben beschriebene. Der Fall, den ich der Güte des Herrn
Prof. Lang verdanke, hatte früher nie an Gonorrhoe gelitten.
Seit sechs Tagen bemerkt er ein Brennen in der Harnröhre und
heftigen Harndrang. Der eitrige Ausfluss enthält zahlreiche
Gonococcen. Hier besteht ebenfalls ein leichter Grad von Hy¬
pospadie; an Stelle der normalen Harnröhrenöffnung ist ein
ca. 5 Mm. langer blind endigender Gang vorhanden, aus
welchem auch ein reichlich Gonococcen enthaltendes Secret
ausdrückbar ist. Der Gang wurde excidirt und mir zur
mikroskopischen Untersuchung überlassen. Das Resultat der
Untersuchung war Folgendes. Das, die Bekleidung des Ganges
bildende, geschichtete Pflasterepithel ist vielfach zerklüftet,
desquamirt, stellenweise fehlend, sodass das Bindegewebe von
der schützenden Decke entblöst, freiliegt. Zum Theile sind
diese Verhältnisse wohl auf mechanische Insulte, durch die
der Operation vorausgegaugene Sondirung, zurückzuführen.
Das Epithel ist reichlich durchsetzt von mono- und polynue-
leären Leukocyten. Die Infiltration ist mässig dicht, und
besteht ebenfalls aus mono- und polynucleären Leukocyten;
die Plasmazellen fehlen ganz. Die zahlreichen Mastzellen
sind von einer ganz besonderen Grösse, die den Zelleib
ausfüllende Granula sehr grob, und finden sich scheinbar
auch ausserhalb des Protoplasmas, als wären sie aus dem¬
selben herausgefallen. Die Bindegewebszellen sind ebenfalls
vergrössert, wie aufgetrieben, mit grossen runden oder ovalen
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Kernen. In den dem Lumen zunächst liegenden Seliieliten des
Epithels sind die Gonoeoceen am reiehliehsten zu finden, mei¬
stens freiliegend. Die tieferen Seliieliten und die obertlächliche
Dindegewebslage sind aber aueh nicht frei von denselben, in
letzter sind es namentlich die vom Epithel entblößten Stellen,
wo man sie reichlicher findet.
Fall VI. Der fünfte von mir mikroskopisch untersuchte
Gang gehört der sub 4 angeführten Kategorie an und war nicht
gonorrhoisch inticirt. Der Kranke hat vor 3 Jahren eine mehrere
Monate dauernde Blennorrhoe mit Epididvmitis durchgemacht,
die ebenfalls im Elirm an n’schen Ambulatorium behandelt wurde.
Das Vorhandensein des Ganges wurde schon damals constatirt.
Zur Zeit der Excision besteht keine Gonorrhoe, keinerlei Ausfluß
aus der Harnröhre. An der Innenfläche des Präputiums links oben
ca. 3 Ctm von der Krenularnisehe entfernt befindet sich eine
2 Mm. breite, schleienmaulähnliche, beim Zurückziehen des Prä¬
putiums klaffende Mündung, aus welcher manchmal tliissiges
Sccret, manchmal eine etwas trübe, schmierige, dickliche Masse
ausdriiekbar ist. Das mikroskopische Bild des exeidirten Gan¬
ges ist ein von den vorhergehenden toto coelo verschiedenes.
Die Haut setzt sich, ohne ihren Charakter zu verlieren und
zur Schleimhaut zu werden, durch den ganzen Gang, bis an
das blinde Ende desselben, welches von der Mündung 4 Mm.
entfernt ist, fort. Die Ilornschieht überzieht denselben in wech¬
selnder Dicke auch in der Tiefe der Einbuchtung und fehlt
nur an einzelnen Stellen. Während in den vier vorher¬
beschriebenen Fällen nirgends Talgdrüsen, noch Spuren oder
Reste derselben, die auf eine früher bestandene Einmündung
von drüsigen Anhängen hindeuten würden, vorhanden waren,
münden hier im Verlaufe des ganzen Ganges zahlreiche kleine
Talgdrüsen in das Lumen, so dass das Bild eine grosse Aehn-
lichkeit mit dem der Meibom’sehen Drüsen des Augenlids
erhält. Nach alledem möchte ich diesen Gang als Haut-
gang, den vorhergehenden als S eh le i m hau t gä n g eu
gegenüber stellen. Die epitheliale Bekleidung umgab eine
aus kleinen mononudeären Lenkoevten bestehende Infil¬
tration. Plasmazellen fehlen im Entzündungsherd. Die Ent¬
zündung ist hier offenbar auf eine, auf den Gang sich fort-
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Die Genese der paraurethralen Gänge.
41
setzende Balanitis zurückzuführen. Im hohen Grade bemerkens-
werth ist, dass trotzdem hier reichlich Gelegenheit zu einer
gonorrhoischen Infection des Ganges vorhanden war, denn die
Mündung klaffte ja bei der Zurückziehung des Präputiums, und
der Kranke hatte eine langdauernde Blennorrhoe, doch von einer
Infection zu keiner Zeit, (der Patient stellte sich wegen einer
gleichzeitig vorhandenen Lues wiederholt im Ambulatorium vor)
etwas zu merken war. Auch die deutlich wahrnehmbare Ent¬
zündung, welche doch eine gewisse Lockerung des Epithels
bewirkte, war nicht im Stande, einen günstigen Boden für die
Infection zu bereiten.
Vor der zusammenhängenden Analyse der bis jetzt be¬
schriebenen Fälle, möchte ich noch eine klinische Beobachtung
aus der Privatpraxis des Herrn Docenten Dr. Ehr mann, der
die Bekanntmachung derselben mir ebenfalls giitigst überliess.
mittheilen. Sie trägt wesentlich für das Verständuiss der
Natur dieser Gänge bei.
Fall VII. Taf. VI, Fig. 4. Dieser Fall — mikroskopisch
nicht untersucht — betrifft einen seit Jahren an chronischer
Blennorrhoe leidenden, mit Hypospadie behafteten Patienten,
bei welchem folgende anatomische Verhältnisse vorliegen. Die
wirkliche Urethralmündung befindet sich an der Unterfläche
der Glans, dort, wo sonst der vordere Theil des Frenulums liegt,
hinter der Mündung ist die Urethralwand membi’anös. Die
Raphe Penis spaltet sich etwa 1 Ctm. hinter der Oeffnung
gabelig in zwei Aeste, welche den membranüsen perforirten
Endtheil der unteren Harnröhrenwand zwischen sich fassen
und dann anderseits gegen den Sulcus coronarius hinziehen und
allmälig in die Präputialreste übergehen; dort, wo der linke
Ast an. den Sulcus coronarius stösst, ist ein 4—5 Mm. langer,
in die Haut führender Gang, der etwa in der Richtung
des Astes parallel zur Hautoberfläche verläuft, und aus
welchem ein Eitertroplen sich entleert. Das Präputium fehlt
an der Unterfläche ganz, so da~s nur der dorsale und laterale
Theil desselben entwickelt ist und in 2 flügelförmige Lappen endigt,
in welche eben die Aeste der gabeligen Raphe sich verlieren.
(Taf.VI, Fig. 4).Wir haben es hier demnach mit einem paraurethralcn
Gang zu thun, der anstatt im Frenulum in einem Aste der
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Raplie Penis liegt, dort wo diese in einen Wulst übergeht, der
das unvollständig entwickelte Präputium darstellt.
Wenn man die häufige Reobaehtung. 1 ) dass diese parau¬
rethralen Gänge mit anderen Fntwickelungsanomalien der
Urethra Zusammenhängen, ins Auge fasst, so wird man natur-
gemäss zu der Anschauung gedrängt, dass dieselben auch einer
embryonalen Störung ihre Entstehung verdanken. Hie Tliat-
sache, dass die Gänge meistentheils nachweislich angeboren
sind, spricht schon dafür. ')
Die Erklärung dieser Bildungen ist offenbar durch die
Art der Urethralbildung gegeben. Die Urethra wird be¬
kanntlich als eine nach unten offene, vor der Uloake bis an die
Untertläche des Genital-Stiickes verlaufende Pinne angelegt,
welche sich im 4. Monate schliesst und so die Harnröhre
bildet. Als Zeichen dieses Verschlusses bleibt äusserlich sicht¬
bar die Raplie Perinei, Scroti et Penis und das Frenulum,
resp. das Septum des Bulbus Urethra«. In einzelnen Fällen
reicht der Verschluss nur bis zum Frenulum. die Gegend, wo
sonst das Frenulum ist, bleibt als offene Pinne zurück, und
in zwei Fällen der Ehr m an n’schen Ambulanz, haben wir in
den Seitenflächen der Rinne selbst und dort, wo die Schleimhaut
in die äussere Bedeckung des Penis übergeht, eine Reihe von
llolilgängen beobachtet, die parallel zur Achse des Penis
verlaufen. Fig. 1, Taf. V. Diese Ilohlgänge waren in beiden Fällen
angeboren, bei dem einen gonorrhoisch inlieirt und sind
zweifellos Schleimhautgänge, auch die Partie, auf der sie sich
befinden, trägt den Charakter der Schleimhaut in Bezug auf
Zartheit, Durchsichtigkeit des Epithels und in Bezug auf die
in der Harnröhrenschleimhaut sehr deutlich vorspringenden
Venen. Bei der mikroskopischen Untersuchung eines dieser
(hinge, der excidirt wurde, war keine Spur von Talgdrüsen
') Ausser den schon früher erwähnten Autoren betont neuerer Zeit
auch Feleki ijtie Urethritis externa des Mannes, fester nied. Chirurg.
Presse p. oo‘J.) dass in allen drei, von ihm untersuchten Fällen,
der Penis auch anderweitige liildungsanomalien darhüt. Man hat als
solche ausser der Hypospadie, eine abnorme Weite oder Fuge dos Harn-
rohrencanals, eine gewisse Diformität der Ilarnrölirenmündung indem
dieselbe weit oder horizontal gestellt, I förmig etc. ist, be.uhriobon.
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Die Genese der pnrauretliraleu Gänge.
43
oder deren Mündungen bemerkbar. Denken wir uns nun, dass
die Urethralrinne sich in diesen Fällen auch im Frenulartheil
geschlossen hätte, so wären die an ihren Seitenwänden verlaufenden
Hohlgänge genau in die Lippen der Urethra gekommen, wie wir
die paraurethralen Gänge gewöhnlich vorfinden. Der Bildungs-
modus der Gänge selbst wird aber auch aus unseren Fällen
klar. Einzelne von diesen Gängen öffneten sich nämlich in
seeundäre Längsfalten der Schleimhaut, so dass die einen
die Verlängerung der anderen sind, wodurch es klar wird,
dass die Gänge durch Verwachsung der Ränder von secun-
däreu Längsfalten der Urethralrinne entstanden sind, die in
einzelnen Fällen total, in anderen nur zum Theile erfolgt ist.
Wir müssen mithin annehmen, dass auch die, bei nicht hy-
pospadeischen Individuen gefundenen, in der Harnröhrenmün¬
dung gelagerten Hohlgänge auf dieser Weise im embryonalen
Leben entstanden sind. Eine scheinbare Schwierigkeit ergibt
sich nur bei der Erklärung der präputialen Gänge, d. h. der¬
jenigen, die zwischen beiden Blättern des Präputiums laufen,
aber auch diese ist durch die genaue Beobachtung der Bildungs¬
anomalien zu lösen. Es ist der letzte mitgetheilte Fall VI, Fig. 2,
Taf. V, der die Eutsteliungsweise der präputialen Gänge beleuchtet.
W'ir sehen da die Raphe in zwei Aeste auseinaudergewicheu,
die mit den zusammenstossenden Rändern der Corona Glaudis
einen Rhombus einscliliesst, dessen mediane Diagonale in der
Richtung der ungetheilten Raphe liegt, dessen quere Diagonale
die Richtung andeutet, in der das Präputium sich hätte ent¬
wickeln sollen; denn von den Enden dieser Diagonale zieht
sich jederseits ein Wulst zur den Resten des Präputiums. Der
rhomboidale Raum ist eingenommen von der membrauös ge¬
bliebenen unteren Wand der Urethra. Die dünne Beschaffen¬
heit derselben rührt offenbar daher, dass die beiden Ränder
der embryonalen Urethralrinne an ihren dem Orificium nahen
Enden erst sehr spät und nicht fest genug verwachsen waren,
zu einer Zeit, wo die Corpora cavernosa schon entwickelt waren,
und in weiterem Verlaufe der Entwickelung, vielleicht durch
den Blutdruck im Corpus cavernosum sind sie auseinander¬
gewichen, so dass sie nur durch eine Membran zusammen
hängen. Wohl daher rührt auch die scheinbare Gabelung der
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R ö n a.
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Raphe Penis in zwei Aeste. Es handelt sich also hier um eine
unvollständig entwickelte Hypospadie, bei welcher aber die Bil¬
dung des Präputiums an der Unteriläche unterblieb, was bei
Hypospadie sehr häutig ist. Das Präputium ist nur durch
niedrige Wülste angedeutet, welche von den Enden der gega¬
belten Raplie ziehend in flügelförmig entwickelte Seitentheile
der Vorhaut übergehen. An der Uebergangstello des linken
Rapheastes in der Präputialwulst befindet sich ein Ilohlgang,
der in der Richtung des Rapheastes zieht. Man kann sich nun
zweierlei vorstellen. Beim festen Zusammenwachsen der Rinnen¬
ränder zu einem Frenulum wäre dieser Gang entweder ins
Frenulum zu liegen gekommen, und wäre ein im Erenulum lie¬
gender (frenularer) paraurethraler Gang geworden, oder der
niedrige Präputialwulst, an dessen medianem Ende er liegt,
hätte sich weiter emporgehoben, dann wäre er in den Limbus
des Präputiums zu liegen gekommen und von der Harn¬
röhre weit weg abgehoben werden; er wäre also von der Fre-
nulargegend in den Präputialrand gelangt, mit dem er nach
Lösung des inneren Präputialhlattes fürs ganze Lehen ver¬
schiebbar gebliehen wäre.
Nach der Lage des Ganges liegt es ja — wenn mau das
Vorhergesagte berücksichtigt — sehr nahe anzunehmen, dass der
Gang ursprünglich eine Falte der nach unten otfenen Frethral-
rinne war, und zwar am Rande der letzteren, dort wo diese
in die äussere Bedeckung des Genitalhiigels übergeht. Die
Falte schloss sich zu einem Gange, noch bevor die Frethral-
rinne selbst sich vollständig schloss. Es hängt nur von der
Lage diese Falte zur Verlöthungsstelle der Lrethralrinnc ab, ob
der aus der Falte entstandene Gang in das Frenulum zu liegen
kommt und in das Orificium mündet, oder neben das Frenulum
zu liegen kommt und frei auf der Haut ausmündet. Der
Vorgang ist schematisch folgendermassen darzustellen: In der
Entwicklungsreihe I, II, III der nebenstehenden Fig. 1 entsteht
die Falte an der Stelle der zukünftigen Verlöthung seihst und
deshalb kommt der Hohlgang in’s Frenulum zu liegen, in der
Reihe Ia, Ha, lila ist die Falte nach auswärts, ausser dem
Bereiche der Verlöthungsstelle entstanden und deshalb kommt
der Hohlgang nicht ins Bereich des Frenulum, sondern rechts
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Die Genese der paraurethralen Gänge.
45
oder links von demselben in die Haut zu liegen, wie Fig. 2,
Taf. V. Auf ähnliche Weise ist die Entstehung der zuerst von
Touton an der Unterfläche des Penis im Bereiche der Baphe
Vorgefundenen Hohlgänge zu erklären. Im Ehrmann’schen
Ambulatorium wurden hei zwei Pallen derartige Gänge beob¬
achtet. Der eine (Fall II) lag schräg, der andere lag genau in
der Raphe Penis an der Uebergangsstelle ins Scrotum. Fig. 4,
/ Ia
Schema der Entwickelung eines paraurethralen Ganges aus einer
Hohlfalte der Urethralrinne im Querschnitt.
O Genitalhügel. U Urethralrinne resp. Urethralkanal, h Hohlfalte
resp. Hohlgang. In I, II, III kommt die Rinne ins Frenulum F,
bei Ia Ha III ausserhalb desselben zu liegen.
Taf. VI. Der Gang wurde erst entdeckt, als man wegen
Exstirpation einer kleinen Balggeschwulst aus der Penishaut
einen Verband anlegte, der den Gang rieb, so dass er an¬
schwoll und eine seröse Flüssigkeit absonderte, in der
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R «'• n a.
keine Gonoeoccen vorhanden waren. Der Gang war ca. 2 Ctm.
lang, mündete vorne, rückwärts endigte er vor dem Angulus peno-
scrotalis blind. Er zeigte auch auf mikroskopischen Durch¬
schnitten ein Schleimhautepithel ohne Spur von Horn¬
schichte, ohne Spur von Talgdrüsen. Da es ein echter Schleim¬
hautgang ist, so ist seine Entstehung so zu erklären, wie die der
Frenularengänge. Wie aber der aus der Urethra entstandene
Gang in die Haut zu liegen kommt, zeigt eine einfache Be¬
trachtung über die Art und Weise, wie die Raphe penis ent¬
standen ist. Ehr mann hat hierauf bereits 1886 (Wr. Medic.
Presse) hingewiesen. Wenn die Urethralrinne des Foetus sich ge¬
schlossen hat, so wachsen durch die Verlöthungsstelle von
rechts nach links die Geflechte des Corpus cavemosura
urethrae hindurch, dies unterbleibt soweit die Pars pendula
7 *
n
Fig. 2.
Schema um das Abdrängen des Hohlganges von der Urethra durch
das Zusammenwachsen des Corpus cavernosum Urethrae zu erklären.
H Haut, h Hohlgang. U Urethra. Cu Corpus cavorn. urethrae.
urethrae in Betracht kommt nur an zwei Stellen, nämlich dort
wo das Frenulum und dort wo das Septum bulbi entsteht.
An diesen Orten ist die Haut durch ein straffes Bindegewebe
direct mit der Harnröhre verbunden; an allen anderen
Orten wird die Haut durch das sich entwickelnde Corpus ca¬
vernosum urethrae von der Harnröhre abgedrängt und es bleibt
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Die Genese der parauretbralen Gange.
47
als Ausdruck der Verwachsung der Urethralriune nur ein Hautwulst
sichtbar: die Rap he. Durch das Corpus cavernosum urethrae
kann aber auch ein in oder neben der Verlöthungsstelle der
Urethra gebildeter Hohlgang von der Schleimhaut in die Haut
gedrängt werden, wie nebenstehendes Schema zeigt. Fig. 2 des
Textes.
So wie aber durch ungleichmässiges Wachsthum der Haut
die Raphe penis selbst ihre mediaue Lage verlieren kann,
häufig sogar zu einer Zickzacklinie verzerrt wird, ebenso kann
auch der in die Haut gelangte Hohlgang in eine zur Mittel¬
linie schräge Lage kommen, wie sie der Fall vonTouton und
der hier von mir beschriebene Fall II zeigt.
Kommt aber ein so gebildeter Gang gerade an die Stelle
zu liegen, wo sich der Präputialwulst erhebt, so kann er, wie
schon oben erwähnt wurde, durch die sich erhebende Falte
weit weg von seiner ursprünglichen Bildungsstätte in den Rand
des Präputiums als versprengtes Schleimhauttheilchen hinein¬
gelangen, so dass es schwierig wird, den genetischen Zusammen¬
hang mit der Harnröhre herauszufinden.
Der Schleimhautcharakter dieser Gänge zeigt sich be¬
sonders in dem Charakter des Epithels, den grossen basalen
Zellen, dem Mangel von Verhornungsvurgängen auch in jenen
Fällen, wo Eiterbildung gänzlich fehlt, und an eine Vereiterung
nicht zu denken ist. Wo aber solche Hohlgiinge wie in unserem
Fall VI wirklich von der Haut stammen, zeigt das Epithel
ausserdem Verhornungserscheinungen, und es sind noch deut¬
liche Talgdrüsen vorhanden, selbst wenn Entzündungen und
Eiterung in demselben vorangegangen sind.
So wie nämlich die Urethralrinne ihre secundären Falten
und Ausbuchtungen hat, die zum Theile zu Gängen sich
schliessen, so hat auch der Präputialsack, wie wir oben be¬
schrieben haben, seine Falten; und so wie die Abkömmlinge
der Urethralrinne, wenn auch noch so weit versprengt, zeit¬
lebens den Charakter der Schleimhautgänge bewahren, so be¬
halten auch die präputialen Ausbuchtungen stets den Haut¬
charakter.
Die an der Spitze der Eichel befindlichen blindsackartigen
Gänge kann man als Reste der Urethra glandis, die hier nicht
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R o n a.
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4S
zur Verschmelzung mit der Urethra penis gekommen sind,
auffassen.
Noch einige Worte über die Plasmazellen! Der Umstand,
dass ich die Plasmazellen in zwei Fallen ganz vermisste,
während in zwei anderen die Infiltration fast ausschliesslich
aus dieser Zellenart gebildet wurde, lässt sich aus dem
Verhalten der Gonococcen im Gewebe nicht erklären, da das¬
selbe in allen vier Untersuchungen ein ähnliches war. Eher
gelingt eine Erklärung aus dem klinischen Verlaufe des Pro-
cesses. In beiden Fällen, wo die Plasmazellen vorhanden
waren, handelt»' es sich um eine chronische Gonorrhoe, die
nur zur Zeit eine aeutere Exacerbation durchmachte, in den
zwei anderen haben wir hingegen mit der ersten Affectiou zu
tliun, in ihrem acuten Stadium. Nach diesen Deobachtungen
ist der Schluss zu ziehen, dass die Plasmazellen eher bei einer
mehr chronischen Entzündung Vorkommen, während sie bei
ganz acuten fehlen.
Zum Schlüsse theile ich noch die mikroskopische Unter¬
suchung eines paraurethralen gonorrhoischen Abscesses mit.
Er stammt von einem Patienten, der schon wiederholt Gonor¬
rhoe gehabt hat. Diesmal, 8 Tage nach dem verdächtigen
Coitus, ist eine profuse Secretion aus der Urethra vorhanden,
und an der Basis Frenuli, namentlich in der linken Frenular-
nische, wölbt sich ein bohnengrosser, schmerzhalter Knoten
vor. Im Urethralsecret sind überaus zahlreiche Gonococcen
vorhanden. Am sechsten Tage wird die Ahseessdecke gelblich
verfärbt; die Perforation bereitet sich vor. Die noch intacte
Decke wird mit einem flachen Schnitt abgetragen, und so der
Abscess eröffnet. Im Abscesseiter findet man nur eine massige
Menge von Gonococcen. Die angelegten Agar- und Gelatine-
culturen gingen nicht auf, eine Mischinfection ist also ausge¬
schlossen; übrigens kann man auch mikroskopisch die Strepto-
und Staphylococcen mit der grössten Sicherheit ausscbliesscn.
Die Abscesshöhle erscheint unter dem Mikroskope von
einer dichten Meuge polyuudeärer Leukocyten erfüllt; auch die
epitheliale Decke ist ganz durchwuchert von denselben, ihre
Continuität ist aber noch nirgends unterbrochen. Dort, wo die
Leukocyten besonders reichlich im Epithel sich vorfiuden, ist
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Die Genese der parauretbralen Gänge.
49
die Tingirbarkeit des Zellprotoplasmas vermindert, auch die
Zellkerne erscheinen blässer. Stellenweise färben sich die
Zellen ungleiclimässig, indem der untere Theil stark, der obere
schwach oder gar nicht gefärbt ist, eine Erscheinung, die
Ehr mann 1 ) beim breiten Condylom beschreibt, und die er
auf den ungleichmässigen Wassergehalt der Zellen zurückfährt.
Drüsenreste sind in den Präparaten nirgends zu finden.
Das Bindegewebe ist reich an sehr grossen, unregel¬
mässig geformten, oft mit Ausläufern versehenen, wie aufge¬
blähten Zellen, die einen ebenfalls grossen ruuden oder ovalen,
heller gefärbten, mit 1—2 Nucleoli versehenen Kern enthalten.
Einige darunter sind mit Eiterkörperchen erfüllt, viele zeigen
karyokinetische Figuren. Aehnliche Zellformen erwähnt auch
Jadassohn. 2 ) Gonococcen wurden nur in massiger Anzahl
in den Präparaten gefunden; am ehesten in der Abscesshöhle,
wo sie theils intra-, tlieils extracellulär lagen. Sie waren aber
auch in den oberflächlicheren Lagen vorhanden, in zwei
Schnitten sah ich sie sogar in den tieferen Epithelschichten
in extracellulärer Lage.
Die hier niedergelegten Erfahrungen zusammenfassend,
kommen wir bezüglich der Pathologie der Gonorrhoe zu fol¬
genden Resultaten: Es ist nicht so sehr der Umstand, ob ein
ungeschichtetes oder geschichtetes, Cylinder- oder Pflaster-
■epitliel vorliegt, für das Fortkommen der Gonococcen ent¬
scheidend, sondern die Frage, ob das Epithel dem Charakter
der Schleimhaut oder der Haut entspricht. Auch die Frage,
ob das Epithel mehr oder weniger locker ist, kommt nicht so
sehr in Betracht, als der Umstand, ob das Epithel in sich die
Fähigkeit besitzt, eine Hornschicbt zu bilden oder nicht, was
bekanntlich nicht die Folge des Freiliegens oder Gedecktseins
ist. Ist es im Stande eine Hornschicht zu bilden, so scheint
es immun zu sein.
Bezüglich der Fähigkeit der Gonococcen Eiter zu bilden
lehrt uns der zuletzt angeführte Fall von periurethralem Ab-
') Ehrmann. III. dermat. Congress p. 311.
2 ) Jadassohn. Zur pathol. Anatomie und ullgem. Pathologie des
gonorrh. Proeesses. IV. deim. Congr.
Archiv f. Dermatol. u. Syphil. Band XXXIX. 4
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scoss, (lass wenn auch der Ausgangspunkt derselben eine
Littre'sche Drüse, oder eine Morgagnisehe Tasehe ist, doch
eine echte Eiterung des Bindegewebes selbst stattrindet, wie
das auch schon von anderen Autoren beobachtet wurde, (l’eliz-
zari, Jadassohu etc.)
Zum Schlüsse ist meine angenehmste l’Hicht, meinen
hochverehrten Lehrer Herrn Doc. I)r. Ehr mann sowohl für
das mir zu Gebote stehende Material, als auch für die viel¬
fache Unterstützung und Anregung während meiner Arbeit,
den besten Dank auszusprechen.
Die Erklärung der Allbildungen auf Tuf. V und VI ergibt sieh aus dein
Text.
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Ueber virulente Bubonen und den Ulcus
molle-Bacillus.
Von
Dr. Rudolf Krefting, Christiania.
Was die Entwickelung von Bubonen nach Ulcus molle
bedingt, ist bei der Mehrzahl der vorkommenden Fälle unauf¬
geklärt.
Die nicht virulenten enthalten bekanntlich Eiter, in welchem
weder mikroskopisch noch durch Züchtungsversuche auf den
bekannten Nahrungssubstraten Mikroben nachgewiesen werden
können.
Bei Probeinoculationen gibt dieser Eiter keinen Ausschlag
und entspricht dem, was man bakteriologisch unter sterilem
Eiter verstehe.
Diese Art Bubonen sind der Erfahrung aller Kliniken
gemäss die am häufigsten vorkommenden und können periodisch
in so überwiegend grosser Anzahl Vorkommen, dass einzelne
Forscher, *) die eine Serie solcher Fälle angetroffen, sich haben
verleiten lassen, die Existenz der virulenten Bubonen zu leugnen.
Einzelne Fälle von Drüseneiterung nach Ulcus molle, wo
Staphylococcen oder Streptococcen nachgewiesen werden können,
müssen als durch Mischinfection hervorgerufen angesehen werden
und dürfen nicht hierher gerechnet werden, obschon sie sich
klinisch den nicht virulenten Bubonen mit sterilem Eiter sehr
ähnlich verhalten. Was die virulenten Bubonen betrifft, scheint
dagegen die Aetiologie klar zu sein, obwohl noch verhältuissmässig
*) Traedgaard, Strauss. Aus der späteren Zeit Ducrey.
4 *
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K r e f t i u g.
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wenige Untersuchungen vorliegen, die das Vorhandensein vom
Ulcus molle Bacillus in denselben zeigen.
Da es nur meine Absicht ist, ganz kurz meine fortge¬
setzten Untersuchungen der von mir behandelten Fälle von
Bubonen mitzutheilen, will ich die Geschichte mit Rücksicht
auf die Ulcus molle-Frage nicht wiederholen. Seitdem ich mich
mit der Frage beschäftigt habe, ist es mir oft eingefallen, dass Ulcus
molle nicht ein so sicher begrenzter Krankheitsbegriff zu sein
braucht, und dass die Krankheit z. B. nicht vollständig dieselbe
ist, wenn sie in Christiania auftritt, wie in Neapel, Wien etc.,
sowie dass Finger, der angibt, dass die Wiener Schule den
Krankheitsbegriff etwas weiter definirt, zum Theil Recht haben
könnte.
Es liegen jedoch jetzt nach dem Nachweise des Bacillus
so zahlreiche, völlig übereinstimmende Untersuchungen aus so
vielen weit von einander liegenden Orten vor, dass die Krank¬
heit überall als einartig und unbedingt dieselbe
constatirt werden muss. Die Anzahl derjenigen, die ihre
Funde vom Bacillus in den Schankerwunden und den Inocula-
tionspusteln mitgetheilt haben, ist schon jetzt sehr gross.
Der, welcher zuerst den Bacillus nachwies, D u c r e y, war
aus dem südlichsten Theil Europas und kam mit seinen Unter¬
suchungen im Jahre 1889.') Darauf kamen meine Untersuchungen,
die zum Theil von mir ausgeführt waren, ohne D u c r e y zu kennen,
aus dem nördlichsten Theile Europas — Christiania — ver¬
öffentlicht im Jahre 1891 .") Dann Unna 3 ) aus Hamburg im
Jahre 1892, der eine Methode zum Färben der Bacillen im
Schnitt erfand. Quinquaud und Nico Ile 4 ) aus Paris,
Petersen 5 ) aus St. Petersburg, Ri viere 6 ) aus Frankreich
*) Congres internat. de derraat. et de syph. Paris 1889. Comptes
rendus p. 279.
2 ) Nord. raed. Archiv 1891. Archiv für Denn. u. Syph. 1892. Ann.
de derm. et svph. 1893.
3 ) Monatshefte für prakt. Dermat. 1892 u. lS9f).
4 ) Annales de Dermatol, et syph. 1892 p. 818. These de Paris 1893.
*) Wratsch. Februar 1893.
b ) Journal des connaissauces med. Mai 1893.
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lieber virulente Bubonen und den Ulcus molle -Bacillus
53
Walther Peterseu 1 ) aus Bonn, Mermel, a ) Colombini 3 )
aus Siena, A u d r y 4 ) aus Toulouse, Dubreuilh und L a s n e t ')
aus Bordeaux, Spietschka 6 ) aus Prag. Aus Wien und Breslau
haben Rille 7 ) und Buschka 9 ) Untersuchungen mit posi¬
tivem Resultat mitgetheilt.
Bei einem Falle von Ulcus molle auf der Zunge ist in
Paris in Fournier’s Abtheilung der Bacillus sowohl iin Secret
der Wunde als auch in den Wundwänden nachgewiesen worden. 9 )
Bei einem Falle von Ulcus molle am Finger, der als
Panaritium angenommen war, hat der Nachweiss vom Ulcus
molle-Bacillus die Diagnose bestätigt. ,0 )
Wenn man sieht, dass alle diese Untersuchenden aus so
fern von einander liegenden Orten im Wesentlichen zu dem¬
selben Resultat gekommen sind, kann man sich nicht — wie
Verfasser neuerer Lehrbücher es thun —.allzu skeptisch ver¬
halten, selbst wenn es auch noch Niemandem gelungen ist, die
Mikroben auf künstlichen Nahrungssubstraten zu züchten.
Eine Art Reincultur ist es jedoch, wenn mau den Bacillus
in Serien von Inoculationspusteln ohne Beimischung von anderen
Mikroben nachweisen kann — eine Reincultur mit der mensch¬
lichen Haut als Nahrungssubstrat. Der Leprabacillus kann weder
gezüchtet noch inoculirt werden, aber dennoch zweifelt Niemand
daran, dass er die Krankheit hervorruft.
Während in Betreff der Schankerwunden zahlreiche, völlig
übereinstimmende Untersuchungen, die alle das Vorhandensein
des Bacillus sowohl im Eiter aus denselben in den Wundwänden
(Schnitt) und den Inoculationspusteln, bestätigen, sind die
Mittheilungen, welche über dessen Verhältniss zu den Bubonen
*) Centralblatt f. Bakter. Juni 1893.
; ) Archiv gen. de med. August 1893.
*) Comm. clin. delle mal. cut. e gen. 1893—94.
4 ) Gazette hebdom. 1893.
'“) Archiv klin. de Bordeaux. 1893.
t> ) Archiv f. Denn. u. Syph. 1894.
') Verhandl. V. Deutscher Dennat.-Cungress in Graz. 1896.
*) Ebendaselbst. Ref. in diesem Archiv 1896.
s ) Emmery und Sabourand. Anuales de dermat. p. 198. 1S96.
10 ) Krefting. Extragenitale Ulcera mollia. 7 Fälle. Norsk. .Mag.
for Laegev. 1896 p. 168.
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K re f t i n <r.
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vorliegen, ziemlich spärlich. Was die nicht virulenten
Bubonen betrifft, sind jedoch alle Untersucher darüber einig,
dass in diesen weder Ulcus molle-Bacillen noch andere Mikro¬
ben nachgewiesen werden können.
Nachweis vom Ulcus molle-Bacillus in 2 Fällen von viru¬
lenten Bubonen sind von mir schon im Jahre 1892 in diesem
Archiv mitgetheilt worden.
Der eine dieser Fälle war besonders merkwürdig, indem
bei demselben Patienten sich in der einen Leiste ein virulenter
und in der anderen ein nicht virulenter Bubo befand.
Iu den „An nales de denn, et syph. 1899 pag. 897“ wurde
ein dritter Fall mitgetheilt, woselbst ich ausser im Buboeiter
und den hiermit hervorgerufenen luoculutionspusteln, nach
Unna’s Methode die Bacillen auch in Schnittpräparaten von
excidirten Stücken der Bubowand, nachwies, ln demselben
Jahre kamen Dubreuilh und Las ne Fs 1 ) Untersuchungen
einer grossen Anzahl von Bubonen während einer Ulcus molle-
Epidemie in Bordeaux. Die Genannten kamen ebenfalls zu
einem positiven Besultat und schreiben die Virulenz dem Vor¬
handensein des „bacille de Ducrey“ zu.
„Von dem Augenblick an, da der Bacillus nachgewiesen
werden kann, ist der Eiter virulent und inoculabel.“
ln den nicht virulenten Bubonen fanden diese Forscher
auch keine Mikroben.
In einer kurzen Zeit — vom 12. Januar bis 11. August
1899 — haben dieselben observirt:
196 Fälle von Bubonen, von denen 27 resorbirt wurden,
ohne sich zu öffnen. 49, die geöffnet- wurden, waren nicht virulent.
51 wurden nach dem Octfneu virulent, waren es aber nicht
gleich. 12 Fälle, die sich von selbst geöffnet hatten, ehe die
Patienten ins Hospital gebracht wurden, waren sämmtlich
virulent. 9 Fälle waren virulent vom ersten Tage an.
Es scheint eine sehr intensive Epidemie gewesen zu sein,
sowohl mit häutig vorkommenden Fällen von Bubonen als auch
intensiven Fällen, indem von 109 Fällen, die sich öffneten oder
geöffnet wurden, 69 virulent waren.
’l Archive* cliniques de Iioiffcnux. l'UH. Nr. 10 und 11.
Gck igle
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THE OHIO STATE UNIVERS1TY
Ueber virulente Bubonen und den Ulcus molle-Bacillus.
55
Spietschka aus Prag, der in diesem Archiv im Jahre
1894 eine Reihe Untersuchungen von Bubonen, 46 Fälle, mit-
getheilt hat, hat nur 2 Mal gesehen, dass der Bubo schankrös
wurde und beide Male nach dem Oeffnen. Sowohl im Wund¬
sekret als auch in den hiermit hervorgerufenen Inoculations-
pustelu konnten die Bacillen nachgewieseu werden. Der Ver¬
fasser legt jedoch diesen beiden Fällen keine Bedeutung bei,
da er die Möglichkeit nicht ausschliessen kann, dass eine von
Aussen kommende Infection die Ursache ihres Schankröswerden
gewesen sein kann.
Ich möchte jedoch geneigt sein zu glauben, dass dies
nicht der Fall gewesen ist, da es nicht so selten geschieht,
dass die Virulenz und damit der Bacillus erst nach dem Oeffnen
des Bubos 1 ) auftritt, welches auch mit Dubreuilh’s Unter¬
suchungen stimmt. Für Dubreuilh ist es Regel gewesen, dass
der Bubo im Augenblicke des Oeffnens nicht virulent war. Nur
3 Mal fand er „virulence d’emblee“.
Wenn mau im Uebrigen die Fälle von Dubreuilh, wo
über die Hälfte virulent war, und Spietschka’s 46 Fälle, von
denen nur 2 virulent wurden, vergleicht, bekommt man den
Eindruck, dass das Virus in Bordeaux sich am Intensität sehr
von dem Virus in Prag unterscheiden musste.
Jeder, der Inoculationsversuche vorgenommen hat, wird
auch erfahren haben, dass der Anschlag in Bezug auf Inten¬
sität bedeutend variiren kann, gleichwie man erfahren haben
wird, dass die Bacillen in grösster Menge vorhanden sind,
wenn der Anschlag lebhaft ist. 2 ) Wenn die Angaben mit Rück¬
sicht auf die Häufigkeit der Bubonen, zumal der virulenten
Bubonen, aus den verschiedenen Städten so abweichend sind,
muss man annehmen, dass dies von Abweichungen im Charakter
der Epidemien herrührt.
') In meiner, im Jahre 1392 in diesem Archiv raitgctheilten Arbeit
habe ich etwas übereilt angenommen, dass ein von Anfang an nicht viru¬
lenter Bubo nicht virulent wird, ohne dass er von aussen inficirt wird.
Später habe ich selbst Gelegenheit gehabt, einen Fall zu beobachten, wo
die Virulenz erst 3 Tage nach dem Oeffnen eintrat.
‘ 2 j „Die Menge der Bacillen steht im Verhältniss zur Intensität des
Ausschlags.“ Krefting. Annale« de dermat. et syph. 1893 p. 838.
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Gck igle
Original ftom
THE OHIO STATE UNIVERSITY
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5G
K r oft i n g.
Aus Breslau liegen jetzt auch Untersuchungen von viru¬
lenten Bubonen mit positivem Resultat von Buschke 1 ) vor.
der in 9 von den untersuchten 30 hallen die Bacillen fand,
die er auch in Schnittpräparaten vom Düsenparenchym nacli-
weisen konnte.
In sämmtlichen 9 Fällen war der Eiter im Augen¬
blicke des üeffnens i n o c u 1 a b e 1, aber der Verfasser
gibt zu, dass es Fälle gibt, wo der Bubo erst mehrere Tage
nach dem Oeffnen schankrös wird und erklärt es auf die
Weise, dass die im Eiter vorhandenen Bacillen todt sind, dass
aber das in der Tiefe noch nicht zerfallene Drüsengewebe die
virulenten Mikroben enthält, die das Schankroswerden veran¬
lassen. Raff, 2 ) auch aus Breslau, berichtet von Judas so h n’s
Abtheilung von 22 Fällen von Bubonen nur 2 F ii 11 e v i r u 1 e n t e r
Bubonen, die dasselbe Verhältnis« wie Busehke’s 9 Fälle
zeigten. In den übrigen 20 Fällen ergab sowohl die mikro¬
skoptische als auch die bakteriologische Untersuchung ein negatives
Resultat (steriler Eiter).
In Wien fand Rille 3 ) von 100 Fällen 9 mit inocula-
blem Eiter, mit Bacillen, die auch in excidirten Drüsen¬
stücken und excidirten Impfgeschwüren nachgewiesen werden
konnten. Er bekam auch stets Anschlag mit Materie, die un¬
mittelbar nach dem Oeffnen genommen worden.
Im Uebrigen hat Rille eine Statistik der Anzahl der
Haftungen nach Impfungen mit Buboeiter gesammelt.
Unter 2117 Inoculatiouen, von 22 Autoren vorgenommen,
beiiudeu sich G09 Haftungen, also 28%.
Im Anschluss an diese verhältnissmiissig wenigen vor¬
liegenden Mittheilungen über den Fund des Ulcus molle-Ba-
cillus in virulenten Bubonen will ich in Kürze meine fortge¬
setzten Untersuchungen erwähnen, die übrigens nicht Neues
ergeben, sondern nur bestätigen, was früher mitgetheilt
worden. In den Jahren 1895 und 1890 habe ich unter meiner
') Verband]. des V. deutschen Derraatolopen-Conprivssos Graz.
lief, in diesem Archiv 181N3. XXXIV. 24.
*) V. J>ennat.-Congr. In diesem Archiv Jul. XXXIV p. 121.
3 ) Daselbst.
Gck igle
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Ueber virulente Bubonen und den Ulcus molle-Bacillus.
57
Privatclientei 143 Fälle von Ulcus molle behandelt, wovon
27Fällemitßubouencomplicirtwaren — also nur 19°/ 0 .
Ich habe hier nur die Fälle mitgerechnet, die geöffnet
werden mussten. Sämmtliche Fälle wurden, mit Ausnahme
eines virulenten Falles, wo der Patient wegen hochgradiger
Schmerzen einige Tage zu Bette lag, ambulatorisch be¬
handelt und die Patienten gingen mit Stärkebandagen herum.
Unter diesen 27 Fällen waren 7 virulent mit inocli¬
la bl em Eiter.
Wenn Viru 1 enz vorhanden war, wurde nie ver¬
geblich nach Bacillen gesucht.
In einem dieser 7 Fälle trat die Virulenz erst 3 Tage
nach dem Oeffnen auf.
Im Uebrigen bieten diese Fälle nichts von dem obener¬
wähnten Abweichendes dar. Die Zahlen sind leider allzu
klein, als dass es eine Bedeutung haben könnte, den Procent¬
satz der Virulenz auszurechnen, der hier 26% war.
Diese Zahl entspricht jedoch ziemlich genau der Durch¬
schnittszahl, welche Rille von aller vorliegenden Inoculations-
statistik ausgerechnet hat, nämlich 28%.
Die übrigen 20 Fälle enthielten sterilen Eiter,
es konnten weder durch mikroskopische Untersuchungen noch
durch Züchtungsversuche Mikroben nachgewiesen werden. Ich
will .den Platz hier nicht zu sehr in Anspruch nehmen, in dem in
diese meine Fälle näher referire, aber diese, sowie früher be¬
obachtete haben mich dazu gebracht, einige allgemeine Be¬
trachtungen, sowie einen Vergleich zwischen virulenten und
nicht virulenten Bubonen vom klinischen Standpunkt anzu¬
stellen.
Weshalb bekommt man Bubonen nach Ulcus molle?
Obschon es von besonderer Bedeutung für die Prophy¬
laxe der Buboneu sein müsste, hierüber Gewissheit zu be¬
kommen, muss doch diese Frage leider dahin beantwortet
werden, dass man den Grund nicht kennt. Freilich werden
verschiedene Gelegenheitsursachen angegeben, aber dieselben
spielen keine entscheidende Rolle.
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Gck igle
Original frorn
THE OHIO STATE UNIVERSITY
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5S Krofting.
Gleichwie man beobachten kann, dass die hartnäckigsten
und virulenten Bubonen sieh bei einem Patienten entwickeln
können, der ganz ruhig in einem Hospital liegt, siebt man
auch, dass keine Bubonen bei Patienten mit Ulcus rnolle
kommen, die gehen, stehen und den ganzen Tag hart arbeiten.
Dass die Bildung von Bubonen von der Grösse der ursprüng¬
lichen Wunden nicht abhängt, geht aus meinen Fällen hervor.
Ich habe gerade hierauf meine Aufmerksamkeit gerichtet und
gefunden, dass die ursprünglichen Wunden in der Pegel ver-
hältnissmässig klein und wenig umsichgreifend sind und ver-
hältnissmässig schnell zuheilen in den meisten Fällen, wo sich
Bubonen entwickeln.
In einem dieser meiner Fälle von virulenten Bubonen
hatte ich die ursprüngliche Schankerwunde exstirpirt. Die
Operationswunde heilte pr. primam und dennoch entwickelte
sich ein virulenter Bubo.
In einem anderen Falle entwickelte sich ein virulenter
Bubo 14 Tage nach dem Zuheilen der ursprünglichen Wunde.
Solche Fälle werden von vielen erwähnt.
Bei den meisten der von mir beobachteten Fälle haben die
ursprünglichen Wunden ihren Sitz am Frenulum gehabt und
dasselbe perforirt und abgefressen. Vielleicht ist das Frenu¬
lum eine Localisation. von der aus es dem Lymphstrom am
leichtesten fällt, die Bacillen nach den Leistendrüsen zu führen.
Das Frenulum als die der Infeetion am meisten ausgesetzte
Stelle ist jedoch so oft der Sitz weicher Schankerwunden,
ohne dass Bubonen kommen, dass auch dieses Yerhältniss nicht
erklären kann, weshalb die Bubonen kommen.
Von den 1-13 Fällen von Ulcera mollia aus meiner Privat¬
praxis, die ich hier erwähnt habe, waren nur 27 Fälle mit
Bubonen complicirt — ca. 1
Berichte aus Hospitälern zeigen selbstredend einen viel
grösseren Procentsatz von Bubonen im Yerhältniss zu den be¬
handelten Fällen von Ulcus molle, da vorzugsweise die com-
plicirten Fälle das Ilospitel aufsuchen.
Nach Dubreuilh ist ca. die Hälfte der im Hospital be¬
handelten Fälle mit Bubonen complicirt. Jullien hat eine
Gck igle
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THE OHIO STATE UNIVERSITY
lieber virulente Bubonen und den Ulcus laolle-Bacillus.
59
Statistik über 2698 Fülle von l'lcus molle, wovon 57% mit
Bubonen complicirt waren.
Petersen in St. Petersburg hat eine Statistik über
4275 Fälle mit einer Häufigkeit von Bubonen von 39%.
Neu mann hat auf 2696 Fälle von Ulcus molle 41% mit
Bubonen complicirt. Ungefähr denselben Procentsatz hat v.
Zeissl. Ebensowenig wie mau die Frage, ■weshalb überhaupt
Bubonen kommen, beantworten kann, ebenso wenig kann man
erklären, weshalb einige Bubonen virulent werden, während
der grösste Theil nicht virulent wird, ungeachtet die ursprüng¬
lichen Wunden in siimmtlichen Fällen keinen Unterschied
zeigen.
Eins scheint jedoch sicher zu sein: damit Virulenz
zu Stande kommen soll, muss der Ulcus molle-Ba-
ci 11 us die Lymp hb a h n e n bis zu den Drüsen pa s-
siren.
Was dagegen den sterilen, nicht inoculablen Eiter in den
nicht virulenten Bubonen hervorruft, weiss man nicht. Bis
auf Weiteres muss man sich mit der Hypothese über die
Stoffwechselprodu cte der Mikroben, die Eiterung ohne
Bakterien hervorrufen können sollen, begnügen.
Die Häufigkeit der virulenten Bubonen.
Die Angaben über die Häufigkeit der virulenten Bubonen
im Verhältniss zu den nicht virulenten, variirt, wie man sieht,
bedeutend.
Während Dubr euilh aus Bordeaux, wenn nur die geöff¬
neten Bubonen mitgerechnet werden, 0S% virulente hat, sind
die Angaben aus Breslau, wenn man Buschke und Kaffs
Fälle zusammen legt, 19%. Aus Prag nach Spiet sc ha nur
4%. Aus Wien nach Kille nur 9%. Nach meinen Fällen
von früher und jetzt sollte das Verhältniss ca. 25% sein.
Ich habe mit Willen hier nur Untersuchungen mitge¬
nommen, die nach der Entdeckung des Bacillus vorliegen.
Wie man sehen wird, sind diese Zahlen bedeutenden
Schwankungen unterworfen, nicht nur an den verschiedenen
Orten, sondern auch inderseiben Stadt, indem Buschke und
Raff aus Breslau resp. 25% und 8% haben.
Original from
THE OHIO STATE UNtVERSITY
Iv r e f t i n g.
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fiO
Wenn das Verhältniss mit Bezug auf die Virulenz so
bedeutend variiren kann, ist es auch nicht so seltsam, dass
einzelne Untersucher, die eine Serie von nicht virulenten Bu¬
bonen treffen, sich dazu verleiten lassen können, die Existenz
der virulenten Bubonen zu leugnen. Im Allgemeinen sind die
virulenten Fälle nicht gleiehmüssig vertheilt zwischen den nicht
virulenten, sondern sie kommen nacheinander.
Wenn die Abweichungen mit Rücksicht auf die Häufigkeit
der Virulenz nicht recht bedeutend sind, so kann dies ja nur
auf einem Zufall beruhen.
Die Untersuchungsserie ist nicht gross genug
gewesen; aber wenn die Abweichungen so gross sind wie
zwischen D u b r e u i 1 h’s 68% aus Bordeaux und Spiet-
scbka’s 4% aus Prag, muss man annehmen, dass dieses ge¬
wissen Verhältnissen beim Virus zuzuschreiben ist, die der
Epidemie ihr Gepräge gelten dürften.
Als Ausdruck eines beständigen Ab- und Zunehmens in
der Intensität des Virus kann das bekannte periodenweise,
plötzlich epidemische Auftreten der Krankheit in verschiedenen
Städten ’) genannt werden, während sie zu anderen Zeiten bei¬
nahe aussterben kann. Während die Anzahl der Fälle von
Syphilis und Gonorrhoe freilich bedeutend wechseln kann, sind
diese Krankheiten doch nicht solchen plötzlichen Schwingungen
unterworfen wie Ulcus molle.
Man hat gesagt, dass die grössere oder geringere Häufig¬
keit von Ulcus molle ein besonderer Indicator für eine schlechte
oder gute Controle sein sollte. Dies ist auch bis zu einem ge¬
wissen Grade richtig, insofern als diese Krankheit sich ver-
hältnissmässig leicht controliren lässt, aber es sind doch auch
gewiss andere unbekannte Verhältnisse in Betreff der Intensität
und Lebensfähigkeit des Virus vorhanden, die eine grosse Rolle
spielen und von der Controle unabhängig sind. Hier aus Chri-
stiania hat W. Bo eck unter seiner Syphilisationsbehandlung
gute Beweise dafür geliefert, wie das Virus förmlich aussterben
ü Ulcus molle scheint besonders epidemisch aufzutreteu in See¬
städten, wo alsdann besonders die Seeleute anscheinend neuen und Irischen
Virus von dem einen Ort zum andern bringen.
Gck igle
Original from
THE OHIO STATE UNIVERSIT7
I
Ueber virulente Bubonen und den Ulcus inolle-Bacillus.
61
konnte — es verlor seine Virulenz — selbst wenn es fort¬
während von einem Individuum auf andere geführt wurde.
Wenn der Christianiafjord durchs Eis geschlossen war
und keine Fahrzeuge kommen und mit ihnen Seeleute mit
neuem Import von Ulcera mollia, konnte es geschehen, dass
es unmöglich war, Virus in der Stadt aufzutreiben.
Der klinische Unterschied zwischen nicht virulenten und
virulenten Bubonen.
Ich will diese kurze Mittheilung nicht schliessen ohne
den grossen klinischen Unterschied zwischen virulenten und
nicht virulenten Bubonen, sowohl mit Rücksicht auf Sjinptome
als auch Verlauf, zu pointiren. Schon ehe der Bubo sich
öffnet oder geöffnet wird, kann man eine ziemlich
sichere Vermuthung haben, ob er virulent wird
oder nicht. Geht das Hinschmelzen des Drüsengewebes
schnell vor sich, ist wenig Empfindlichkeit, nicht
besonders intensiver Rubor der Haut über demselben vorhanden,
kann man mit ziemlich grosser Sicherheit die Diagnose nicht
virulenter Bubo stellen. Macht man Probepunction und
hat der ausgezogene Eiter ein grauliche s, halb schleimiges
Aussehen, kann man ohne noch Bacillen zu suchen, mit
Sicherheit den Fall als nicht virulent ansehen. Nach
dem Oeffnen zeigen diese Bubonen auch ein charakteristisches
Verhalten. Die Secretion nimmt schnell ab. Die
Wundränder werden nicht angefressen und heilen
oft sehr schnell, oft innerhalb 8 Tagen. Ausnahmsweise
kann bei scrophulüsen Patienten die Drüsenanschwellung sich
sehr lange halten und die Theilung lauge Zeit in Anspruch
nehmen mit Bildung von Senkungen und Fisteln.
Ein grosser Theil der nicht virulenten Bubonen werden
resorbirt, ohne dass sie sich öffnen oder geöffnet
werden, was nie mit den virulenten geschehen kann.
Entwickelt sich dagegen der Bubo schnell mit grosser
Empfindlichkeit und intensivemRuborinderHaut^
so kann die Entwicklung eines virulenten Bubos befürchtet
werden. Wenn er nicht incidirt wird, wird er sich schnell
durch die Haut fressen, während die nicht virulenten sehr
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Gck gle
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THE OHIO STATE UNIVERSITY
02
K r e i’ti ng.
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lange stehen können ohne durehzuhrechen, seihst wenn die
Haut über denselben sehr dünn ist.
Der Buboinhalt unterscheidet sich auch vom Inhalt des
nicht virulenten Bubos, indem er gewöhnlich eine s c h m u t z i g e
Chocoladenfarbe besitzt.
Wenn ein solcher Bubo durch Incision geöffnet ist. wird
es auch nicht lange dauern, bis die scharfen Wundränder
angefressen werden und ein charakteristisches chaneröses
Aussehen annehmen. Mit Rücksicht auf die Dauer der Be¬
handlung besteht auch ein grosser Unterschied zwischen den
nicht virulenten und den virulenten Bubonen.
Während die ersteren gewöhnlich (wenn sie nicht mit
Scrophulose complicirt werden) überaus schnell nach dem
Oeffnen zuheilen, ja sogar nicht selten, selbst nachdem das
Drüsengewebe in grosser Ausdehnung weich geworden, zurück¬
gehen ohne sich zu öffnen, nimmt die Behandlung der
virulenten stets ziemlich lange Zeit in Anspruch, bei
beliebiger Behandlung.
Wenn diese Patienten den ganzen Tag gehen oder stellen
sollen, wie hei mehreren meiner obenerwähnten l all*', zieht
die Behandlung sich selbstredend etwas mehr in die Länge,
als wenn sie im Hospital behandelt werden oder sich absolut
ruhig verhalten; aber unter allen Umständen erfordert die
Behandlung eine ziemlich lange Zeit.
Wenn in der Literatur verschiedene Mittheilungen über
schnelle, zum Thei 1 abortive Beha n d 1 u ngsme t hoden
für Bubo nen erschienen sind, so ist nicht genügend
Rücksicht darauf genommen worden, inwiefern
der Buho vir u 1 en t wa r o de r nieh t.
Trifft man eine Serie nicht virulenter Bubonen und be¬
nutzt eine beliebige Behandlung, wird man stets glänzende
Resultate erzielen.
Behandlung.
Nach meiner geringen Erfahrung scheint den virulenten
Bubonen gegenüber die eine Methode nicht sonderlich besser
als die andere zu sein.
Gck igle
Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
lieber virulente Bubonen und den Ulcus molle-Bacillen.
63
Wo man Jodoform gebrauchen kann, ist solches sicherlich
das beste Mittel, aber ich habe es des Geruches wegen nur
ausnahmsweise bei meinen Patienten gebrauchen können.
Ich habe nur grosse Incisionen und Auslöfflung sowie
Entfernung von unterminirten Hautpartien vorgenommen. Ab
und zu Aetzungen mit rauchender Salpetersäure.
Verbinden mit Dermatol, Salicylwatte sowie Stärkebinde,
die ein paar Mal wöchentlich gewechselt wurde.
Die rationellste und wirksamste Behandlungsmethode ist
Welander’s Wärmebehandlung, die auf dem Factum basirt
ist, dass das Virus bei verlniltnissmässig niedriger Temperatur
ca. 40° getödtet wird.
Leider erfordert diese Methode so viele Apparate, dass
dieselbe nur für Hospitalsbehandlung passt.
Das Verhältniss der virulenten Bubonen kann somit in
wenigen Zeilen resumirt werden:
1. Die Häufigkeit der virulenten Bubonen im
Verhältniss zu den nicht virulenten scheint bedeu¬
tend zu variiren.
2. Die Virulenz wird vom Vorhandensein des
Ulcus molle Bacillus bedingt.
3. Die Virulenz und somit auch der Bacillus
sind gewöhnlich vor dem Oeffnen des Bubos vor¬
handen (bubon virulent d’emblee), können aber auch
kommen, nachdem er geöffnet ist ^bubon virulent con-
secutivement).
4. Die Differe ntialdiagnose zwischen virulentem
und nicht virulentem Bubo kann im Allgemeinen mit
ziemlich grosser Sicherheit gestellt werden, ehe
derselbe geöffnet wird.
Der klinische Unterschied zwischen nicht
virulentem und virulentem Bubo lässt sich fol-
gendermassen schematisiren:
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Original frorn
THE OHIO STATE UNIVERSITY
64
K r e f t i n g.
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Nicht virulenter Bubo.
Das Hineinschmelzen des Drüsen¬
gewebes gellt langsam vor sieh.
Geringe Empfindlichkeit. Wenig
ausgesprochener Rubor der Haut
über dem Bubo.
Der Inhalt ist von graulichem, schlei¬
migem Aussehen.
In demselben lassen sich keine Mi¬
kroben nachweisen, weder mikro¬
skopisch noch durch Züchtungs-
Versuche.
Die liundzellen färben sicli schlecht.
Kann zurückgehen, ohne sich zu
öffnen oder geöffnet zu werden.
Nach dem Oeffnen nimmt die Secre-
tion schnell ab.
Die Wundränder nach der Ineision
werden nicht angefressen.
Die Heilung geht sehr schnell, oft
innerhalb 8 Tagen.
Virulenter Bubo.
Das Hinschmelzen geht schnell vor
sich.
Starke Empfindlichkeit. Intensiver
Rubor.
Der Inhalt ist gewöhnlich schmutzig,
chocoladenfarbig.
Der I leus molle-Bacillus lässt sich
nachweisen, wennschon in spär¬
licher Anzahl.
Die Kundzellen färben sich.
Geht niemals zurück, ohne sich zu
öffnen od*T geöffnet zu werden.
Wenn er nicht inridirt wird, wird
die Haut schnell von selbst per-
forirt.
Nach dem Oeffnen lvichliche puru¬
lente Secretion.
Die Wundränder werden angefressen
gleichwie die ganze Bubohöhle
das Aussehen einer grossen Schan¬
kerwunde annimmt.
Die Heilung geht sehr langsam und
nimmt oft Wochen und Monate.
Gck igle
Original frnm
THE OHIO STATE UNIVERSITY
Aus der k. k. dermatologischen Universitätsklinik von Prof.
F. J. Pick in Prag.
Ueber extragenitale Syphilisinfection.
Von
L>r. Friedrich Bloch,
Seeundärant der Klinik.
Bei dem extragenitalen Sitz des syphilitischen Prirnär-
aftectes ist es der Umstand, an ganz ungewöhnlicher Stelle
den syphilitischen Initialaffect zu finden, was die richtige
Beurtheilung dieser sowohl in praktisch diagnostischer, wie in
forensischer Beziehung interessanten Fälle sehr erschwert und
manchmal den Primäraffect ganz übersehen, oder eine
andere Erkrankung diagnosticiren lässt. Weniger gilt dies von
dem extragenitalen Sitz der Sclerose im Bereiche solcher
Stellen, wo die Localisation doch noch zu den häufigeren ge¬
hört, wie z. B. an den Lippen, wohl aber von den Fällen, bei
welchen die Sclerose an Stellen vorkommt, wo sie nur sehr
selten oder noch gar nicht beobachtet wurde, während doch
eine jede der Infection zugängliche Stelle des menschlichen
Körpers der Sitz des syphilitischen Primäraffectes sein kann.
Wenn auch schon eine beträchtliche Anzahl von Fällen extra¬
genitaler Sclerosen publicirt wurde, so erscheint trotzdem noch
immer das Studium der Symptome und ätiologischen Momente
der extragenitalen Syphilisinfection sehr interessant, sowohl
vom rein wissenschaftlichen, als auch vom praktischen Stand¬
punkt und insbesondere auch vom Standpunkte der socialen Pro¬
phylaxe von hohem Interesse, weil es nicht allein die Verbrei¬
tungswege der Syphilis, sondern auch die Art und Weise
der Uebertragung des syphilitischen Contagium kennzeichnet
und gleichzeitig auf Massnahmen hindeutet, welche sich als
Archiv f. Dermatol, ti. Syphil. Baud XXXIX. c
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Gck igle
Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
66
Bloch.
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höchst nothwendig erweisen, um die Verbreitung dieser Krank¬
heit zu verhindern.
Wenn in früherer Zeit die Fälle extragenitaler Ini'ection
als etwas sehr seltenes galten, so verlassen sie leider gegen¬
wärtig das Gebiet der „Raritäten“ und gelangen immer häutiger
zur Beobachtung.
Ich wurde zu vorliegender Arbeit veranlasst, weil von
unserer Klinik schon seit längerer Zeit keine Zusammenstellung
extragenitaler Infectionen stattgefunden hat, und wir gerade in der
letzten Zeit in der Lage waren, eine grössere Reihe von Fällen
zu beobachten, bei denen durch mannigfach unterlaufende Um¬
stände der Initialaffect sich an ganz aussergewöhnlicben Orten
der allgemeinen Hautdecke entwickelt hat und es wünschens-
werth erscheint, über die Häufigkeit der extragenitalen Infection
in den verschiedenen Ländern orientirt zu werden und die
Statistik wie sie Bulkley, 1 ) in so ausgezeichneter Weise
inaugurirt hat, zu fördern.
Im Folgenden werde ich meine Fälle, einschliesslich der
seinerzeit von Plumert") und Baum 3 ; publieirten, nach der
Häufigkeit der Localisation angeordnet, mittheilen und einige
kurze zusammenfassende Bemerkungen amchliessen.
Meine Zusammenstellung umfasst einen Zeitraum von 11
Jahren, vom Jahre 1K85 bis inclusive l*!ii>. anschliessend an die
seinerzeit von Baum 4 ) publicirten Fälle.
I. Primäraffecte an den Mundlippen.
«) An der Oberlippe. 14 Fälle.
1. S c 1 e r o s i s initialis labii s u ]> e r i or i s oris. Lucs
maculosa. Ly mpli ade ni t.is sclcrotica univorsalis p r a e-
cipne subnieutalis et submax i 11 aris.
') Bulkley. Syphilis in tbc Innocent. 181*1. Xew-York.
J ) l’hnnert. Einige Fälle vom abnormen Sitz der primären Af-
fection bei Syphilis. Wiener medic. Zeitung.
s ) Baum. Casuistischer Beitrag zur Kenntnis'' der extragenitalen
Inifial-selerose. Arcbiv 1'. Bonn. u. Syph. ]S85 p. 07.
*) s. o.
Gck 'gle
Original frorn
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Ueber extragenitale SypLilisinfeetion.
67
S. L.j 30jährige Musikersfrau. I)ie Oberlippe ist stark geschwollen ;
in der Mitte derselben eine 2'/., Cm. grosse Exuleeration, ihre Ränder
scharf begrenzt, die Pasis stark sclerosirt. Sämrntliche Drüsen, insbe-
sondere die submentalen und submaxillaren vorgrössert, hart. Ara Körper
ein Fleckensyphilid. Pat. ist von ihrer eigenen Schwester infieirt, die
schon durch 2 Jahre an Syphilis leidet. Der behandelnde Arzt warnte
unsere Pat. zum öfteren; sie brauchte jedoch keine weitere Vorsicht und
benützte dieselben Ess- und Trinkgeschirre. Pat. hatte lange Zeit hin¬
durch an der betreffenden Stelle eine Rhagade, aus der sich alltnälig das
Ulcus entwickelte.
2. Prima rs der ose an der Oberlippe. A d e u i t i s u n i ver¬
sa 1 i s,
W. J., 26jähriger Kellner, zeigt in der Medianlinie der Ober¬
lippe einen harten Knoten von der Grösse einer kleinen Haselnuss. Sämmt-
liche Drüsen namentlich am Halse multipel geschwellt.
Pat. gibt erst über öfteres Inquiriren an, dass er Lippen und
Zunge mit den Genitalien seiner Geliebten, einer Prostituirten in Be¬
rührung gebracht habe.
3. S c 1 e r o s i s initialis 1 a b i i s u p e r i o r i s o r i s. Lympli.
a d e n i t. i s subm axillaris s c 1 e r o t i c a.
A. W., 21jährige Dienstmagd, eingetreten am 14. Juli 1880.
In die Substanz der Oberlippe findet sich ein dieselbe durchsetzender,
haselnussgrosser Knoten eingelagert, der an der Oberfläche mit speckigem
Belage versehen, gegen die Umgebung scharf abgegrenzt ist. Die 8ub-
maxillardriiscn beiderseits hart, fast wallnussgross. Infectionsmodus ist
nicht zu eruiren.
4. S c 1 e r o s i s initialis 1 a b i i s u p e r i o r i s o r i s. Lues con-
d y 1 o m a t o s a. S c 1 e r a d e n i t i s u n i v e r s a 1 i s.
M. P., lOjälir. Kellnerstochter. Eingetreten am 21. April 1887.
Die Oberlippe ectropionirt, in der Mitte derselben sitzt ein circa 2 Cm.
im Durchmesser haltendes Geschwür, dessen Basis indurirt erscheint.
Sämmtliche zugängliche Lymphdrüsen tastbar, sclerosirt. An den Geni¬
talien exuleerirte Papeln. Pat. wurde von ihrem Geliebten infieirt. Ihr
Leiden begann mit der Bildung eines kleinen Knötchens an der Ober¬
lippe, das allmälig exuleerirte und bis zur gegenwärtigen Grösse her-
anwuchs.
5. Sclerosis initialis 1 a b i i s u p e r i o r i s o r i s. Lues cuta¬
nea papulosa. L y m p h a d e n i t i s s c 1 e r o t i c a s u b m a x i 11. e t ingui-
n a 1 i s.
R. D., 30jähr. le lige Dienstmagd. Eingetreten am 14. Nov. 1885.
An der ectropionirten Oberlippe sitzt etwas nach links von der Mittel¬
linie ein fast zehnhellergrosses Geschwür, dessen Grund massig indurirt
erscheint. Die submaxillaren Drüsen sind multipel geschwellt, hart. An
den Genitalien exuleerirte Papeln.
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68
B 1 o e h.
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Bat. wurde von ihrem Cieliel»teil iuticirt. Ihr Leiden begann mit
der Bildung eines kleinen Knötchens an der Oberlippe. An dieser Stelle
wurde Bat. von ihrem Geliebten, der mit Lues eondvlomatosa im Kranken¬
haus lag, geküsst.
b. I n i t i a 1 a f fe c t an de r 0 b e r 1 i p p e. S e h w e 11 u n g d e r s u b-
m a x i 11 a r e n L y m p h d r ii s e n.
J. M., 2djähr. Medieiner. Hinget eten am 13. Mürz 1SS6. In der
Medianlinie der Oberlippe findet sieh ein haselnnssgmsser Knoten, dessen
Basis indurirt erscheint. Oie submaxillaren Lymphdrüscn sind beider¬
seits haselnussgross geschwellt.
Oer Bat. gibt an, dass er ursprünglich an der betreffenden Stelle
eine Rhagade bemerkt habe, die er öfters aulriss; seit 2 Wochen be¬
merkt Bat. das Auftreten eines -Knötchens, das immer grösser wurde
und allmalig exuleerirte. Letzter Coitus vor 4 Wochen.
7. Sclerosis i n i t i a 1 i s 1 a b i i s u p e r i o r i s o r i s. Lues
c o n d v 1 o m. B a p u 1 a e e x u 1 e. ad t ans i l 1 u s. A d e u i t i s uni-
v e r s a 1 i s p r a e e i p u c s u b m a x i 1 1 a r i s.
< t Hi. M., lüjuhr. Maler. Finget reten am 30. Mürz 18>0.
Ls fand sich in der Medianlinie der Oberli|ipe «‘in derber Knoten
von der Grösse einer kleinen Wallnuss. Derselbe war mit der äusseren
Haut verlöthet, durchsetzte die Muskelpartie und ragt» 1 noch ein wenig
über die Schleimhaut- an der Innenfläche empor. Oie submaxillaren
Drüsen multipel geschwellt bis zu Bohuengrösse. An der Schleimhaut
der Tonsillen exuleerirte Papeln.
Bat. über sein Leiden aufgeklärt, gibt im Verlaufe meines Spitals-
Aufenthaltes an, dass er Lippen und Zunge mit den Genitalien seiner
Geliebten, die ein«; Prostituirt«; war, in Berührung gebracht, habe. Oie
jetzige AtVection soll in Form eines Knötchens begonnen haben.
S. Sclerosis initial is ad labium super, oris. \deuitis
submaxill. sinistra sclcrotica.
M. B., dOjähr. le«liger Bahnbeamter, traf am 17. August lN"d in die
Klinik ein.
An d«‘r Medianlinie der Oberlippe, u. zw. am Febergang de> Lippen-
rotli in die Sclih imhaut, zeigte sieh eine 1 Cm. im Durchmesser messende
papelförmige Frlielmng von BohnengWLse. Das Gewebe um dieselbe von
charakteristischer Härte. Oie Drüsen in der Submaxillargegend ge¬
schwellt, hart. Bat. bemerkt seine OberlippenatVcrtion ^eit 3 Wochen.
Feber die Fufsfelnmg des Geschwürs w«*iss der Krank« 1 nielits anztigrbrn.
!). Sclerosis initial is labii s u per i oris oris. Adenitis
s u b m a x i 11 a r i s b i 1 a t e r a 1 i s s »• 1 e r o t i e a.
P. M., 22jühr. Oicnstmädehen, kam atn ld. März auf die Klinik.
Fast in ihr Mitte der geschwollenen und cctropionii t< i n Oberlippe bildet
man eine indurirte, eitörmige Stelle, deren Ob.u llacln» 1 1 *■ s FpiiheD be¬
raubt ist. D«*r Grund intiltrirt, von derber Con-isten/. Die ^ubmaxiil.
Orii^en b* i«0■ i* its geschwollen. derb, gc^.-n Druck nimmptindli.-li. Ibe
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Ueber extragenitale Syphilisinfection.
69
Pat. bemerkt seit 14 Tagen die Affection an der Oberlippe, die in Form
eines Knötchens begonnen haben soll. Der Modus der Infection konnte
in diesem Falle nicht eruirt werden.
10. Primär-Sclerose der Oberlippe. Schwellung der
regionären L y m p h d r ü s e n.
W. S., 10 Monate alte Giesserstochter, wird von ihrer Tante am
29. October 1891 auf unsere Klinik gebracht.
Das für sein Alter schwächlich entwickelte und schlecht genährte
Kind trägt in der Medianlinie der Oberlippe einen ungefähr haselnuss¬
grossen Knoten, der sich knorpelhart anfühlt und an der Oberfläche exul-
cerirt erscheint. Die submaxillaren Drüsen der rechten Seite bilden ein
kleinapfelgrosses, hartes Packet. Die Affection an der Oberlippe besteht
seit 2 Monaten; es bildete sich ein kleines Bläschen an der betreffenden
Stelle, das später exuleerirte und allmälig in das jetzt vorhandene Geschwür
sich umwandelte. Die Mutter der Pat. hatte vor einigen Monaten eine
fieberhafte Krankheit durchgemacht, der später eine Halsentzündung und
nässende, entzündete Stellen an den Lippen und an den Mammen
folgten, während sie das Kind nährte. Die Begleiterin des Kindes wird
beauftragt, die Mutter der kleinen Pat. mitzubringen. Seit dieser Zeit
war jedoch der Fall unseren Augen entschwunden, indem weder Mutter
noch Kind sich vorstellten.
11. Ulcus sei e rot i cum labii superioris oris. Lymph¬
adenitis sclerotica sub- et re tromaxillaris, s u b mentalis
et colli superficialis.
B. S., 2Gjähriger Finanzaufseher. Eingetreten am 13. Juli 1892.
Die Oberlippe rüsselartig vorstehend, zeigt gerade in der Mitte der
Oberlippe einen derben, scharf begrenzten Tumor, der mit einer blutig-
«eitrigen Borke bedeckt ist; in der Mitte derselben findet sich eine senkrecht
zur Lippe verlaufende Rhagade, die auf ihrem Grunde speckig eitrig be¬
legt erscheint. Nach Ablösung der Borke sieht man die Oberfläche der
Sclerose im grösseren Umfang als eitrigen Geschwürsgrund. Die Lyroph-
<lrüsen an beiden Unterkieferwinkeln, sowie die submaxillaren und sub¬
mentalen deutlich tastbar, bis bohnengross, derb; gleiche Veränderungen
zeigen die oberflächlichen Lymphdrüsen des Halses, besonders rechts;
hier lässt sich dieser Lymphdrüsenkranz bis in die Supraclaviculargrube
verfolgen. Der Krauke, der bereits zweimal auf unserer Klinik lag, das
erstemal mit Ulcus scleroticum in Sulc. glandis, dann später mit Secundör-
er^cheinungen, gibt an, dass er seit seiner Entlassung aus dem Spital
fortwährend gesund gewesen ist. Drei Wochen nach dem letzten Coitus
bemerkt Pat. das Auftreten eines kleinen Knötchens an der Oberlippe,
das allmälig grösser wurde und zerfiel. Pat. erzählt, dass er an der
kritischen Stelle von einer Prostituirten geküsst wurde.
12. S c 1 e r o s i s initialis labii superioris oris. Lucs condy-
lomat. cutan. macul. papu 1. S c 1 era d enit i s submax i 11. s ufe¬
rn e n t. et nuchalis bilateral is.
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T. K., 2Sjähi*iire Ieilige Kellnerin. Eingetreten am 19. Juli 1893.
Man sieht die Oberlippe stark geschwollen. Rechts von de»* Median¬
linie derselben am Lippenroth beginnend findet sich eine 2 Om. grosse
Ulceration, deren Ränder scharf begrenzt, deren BaMs mit Eiter bedeckt,
erscheint. Das Geschwür fühlt sich sehr hart an; die nächste Eingebung
ist auf 1'/, Cm. in die S leroso einbezogen. Die Drüsen in der sub-
maxilh, ment, und mich. Gegend stark geschwellt, manche als taub» n-
eigrosse Tumoren tastbar. Am Stamme ein maeul. papulöses Exanthem.
Die Bat. gibt an, dass sie sich vor etwa 2 Monaten mit einem von einem
Gast bereits benützten Zahn-tocher an der Schleimhaut der Oberlippe
verletzte. Diese kleine Läsion heilte nicht, sondern wurde zu einem Ge¬
schwür, »las trotz Behandlung von Seite eines eonsultirten Arztes mit
einer Tinetur und Argentumstift nicht heilen wollte, weshalb sie v<>u
ihrem Arzt auf eine chirurgisch»' Klinik geschickt wurde; von dort wurde
sie unserer Ambulanz zugewiesen.
13. Ulcus sei e r o t i c u m 1 a l) i i s u p e r i o r i s o r i s. S c 1 e r a <1 e“
n i t i s s u b - e t r e t r o in a x i 11 , c c r v i c., a x i 11., c u b i t a 1 i s b i 1 a t e r a 1 i s.
K. K., ein 7 Jahre altes Mädchen, wird von ihrer Mutter am
10. Januar 1SD4 in die Ambulanz unserer Klinik gebracht.
Die Oberlippe der Bat. massig ectropionirt, zeigt in der Median¬
linie eine etwas dunkler gcröthete, nur wenig über das Niveau erhabene
bis liuscngrosse stark intiltrirte Stelle. Die sub- und retromaxillareii
Lymphdrüsen bis haselnussgross, plejadenfürmig geschwellt, hart; die
cervic. axill. und cubitalen gleichfalls vergrößert, selerosirt. Die Arcad» n
zeigen beiderseits Knickungen, sonst am Körper nichts Abnormes, Geni-
tale rein.
Das Kind hat seit ca. 2 Monaten seine ObeiTippenatfection. die erst
in Form eines Bläschens aufgetreten ist. Als die Mutter der Bat. auf
Wunsch meines Chefs den folgenden Tag ihre anderen 2 Kinder mit¬
brachte, fand man bei dem 9 Jahre alten Bruder der Bat. eine Initial-
sclerose am rechten Mundwinkel und bei der 13 Jahre alten Schwester
unserer Bat. einen Initialaffect am linken Mundwinkel. Auf beide Fälle
werde ich noch zu sprechen kommen. Die Aetiologic der Infcetion war
hier vollkommen klar. Eine 20 Jahre alte Schwester A. K. der oben er¬
wähnten Kinder lag im Spital mit Erscheinungen einer fioriden Lues.
Die Mutter selbst führt die Erkrankung ihrer Kinder zurück auf Infectbui
seitens dieser Schwester, mit der die Kinder in einem Bette schliefen.
1 L Sclerosis initialis ad labium super, oris Lues Con¬
dylom at. eut. pap ul., i»u stu los., ulcerosa. S c 1 e r a d e n i t i s uni¬
versal. p r a e e i p u e s u 1) m a x i 11 a r i s d e x t r a.
M. B., 21j. ledige Näherin. Eingetreten am 14. August 1^95.
An der Oberlippe u. z. am Eiltrum findet sich ein circa 1 Em.
breites, die rechte Ilälfte der Oberlippe einnehmende*, zum Theil in der
Haut, zum ibeil im Lippenrutli sitzendes Infiltrat, das an seiner Oberfläche
mit einer eitrigen Burke bedeckt ist. Nach Abnahme derselben sieht man
ein oberlläcLlirhes schüs*eliörmiges Geschwür mit wallartig aufgeworfenen
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(Jeher extragenitale Syphilisinfection.
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Rändern; unter dem rechten Kieferrande eine etwa faustgrosse Geschwulst,
dem submaxillaren Drüsenpaket angehürend; über dem centralen Theile
derselben die Haut geröthet; die Geschwulst an ihrer Kuppe deutlich
Huctuirend; die übrigen Drüsen selerosirt.
Ueber den ganzen Stamm, die Extremitäten und das Gesicht aus-
gebreitet ein papulo-pustulöses Syphilid.
P. gibt an, dass sie zuerst u. z. 6 Wochen vor ihrem Spitalseintritt
eine Anschwellung unter dem rechten Kieferwinkel und eine Woche später
die Affection an der Oberlippe bemerkt habe. Diese trat in Form einer
Pustel auf, welche aufbrach und allmähg an Grösse zunahm. Ueber die
Entstellung weiss P. keinerlei Angaben zu machen, doch gibt sie zu, dass
sie sehr oft Rhagaden an der Oberlippe habe. Im Laufe des Aufenthaltes
der P. auf der Klinik nimmt das Exanthem an Intensität zu, es treten
Ulcera an den Tonsillen auf; zwei Wochen nach ihrem Spitalseintritt
kommt es unter dem rechten Knie allmälig zur Bildung eines scharf-
randigen Geschwürs mit speckig belegtem Grunde; am Ende der 3. Woche
hatte dasselbe bereits die Grösse eines Guldenstückes erreicht; die Sclerose
an der Oberlippe, die bereits überhäutet war, ist neuerdings aufgebrochen,
nimmt serpiginösen Charakter an; an den oberen Extremitäten treten
neue ulceröse Herde auf.
Beginnend vom primären Geschwür an der Oberlippe, durchlief
der Process bei dieser Kranken mit rapider Geschwindigkeit alle Phaseu
der malignen Syphilis. Schon beim Beginn der Sclerose stellte sich eine
Suppuration der rechten Submaxillardrüse ein. Zwei Monate, nachdem
die P. die Sclerose bemerkt hate, kam es zum Auftreten eines papulösen
Exanthems, zugleich zerfiel die Sclerose neuerdings und entwickelten
sich zahlreichen Hautgummen.
&) Au (1er Unterlippe. 31 Fälle.
IG. Ulcus scleroticura labii inferioris oris. Lues cutanea
maculosa. Scleradenit. submaxill.
L. L., 21 j. lediger Commis.
Zwei Centimeter vom rechten Mundwinkel entfernt findet sich an
der Unterlippe ein kreuzergrosses Geschwür mit speckigem Belag. Die
Basis des Geschwürs von charakteristischer Härte. Die Drüsen in der
Submaxillargegend geschwellt.
Das Geschwür begann in Form eines Bläschens, das allmälig durch
Zerfall seine heutige Grösse erreichte.
Der Infectionsmodus konnte nicht eruirt werden.
17. Sclerosis initialis labii inferioris oris. Lues cuta¬
nea maculosa. Scleradenitis regional.
J. J., 4j. Schmiedstochter. Eingetreten am 29. Juni 1880.
Das für sein Alter schlecht entwickelte Kind trägt in der rechten
Hälfte der Unterlippe 1 Cm. vom Angulus oris entfernt, einen haselnuss-
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grossen Knoten, der sich knorpelhart anfühlt und an der Oberfläche
exulcerirt erscheint. Die Submaxillardrüsen derselben Seite sind multipel
geschwellt, taubeneigross und indurirt. Auch die Collar- und Cervicaldriisen
tastbar. lieber den Stamm ist ein rnaculöses Exanthem verbreitet.
Das Kind hatte sich vor etwa (> Wochen bei einem Sturze mit den Zähnen
an der Unterlippe verletzt. Die Wunde, die anfangs stark blutete, bedeckte
sich später mit einem Schorfe, der sich wiederholt abstiess und eine
nässende Fläche zu Tage treten liess, die sich immer mehr vergrösserte;
zugleich nahm die Unterlippe in ihrem Volumen zu und indurirte.
Becherchen nach der Infectionsquelle führten zu einem positiven
Resultate. Es ergab sich, dass ein zu wiederholten Malen an unserer
Klinik mit Syphilis condylomatosa in Behandlung gewesener Mann zu
den Hausgenossen der Familie gehörte und, wie die Mutter des Kindes
auf das bestimmteste angab, das Kind nach dem Falle durch Küssen auf
die verletzte Stelle zu beruhigen versucht hatte. Kurz nach Spitalseintritt
unserer P. stellte sich dieser Mann wieder vor und er bot nebst Condy¬
lomen ad anum auch zahlreiche Papulae mucosae an den Lippen dar.
18. Primär-S der ose der Unterlippe. Schwellung
der regionäre n L y m p h d r ii s e n.
B. H., 21 j. ledige Dienstmagd. Eingetreten am 2. März 1881.
Die ganze rechte Hälfte der Unterlippe wird von einem Geschwür
eingenommen, das mit einer dünnen, braunrotheil Borke bedeckt ist, nur
gegen die Mundschleimhaut zeigt es einen speckigen Belag.
Der Grund ist bedeutend resistent. Die rechten Submaxillardrüsen
erheblich vergrössert, indurirt.
Die Erkrankung begann vor etwa 7 Wochen mit einem Knötchen,
das allmälig grösser und resistenter wurde.
19. Initial sei erose der Unterlippe. Syphilis cutanea
m ac u 1 o -papu 1 o s a. Larynxal fe c t i o n.
M. W., 24j. Stubenmädchen. Eingerreten am 4. December 1882.
An der Unterlippe u. z. gerade in der Medianlinie eine manifeste
Solerose. Am Stamme ein maeulopapulöses Exanthem, ausserdem bestanden
die Erscheinungen einer acuten Laryngitis.
Der Modus der Jnfeetion war hier nicht zu cruiren.
20. S c 1 e r o s i s i n i t i a 1 i s 1 a b i i i n f e r i o r i s o r i s. Syphilis
cutanea maculosa.
J. W., 28j. Begenschirmmacher. Eingetreten am lö. Jänner 1883.
In der linken Hallte der Unterlippe befand sich ein mehr als
haselnussgrosses, bereits in Abschwellung begriffenes Inliltrat, das an
seiner Oberfläche ein kreuzergrosses, speckig belegtes Geschwür trug.
Die Submaxillardrüsen links bedeutend geschwellt, scleroMrt. Am Stamme
ein orbiculär angeordnetes maeulöses Syphilid. 1 >ie AtTeclion entstand
vor 7 Wochen aus dem Pat. unbekannter Ursache.
21. Selerosis initinlis lahii infer. oris. Lues eondylom.
cutanea maculosa. S c 1 e r a d e n i t i s u n i v e r s a 1 i s.
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J. N., 24j. verli. Tischler. Eingelreten am 7. Februar 1884.
An der Unterlippe links von der Medianlinie sitzt ein fast kreis¬
rundes, 1 Cm. im Durchmesser haltendes, speckig belegtes Geschwür,
dessen Basis sclerosirt erscheint.
Die submaxillaren Drüsen der linken Seite sind in eine hühnerei¬
grosse, harte Geschwulst verwandelt. Die Affection der Unterlippe besteht
seit 4 Wochen und hatte mit einem kleinen Bläschen begonnen, das
später exulcerirte.
Eine Woche vor Beginn der Affection will P. einem fremden Mann,
über dessen Gesundheitszustand er jedoch keine Angaben zu machen
vermag, seine Pfeife geborgt haben.
22. Sclerosis initial, labiiinfer. oris. Syphilis cutanea
mac ulo-papulosa. Scleradenitis buccalis, submaxillaris,
nuchalis axillaris et cubitaiis dextra.
B. B., 31 j. ledige Magd, wurde am 18. Mai 1884 aufgenommen.
Zwei Centimeter vom rechten Mundwinkel beginnend, bis etwas
über die Medianlinie der Lippe hinausreichend, sitzt in der Substanz der
Lippe ein taubeneigrosser Knoten von derber Consisteuz. Von dem Knoten
aus zieht ein gänsekieldicker, fester Strang unter der Schleimhaut
der Lippe, durch das Gewebe der dem Kiefer anliegenden Wange,
zu einer etwa erbsengrossen, harten Drüse, die 2 Cm. über dem Kiefer¬
rand unter der Haut fühlbar ist. Die submentalen und die submaxillaren
Drüsen vergrössert, hart. Die Drüsen des Nackens sind multipel rosen-
kranzförraig, erbsengross geschwellt. Auch die axillaren und cubitalen
tastbar. Am Stamme und an den Extremitäten ein aus Flecken und Papeln
bestehendes Exanthem.
Ueber den Ursprung der Affection wusste P. nichts anzugeben. Vor
6 Wochen soll sich in der Mitte der Unterlippe ein Knötchen gebildet
haben, das allrcälig bis zur jetzigen Grösse heranwuchs.
23. Ulcus scleroticum ad labium infer. oris. Sclerade¬
nitis submaxillaris bilateral.
J. W., 24j. Messerschmied. Eingetreten am 23. Februar 1885.
An der Unterlippe links von der Medianlinie auf die Mundschleim¬
haut übergreifend, findet sich ein etwa kirschkorngrosses speckig belegtes
Geschwür mit indurirter Basis. Die submaxillaren Drüsen namentlich
links vergrössert, hart.
Der Modus der Infeotion konnte in diesem Fall nicht eruirt werden.
P. wusste nur anzugeben, dass seine Erkrankung vor 7 Wochen begon¬
nen habe.
24. Sclerosis initialislabii inferioris oris. Lues condy-
lomat. cutan. mac ul. pap ul. Scleradenitis submaxillaris,
corvicalis, axillaris et cubitaiis bi lat.
W. M., wurde am 13. December 188b aufgenommen.
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In der Mitte der Unterlippe eine baselnussgrosse infiltrirte Ge¬
schwulst, die mit einer braunrothen Borke bedeckt erscheint. Nach Ent¬
fernung derselben sieht man ein kraterförmiges Geschwür mit eitrig
belegter Basis. Die oben bezeiekneten Drüsen vergrößert, hart. Im Ver¬
laufe des Spitalsaufenthaltes tritt ein über den ganzen Körper ausgebrei¬
tetes Syphilid auf.
P. erzählte, dass er mit einer Prostituirten Umgang pflegte, die
eine Affection an der Lippe hatte. Auf diese Stelle habe er das Mädchen
geküsst. Vier Wochen darnach bemerkte P. ein Bläschen au der Unter¬
lippe, das zerfiel und sich allmülig vergrösserte.
25. Ulcus durum labii inferior, oris. Lues cut. macul.
p a p u 1. Scleradenitis s u b in a x i 11. c e r v i e a 1. et axillar.
W. Z., 20j. Taglöhner. Eingetreten am 26. Februar 1887.
Auf der Unterlippe u. z. gerade in der Medianlinie eine mauifeste
Sclerose. Daneben bestand macul. papulöses Exanthem am Körper. Die
oben angeführten Drüsen hart, vergrössert. P. ist Tabakkauer, und um
seiner Leidenschaft zu fröhnen, schreckt er nicht davor zurück, auf der
Strasse gelegene Cigarrenreste aufzuheben und zu kauen.
26. Sclerosis initial is labii infer. oris. Lymphadenitis
sclerotica submaxi llaris.
A. Iv-, 27j. Kellnerin. Eingetreten am 16. Juni 1887.
An der Unterlippe links von der Medianlinie sitzt ein fast kreis¬
rundes, 1Cm. im Durchmesser haltendes, speckig belegtes Geschwür,
dessen Basis sclerosirt erscheint. Die submaxill. Drüsen namentlich links
vergrössert, hart.
P. führt ihre Lippenafiection darauf zurück, dass sie die Gewohnheit
habe, das Geld der Gäste beim Wechseln zwischen die Lippen zu nehmen.
27. Ulcus durum labii infer. oris. Scleradenitis s u b ■ e t
retromaxillaris.
M. B-, 30j. Näherin. Fingetreteu am 10. August 1888.
Es zeigte sich in der Mittellinie der Unterlippe ein kreuzergrosses
Geschwür mit speckigem Belag, das Gewebe um dasselbe von charakteri¬
stischer Härte. Die sub- und retromaxill. Drüsen vergrössert, hart.
Der Modus der Infection konnte in diesem Falle nicht aufgeklärt
werden.
28. Ulcera dura labii in fer. oris. L u es cut an ea m ac u 1.
papulosa. A d e n i t i s s c 1 e r o t i c. submaxill. ccrvic. et a x i 11.
J. J., 26j. Taglöhuer. Eingetreten am 6. August 1880.
An der vorderen Fläche der Unterlippe zu beiden Seiten der
Medianlinie je ein tiefes, kraterförmiges Geschwür mit aufgeworfenen,
sclerotisch intiltrirten Rändern. Am Stamme ein maculopapuloses Syphilid.
Die oben angeführten Drüsen vergrössert, hart.
Die Affection der Unterlippe datirt seit 4 Wochen und begann mit
Bildung zwei kleiner Knötchen, die allmälig grösser wurden und exul-
eerirten.
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Ueber extragenitale Syphilisinfeetion.
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75
29 a. Sclerosis labii infer. oris. Lues cutan. macul. papu¬
losa. Scleradenitis submaxill. axillar, et inguin. bi lat.
M. Scb., 28j. Commis. Eingetreten am 4. December 1888.
An der ectropionirten Unterlippe links von der Medianlinie, vom
Lippenroth auf die Schleimhaut übergreifend, sitzt ein kreuzergrosses speckig
belegtes Geschwür, dessen Umgebung stark iniiltrirt erscheint. Am Stamme
und an den Extremitäten ein maculöses Syphilid. Die oben genannten
Drüsen geschwellt, sclerosirt.
P. gibt an, dass er vor der Lippenatleetion, die er seit 4 Wochen
bemerkt, an derselben Stelle eine Rhagade gehabt habe und dass er an
dieser Stelle von einer Prostituirten geküsst wurde.
29 b. Ulcus durum ad labiuin infer ins oris. Lues cutan.
inaeul. papulosa. Adenitis sclerotica universalis.
J. Sch., 21 j. Jurist. Eingetreten am 18. April 1888.
An der Unterlippe u. z. gerade in der Mitte eine manifeste Sclerose.
Ueber den gjinzen Körper ein maculo-papulöses Exanthem. Sämmtliche
dem Tastsinn zugängliche Drüsen tastbar, hart, schmerzlos.
Unser P. bemerkte die Lippenatleetion seit 4 Wochen im Anschluss
an eine Rhagade. Modus der Infection blieb unbekannt.
80. Initialsclerose der Unterlippe. Allgemeine Drüsen¬
schwellung.
F. B., 31j. Schuhmachersgattin. Eingetreten am 25. April 1888.
Die ganze rechte Hälfte der Uuterlippe wird von einem Geschwür
eingenommen, dessen Basis bedeutend resistent erscheint. Die sämmtlichen
zugänglichen Drüsen, namentlich die rechte submaxillare Drüse vergrös-
sert, indurirt.
Aus der Anamnese ergab sich, dass ein zu wiederholten Malen an
unserer Klinik mit Syphilis condylomat. in Behandlung gewesener Mann
zu den Hausgenossen der Familie gehörte.
31. Ulcus sclerotium ad labium infer. oris. Lymph¬
adenitis sclerotica s u b in axillaris sinistra.
K. K., 38j. Lackirer. Eiugetreten am 3. Jänner 1889.
An der Unterlippe links von der Medianlinie sitzt ein fast kreis¬
rundes speckig belegtes Geschwür, dessen Basis sclerosirt erscheint. Die
submaxillaren Drüsen sind in eine hühnereigrosse harte Geschwulst
verwandelt.
P. erzählt, dass die Affection der Lippe seit 4 Wochen bestehe,
mit einem kleinen Bläschen begonnen habe, das später exulcerirte. Eine
Woche vor Beginn der Aftection will unser Kranker einem fremden
Mann, der angeblich einen Ausschlag im Gesicht gehabt hätte, seine
Pfeife geborgt haben.
32. Sclerosis initialis labii inferior, oris. Lues Con¬
dylom. cutanea maculo-papulosa. Lymphadenitis univer¬
salis sclerotica.
F. G., 22j. Jurist. Eingetreten am 29. Februar 1889.
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In der linken Hälfte der Unterlippe fand sich ein mehr als hasel¬
nussgrosses, bereits in Abschwellung begriffenes Infiltrat, das an seiner
Oberfläche ein kreuzergrosses Geschwür trug. Am Stamme ein orbiculär
angeordnetes maculo-papulöses Syphilid. Die Aflection entstand vor
12 Wochen aus dem I\ unbekannter Ursache.
3o. Ulcus durum labii infer. oris. Lues condylomat cu¬
tanea maculo-jiapulosa. S c 1 e r a d e n i t i s s u b - e t retromaxil-
laris, nuehalis ct ccrviealis.
B. W., 21 j. Dienstmädchen. Eingetreten am 6. Mai. 1889.
Genau in der Mitte der Unterlippe sitzt ein 1 Cm. langes, I */ 2 Cm.
breites flaches Infiltrat, dessen Oberfläche eine glänzendrotlie, etwas
nässende Fläche darstellt. Die Basis des Geschwürs fühlt sich derb an.
Am Stamme ein reichliches Exanthem, an den Arcaden Papeln; die sub-
und retromaxillaren Drüsen mächtig geschwollen, hart, die nuehalen
multipel rosenkranzförmig geschwellt.
P. bemerkt die Lippenaffection seit 4 Wochen. Sie behauptet von
ihrem Geliebten inficirt worden zu sein, der eine ähuliche Aflection an
der Oberlippe gehabt habe.
34. Sclerosis initialis ad labium infer. oris. Lues
condylom. cutan. pap u 1 o s a. L y m p h a d e n i t i s sclerot-ica uni-
v ers a 1 i s.
M.M., 18j. ledige Bergmannstochter. Eingetreten am 15. Sept. 1889.
Am rothen Saum der Unterlippe rechts von der Medianlinie befindet
sich eine scharf begrenzte, derbe Geschwulst von Haselnussgrösse, an
ihrer Kuppe ein etwa linsengrosses Geschwür tragend. Sämmt liehe zu¬
gängliche Drüsen vergrnssert, hart. Am Körper ein ausgebreitetes Exan¬
them. An den Arcaden Papeln. Das Genitale virginal.
Unsere P. bemerkt die Lippenaftection seit 17 Wochen; von einem
Arzt durch längere Zeit mit verschiedenen Salben behandelt. Ueber die
Ursache der Infection wurde nichts bekannt.
35. Primäraffeet an der Unterlippe. Allgemeine Drü-
se n sch we 11 ung. A usgebrei te t es Hautsy p hi 1 i d am Körper.
G. E., 25j. Mediciner. Eingetreten am 30. September 1889.
In der Mitte der Unterlippe eine typische Sclerose. Am Stamme
ein maculöses Syphilid. Säinmtliehe zugängliche Drüsen namentlich die
snbmaxillaren geschwellt, sclerosirt. Seit 6 Monaten bemerkt P. die
Lippenaftection, über deren Ursache er nichts anzugehen weiss. Es ent¬
wickelte sich im Anschluss an eine Bhagade ein Bläschen, das aufbrach
und später cxulcerirte.
Hfl. Ulcus scleroticum labii infer. oris. Adenitis sub-
m a x i 11 a r i s bilateral, s c 1 e r o t i c.
M. V., 20 j. Kellnerin. Eingetreten am 3. September 1891.
An der Unterlippe zu beiden Seiten der Medianlinie vom Lippen-
roth auf die Haut übergreifend je ein derbes umschriebenes, et wa bohnen¬
grosses Infiltrat. I>ie subniaxili. Drüsen stark vergrössert, hart, indolent.
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P. bemerkt die Lippenaffection seit circa 3 Wochen und gibt an, dass
sie von dem Glase eines Gastes getrunken hätte, der einen Ausschlag
im Gesichte gehabt habe. Eine Woche darnach bemerkte sie das Auf¬
treten von zwei Knötchen an den betreffenden Stellen.
37. Sclerosis initialis ad labium infer. oris. Lues con -
dylom. cutanea maculo-papulosa. Papulae exulceratae ad
genitale externum Lymphadenitis sclerotica universalis
praecipue subraaxillaris.
Fr. D., 22j. Hausknecht. Eingetreten am 26. Februar 1890.
Die Unterlippe stark geschwellt. In der Mitte derselben findet
sich eine 1 ’/ 2 Cm. grosse Exuleeration, deren Ränder scharf begrenzt,
steil erscheinen, die Basis stark sclerosirt. Am Stamme ein maculo-papu-
löses Syphilid. Sämmtliche zugängliche Drüsen, namentlich die sub-
maxill. Drüsen, geschwellt, hart.
P. erzählt, dass er eine Rhagade an der betreffenden Stelle hatte.
Eine Woche nach dem letzten Coitus bemerkte er, dass die bereits
zugeheilte Verletzung wieder aufbrach und Eiter absonderte.
38. Ulcus durum labii inferius oris. Lymphadenitis
submentalis sclerotica.
S. E., 25j. Commis. Eingetreten am 2. Februar 1893.
Die Unterlippe ectropionirt, mächtig geschwollen. Die Schwellung
fühlt sich sehr hart an und zeigt gerade in der Medianlinie ein circa
kreuzergrosses kraterförmiges, speckig belegtes Geschwür. Die submentale
Lymphdrüse stark vergrössert, hart.
P. erzählt, dass er an der Stelle des heutigen Ulcus eine Rhagade
batte, auf welche er von einer Prostituirten geküsst wurde. Die Rhagade ver¬
heilte; am 6. Tage bemerkte jedoch Patient an Stelle der Rhagade ein
Bläschen, das er sich aufkratzte. Bald darauf kam es zu starker
Anschwellung der Lippe und zur Bildung eines Ulcus an Stelle des
Bläschens.
39. Sclerosis initialis labii inferior, oris et labii
d e x tr i o r i f i c i i e x t e r n i u r e t h r a e. L y m p h a d e n i t i s s u b m a x i 11.
et inguinal, bilateral, sclerotica.
W. Z., oOj. verheirateter Conducteur. Eingetreten am 15. Mai 1893.
An der 1. Unterlippenhälfte unmittelbar neben der Medianlinie
ein kirschgrosser etwa 2 Cm. im Durchmesser betragender Knoten. Die
Basis desselben von bedeutender Consistenz. Ein ganz analoger Knoten
befindet sich am orificium externum urethrae, woselbst er die ganze
rechte Seite einniramt. Auch dieser Knoten von derber Consistenz. Die
submaxill. und inguinalen Drüsen vergrössert, hart.
P. gibt an, dass er sowohl die Affection an der Lippe wie am Ge¬
nitale seit 14 Tagen bemerkt. Ueber die Art der Infeetion wusste er
nichts anzugeben.
40. Ulcus s c l e r o t i c u m labii i n f e r. oris. S e 1 e r a d e n i t i s-
submaxill. dextra.
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J. R.j 24j. Eisendrechsler. Eingetreten am 11. April 1894.
An der Unterlippe rechts von der Medianlinie sitzt ein circa
bohnengrosser harter Knoten, dessen Oberfläche exuleerirt, dessen Grund
sclerosirt erscheint.
Die submaxill. Drüsen zu einem mächtigen Tacket angeschwollen, hart.
P. hatte sich angeblich durch heisse Suppe an der betreffenden
Stelle verbrannt, darnach sei ein Bläschen entstanden, das sich P. aufriss,
worauf sich ein Geschwür entwickelte. Infectionsquelle blieb unbekannt.
41. Ulcus s o 1 e r o t i c u in 1 a b i i i n f e r. o r i s. Lues cutanea
maculosa Lymphadenitis s u b m a x i 11 a r i s, axillaris et in-
g u i n a 1 i s s c 1 e r o t i e a.
A. X., ISj. Prostituirte. Eingetreten am 5. Februar 1895.
Man fand an der Unterlippe u. z. rechts von der Medianlinie einen
circa hellorgrossen, speckig belegten, massig über die Schleimhaut erha¬
benen, wenig intiltrirten Substanzverlust. Erst im Laufe des Aufenthaltes
bildete sieh das Ulcus zu einer typischen Sclerose heraus, der in kurzer
Zeit darauf eine mächtige Anschwellung der submaxillaren Drüsen folgte.
Koch im Laufe ihres Spitalsaufenthaltes trat ein maculöses Exanthem am
Stamme auf.
P. gibt an, dass sie von einer anderen Prostiluirten, die eine
ähnliche Atfection an der Lippe hatte, beim Abschied vor ihrem letzten
Spitalsaufenthalte geküsst wurde. Drei Wochen darnach bemerkte sie das
Auftreten eines Knötchens, das exulcerirte. Die Recherchen ergaben, dass
diese Puella Secundärcrschoinungen an den Lippen hatte.
42. S c 1 e r o s e s initiales 1 a b i i i n f e r i o r i s o r i s. Lues con¬
ti y 1 o in. c u t a n e a m a c u 1 o - p a p u 1 o s a. Papulae excoriatae penis,
scroti et ad an um; Pa pule mucosae gingivae, tonsillarum
et arcuum. Sei eradenitis submaxill. nuchal. axillar, et in-
g u i n a 1 i s b i 1 a te ru 1 i s.
A. P., 22j. Maurer. Eingetreten am 20. März 1S95.
Man findet an der Haut der Unterlippe u. z. links von der Median¬
linie bis zum Lippenroth reichend ein kronengrosses, derbes, knorpelhartes,
braunrothes im Cent rum schuppendes, über das Hautniveau etwa % Cm.
erhabenes Infiltrat-. Ein zweites, ebenfalls derbes, braunrotbes, circa
erbsengrosses Infiltrat fiiidct- sieli gegenüber dem ersten am Ueber-
gange des Lippenroth in die Schleimhaut. Die Oberfläche dieses Infiltrats
ist ihres Epithels beraubt und mit einem sperkigen Belag verseilen. Die
submaxillaren Drüsen beiderseits besonders links mächtig geschwellt,
hart. Am Stamme ein reichlich ausgebreitetes Exanthem, an der Schleim¬
haut der Mund- und Rachenhöhle, ad genitale, ad anum exulcerirte Papeln.
Die übrigen tastbaren Drüsen vergrössert, sclerosirt.
P. erzählt, dass er zu Weihnachten im Streite beim Nachhausegehen
aus einem Gasthaus von einem Kameraden in die Unterlippe gebissen
wurde. P. schenkte diesen kleinen Wunden, die sich mit einer Blutborke
bedeckt hatten, keine Aufmerksamkeit und ging seiner gewohnten Arbeit
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79
nach. Nach circa 3 Wochen bildeten sich aus den Bisswunden kleine
Knötchen, die allmälig zerfielen und sich zu Geschwüren heranbildeten.
Gleichzeitig bekam P. die Drüsenschwellung am Halse. Als 14 Tage vor
seiner Aufnahme die Affection am Genitale auftrat, sucht P. Spitalshilfe
auf. P. gibt weiter an, dass sein Kamerad, der ihm die Verletzung bei¬
gebracht, einen Ausschlag hatte, und deshalb in Behandlung eines Arztes
stand, auch stehe dieser Kamerad mit einem verrufenen Mädchen im stän¬
digen Verkehr.
43. Ulcus durum ad labium infer. oris. Lues condy¬
lomatos. cutan. maculosa. Scleradenitis submaxill. cervic.
et axillari-s.
J. K., 42j. Gastwirth. Eingetreten am 26. März 1895.
Die Unterlippe erscheint in toto geschwollen, ectropionirt. Links
von der Medianlinie ist das Lippenroth und die angrenzende Schleim¬
hautpartie von einem kreuzergrossen, flachen Ulcus eingenommen, das
derb anzufühlen ist. Am Stamme ein maculöses Syphilid. Die oben ge¬
nannten Drüsen vergrössert, hart.
P. bemerkt die Affection seit zwei Mon. Ueber die Krankheit auf¬
geklärt gibt er an, dass er von dem Glase eines seiner Gäste, der einen
Ausschlag im Gesichte gehabt haben soll, getrunken hatte. Nach circa
2 Wochen bemerkte er das Auftreten eines Knötchens an der Unterlippe,
das immer grösser wurde und allmälig zerfiel.
44. Sc 1 erosis initia 1 is 1 abii inf. oris. Lues cutan. maculo-
papulosa. Scleradenitis submaxill. et cervicalis.
A. K., 29j. Kammermädchen. Eingetreten am 14. Juni 1895.
An der Unterlippe u. z. in der rechten Hälfte gleich neben dem
Frenulum findet sich ein zweihellerstuckgrosses derbes, braunrothes In¬
filtrat. Die submaxill. und cervicalen Drüsen vergrössert, hart. Am Körper
ein reichliches maculo-papulöses Syphilid.
P. acquirirte vor 5 Wochen an der Unterlippe ein Bläschen, das
sich öffnete und exulcerirte. Der consultirte Arzt touchirte das Ulcus mit
Lapis; auf die geschwellten regionären Drüsen applicirte er eine Salbe.
Erst als ein Exanthem am Körper auftrat, sah sich der Arzt veranlasst,
die P. ins Spital zu schicken. Der Modus der Infection blieb unbekannt.
45. Ulcus scleroticum ad labium infer. oris. Lues con-
dylom. cutanea maculosa Papulae exulcerat. ad labia et ad
nymphas. Scleradenitis sub et retromaxillaris, cervical.
i nguinal. bilat.
A. Th., 20j. Magd. Eingetreten am 25. December 1895.
An der Unterlippe links von der Medianlinie sitzt ein circa kreuzer¬
grosser Substanzverlust, der scharf begrenzt, eitrig belegt ist. Die Unter¬
lippe im Bereiche des Ulcus ödematös, derb infiltrirt; ad genitale exul-
ccrirte Papeln. Am Stamme ein maculöses Syphilid. Die oben angeführten
Drüsen vergrössert, hart.
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P. bemerkt seit 8 Wochen das Auftreten eines Geschwürs im An¬
schluss an eine Rhagade. Ein consultirter Arzt verordnete eine weisse
Salbe, jedoch ohne Erfolg. Ueber die Aetiologie dieses Falles wurde
nichts bekannt.
c) Primäraffecte an der Ober- und Unterlippe. 1 Fall.
46. Scleroses initial, ad labium super, et inferioris
oris. Lymphadenitis sclerotic. sub et retromaxil laris.
R. K., 21 j. Cadet. Eingetreten am 25. April 1889.
Gerade in der Mitte der etwas eetropionirten Oberlippe und an der
correspondirenden Stelle der Unterlippe tindet sich je ein etwa halb-
kreuzerstückgTosses, speckig belegtes, scharfrandiges Geschwür, dessen
Basis indurirt erscheint. Die sub und retromaxillaren Lymphdrüsen zu
einem mächtigen Packet angeschwollen, hart, indolent.
P. erzählt, dass er seit etwa 6 Wochen die Affection an den Lippen
bemerkte. Er hatte vorher an den betreffenden Stellen Rhagaden. Letzter
Coitus vor 9 Wochen, wo er die ganze Nacht bei einer Prostituirten zu¬
brachte. Aus den Rhagaden entwickelten eich allmälig Geschwüre, die
er anfangs mit verschiedenen Salben behandelte.
d) Initialsolerosen an den Mundwinkeln. 5 Fälle.
47. Ulcus sclerotic. ad angulum oris. dextrum. Lues
condylomatos. cutanea maculosa. Sc 1 eradenit. univcrsalis.
M. K., 41 j. Taglöhnerin, zeigt die Ober- und Unterlippe rechterseits
bis über die Medianlinie geschwellt. Im Mundwinkel derselben Seite ein
Ulcus, auf beide Lippen etwa 1 Cm. weit sich erstreckend. Die Basis des
Geschwürs fühlt sich sehr derb an. Die submaxillaren Drüsen derselben
Seite bilden ein faustgrosses Packet. Sämmtliehe anderen zugänglichen
Drüsen sind multipel tastbar. Am Stamme ein maculöses Exanthem.
P. glaubt sich von ihrer Miethsfrau inficirt zu haben. Dieselbe
wird von ihrem Arzte wegen Syphilis behandelt, schmiere sich täglich
mit einer grauen Salbe und nehme ein weisses Pulver. Pat. pflegt das
jüngste 14 Wochen alte Kind dieser Frau, das Kind wird mit einem so¬
genannten „Zutzel“ aufgezogen, bekanntlich ein Leinwandlappen, in
welchem gestossene Semmel und Zucker eingehüllt werden, und der
dann zu einer Kugel gestaltet unten zusammengebunden wird. Bevor sie
ihn dem Kind zum Saugen gab, tauchte sie ihn in wanne Milch, und
nahm ihn, um sich zu überzeugen, dass er nicht zu heiss sei, vorher in
den Mund. Ebenso machte es auch ihre von ärztlicher Seite ausdrücklich
als syphilitisch bezeicknete Mitwohnerin. An ihrem eigenen Kinde be¬
merkte sie ein Ulcus am Kinn. Die P. brachte ihr Kind mit und wir
konnten an der betreffenden Stelle eine Initialsclerose 1 ) constatiren. Auf
diesen Fall komme ich noch zu sprechen.
l ) Siehe unten Fall 79.
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48. Ulcus scleroticu m ad a u g u 1 u m o r i s s i n i s t r u m. S c 1 e r-
adenitis sub — et retrornaxill. sin ist r.
M. J., 60j. Bedienerin. Eingetreten am 11. Februar 1887.
Im 1. Mundwinkel auf beiden Lippen sich ungefähr 1 Cm. weit-
erstreckend sitzt ein Geschwür, dessen Basis speckig belegt ist, dessen
Bänder zerfressen sind. Der Grund des Ulcus fühlt sich derb an. Die re¬
gionären Drüsen derselben Seite bilden ein grosses, hartes Packet.
-P. erzählt, es sei vor circa 3 Wochen ein kleines Knötchen am
Mundwinkel entstanden, das zu dem heutigen Geschwür zerfallen sei.
P. ist Bedienerin bei einer Frau, die sich den Körper mit einer grauen
Salbe einreibe. P. wurde von einem Arzt auf eine chirurgische Klinik
geschickt, wo das Geschwür geätzt wurde. Erst als dasselbe nicht heilte,
wurde sie zu uns gesandt.
49. Sclerosis initialis ad nngulum oris sinistr. Scler-
a d e n i t. submaxill. et subment, n u c h a 1. et cervicalis
bi lateral.
K. K., lOj. Böttcherstochter. Eingetreten am 10. Februar 1888.
Am 1. Mundwinkel findet sich ein etwa kreuzergrosses, ziemlich
tiefes, am Grunde zum Theil speckig belegtes, zum Theil mit braunen
Eiterborken bedecktes Geschwür, dessen Bänder sehr derb infiltrirt und
scharf sind. Die obengenannten Drüsen vergrößert, hart.
Der Vater des Kindes erzählt, dass er vor 14 Tagen eine kleine
Beule am Kinne unserer P. bemerkt habe, einige Tage später ein Ulcus
am linken Mundwinkel. Der Vater erzählt weiter, dass er vor einiger
Zeit eine Puella publica durch 14 Tage beherbergt habe, und dass das
Kind wiederholt von diesem Mädchen geküsst, worden sei.
50. Ulcus scleroticu m ad angulum oris. sinistr. Lues
condyloma t. Ly mpliade n it. sclerotica submaxill. cer vical
et axi 11.
A. K., 13i. Tischlerstochter. Eingetreten am 17. Februar 1890.
Am 1. Mundwinkel findet sich ein fast kreisrundes, l J / 2 Cm. im
Durchmesser haltendes, speckig lelegtes Geschwür, dessen Basis sele-
rosirt erscheint. An den Arcaden Papeln. Die submaxill. cervical. axillaren
Drüsen vergrössert, hart.
Das Kind soll seit circa 8 Wochen die Lippenatfection haben, die
in Form einer Rhagade auftrat.
Unsere kleine Patientin hat sich wie ihre 7j. Schwester') von
ihrer eigenen Schwester, der 20j. K. K., iuficirt, die im Spital mit Er¬
scheinungen einer floriden Lues lag. Ebenso inficirte sich der neunjährige
Bruder A. K., bei dem es sich handelte um
51. Sclerosis initialis in angulo oris dextr. Lues
condylom. cutanea macul. - papulosa. Scleradenitis
universalis.
A. K., 9j. Tischlerssohn. Eingetreten am 17. Februar 1891.
‘) Vide Fall 13.
Archiv f. Dermatol, u. övphil. Baud XXXIX.
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82
B 1 o c b.
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Am rechten Mundwinkel iindet man ein etwa linsengrosses mit
dickem grau-gelben Belag bedecktes Geschwür, dessen Basis eine derbe
Consistenz hat. Am Stamme ein maculö-papuloses Exanthem. Papeln an
der Mundschleimhaut und an den Tonsillen. Samintliche tastbaren Lymph-
drüsen vergrössert, hart.
Die Mutter des Kindes beobachtete vor etwa 3 Monaten am r.
Mundwinkel des P. ein kleines Knötchen, «las immer grösser wurde.
Einige Tage nach dem Auftreten des Knötchens kam es zur Anschwellung
der Drüsen am Halse; seit 2 Wochen beobachtete die Mutter das Exanthem.
Sowohl dieser Patient, wie seine beiden kleinen Schwestern schliefen
abwechselnd mit der älteren Schwester in einem Bett.
II- Initialsclerosen an der Mamma.
15 Falle.
52. Sclerosis i n i t i a 1 i s m a m i 11 a e d e x t r. Lues cutanea
maculosa. Seleradenitis universalis praecipue axil¬
laris dextr.
A. K., 25j. Taglöhnerin, hat ein über den ganzen Körper ausge¬
breitetes orbiculär angeordnetes Syphilid. Der Warzenhof der r. Brust
zeigt einzelne, violettblau pigmentirte strahlige Karben. Die Warze selbst
etwas geschrumpft, von eigenthümlicher, fast knorpelharter Resistenz. Die
Drüsen in der rechten Achselhöhle taubeneigross; von denselben lässt
sich ein deutlicher, gänsekieldicker Strang gegen die Mamma verfolgen.
Die Infection erfolgte durch ein Pflegekind. Nachdem P. durch
14 Tage das fremde Kind bei sieh hatte, bemerkte sie an demselben
einen Ausschlag am Stamm und besonders reichlich in den Schenkel -
falten. Mit der Indolenz der Leute, denen es hauptsächlich um Entgelt
für Pflegekinder zu thun ist, beachtete sie die Sache nicht weiter. Nicht
lange darauf begann sieh ihre Brust zu entzünden und es entstand ein
Ulcus zunächst der Warze. Erst nach 12 Wochen heilte das Geschwür.
Seit zwei Monaten bemerkte sie den Ausschlag am Körper.
53. S c 1 e r o s i s i n 1 1 i a 1 i s m a m m a e s i n i s t r a e. A d e n i t i s suppu¬
rativa axillaris sinistra; allgemeines Knotensyphilid der
Haut; G u in m a t a auf dom Ko p f e, a n d e r W a n g e und in der
Sch 1 ii s s e 1 b e i n g e g c n d.
M. W., 2Gj übrige Taglöhnerin, zeigt auf dem Kopfe zunächst dem
linken Seitenwandbein drei Exulcerationen, von denen die eine fünf, die
anderen 2—3 Cm. im Durchmesser haben. Sümmtliohe haben scharf be¬
grenzte, kallös aufgeworfene Künder, die Basis theils mit nekrotischem
Gewebe, theils mit schlaffen Granulationen bedeckt, ln der Mitte der
1. Wange ein kreuzergrosses, blaurothes Infiltrat; der rechte Nasenflügel
defcct. Ein ebenso beschaffenes Infiltrat wie an der Wange befindet sich
rechterseits über dem Schlüsselbein, die Brustwarze links nur rudimentär
vorhanden, in der Achselhöhle derselben Seite eine 3 Cm. grosse lineare
Narbe.
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P., die ibr Kind, nachdem es 1 Jahr alt war, abstillte, verdingte
sich zu einer Beamtensfrau als Amme. Das Pflegekind hatte am ganzen
Körper und auch im Munde nässende Knötchen und Flecken. Sie hatte
das Kind ungefähr 3 Wochen an der Brust, als links an derselben ein
Ulcus entstand, das zwar von dem Hausarzt mit dem „blauen Stift u sofort
zerstört wurde, jedoch immer weiter griff. Während dieser Zeit schwollen
ihr die Drüsen in der Achselgegend derselben Seite an ; gingen in Eite¬
rung über und wurden von dem Arzte eröffnet. Die P. war bereits
3 Monate von dem Kinde weg, als sie am ganzen Körper einen Flecken¬
ausschlag bekam, gegen den sie Jodkali verordnet erhielt. Unter der
Behandlung mit Jodkali schwand der Ausschlag. Jedoch schon 8 Wochen
später war sie am ganzen Körper mit kleinen Knoten übersät. Später
bildete sich ein grosser Knoten am rechten Nasenflügel. Ihre jetzige
Aifection besteht seit 3 Monaten.
64. Primäre multiple Geschwüre an beiden Brüsten,
Roseola; recidives schuppendes Exanthem; Papeln an den
Genitalien und zwischen den Zehen.
A. B., 21j. Dienstmagd, bemerkte seit ungefähr 1 Woche brennende
Schmerzen zwischen den Zehen des r. Fusses. Es zeigten sich in den
Spatien zwischen der 4. und 3., 3. und 2., 2. und 1. Zehe des rechten
Fusses macerirte Papeln. Am Stamme zahlreiche, leicht schuppende Infil¬
trate; der Warzenhof beider Brüste dunkel pigmentirt, innerhalb desselben
rechts zwei, links drei ungefähr, 2 Cm. grosse, sich pergamenthart anfüh¬
lende Narben. Die Drüsen allgemein, besonders in der Achselhöhle bei¬
derseits geschwellt. P. hatte vor 1 Jahr ein kräftiges, gesundes Kind
geboien, das 6 Monate darnach an einer fieberhaften Krankheit starb.
Damals w’urde in ihrer Heimat eine kräftige Amme mit reichlicher Milch
für ein, wie man ihr sagte, krankes Kind nach Wien gesucht. Der be¬
handelnde Arzt des Kindes untersuchte sie bei ihrem Eintritt und sie
nahm in seiner Gegenwart (!) das Kind an die Brust. Sie selbst wunderte
sich, wie elend das Kind sei, und ist ihr besonders die gelbliche Haut¬
farbe desselben und ein Ausschlag an der Stirne, an Händen und Füssen
aufgefallen. Im Verlauf der zweiten Woche bildeten sich an beiden Brüsten
einzelne Bläschen, die aufbrachen und sich dann zu grösseren Geschwüren
vereinigten. Nach 4 Monaten trat ein Exanthem am Körper auf, ebenso
die Affection zwischen den Zehen.
55. P r i m ä r a f f e c t an der rechten Brustwarze, p a p u 1 o-
maculöses Syphilid. Zerfall eines Gumma am weichen
Gaumen.
M. F., 3(Jj. verheiratete Taglölmerin.
Der weiche Gaumen zum Theile abgängig. Die Ränder des Defectes
stark gewulstet, uneben mit neerotisclien Gewebstrümmern bedeckt.
An der rechten Brust eine Narbe von 4 Cm. Durchmesser, die von
der Mamilla beginnend sich bis nahe zum Rand des Warzenhofes erstreckt.
In der rechten Achselhöhle eine taubeneigrosse indolente Drüse.
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B loch.
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Die Aetiologie der Iufection war wieder dieselbe. P. hatte ihr Kind
abgestillt und ein fremdes Iviud an die Brust genommen. Dieses Kind zeigte
in den Schenkelfalten und am After linsengrosse, nässende Stellen.
5(>. I n i t i a 1 a f f e c t der linken Brustwarze, m a c u 1 o - papu¬
löses Hautsyphilid.
A. AI., 29j. verheiratete Taglöhnerin. Eingetreten am 22. Juli 1S80.
Die linke Brustwarze und der Warzenhuf erschien von mehreren
linsen-bis bohnengrossen Knoten durchsetzt. Die ganze Partie war bedeu¬
tend resistent. Von dieser Brustwarze aus konnte man unter der Haut
gegen die linke Achselhöhle ziehende derbe federkieldicke Stränge ver¬
folgen, die linksseitigen Achselkühlendrüsen waren bis hühnereigross
geschwellt, selerosirt. Die rechte Brustwarze hot ähnliche Verhältnisse,
jedoch mit geringerer Intiltration und Mackeren Knoten. Die r. axillaren,
collaren und mentalen Drüsen selerosirt, tastbar. An den Genitalien
bestanden zahlreiche nässende Infiltrate. Am Körper ein maculo-papulüses
Syphilid.
Die Kranke, die fünf gesunde Kinder geboren hatte, nahm eine
Woche vor dem Tod ihres jüngsten, 22 Wochen alten Kindes einen
Findling aus der hiesigen Anstalt in ihre Fliege. Weder die Alutter noch das
Kind boten, wie uns von dort aus mit getheilt wurde, irgend welche Zeichen
von Lues, — Baid nach der Lebernalime bemerkte die Amme am Körper
des Kindes ein gelb abschillerndes Exanthem, daneben einzelne erbsen¬
grosse Etflorescenzeii mit eitrigem Inhalte. Später wurde seine Stimme
heiser, es wurde immer schwächer, so dass sie sich bewogen funlte, es
nach 2 Aloiiaten zu restituiren. Es war sehr liei abgekommen, hatte bei¬
derseits ulceröse Keratitis und starb schon am 2. Tage. Aeussere Zeichen
von Lues wurden am Kindt* nicht coustatirt, die Lustration unterblieb.
\ ierzehn Tage nuek der Abgabe des Kindes bemerkte die Krau,
dass ihre linke, später auch die rechte Brustwarze zu jucken begannen
und an denselben nässende Geschwüre entstanden.
ö7. 1 1 ) i t i a 1 s e 1 e r o s e der re c h t e u B r u s t w ar/e mit cunse-
cutivum F1 e c k e n s y p h i 1 i d.
A. (J., 44j. verheiratetes Schneiders weih. Lingetrctcn am 17. Mai 16Sl.
An der rechten Mamma fand sich oberhalb der Brustwarze ein mehr
als haselnussgrosses, an der Oberfläche exulcerirtes Infiltrat mit speckig
belegtem Grunde und derben infiltrirteu Bändern. Kach unten und aussen
von der linken Alammilla süssen kleinere, dieselben Charaktere trügenden
Infiltrate. Die Drüsen m der rechten Achselhöhle waren bedeutend ange-
schwolien und hart. Ad Genitale nassende Papeln. Am Stamme ein macu-
lüses Exanthem.
Die P. hatte vor o Aloiiaten ein 0 W ochen altes Kind in Pllege
genommen und dasselbe genährt. Der Säugling war schwächlich, blutete
häutig aus der Käse und dem Zahnfleisch, hatte gesprungene Lippen und
litt an KurzatInnigkeit. Mach 14 Tagen traten bei ihm nässende Papeln
in der Anal -Genitaigegend auf. Drei Wochen vor ihrem Spitalseintritte
bemerkte sie oberhalb ihrer rechten Brustwarze ein kleines Knötchen,
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Ueber extrageuitalc Syphiiisinfection.
85
welches bald exulcerirte und verhärtete. Eine Woche später entstanden
ähnliche Knötchen an der 1. Mararailla, die denselben Verlauf nahmen.
Von dem Exanthem und der Genitalaffection ist ihr nichts bekannt. Ihr
eigenes Kind war zur Zeit der Uebernahme des fremden 4 Monate alt.
Seit dem Auftreten der Affection an der rechten Brust legte sie dasselbe
stets an die linke an, das fremde an die rechte. An ihrem Kinde will
sie bisher keinerlei Erscheinungen beobachtet haben.
58. Syphilis ulcerosa serpiginosa. Sclerosis initiales
sanatae mamraae utriusque.
M. P., 36j. verheiratete Taglöhnerin. Eingetreten am 22. Novem¬
ber 1881.
In der Mitte der Ulnarfläche des 1. Vorderarmes befand sich ein
beinahe kreisrundes, 6 Cm. im Durchmesser haltendes Geschwür, das im
Centrum bereits vernarbt war, während die Ränder zu beiden Seiten auf¬
geworfen, der Grund zerklüftet erschien. Ausserdem fanden sich Narben
in der Mitte der Beugefläche des Vorderarmes und unter beiden Brust¬
warzen, besonders unter der linken Mammilla. Eine linksseitige Axillar-
drüse etwa wallnussgross tastbar.
Die Krankheit der Patientin begann vor circa 2 Jahren mit Ulcera-
tionen der Brustwarzen, als sie ein zur PHege übernommenes Findelkind
säugte. Später trat zeitweilig Halsschmerz auf, vor einem Jahre bildete
sich das Geschwür auf dem linken Arme. Sie ist Mutter von fünf Kindern,
welche, wie ihr Mann, stets gesund waren.
59. Ulcus scleroticum mammae dextrae. Syphilis cuta¬
nea papulosa.
A. S., 25jähr. verheiratete Schuhmachersfrau. Eingetreten am
27. Mai 1882.
An den Genitalien fand man zahlreiche Papeln. Ueber Stamm und
Extremitäten ein papulöses Exanthem. Sämmtliche Lymphdrüsen waren
geschwellt, die in der rechten Achselhöhle wallnussgross. Die Infection
war in diesem Falle von der rechten Mammilla ausgegangen. Die P. hat
im December 1881 geboren; da ihr Kind an „Fraisen“ starb, nahm sie ein
Findelkind in Pflege, welches sie durch 2 Monate nährte. Dasselbe war
bei der Uebernahme sehr schwächlich und soll viele Geschwüre am Rücken
gehabt haben. Da sich sein Befinden nicht besserte, gab sie es der An¬
stalt zurück, wo man ihr angeblich mittheilte, dass das Kind früher einen
Ausschlag durchgemacht habe. Einen Monat später bemerkte sie an den
Brustwarzen das Auftreten kleiner Geschwüre, die sich später verhärteten,
drei Wochen nachher trat ein Ausschlag am ganzen Körper auf.
60. Initiaisclerosen beider Brustwarzen; allgemeine
Drüsenschwellung; papulöses Hautsyphilid.
F. M., 25j. ledige Dienstmagd. Eingetreten am 6. Juli 1884.
An der r. Brustwarze, entsprechend der äusseren Hälfte des Warzeri-
hofes, befand sich ein 2 Cm. langes, 1 Cm. breites, auf sclerosirter Basis
aufsitzendes, exulcerirtes, mit schwammigen Granulationen bedecktes
Infiltrat; nach aussen unten von demselben zwei ähnliche bohnengrosse,
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Bloch.
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In der oberen Hälfte des 1. Warzenhofes sass ein denselben Charakter
tragendes Geschwür. Diebeiderseitigen axillaren Drüsen waren vergrössert,
hart, die linksseitigen über wallnussgross. Von der rechten Mamma liess
sich ein rabenkieldicker, sclerosirter Strang bis in die Achselhöhle ver¬
folgen. An den Genitalien zahlreiche nässende Papeln, über dem ganzen
Körper ein kleinpapulö>es Syphilid.
Die P. hatte vor 5 Monaten geboren; weder an der Mutter noch an
dem Kinde wurde während ihres Aufenthaltes in der Findelanstalt irgend
welche Erkrankung constatirt. Nach ihrem Austritte aus der Anstalt
nahm sie eine Stelle als Amme bei einem 2 Tage alten Kinde an, dessen
Mutter bei der Geburt gestorben war. Dieselbe soll, wie P. später in Er¬
fahrung brachte, einige todte Kinder geboren haben. Als der Säugling
eine Woche alt war, will sie an demselben ein Exanthem bemerkt haben,
zugleich soll er schlecht gesaugt und öfters aus dem Munde geblutet
haben. Es starb im Alter von 5 Wocheu. Acht Tage zuvor hatte die
Amme das Ilaus verlassen. Einige Tage später bemerkte sie dieBildung harter
Knötchen an beiden Brustwarzen, ca. 3 Wochen wurde sie mit essigsaurer
Thonerde behandelt, bis sie endlich unserer Ambulanz zugewiesen wurde.
61. S c 1 e r o s i s i n i t i a 1 i s m a m m a e dextrae. Lues c o n d v 1 o rn.
cutanea ra a c u l o-p a p u 1 o - p u s t u 1 o s a. Selo r ade nitiscervicalis,
i n g u i n a 1 i s, axillaris, p r a e e i p u e dextra.
J. Sch., 37 j. verheiratete Tag löhnerin. Eingctrot.cn am 6. April 1886.
An beiden Mammae um die mamilla herum, besonders in der unteren
Circurnferenz finden sich mehrere bis über kreuzergrosse, stark elevirte
nässende Infiltrate, von denen sich eines, etwa 2 Cm. langes, 1 Cm. breites
im rechten unteren Quadranten der rechten Mamilla durch besondere
Resistenz auszeiclinet. Am Stamme ein reichliches maculo-papulüses
Syphilid. Ad Genitale nässende Papeln, die oben angeführten Drüsen ge-
sebwellt hart, die rechten axillaren bis wallnussgross, sehr derb.
Die 1\, die 7 gesunde Kinder geboren hatte, nahm am 15. October
1885 ein fremdes Kind in Pflege, das 3 Wochen alt war. Nach zwei
Monaten bemerkte P. an dem in Pflege übernommenen Kinde ad nates
Biäscheneruptionen und nach einigen Tagen ein über den ganzen Körper
ausgebreitot.es Exanthem. P. nährte das fremde Kind zuerst an der
r. Brust, während sie ihr eigenes an der linken hatte. Erst als ihr Kind
an Diphtheritis starb, nährte sie das Pflegekind abwechselnd an beiden
Brüsten. Sechs Wochen vor ihrem Spitalseintritt bemerkte P. das Auf¬
treten von Bläschen an der rechten Brust, die sich allmülig zu Ulcera
heranbildeten; 4 Wochen nach dieser Atfection trat das Exanthem auf.
62. U 1 c u s scleroticum m a m i 11 a e s i n i s t r a e. L u e s c o n d y -
1 o m. cutan. macul. papulosa. S c 1 e r a d e n i t i s u nivcrsalis prae-
c i p u e a x i 11 a r. s i n i s t.
M. R., 30 j. verheiratete Taglöhnerin. Eingetreten am 10. Fe¬
bruar 1887.
Die linke Brustwarze und der Waivenhof erscheinen von mehreren
bis bohnengrossen Knoten durchsetzt. Die ganze Partie war bedeutend
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Ueber extragenitale Sypbilisinfection.
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resistent. Von dieser Brustwarze aus konnte man unter der Haut gegen
die 1. Achselhöhle ziehende federkieldicke Stränge verfolgen. An den
Genitalien zahlreiche nässende Papeln, am Stamme ein maeulo-papulöses
Syphilid; säramtliche Drüsen waren vergrössert, hart, namentlich aber
die linksseitigen Achselhöhlendrüsen. Dieselben waren bis hühnereigross
geschwellt, hart.
Die P. nahm eine Woche vor dem an „Fraisen“ erfolgten
Tod ihres 2 Monate alten Kindes ein fremdes Kind in ihre Pflege. Einige
Tage nach der Uebernahme desselben bemerkte die Amme einen Aus¬
schlag an ihrem Pflegekind. Später wurde seine Stimme heiser, und nach
2 Monaten starb das Kind. Vier Wochen vor ihrem Spitalseintritt be¬
merkte die P., dass an ihrer 1. Brustwarze nässende Geschwüre entstanden.
Vor 1 Woche traten die Erscheinungen am Genitale auf und das Exanthem
am Körper. P. hatte 4 gesunde Kinder geboren und war nie krank.
63. Sclerosis initialis ad mammam sinistr. Lues Con¬
dylom. cu tan. macul. Scle radenitis axillar, bi lat.
/, B., 32j. verheiratete Fleischersgattin. Eingetreten am 3. Aug. 1892.
An der 1. Mamma fand sich oberhalb der Brustwarze ein mehr als
haselnussgrosses, exulcerirtes Infiltrat mit derben infiltrirten Rändern. Die
Drüsen in den Achselhöhlen beiderseits bedeutend angeschwollen und
hart. Am Stamme ein maculöses Exanthem. Die P., die 2 Jahre ver¬
heiratet ist und ihr Kind selbst stillt, nie abortirt hat, deren Mann voll¬
kommen gesund war, bemerkt seit etwa 1Monaten einen Ausschlag
am Körper ihres Kindes, seit 4 Wochen Geschwüre an den Lippen und
ad genitale. Ihre Affection bemerkt sie seit 3 Wochen. Es wurde, da die
Infectionsquelle nicht klar war, das Kindermädchen unserer P. citirt und
da stellte es sich heraus, dass dasselbe vor etwa */, Jahre mit Erschei¬
nungen einer floriden Lues im Spital lag.
64. U1 cu8 Bcleroticum mammae dextrae. Lues cutan
papulosa. S c 1 e r a d e n i t i s universalis praccipue axillaris
dextra.
M. M., 35j. verheiratete Taglöhnerin. Eingetreten am 4. Aug. 1892.
An der rechten Mamilla findet sich ein ungefähr linsengrosses,
speckig belegtes Ulcus, dessen Grund sich sehr derb aufühlt. Die regionären
Drüsen wallnussgross, hart. Am Körper ein maculöses Exanthem.
Die P. hatte vor 3 Monaten ein 6 Wochen altes Kind in Pflege
genommen und dasselbe genährt. Der Säugling war schwächlich, blutete
häufig aus der Nase, hatte gesprungene Lippen. Nach 14 Tagen traten
Geschwüre ad genitale und ad anum auf. Seit 3 Wochen bemerkte P. die
Affection an ihrer rechten Brustwarze. Ihr eigenes Kind war einige Tage
vor Uebernahme des Pflegekindes au „Fraisen“ gestorben.
65. Sclerosis initialis mamillae s i n i s t r a e. Luescon-
<1 y 1 o m. cutanea macul -papulös. S c 1 e r a d e n i t. universalis
praecipue axillar.
K. S., 2Sj. verheiratete Taglöhnerin. Eingetreten am 15. März 1894.
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An der linken Mamilla findet si<*h ein pilzförmiger, liaselnussgrosser
Tumor, der in seinem Centrum die Färbung und Zusammensetzung der
Mamilla erkennen lässt, in der Peripherie aber aus derben, oberflächlich
zerfallenem, speckig belegtem Gewebe zusammengesetzt ist. Von diesem
Intiltrat lässt sich zur linken Achselhöhle ein fedurkicldieker, derber Lymph-
strang verfolgen. Die entsprechenden Drüsen bis hühnereigross, sclerosirt.
Am Körper ein ausgedehntes maculo-papulöses Exanthem. Hier wurde
die Aetiologie der Infeetion nicht klar; die I\ hatte nie geboren, ist seit
4 Jahren verheiratet; ihr Mann soll angeblich gesund sein.
fifl. Sc 1 erosis initialis mammae dextrae. Lues condvlom.
cutanea m a c u 1 o s a. Seleradenitis u n i v e r s a 1 i s praecipue axil¬
laris d extra.
J. Z., 29j. ledige Magd. Eingetreten am 12. December 1895.
Man sieht rechts von der Mamilla ein circa kreuzergrosses, braun-
rothes, knorpelhartes Infiltrat, das an der Oberfläche zart überhäutet Pt.
Am Stamme ein maculöses Syphilid. Ad genitale, sowie an den Gaumen¬
bögen exulcerirte Papeln. Summt liehe Lymphdrüsen vergrössert, hart,
die der rechten Achselhöhle wallnussgross vergrössert und sehr derb.
Fiisere P. gebar am 17. Aug. 1895 in der Gebäranstalt und wurde am
1. September in die Findelanstalt transferirt. Daselbst wurde ihr nebst
ihrem eigenen Kinde noch ein zweites Kind zugetheilt. Dieses Kind starb
angeblich mit einem Ausschlag (!) behaftet bald nach der Entlassung
der P. aus der Anstalt, die am 10. September erfolgte. Anfangs October
bemerkte nun P. die Afleetion an der rechten Brustwarze, seit 3 Wochen
die Afleetion ad genitale.
Initialaffect an der Brust eines Mannes. 1 Fall.
<>7. Ini ti a lscl erose unterhalb der Clavicula. Suppu-
r a t i o n der rechten Achscldrüsen; maculöses E x a n t li e m.
J. Sch., 21 j. lediger Agent. Eingetreten am 15. Februar 1879.
An der rechten Brusthälfte 4 Cm. unter dein Schlüsselbein findet
sieb ein Geschwür von 2‘/ a Cm. Länge und 1 Cm. Breite mit steilen
Bändern, stark infiltrirtem Grunde. Die Drüsen in der Achselhöhle rechts
stark geschwellt. Am Stamme ein ausgebreitetes maculöses Exanthem.
Als Entstehungsursache gibt der P. eine Kratzwunde an, die ihm
sein ältester Bruder mit dem Fingernagel beigebracht habe. Dieser Bruder
war zu wiederholtenmalen mit allgemeiner Syphilis an der Klinik in
Behandlung gestanden.
III. Primäraffecte an den Fingern.
5 Falle.
68. S c 1 e r o s i s initialis digit. sec und. dex t r. Lues condy 1.
cutan. maculo-papulosa. Seleradenitis universalis prae-
cipue cubital. dextr.
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Ueber extragenitale Syphilisinf'ection.
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J. H., 46j. verheiratete Hebamme, wurde am 28. Juli 1880 ausge¬
nommen.
An der Yolarseite des rechten Zeigefingers sieht man auf der Haut
zwischen dem 1. und 2. Gliede eine unregelmässig begrenzte, erhabene,
narbige, etwa kreuzergrosse Stelle von glänzender, blassvioletter Farbe
und harter schwieliger Consistenz. Die freie Beweglichkeit des Zeige¬
fingers im ersten interphalaugealen Gelenk ziemlich gehemmt. Am
Stamme ein maculopapulöses Exanthem, ad genitale zahlreiche Papeln.
Sämmtliche Drüsen vergrössert, hart, die rechte Cubitalis fast wallnuss¬
gross, sclerosirt.
Unsere P., Mutter zweier gesunder Kinder, erzählt, dass sie vor
circa 3 Monaten zur Entbindung eines unverheirateten Mädchens gerufen
wurde. Ob diese einen Ausschlag gehabt, weiss P. nicht anzugeben.
Drei Wochen nach dieser Entbindung bemerkte P. an der betreffenden
Stelle ein kleines Geschwür, das allmälig grösser wurde. P. behandelte sich
allein mit verschiedenen Salben. Anfangs nahm das Geschwür an Grösse
zu, später jedoch verheilte es, aber sehr langsam. Vor circa 3 Wochen
bemerkte P. den Ausschlag am Körper und ad genitale; seit dieser Zeit,
seit Bestand des Auschlags, übt P. ihr Geschäft nicht mehr aus, wohl
aber vorher mit dem nur locker verbundenen Zeigefinger.
69. Ulcus scleroticum ad digit. sec und. man. sin. U1-
cera sclerotic. ad genitale extern. Seieradenitis inguinalis
et cubitalis sinistr.
K. K., 32j. Goldarbeitergehilfe. Eingetreten am 28. Üctober
Ueber der Basis der Grundphalange des linken Zeigefingers befindet
sich ein über kreuzergrosses Geschwür. Die Ränder desselben sind auf¬
geworfen, hart. Die Umgebung des Ulcus derb infiltrirt. An der Über¬
gangsstelle des äusseren in das innere Blatt des Präputiums findet sich
entprechend den beiden Seitenlinien je ein elevirtes, circa linsengrosses
Geschwür mit Behr Btark infiltrirtem Grunde. Die inguinalen Drüsen
beiderseits multipel geschwollen, sehr hart. Die cubitale Drüse links
stark vergrössert, knorpelhart.
Fünf Wochen vor seinem Spitalseintritt bemerkte unser P. ad
genitale Geschwüre, die er sich selbst mit Jodoform behandelte. Zur
selben Zeit fügte sich der P. eine Stichwunde am linken Zeigefinger zu.
Da die Stichwunde ihn schmerzte, legte sich der Kranke Talg auf, unter
welcher Behandlung sich ein Geschwür bildete, das vollkommen schmerz¬
los war und nach der Peripherie sich ausdehnte. Der Wundrand war
erhaben und hart.
70. Sclerosis initiaiis ad digit. med. sin. Lues con-
dylomat. cutan. maculo-papulosa; Scleradenitis cubitalis
axill. et cervical. bilat.
W. T., 36j. verheirateter Bademeister. Eingetreten am 11. April 1S94.
An der Dorsalseite der ersten Plialange des 1. Mittelfingers
findet man eine Exulceration von der Grösse eines Zwanzigkreuzer¬
stückes. Die Ränder sind aufgeworfen und derb infiltrirt. Am Körper
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B1 o c h.
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zerstreut und ad genitale theils exulcerirte, theils oberflächlich schuppende
Infiltrate. Ausserdem findet sieh am Stamme ein reichliches maculöses
Syphilid. Die Körporlymphdrüsen sind tastbar, besonders vergrössert
und hart sind die cubitalen, axillaren und eervicalen Drüsen.
P., der nie eine Genitalaffection durchgemacht hatte, ist 13 Jahre
verheiratet und Vater von G gesunden Kindern. Die Affection am 1.
Mittelfinger besteht 8 Wochen u. zw. trat zuerst an der Dorsalseite des
1. Mittelfingers eine kleine Blase auf, die sich P. mit einer Bürste abrieb,
worauf eine nässende Fläche sich entwickelte. Die Affection vergrösserte
sich immer mehr. Seit 14 Tagen konnte P. nicht mehr seiner Beschäf¬
tigung nachgehen, da in der ganzen 1. Extremität starke Schmerzen be¬
standen.
71. Sclerosis initialis pollic. sin. Lues condyl. cutan.
m a c u 1. - p a p u 1 o s a. S c 1 e r a d e n i t i s u n i v e r s a 1 i s.
J. R., 24j. Elektrotechniker, Eingetreten am 10. December 1895.
Am lateralen Rande des Daumens findet sich in der Gegend des
ersten Phalangealgclenkes ein etwa kreuzergrosser Substanzverlust mit
stark infiltrirten Rändern und derbem Grunde. Der Nagel grau verfärbt
vom Nagelfalz etwas gelockert. Am Stamme ein nnculo-papulöses Syphilid.
Die Drüsen allenthalben vergrössert, hart, namentlich die linke Cubitalis.
P., der nie inficirt war, zog sich in Ausübung seines Berufes an
der betreffenden Stelle eine Verletzung zu. Dieselbe heilte nicht, sondern
es bildete sich ein Ulcus, das immer grösser wurde. Die Aetiologie der
Infection wurde in diesem Falle nicht eruirt.
72. Cicatrix ad digit. mt;d. sin. post sclerosim initial.
L u e s condvlom. cutanea papulös. Iritis 1 n e t i c a d e x t r.
Scleradenitis universalis p r a e c i p u e cubitalis et axillaris
s i n i s t r.
M. II., 02j. verheiratete Hebamme. Eingetreten am 13. Februar 1895.
An der zweiten Phalanx des 1. Mittelfingers sieht man an der Dorsal¬
seite eine etwa kronengrosse, glänzende, blassviolette, strablige Narbe,
die sich von dem darunter liegenden Knochen verschieben lässt. Am
Stamme ein ausgebreitetes maculo-papulöses. Syphilid; ad genitale zahl¬
reiche exulcerirte Papeln. Am rechten Auge die Erscheinungen einer
acuten Iritis. Sämmtliche Lymphdrüsen vergrössert, hart, die Cubitalis
links und die 1. Axillaren fast wallnussgross sclorosirt.
Unsere P., die früher stets gesund war, bemerkte im August vorigen
Jahres an der betreffenden Stelle ein Knötchen, das exulcerirte, zugleich
schwoll der ganze Finger an und im Lauf* von 8 Tagen erstreckte sich
die Anschwellung über die ganze 1. Extremität, u. zw. war es ein längs
der Beugeseite des Armes verlaufender rot her St rang, längs dessen sich
die Anschwellung localisirte. Dieser rot he Strang Hess sieh bis zur Achsel¬
höhle verfolgen, wo das Drüsenpaket bedeutend angeschwollen war. Nach
2 Monaten bemerkte sie das Auftreten des Haiitausschlages.
P. ist 38 Jahre verheiratet, bat lOmal geboren, alle Kinder leben
und sind gesund. P. fungirt 33 Jahre als Hebamme. Anfang Juli d. J. war
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lieber extragenitale Syphilisinfection.
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sie bei einer Wöchnerin, deren Kind 8 l äge nach der (jehurt, starb; von
den früheren wurden 2 todt geboren und 8 andere starben kurz nach
der Geburt an einer der P. unbekannten Krankheit.
IV. Initialsclerosen an den Tonsillen.
3 Fälle.
73. Sclerosis initialis tonsillaesinistr. Luescondylom,
cutanea macul-papul. Scleradenitis universalis praecipue
mu b-et retromaxillar.
J. P., 25j. Kautmann. Eingetreten am 5. Jänner 1889.
Man findet bei dem P. die 1. Tonsille in ein rundes, tiefes, krater-
förmiges Geschwür mit scharfen, zackigen Rändern umgewandelt. Die
Basis des Ulcus speckig belegt, der Geschwürsgrund sowie die Ränder
fühlen sich derb an. Am Stamme ein macul. papul. Exanthem. Die
l.vmphdrüsen u. zw. namentlich die submaxill. mächtig geschwollen hart
die übrigen gleichfalls derb, vergrössert.
Die Infectionsquelle blieb hier unbekannt.
74. Ulcus sc 1 ero ti cum ad t o n s i 11. s i n i s t r. Lues condylom.
cutan. macul. Scleradenitis sub-et retromaxill., cervicalis
et axillaris.
B. K., 24). Lackirersfrau. Eingetreten am 18. September 1892.
Die P. zeigt an ihrer l. Tonsille ein vierkreuzerstückgrosses krater¬
förmiges Geschwür, dessen scharfe Ränder sich knorpelhart anfühlen.
Auch der Grund erscheint derb infiltrirt. Am Stamme ein reichliches
Fleckensyphilid. Die oben angeführten Drüsen mächtig geschwollen, hart.
P. gibt an, dass sie seit 3 Wochen Halssohmerzen verspürte, wes¬
halb ihr ein consultirter Arzt ein Gurgelwasser verschrieb. Da aber das
Leiden nicht besser wurde, und seit einigen Tagen ein Ausschlag am
Körper auftrat, suchte sie Spitalshilfe auf. P. war nicht im Stande uns
über die Aetiologie näheres mitzutheilen.
75. Sclerosis initialis tonsill. sinist. Lues condyl.
cutan. macul. Scleradenitis sub-et retromaxill. nuchal. et
cervical. sinistr.
B. J., 24j. Steinbrechersgattiii. Eingetreten am 15. März 1895.
Man findet an der ziemlich vergrösserten 1. Tonsille ein etwa
kreuzergrosses, speckig belegtes Geschwür, dessen vorderer Rand sich
sehr hart anfühlt. Am Körper ein maculöses Syphilid. Die Drüsen unter
dem 1. Processus mastoideus sind zu einem nussgrossen derben Tumor
angeschwollen. Genitale rein.
P. verspürte seit circa 4 Wochen Halsschmerzen, die immer inten¬
siver wurden; seit dieser Zeit besteht auch die Drüsenschwellung am
Halse. Seit einigen Tagen besteht der Ausschlag am Körper. Hier war
die Ursache der Infection vollkommen klar.
Die P. nahm ein 5 Monate altes Kind in Pflege, mit der Weisung,
das Kind nicht zu stillen. Die P. hatte das Kind mit der Flasche auf-
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gezogen und dieselbe angeblich nie in den Mund genommen. Dagegen
nährte sie das Kind zuweilen auch mit einem Löffel, den sie selbst immer
beim Essen benützte, und verkostete die Speise, bevor sie dieselbe dem
Kinde reichte in den Mund geführt, um sich zu überzeugen, ob die
selbe nicht zu heiss ist. Das Pflegekind, das P. gleich mitbrachte, zeigte
die Erscheinungen einer floriden Lues.
V. Initialaffecte am Abdomen-
3 Fälle.
76. Ulcus scleroticum abdominis. Scleradenitis ingu¬
inal. bilateral is.
A. T., 19j. lediger Flösser. Eingetreten am 1. März 1887.
An der Haut des Abdomens links von der Mittellinie, etwa 2 Cm.
oberhalb der Grenze der Pubes findet sich ein ovales, circa 3y a Cm.
langes und 3 Cm. breites, speckig belegtes Geschwür, dessen Ränder
aufgeworfen und hart sind, dessen Grund derb infiltrirt erscheint. Die
Drüsen in beiden Leisten bis wallnussgross, sehr hart.
Vor 4 Wochen verletzte sich P. beim Coitus an der betreffenden
Stelle durch einen Kratzaff ect. Nach 14 Tagen bemerkte P. an dieser
Stelle ein Knötchen, das allmälig grösser wurde und exulcerirte.
77. Sclerosisinitialis abdominis. Lues condylom. cutan.
macul. Scleradenitis universal.
A. M., 37j. verheirateter Kaufmann. Eingetreten am 13. Mai 1^89.
In der linken Unterbauchgegend ungefähr 3 Cm. über der Mitte
des ligament. Poupartii findet sich ein etwa zwanzigkreuzerstückgrosses
Geschwür mit harten, aufgeworfenen Rändern und sfark infiltrirtem
Grunde. Ausserdem findet man Papeln an den Arcaden und an den
Tonsillen; ferner ein reichliches maculüses Exanthem am Körper. Säinrut-
üche zugängliche Lymphdrüsen vergrössert, hart.
P., der 13 Jahre verheiratet ist, gibt ausserehelichen Coitus zu
und erzählt, dass er bei einem solchen von dem Mädchen an der be¬
treffenden Stelle verletzt wurde. Vier Wochen nachher entwickelte sich
aus der Verletzung ein Geschwür, das allmälig an Grösse zunahm, seit
14 Tagen besteht das Exanthem.
78. Ulcus scleroticum abdominis Scleradenitis ingu¬
inal i s.
Fr. C., 18j. Brauer. Eingetreten am 4. August 1890.
In der rechten Unterbauchgegend, ungefähr 5 Cm. von der Mitte
der Linea alba entfernt, sitzt ein circa wallnussgrosse9, kraterförmiges
Geschwür, mit harten, aufgeworfenen Rändern und derbem Grunde. Die
inguinal. Lymphdrüsen, namentlich rechts, mächtig geschwollen, hart,
indolent.
P. bemerkte etwa 3 Wochen nach dem letzten Coitus an der be¬
treffenden Stelle ein Knötchen, das, sich aufkratzte und das später
exulcerirte.
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Uel>er extragenitale Syphilisinfection.
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VI. Initialsclerosen am Kinn.
5 Fälle.
79. Sclerosis initialis ad men tum. Lues cutan, raaculo-
papulo-pustulosa. Sclera denitis univers.
H. K., 14 Wochen altes Kind der M. K., ‘) hat am Kinn u. zw.
links von der Medianlinie, 2 Cm. von dem Lippenrotli nach abwärts,
einen scharf begrenzten Substanzverlust, dessen Basis mit schwammigen
Granulationen bedeckt ist. Der Grund des Geschwürs erscheint von
einer eigenthümlichen Lederhärte, die Drüsen am ganzen Körper ge¬
schwellt: in der Regio submentalis eine etwa bohnengrosse geschwellt,
hart. Ara Stamme zahlreiche Papeln.
Unsere kleine P. wurde von ihrer eigenen Mutter inficirt; wahr¬
scheinlich wurde hier das Virus auf eine durch den Speichel macerirte
oder sonst zufällig des Epithels beraubte Stelle am Kinn inoculirt.
80. Sclerosis initial, m e n t i. A d e n i t i s s u b m a x i 11. s i n i s t r.
8 c 1 e r o t i c a.
M. C., lGj. ledige Dienstmagd. Eingetreten am G. Juni 1881.
Am Kinn etwas nach links von der Medianlinie befand sich eine
1 Cm. im Durchmesser haltende, kreisrunde, das Niveau der Haut etwas
überragende, infiltrirte Narbe. Die entsprechenden Submaxillardrüsen
waren wallnussgross.
Das Leiden der P. begann vor 3 Monaten mit einer kleinen
juckenden Pustel am Kinn, welche auf brach, sich vergrüsserte und unter
Narbenbildung heilte.
Die Mutter der P. lebte in Gemeinschaft mit einem luetisch infi-
cirten Manne, abortirte zweimal; zum dritten Male gebar sie ein
schwächliches aber wohl ausgetragenes Kind, welches schon bei der Ge¬
burt gesprungene Lippen hatte, ferner an Schnupfen und an Kurz-
athmigkeit litt. Dieses Kind starb im Aller von 6 Monaten und von
demselben glaubt P., die es pflegte, inficirt worden zu sein.
81. Initialsclerose am Kinn; Lues condylom. cutan.
papul. S c 1 er ad e n i ti s u n i ver sa 1 i s, p r a e c i p u e s u b m a x i 11. de xtr.
J. H., 28j. lediger Tischlergeselle. Eingetretcn am 22. Mai 1883.
Ziemlich in der Mitte des Kinnes befand sich ein kreisrundes Ge¬
schwür, dessen Umgebung stark infiltrirt war. Die rechtseitigen Submaxillar¬
drüsen waren kleinapfelgross geschwellt, hart. Auf dem Stamme ein
papulöses Syphilid. Die Aetiologie der Infection blieb unbekannt.
82. Sclerosis initialis ad men tum. Lues condvl. cutan.
papulös. Scleradenitis submaxill., cervical., axill. et cubi-
talis bilateral.
Th. G., 28jähr. ledige Dienstmagd. Eingetr. am 30. Juni 1887.
Am Kinn, etwas nach rechts von der Medianlinie, befand sich ein
über 3 Cm. langes und über 2 Cm. breites Geschwür, dessen Ränder
') Siehe Fall 47.
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stark infiltrirt erscheinen; die submaxill. und ccrvicalen Lympbdrüsen,
letztere in doppelter Rosenkranzreihe geschwellt, bis nussgross, hart. An
der Schleimhaut der Mundhöhle Papeln. Die Ursache der Infection konnte
in diesem Falle nicht eruirt werden.
83. Sclerosis initial, menti. Lues condvl. cutan. macul.
pap ul. Scleradeni tis submaxill. cervical. inguinal, bilate¬
ral. 8clerotica.
M. A., 25jähr. Mediciner. Eingotr. am 20. Jänner E s 04.
Am Kinn u. zw. rechts von der Medianlinie, 2 Cm. vom Lippenroth
nach abwärts, findet sich ein vierkreuzergrosser, tiefer, scharf begrenzter
Substanzverlust, dessen Basis mit schwammigen Granulationen bedeckt
ist. Am Stamme ein reichliches, maculo-papulöses Exanthem; ad
genitale Papeln.
P. hat eine Acne indurata faciei mit Narbenbildung, gegen die er
sieh schon längere Zeit selbst behandelte. P. bemerkte an der betreffen¬
den Stelle das Auftreten eines Knötchens, das ihm als Acneknötchen
imponirte, kurze Zeit nachdem er von seinem Raseur an dieser Stelle
geschnitten wurde. P. behandelte sich zuerst allein mit essigsaurer Thon¬
erde; das Knötchen wurde jedoch immer grösser und exulcerirte allmälig.
Als jedoch Pat. von einem Exanthem überrascht wurde, suchte er die
Klinik auf.
VII. Initialaffecte an der Zungenspitze.
2 Fälle.
81. Sclerosis i n i t i a i i s a p i c. 1 i n g u a e. Eues c •> n d y 1 o m.
cutan. in a c u 1. Seleradenitis submaxill. c e r v i c. et axillaris.
N. IE, 33j. Kaufmann. Eingctr. am 2b. Februar 181*3.
An der Zungenspitze sieht man ein cirea kreuzergrosses Geschwür,
dessen Grund sich sehr derb anfühlt. Am Stamme ein reichliches maeu-
löses Exanthem. An den Arcaden exulcerirte Papeln. Die oben ange¬
führten Drüsen geschwellt, sclerosirt.
Pat. acquirirte 3 Wochen nach dem letzten Coitus an der Zungen¬
spitze ein Bläschen, das er mit einer Nadel aufstaeh; spater wandelte
sich das Bläschen in ein Geschwür um. beit einigen Tagen bemerkt er
den Ausschlag. Pat. gibt erst nach öfterem lnquiriren an, dass er Zunge
und Lippen mit den Genitalien einer Prostituirten in Berührung ge¬
bracht habe.
85. U1 c u s scleroticum a p i c i s 1 i n g u a e. Lymphadenitis
subm axillaris s e 1 e r o t i c a.
J. Z., 22j. Dienstmädchen. Eingctr. am 18. Februar 1880.
An der Zungenspitze sitzt ein acharfrandiges, speckig belegtes Ge-
schwur, dessen Grund stark iuiiltrirt erscheint. Die submaxillaren Drüsen
beiderseits hart, geschwollen.
Seit 14 Tagen bemerkt Pat. eine Anschwellung am Halse unterhalb
des Kiefers und einen Tag darauf ein Bläschen an der Zungenspitze. Das
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Ueber extragenitale Svphilisinfection.
n:>
Bläschen platzte und zertiel zu einem Geschwür, das allmälig grösser
wurde. Der Modus der lnfection blieb unbekannt.
VIII. Primär-Sclerosen an der Wange.
2 Fälle.
86. Initialaffect der linken Wange. Lues condylom.
cutan. maculos. Scleradenitis uni versalis.
J. Sch., 25j. lediger Fleischer. Eiugetr. am 6. Dec. 1880.
In der Mitte der linken Wange befand sich ein haselnussgrosser,
circumscripter, oberflächlich exulcerirter Knoten, von dem aus sich einige
sclerosirte Lymphsträuge zu einem über wallnussgross angeschwollenen
submaxillaren Lymphdrüsenpackete verfolgen Hessen. Auch die cubitalen
und nuchalen Drüsen waren tastbar. Am Stamme ein reichliches Fleeken-
syphilid. Ad genitale Papeln.
Der Pat. acquirirte vor 7 Wochen ein Knötchen an seiner linken
Wange, das er beim Rasiren verletzte, und welches sich seither stetig
vergrösserte. Nach der Aetiologie befragt, gab er an, dass er eine Dirne
zu besuchen pflegte, deren Gewohnheit es war, beim Coitus den Mann
ins Gesicht zu beissen; jedesmal wäre der Eindruck der Zähne sichtbar
gewesen. Ob die Haut dabei verletzt wurde ist ihm nicht erinnerlich.
87. Sclerosis initialis malae sinistrae. Lues condylom.
Papulae mucos. ad arcum palatogloss. et 4 -pliaryngeum. Scler¬
adenitis submaxill. et nuchal. sinistra.
K. W., 24j. Dienstmagd. Eingetr. am 15. März 1892.
In der Mitte der linken Wange fand sich ein kreuzergrosser, exul¬
cerirter Knoten. Die Ränder des Ulcus unregelmässig, hart. Die nächste
Umgebung hart infiltrirt. Die submaxill. Drüsen links vergrössert, hart.
Pat. bemerkte 4 Wochen vor dem Spitalseintritt an der 1. Wange
ein Knötchen „Wimmerl“, das sie sich beim Waschen aufriss, worauf sich
ein Geschwür bildete, das allmälig grösser wurde. Auf die Natur ihres
Leidens aufmerksam gemacht, gibt P. an, von ihrem Liebhaber, der ge¬
sund sein soll, an der kritischen Stelle öfters geküsst worden zu sein.
IX. Primäraffecte am Augenwinkel und Conjunctiva tarsi.
2 Fälle.
88. Initials der ose am inneren Augenwinkel. Schwel¬
lung derKörperiymphdrüsen besonders dercervicalen und
submaxillaren, nach folgend ein m acu 1 öses Syphilid.
L. R., 18j. lediger Tischler. Eingetr. am 20. Oetober 1880.
Am Uebergange der Haut in die Conjunctiva palpebrarum fand
man eine etwa l / 2 Cm. gegen die Nase zu sich erstreckende wallartige
Infiltration, über welcher die Haut intensiv gerüthet ist und die sich hart
anfühlte. Die Conjunctiva palpebrae zeigte bis zur Uebergangsfulte eine
intensive Röthung und Schwellung, die sieb auch auf die Bulbusconjune-
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<)(> Bloch.
tiva erstreckte. Die Drüsen der Cervical- und Submaxilbirgegeml waren
beiderseits tastbar. Auch die anderen zugänglichen Lyraphdrüsen waren
multipel erbsengross geschwellt.
Sechs Wochen vor dem Spitalseintritt bemerkte Bat. an der ge¬
nannten Stelle ein Knötchen, das anfangs für ein Hordeolum angesehen
wurde. Da es aber sich stetig vcrgrösserte und exulcerirte, wandte er
sieh an einen Arzt, der das Ulcus für ein Epitheliom erklärte und ihn
an eine chirurgische Klinik wies. Von dort kam er zu uns.
P. gibt an, dass er mit einem Manne, der, wie ihm bekannt war,
mit einem Ulcus specificum behaftet war, in einer Werkstätte arbeite und
mit ihm ein und dasselbe Handtuch benützte.
89. Sclerosis initialis conjunctivae tarsi palpebrae
i n f e r. o c u 1 i s i ti i s t r i. Lues condvlom. cu tan. m a c u 1. p a p u 1.
L y m p h a d e n i t. u n i v e r s a 1 i s s c 1 e r o t i c.
A. J., 37j. verheirateter Taglöhner. Eingetr. am (>. Juli 1888.
Das Unterlid des linken Auges massig geschwollen, die Lidspalte
kleiner als am anderen Auge. Die Conjunctiva tarsi des unteren Lides
zeigt eine circa l / 2 Cm. lange, Cm. breite, ziemlich scharf begrenzte
Geschwulst, die am inneren Augenwinkel neben der Canmcula beginnt,
bis fast zur Mitte des Lides reicht und knapp neben der inneren Kante
des Lides gelagert ist. Ueber die Anschwellung hinaus zeigt die Con-
junetiva tarsi sowie die Uebergangsfalte geringe Reizcrsclieinungen,
während die Conjunctiva bulbi stark geröthet und gelockert erscheint.
])ie Secretion im Conjunctivalsack gesteigert. Das obere Lid sowie die
einzelnen Abschnitte des Bulbus zeigen normale Verhältnisse. Am Stamme
ein reichliches rnaculo-papulöses Syphilid. Ad genitale exulcerirte Papeln,
ebenso an der Schleimhaut des Mundes, sowie des Nasenseptums. Sämint-
liche zugänglichen Lymphdriisen, insbesondere aber die linke präauri-
culare, submaxillare, multipel geschwollen, s<‘lcrosirt.
Acht Wochen vor dem Spitalseintritt bemerkte P. eine Anschwel¬
lung am linken unteren Augenlide. Er wurde von dem eonsultirten Arzt
auf die Augenklinik, von dort in unsere Ambulanz geschickt. Patient ist
seit 1 Jahr verheiratet, Vater eines angeblich gesunden Kindes. Mit
seiner Frau, die ebenfalls gesund sein soll, hatte P. regelmässig bis in
die letzte Zeit den Coitus ausgeübt. 1*. behauptet nie inticirt gewesen zu
sein, während seiner Verheiratung nie extra matrimonium mit einem
Mädchen verkehrt oder ein Osculurn auf die betreffende Stelle bekommen
zu haben. Doch gibt er an, dass er sich täglich, bevor er von der Arbeit
nach Hause gehe, Hände und Gesicht mit einem Handtuch wasche, das
auch seine Collagen benützten. Ob einer von diesen krank wäre, weiss P.
nicht anzugeben.
X. Initialsclerose am Nasenflügel.
1 Fall.
90. Sclerosis initialis a 1 a o iloxtrue n a s i; Lues oon-
d y 1 o ra. entan. papulosa. S c 1 e r a d <* n i t i s u n i v er s a 1 i s praccipuc
jiraea uricular. et siiIj in a x i 1 1. d c x t r a.
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Ueber extni'jcnitnle Sypbilisinfectiou.
97
M. K, 44j. verwitwete Hebamme. Eingetreten am 29. Mai 1895.
Die Haut des rechten Nasenflügels vorgewölbt, leicht geröthet,
gefaltet und oberflächlich schuppend. In der Tiefe tastet man ein sehr
derbes, ungefähr bohnengrosses Infiltrat. Die rechte praeauriculare und
submaxillare Drüse bedeutend vergrüssert, hart, indolent.
Am Stamme zahlreiche bis kreuzergrosse Papeln. An der Haut der
Planta beiderseits mehrere brauurothe Infiltrate mit centraler Schuppung.
Ad genitale gleichfalls nässende Papeln.
Die Kranke, die fünf gesunde Kinder geboren und nie abortirt
hatte, bekam 1 ] / 7 Monate vor ihrer Aufnahme eine Anschwellung der
rechten Gesichtshälfte woran sich eine Schwellung der rechten Halsseite
anschloss. Nach Application einer Salbe, die ein Arzt verordnete, soll die
Anschwellung im Gesichte nach 8 Wochen vollkommen, die des Halses
bis auf die jetzige Vergrösserung der Drüsen geschwunden sein. Von
der AfFection am rechten Nasenflügel weiss P. nichts anzugebeu,
14 Tage vor dem Spitalseintritt bekam P. das Exanthem. Infectionsmodus
ist nicht zu eruiren.
XI. Initialaffecte am Schamberge.
2 Fälle.
91. Initials clerose oberhalb des Schamberges, darauf¬
folgend maculöses Syphilid. S c 1 e r a d e n i t i s u n i v e r s a 1 i s.
Eczema post scabiem.
W. F., 55j. Schuhmacher. Eingetreten am lfl. November 1880.
Es handelte sich um eine stark malträtirte Scabies, welche von
hochgradigen ekzematösen Erscheinungen begleitet war. Daneben bestand
etwa 3 Finger oberhalb der Peniswurzel 1 Cm. nach links von der Median¬
linie in der Bauchhaut eine etwa kreuzergrosse, lividrothe, scharf begrenzte
Einlagerung von Knorpelhärte, deren Oberfläche leicht schuppte. Säiumt-
liche zugänglichen Lyraphdrüsen waren multipel geschwellt, hart. Am
Stamme eine deutliche Roseola syphilitica.
Neben seiner Scabies, mit der er durch 4 Monate behaftet war,
bemerkte P. 3 Wochen nach einem Coitus das Knötchen um Unterleib
das ihn besonders juckte und von ihm aufgekratzt wurde.
92. Sclerosisinitialisadmontemveneris. Lues cutanea
maculo-papulosa. Lymphadenitis sclerotica inguinalis.
A. A., 21j. Kaufmann. Eingetreten am 9. Jauner 1888.
Circa 2 Finger oberhalb der Peniswurzel in der Medianlinie sieht
man ein etwa vierkreuzergrosses, scharf begrenztes Ulcus, dessen Grund
sieh sehr derb anfühlte. Am Stamme ein maculo-papulöses Syphilid.
Die inguinalen Lymphdrüsen waren multipel geschwellt, hart.
P., der noch nie inticirt war, bemerkte 4 Woehen nach dem 1. Coitus
am Mons veneris einen kleinen, leicht gerötheton Fleck, der in Kurzem
zu nässen begann. Der Modus der Infection blieb in diesem Falle un¬
bekannt.
Archiv f. Dermatol, u. Svphil. Baud XXXIX. j
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98
Bloch.
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XII. Primäraffect am Perineum.
1 Fall.
93. S c 1 erosis in i ti a 1 is ad perineum. Lymphadenitis
sclerotica inquinalis bilateralis.
A. J., 2Gj. Dirne. Eingetreten am G. Februar 1887.
Am Perineum rechts von der Mittellinie, etwa 2 Cm. vom Introitus
vaginae entfernt, findet sich eiu rundliches, 1 Cm. im Durchmesser messen¬
des Geschwür mit speckigem Grunde, knorpelharten, unterminirten Rändern
und stark infiltrirter Umgebung. Die Inguinaldrüsen beiderseits bohnen¬
gross, sclerosirt. Das Genitale rein.
P. bemerkte zwei Wochen vor ihrer Aufnahme ein Knötchen an
derselben Stelle, wo das Geschwür sitzt. Bei Ausübung ihres Geschäfte»
wurde ihr das Knötchen aufgerissen. Es entwickelte sich ein Geschwür,
das immer grösser wurde.
An der extragenitalen Infection betheil’gteu sich die
Frauen mit einer verhältnissmässig grösseren Zahl als die
Männer. Die Gesammtzahl der Fälle extragenitaler Syphilis-
infection betrug vom Jahre 1880 bis 1895 auf unserer Klinik 93.
Davon entfallen allein 65 auf den Zeitraum von 11 Jahren
vom Jahre 1886 bis zum Jahre 1895 inclusive. In dem eben
genannten Zeitraum wurden behandelt 1575 Patienten mit
Syphilis, genital inficirt. Von diesen waren 1256
Männer und 319 Frauen.
In demselben Zeitraum befanden sich in Behandlung 65
Patienten, die auf extragenitalem Wege inficirt
wurden — also 4’l°/ 0 . Von diesen waren 32 männliche Indi¬
viduen und 33 weibliche. Auf 1256 genital inficirte Männer
kamen 32 extragenital inticirte, das ist 2 - 5°/ 0 i während 33
extragenital inficirte Frauen auf 319 genital inficirte entfielen
also 10-3“/ 0 . Diese Zahlen entsprechen den Angaben anderer
Autoren ziemlich genau.
Krefting 1 ) fand von sämmtlichen Kranken 15*6°/ 0 extra¬
genital inficirt und zwar 4 , 3°/ 0 bei Männern und 12*8°/ 0 hei
') Krefting. Extragenitale Syphilisinfection. Archiv f. Denn. u.
Syph. 1894 p. 167.
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Ueber extrageuitale Syphilisinfeetion.
99
Frauen. Aus Moskau (dem Mjassnitzky’schen Krankenhaus)
liegen von Pospelow 1 ) Berichte über 198 Fälle von extrageni¬
talen Infectionen vor, die im Laufe von 10 Jahren beobachtet
wurden und zwar gibt Pospelow an, dass jährlich 15—25
Personen aus der Arbeiterclasse auf unschuldige Weise inficirt
werden.
Joseph 2 ) fand 2 - 73% bei Männern und 27 - 94% bei Frauen.
Die grösste französische Statistik datirt von Juli ien. 3 ) Dieser
berichtet über 126 extragenital inficirte Fälle, u. z. 18% bei
Frauen und 3 - 6% hei Männern.
Bulkley 4 ) gibt an, dass von der extragenitalen In-
fection die Männer in 6%, die Frauen aber in 12% be¬
troffen werden. Diesen hohen Procentsatz erklären sich
einige Autoren dadurch, dass die Frauen als Mütter, Wärte¬
rinen, Ammen, der extragenitalen Ansteckung viel leichter
ausgesetzt sind, als die Männer. Ich kann mich dieser Ansicht
nicht vollkommen anschliessen. Von den von mir zusammen¬
gestellten 65 extragenital iuficirten Fällen waren 32 männliche
und 33 weibliche Individuen. Schon dies, dass die Anzahl der
extragenital inficirten Frauen der Anzahl der Männer, wenigstens
auf unserer Klinik, fast gleichkommt, spricht dafür, dass der
Grund der hohen Procentzahl bei den Frauen wo andei’S
gesucht werden muss. Sammelt man, wie ich es gethan habe,
die Anzahl der genitalen Sclerosen bei den Frauen und Männern
durch eine längere Reihe von Jahren, so findet man, dass die
Anzahl der genitalen Initialsclerosen bei den Frauen eine viel
kleinere ist, als bei den Männern. Dies erklärt sich daraus,
dass die Frauen nicht wie die Männer, sofort wenn sie eine
Genitalaffection acquirirt haben, ärztliche Hilfe aufsuchen,
sondern zumeist erst, wenn sie von secundären Symptomen
überrascht werden, also zu einer Zeit, wo der lnitialaffect
') Pospelow. Ueber extragenitale Syphilisinfeetion. Archiv für
Derm. u. Syph. 1889 p. 59.
J ) Joseph. Ueber extragenitale Syphilisinfeetion. Referat im Arch.
f. Denn. u. Syph. p. 316.
J ) Juli ien. Maladies veneriennes. 18SG p. 528.
*) Bulkley. Syphilis in the Innocent. 1894. New-York.
7*
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100
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gewöhnlich spurlos -verschwunden ist. Sucht man nun das
Verhältnis der extragenitalen Sclerosen zu den gleichzeitig
vorgekommenen genitalen, so erhält man infolge dessen diese
hohe Procentzahl hei den Frauen.
In dem genannten Zeitraum von 11 Jahren hat die
Häufigkeit der extragenitalen Infectionen bedeutend variirt, wie
dies aus folgender Tabelle ersichtlich ist.
Extragenital angesteckt
Summa
cz er
*a
O >
:
1
— t? -
Ervvac
lisene
Kinder
<D ;►
gf|
■
Mämter
Frnuon
Summe
Miinnl.
Weibl.
Mäunl.
Weibl.
* 2
_
=T '. ■
1885
75
20
95 |
1
1
!
2
2-47,
1886
85
28
113
2
3
—
! 5
4-4 •/,
1887
95
35
130
2
5
_
—
| 7
5-37.
1888
117
23
145
1
5
2
—
—
| 7
4-8%
1889
137
45
182
6
3
—
“
9
1 4-9%
1890 '
120
24
144
8
—
—
1
1 3
2-17.
1891 1
1 98
17
115 |
—
1
1
— ü 2
! 1'77„
1892 |
145
30
175 •
1
4
i
6
3-47.
1893
j 102
21
123 j
3
1
—
—
4
32%
1894
135 i
32
167
4
1
1
2
8
4-77»
H-*
CD
Cn
1 147
i
39
186 j
3
9
—
12
!
6-47.
j Total
1256
319
i
1575
i
1 30
[
30*
i
O
l
3
i
i
65
4-i 7.
Wie man sieht, ist die absolut grösste Zahl von extra¬
genital Inficirten im Jahre 1805 in Behandlung gestanden,
nämlich 12 Fälle. Der Grund mag darin liegen, dass auf
unserer Klinik die Anzahl der luetisch inficirten Kranken
jährlich eine bedeutende Steigerung aufweist, und Hand in
Hand mit der jährlichen Steigerung der genital Inficirten auch
eine Zunahme der extragenital Inficirten einhergehen dürfte.
Die Gesammtzahl der Fälle extragenitaler Sypliilisinfection
betrug im Laufe des obengenannten Zeitraumes 05, u. z. waren
die Sclerosen nach dem Ort des Eindringens des syphilitischen
C'ontagiums folgendermassen vertheilt:
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Uelier extragenitale Sypliilisinfectiou.
101
1. An den Lippen: 39 Fälle, und zwar bei 21 Männern
und 18 Frauen.
2. An der Zungenspitze: 2 Fälle, bei 1 Frau und 1 Mann.
3. An den Tonsillen: 3 Fälle, 1 Mann, 2 Frauen.
4. An der Bindehaut der Augenlider: 1 Fall bei 1 Mann.
5. An der "Wange: 1 Fall bei einer Frau.
0. Am Nasenflügel: 1 Fall bei einer Frau.
7. Am Kinn: 2 Fälle, bei einer Frau und 1 Mann.
8. An der Mamma: bei 6 Frauen.
9. An den Fingern: bei 5 Fällen, und zwar bei 2 Frauen
und 3 Männern.
10. Am Abdomen: 3 Fälle bei Männern.
11. Am Perineum: 1 Fall bei einer Frau und schliesslich
12. Am Mons Yeneris: Fall, bei einem Mann.
Schon bei flüchtiger Betrachtung dieser Zahlen lallt es
in die Augen, dass die Infectiou per os die häutigste Form
der extragenitalen Syphilisinfection bildet; ihr folgt die Infee-
tion durch Stillen an der Brust, dieser schliesst sich als nächst
häufigste Form die Infection durch die Finger an. während an
anderen Körpertheilen die Primäraffecte in relativ geringerer
Zahl vertreten sind.
.4. Primäraffecte an den Lippen, Zunge, Tonsillen.
Die Gesammtzahl der per os Inficirten betrug 44, darunter
23 Männer und 21 Frauen. In 39 Fällen sassen die Selerosen
an den Lippen, in 2 Fällen an der Zungenspitze und in 3
Fällen an der Tonsille.
a) Wie bei meinen Fällen die extragenitalen Lippenge¬
schwüre, was die Häufigkeit ihres Vorkommens betrifft, die
erste Stelle einnehmen, so finden wir dies auch bei anderen
Autoren. Bulkley, der bis zum Jahre 1894 alle beschriebenen
Fälle von extragenitaler Syphilisinfection sammelte und die
imposante Zahl von 9058 Fällen aufweist, theilt mit, dass die
Lippen in 1992 Fällen der Sitz der primären syphilitischen
Papeln waren. Pospelow, der 198 Fälle von extragenitalen
Selerosen publicirt, fand in 49 Füllen primäre Lippongeschwiire.
Krelting in 142 Fällen.
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102
Bl ocli.
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Was die Sclerosen der Lippen anbelangt, so boten sie
zumeist die Zeiclien einer Ulceration von harter Consisteuz
mit unterminirten Bändern, oder sie waren mit einer braunen
Borke bedeckt, nach deren Entfernung ein typisches Geschwür
zu Tage trat. In den meisten Fällen war den Lippen-
schankern eine Rhagade an der betreffenden Stelle, die nicht
heilen wollte, vorausgegangen. Die Mehrzahl der primären
Papeln der Mundlippen waren von einem derben Oedem der
befallenen Lippe in toto oder der angrenzenden Lippentheile
begleitet.
Von den 39 beobachteten Fällen waren 10 auf der Ober¬
lippe, 24 an der Unterlippe, 3 an den Mundwinkeln localisirt
und in einem Falle sass die Sclerose an der Oberlippe, die
andere an der Unterlippe, und schliesslich waren in 1 Falle
2 Schanker an der Unterlippe, der eine am Lippenroth, der
andere an der vorderen Fläche der Unterlippe. Das patho-
gnomisehe Symptom der Sclerosen, „die Induration“, war fast
in allen Fällen vorhanden, und auch die Schwellung und Härte
der Submaxillardriisen, besonders auf der Seite, wo der Primär-
affect seinen Sitz hatte, fehlte nie. In einigen Fällen bemerkten
die Patienten zuerst die Driisenschwellnng und dann erst später
das Geschwür. Wenn bereits eine universelle Seleradenitis da
war, so imponirten trotzdem die submaxillaren Drüsen durch
ihre Grösse und Resistenz.
Was die Aetiologie der Syphilisinfection per os betrifft,
so hatten bei meinen Fällen den Hauptantheil die Küsse;
ferner vermittelten die Infection mit grösster Wahrscheinlich¬
keit Trinkgläser Fall XXXVI und XLIII, Handbürste LXX,
Cigarrenstümpfe Fall XXV, Zahnstocher Fall XII, Pfeifen¬
spitze Fall XXXI und endlich ein Biss in die Unterlippe Fall
XL1I. Dieser letzte Fall verdient in Bezug auf die Ursache
der Infection einiges Interesse, da extragenitale Sclerosen,
hervorgerufen durch Biss, zu den Seltenheiten gehören.
Analog unserem Falle 36 berichtet Sturgis 1 ) von einem
Manne, der durch Biss in die Wange eine Initialsclerose
acquirirte; Baum erwähnt einen gleichen Fall, ,J ) Zeissl 3 ) eine
') Referat in der Viert eljalirsehr. f. Denn u. Svpli. 1874 p. 58t».
s ) Vide Fall 80.
3 ) Ibidem 1878 p. 485.
Gck igle
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Ueber extrageuitale Syphilisinfection.
103
auf dieselbe Weise entstandene Infection an der Dorsalfläche
des linken Daumens. In diesen Fällen handelte es sich immer
nur um eine Sclerose, während bei unserem Fall sich aus jeder der
Bisswundeu, die etwa 1% Cm. von einander entfernt waren, je
ein Schanker sich entwickelte. Meine Befunde der Infections-
formen per os schliessen sich an zahlreiche in der Literatur
verzeichnete Beobachtungen an, die aufzuzählen viel zu weit
führen würde. Um nur Einiges hervorzuheben, seien erwähnt
ausser den Küssen die verschiedensten und mannigfachsten
Handwerksutensilien, die die damit Beschäftigten während der
Arbeit in den Mund nehmen: Ansatzstücke zu Musikinstru¬
menten, Geldstücke, Löffel, Saugdüten von Kinderflaschen,
Trinkgläser etc. etc.
Interessante Beobachtungen, wie die mannigfachsten
Gegenstände die Ansteckung per os vermitteln können, erwähnt
Pospelow in seiner Abhandlung über extragenitale Syphilisin-
fection und Bulkley in seinem Buche: „Syphilis in the Inno¬
cent.“ Die Infection per os wird im grössten Masse durch
den regen gesellschaftlichen Verkehr und durch Ansteckung im
häuslichen Kreise veranlasst, siehe Fall X, XIII, XXX, XLVIil, LI.
b) Was die primären Sclerosen der Zunge anbelangt,
so wurden auf unserer Klinik 2 Fälle beobachtet. Der eine
Fall LXXXIV betraf einen Mann, der seine Lippen und Zunge
mit dem Genitale seiner Geliebten, in Verbindung brachte, bei
dem 2. Fall war der Infectionsmodus unklar. In beiden Fällen
boten die Geschwüre typische Symptome und waren stets von
einer auffallenden Schwellung und Resistenz der submaxillaren
Drüsen begleitet.
c) Was endlich die dritte Infectiousform per os, die
Ilacheninfection betrifft, so wurden auf der Klinik 3 Fälle von
Tonsillarschanker behandelt. In allen 3 Fällen hat die Scle¬
rose auf der linken Tonsille gesessen. Pospelow fand die rechte
Tonsille, Krefting die linke als die am häufigsten afficirte, was
wohl von Zufälligkeiten des Infectionsmodus abhängig sein
dürfte. Die Diagnose bei unseren Fällen bot keine beson¬
dere Schwierigkeiten. Es waren kraterförmige Geschwüre mit
knorpelharten Rändern und infiltrirtem Grunde. Die typische
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104
15 locii.
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Schwellung der retro- und submaxillaren Drüsen auf der Seite
der Alfection war immer vorhanden. Alle 3 Fälle kamen wegen
Beschwerden beim Schlucken und wegen flalsschinerzen in
unsere Ambulanz. Ich glaube, dass die Anzahl der Rachen-
infcotionen in unserer Stadt eine grössere sein dürfte, als die
oben genannte, da ein grosser Theil sich vermuthlich der
Aufmerksamkeit entzieht und diese Leute wegen ihrer Hals-
beschwerden und Schmerzen beim Schlucken viel eher einen
anderen Arzt consultiren als den Syphilidologen. Lenz. 1 ) der
fünf Fälle von extragenitaler Syphilisinfection publicirt, erwähnt
einen Fall von Tonsillarschanker bei einer Gastwirthsfrau, so
dass bisher nur 4 Fälle im Ganzen an den I’rager Kliniken
beobachtet wurden.
Der Infectionsmodus konnte nur in einem Falle eruirt
werden und zwar bei dem Fall LXXV durch Fliegen eines
syphilitischen Kindes; die FHegomutter benützte denselben
Löffel, mit dem sie dem Kinde die Speise reichte, und ver¬
kostete immer vorher die Speise, die sie dem Kind verab¬
reichte.
B. Primärafteete im Gesichte.
An dieser Stelle kamen 4 Fälle vor und zwar ein Fall ijbif)
an der Bindehaut des rechten unteren Augenlides, 2 Fälle am
Kinn (82, 83) und 1 Fall an der Wange (*7 1 . Was den Fall S!)
am Augenlid anbelaugt, so scheint die Infection durch ein
Handtuch vermittelt worden zu sein. Man kann annehmen,
dass auf diesem Wege ein vielleicht zu Borken eingetrocknetes
und durch die Feuchtigkeit wieder erweichtes Seeret, das nach
B o e c k*) seine Inoeulabilitiit durch lange Zeit bewahrt, übertragen
wurde. In dem Falle V. Initialaffect am Kinn, dürfte wahr¬
scheinlich die Infection durch Verletzung mit einem Rasirmesser
erfolgt sein.
') Lenz. Fünf Fälle extiMgcnit-aler Syphilis. Wiener klin. Rund-
schau. 180(5.
; ) lioeck. Lieber syphilitische Inleef ionsweisen nml die Inoenla-
liilität des syphilitischen Virus. Arcli. 1’. Ferm. u. Syph. IsTO p. 1C8.
Gck 'gle
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Ueber extragenitale Syphilisinfection.
105
C. Primärscleroseu au der Mamma.
Die Anzahl der beobacliteten Infectionen an der Mamma
war 6 und zwar in 3 Fällen auf der rechten, in den anderen
3 Fällen auf der linken Seite. Die Diagnose der syphilitischen
Primäraffection bot keine besondere Schwierigkeiten, da sowohl
Induration als auch charakteristische Drüsengeschwulst stets
deutlich ausgesprochen vorhanden war. In zwei Fällen be¬
obachtete man einen federkieldicken Lymphstrang vom Prirnär-
affect bis zu den betreffenden Axillardrüsen. In 5 Fällen war
der Infectionsmodus nachweisbar; es handelte sich um Mütter,
die ein fremdes Kind, das später Zeichen von Lues zeigte, in
Pflege genommen.
Es ist auch leicht erklärlich, wie durch derart erkrankte
Kinder eine Infection herbeigeführt werden kann. Durch den
Saugact der Kinder kommt es sehr oft und sehr leicht zu
Maceration und oberflächlichen Verletzungen der Mammilae die
die Eingangspforte für das syphilitische Virus bilden.
Es scheint, dass es sich in den auf unserer Klinik be¬
obachteten Fällen um noch nicht eclatant gewordene, oder
leicht zu übersehende luetische Erkrankungen der Säuglinge
gehandelt hat. Unverzeihlich ist es aber, wenn ein Arzt —
Fall 54 — eine solche Infection verschuldet hat.
Professor Pick unterlässt es nie, in seinen Vorlesungen
darauf aufmerksam zu machen, dass es absolut unstatthaft
sei, ein syphilitisch krankes Kind einer gesunden Amme an
die Brust zu legen. Kann eine Mutter ihr syphilitisches Kind
nicht selbst stillen und findet sich nicht eine schon kranke
Amme, so soll das Kind künstlich genährt werden; nie sei
man aber berechtigt, um eines noch sehr problematischen
Lebens willen die Gesundheit einer Person zu gefährden.
Eine weitere sehr häutige Ursache der Brustdrüseninfection
ist der im Volke übliche Gebrauch, der sogar als ein Beweis
von Artigkeit angesehen wird, dass die Frauen, wenn sie
einander besuchen, dem fremden Kinde die Brust reichen. Und
macht man die Frauen auf die Gefahr der Ansteckung auf¬
merksam, so hört man oft, wie letztere mit vollster Ueberzeu-
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106
Bloch.
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gung erwidern, »man könne von einem unschuldigen Kinde
nicht angesteckt werden.“
D. Primäraffecte an den übrigen Körpertheilen.
Am Abdomen wurde der syphilitische Primäraffect in 3
Füllen hei Männern beobachtet, am Perineum in einem Fall
bei einer Frau und am Mons Yeneris bei einem Mann. In allen
diesen Fällen ist aus der Aetiologie das Moment des Kratzens
hervorzuheben. Die Geschwüre boten stets charakteristische
Symptome und waren stets mit Schwellung und auffallender
Resistenz der regionären Lymphdriisen verbunden.
An den Fingern ist der Primäraffect in 5 Fällen beobachtet
worden. In zwei Fällen LXYIII, LXXII handelte es sich um
Hebammen. Bei dem ersten Fall LXYIII war die Schwangere
angeblich gesund, bei dem zweiten Fall LXXII handelte es
sich um eine notorisch syphilitische Person. Der Schanker an
den Fingern ist das den Aerzten und Hebammen eigene extra¬
genitale Geschwür, eine Form der Lues, die Bukley „Syphilis
technica“ benannt hat. Bukley sah in seiner Praxis 15 Finger-
sderosen, darunter hei 10 Aerzten.
Die Diagnose der an den verschiedensten Stellen vor¬
kommenden Initialerscheinungen der Syphilis kann mitunter
sehr schwierig werden. Es können mannigfache andere Pro-
cesse, die an den genannten Stellen aufzutreten pflegen, zur
Yerwechslung Anlass geben. An den Lippen kann das Epi¬
theliom in Frage kommen, an den Brustdrüsen neben dem
Epitheliom eine Form des chronischen Ekzems, das mit starker
Infiltration einhergeht. Der Tonsillarschanker kann sehr leicht
mit einer Angina oder Diphtheritis verwechselt werden. Dass
ein solcher Mensch, der umhergeht, ohne etwas von seinem
Leiden zu wissen, ein gefährlicher Factor in der Ver¬
breitung der Lues wird, ist selbstverständlich. Namentlich beim
Tnnsillarschanker ist dies am ehesten der Fall, weil die Schluck¬
beschwerden von den Patienten selbst als ein gewöhnliches
Halsübel angesehen werden. Diese Kranken suchen sehr spät
den Arzt auf, sie trösten sich so lange damit, dass das
Halsübel wieder bald vorübergehen werde, bis sie von secun-
diiren Erscheinungen überrascht werden. An den Fingern wird
Gck igle
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lieber extragenitale Syphilisinfection.
107
die Affection in der Regel verkannt, als ein Panaritium oder
bei Aerzten als eine septische Infection angesehen.
Es kann Vorkommen, dass an Ort und Stelle, wo das
syphilitische Virus eingedrungen ist, die Veränderungen nichts
Charakteristisches darbieten, nur unter dem Bilde einer ein
lachen Erosion oder Excoriation, einer oberflächlichen, schein¬
bar insonten Ulceration ablaufen. In solchen Fällen kann der
Primäraffect sehr leicht übersehen werden; namentlich wird
das dann der Fall sein, wenn die Haut des Körpers durch
anderweitige Entzündungsprocesse verändert ist, wie dies zum
Beispiel der Fall ist bei Scabies, Prurirgo, Acne. Ich erlaube
mir auf den Fall LXXXHI zu verweisen, wo der Primäraffect
durch eine längere Zeit von einem coijsultirten Arzt für einen
Acneknoten angesehen wurde, nachdem sich am Gesichte eine
ausgebreitete Acne befand. In dieser Hinsicht ist ein Fall von
„Familiensyphilis“ bemerkenswerth, den ich in Kürze bei¬
fügen will.
R. W. kommt mit ihren 23 Monate und 3 Jahre alten Kindern auf
unsere Klinik wegen Halsschmerzen und eines Ausschlages am Körper.
Man findet an den beiden Kindern sowie an der Mutter Erscheinungen
einer floriden Lues. Die Infection erfolgte von einem bei dieser Familie
in Diensten stehenden syphilitisch inficirten Dienstmädchen. In keinem
dieser Fälle war man im Stande trotz der genauesten Untersuchung den
Primäraffect oder Spuren desselben zu finden.
Was den Verlauf der auf extragenitalem Wege erworbenen
Syphilis anbelangt, ist es uns vielfach aufgefallen, dass die extra¬
genitalen Primäraffecte eine längere Zeit zur vollständigen Heilung
bedürfen als die genitalen, so dass bereits anderweitige, secundäre
Symptome bei noch manifester Sclerose beobachtet werden. Dies
lässt es erklärlich erscheinen, dass man häufig von einem
schweren gallopirenden, malignen Verlaufe nach extragenitaler
Infection berichtet. Plumert theilt 2 Fälle von inficirten
Ammen mit, bei denen kurze Zeit nach erfolgter Infection
gummöse Bildungen aufgetreten sind. Baum erwähnt einen
ähnlichen Fall. Auch bei meinem Fall XIV durchläuft der Process
bei dieser Patientin, beginnend vom primären Geschwür an der
Oberlippe, mit rapider Geschwindigkeit sämmtliche Phasen der
Syphilis.
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ßl O eil.
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Im Allgemeinen kann man jedoch auch aus unseren
Fällen entnehmen, dass wie bei der genital erworbenen Lues,
auch bei der extragenitalen aus zumeist individuellen Ursachen
einzelne Fälle einen schweren Verlauf nehmen.
In dem oben Mitgetheilten möge es mir gelungen sein,
einen weiteren Beitrag zur Kenntniss der extragenitalen Syphilis-
infection geliefert zu haben. Bei der besonderen Wichtigkeit
der Erkrankung muss es Pflicht eines jeden Arztes sein, sich
mit den Symptomen der extragenitalen Syphilisinfection
genau vertraut zu machen, um im gegebenen Falle die rich¬
tige Diagnose stellen zu können. Der Arzt muss sich immer
der grossen Verantwortung bewusst sein, die er bei Behand¬
lung solcher Fälle trägt, ebenso der Gefahr, die ein solches
Individuum für die Familie und die Gesellschaft bedeutet.
Zum Schlüsse ist es mir eine angenehme Pflicht, Hetrn
Prof. Pick, meinem hochverehrten Chef, für die Ueberlassung
und Förderung dieser Arbeit, meinen verbindlichsten Dank
auszusprechen.
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Bericht über die Leistungen
auf dem
Gebiete der Dermatologie und Syphilis.
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I
Verhandlungen der Wiener dermatologischen
Gesellschaft.
Sitzung vom 13. Januar lb97.
Vorsitzender Kaposi. Schriftführer: Spiegler.
Freund demonstrirt ein bereits vorgestelltes Kind aus der Al>-
theilung des Docenten Schiff mit Naevus pigmentosus pi losus. Hals,
Rücken, Seitentheile des Thorase und die obersten Theile der Oberarme
des kleinen Mädchens waren bei der ersten Demonstration, wie vorge¬
legte Photographien zeigen, mit einem dichten Haarkleide bedeckt, das
ohne scharfe Grenze in die Kopfbehaarung überging.
Durch eine Zeitungsnotiz veranlasst, nach welcher amerikanische
Forscher bei Belichtung der Haut mit Röntgenstrahlen eine Dermatitis mit
folgendem Ausfall der Haare beobachtet haben sollen, ging F. daran,
auch bei seiner Patientin mit den Röntgenstrahlen einen Versuch zu
machen.
Ueber den physikalisch-technischen Thcil seiner Beobachtungen
will F. in der Gesellschaft der Aerzte berichten, klinisch war Folgendes
zu beobachten.
Es wurde zunächst der Nacken des Kindes täglich zwei Stunden
mit Kathodenstrahlen belichtet, das Kind blieb dabei ganz munter und
zeigte anfangs auch sonst nichts Auffälliges. Am 11. Tage begannen in
der belichteten Gegend die Haare spontan auszufallen und durch leichten
Zug liessen sich Büschel von 5—10 Haaren herausziehen. Trotzdem von
diesem Tage an die Belichtung ausgesetzt wurde, dauerte der Ausfall
der Haare in gleicher Intensität fort und führte bis zum 18. December
zu einer totalen Alopecie des untersten Theiles des Hinterkopfes. Schon
früher wurde eine diffuse llöthung constatirt, innerhalb welcher am
5. Januar mehrere exeoriirte Stellen, die stark nässten, auftraten. Unter
einer Behandlung mit Ichthyolsalbe heilten dieselben jedoch rasch, wobei
auch die letzten übrig gebliebenen Haare schwanden. Die ausgefallenen
Haare wurden von Herrn Prosector Zeh mann untersucht, welcher an
ihnen statt der verdickten Haarzwiebel eine atrophische, zugespitzte
Haarwurzel fand, nur wenig Haare endigten stumpf. Der Rücken und das
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Verhandlungen
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Hinterhaupt sind an den belichteten Stellen kahl, stellenweise gerüthet
als Ueberrest der überstandenen Dermatitis, ein grosser Tbeil hat jedoch
überhaupt nie Symptome einer Dermatitis gezeigt.
Um nachzuweisen, dass die Kathodenstrahlen das wirksame Agens
waren, belichtete man 12 Tage lang mit Anodenstrahlen, jedoch ohne
Erfolg. Nun wurde vor die die Kathodenstrahlen aussemknde Röhre ein
Schirm aus Aluminium gebracht, welcher die Strahlen durchliess, jedoch
die hochgespannten elektrischen Strom wellen durch einen Draht in die
Wasserleitung ablcitete. An der auf diese Weise belichteten Stelle am
untersten Theile des Naevus begannen nach achttägiger Belichtung die
Haare erst spärlich, dann büschelweise auszufallen und acht Tage später
entwickelte sich wieder ein leichtes Erythem, das jetzt noch vorhanden
ist. Das lichte Haarkleid dieser Gegend ist bedeutend gelichtet, in der
Mitte ganz kahl, nach 10—14tägiger Belichtung dürfte die ganze Stelle
kahl sein.
Durch die Versuche sind folgende drei Momente zutage getreten:
1. Der oben erwähnte Effect wurde durch die Kathodenstrahlen
erzeugt.
2. Die langen, dünnen Koplhaare wurden leichter zum Ausfall ge¬
bracht als die stärkeren kurzen des Naevus.
3. Die Kathodenstrahlen entfalten erst nach ein- bis zwei wöchent¬
licher Belichtung ihre Wirkung, die jedoch auch nach Sistirimg derselben
durch vierzehn Tage fort dauert, also eine eumulative ist.
Ob der Ausfall der ILtare auf die Dermatitis zurückzuführen \<t
ähnlich der Alopecia synyitomatica nach Erysipel oder Ekzem, wie sie
von Kaposi beschrieben wurde, will F. nicht entscheiden, er weist
jedoch darauf hin, dass ein grosser Theil der jetzt kahlen Stellen nie
eine Entzündung gezeigt hat. Ebensowenig lässt sieh jetzt entscheiden,
oh die Haare nachwachsen werden oder nicht. Das Kind ist seit 0 Wochen
in Beobachtung, in welcher Zeit die Haare nicht nachwuchsen. Uebcr
weitere Versuche wird wieder berichtet werden.
Schiff fügt hinzu, dass mit Mühe eruirt wurde, dass jene Zei¬
tungsnotiz aus Amerika stamme und jeder wissenschaftlicher Basis entbehre.
Indessen berichtete Markuse aus Berlin über ähnliche Beobachtungen,
weshalb sich Sch. an R eg i e r u n g s r a t h Eder wandte, der zwar nie
ähnliche Beobachtungen gemacht hat, jedoch Freund bei seinen Ver¬
suchen aufs Bereitwilligste unterstützte.
Ehrmann fragt, wie das zu verstehen sei, dass die Haarwurzeln
atrophisch waren. Es sind vielleicht die Bulbi der Haare nicht mitge-
gaugeu oder sind eiiigetrorknet, wenn nicht gleich untersucht wurde.
Vielleicht handelte es sich um Beet- oder Papillenhaare.
Freund entgegnet, dass die Haare von Prosector Zehmann unter¬
sucht wurden, der sich bisher nicht genauer über den Befund ausge¬
sprochen hat.
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clor Wiener dermatologischen Gesellschaft.
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v. Hebra hat in der letzten Zeit ein Kind mit reichlicher Be¬
haarung an den Ohren gesehen. Es war das fünfte von den Kindern einer
Frau, von denen vier die gleiche Anomalie aufwiesen.
v. Hebra wendet sich ferner gegen den in der letzten Nummer
des Archivs für Dermatologie und Syphilis erschienenen Artikel von
Zarubin über die Wirkung des Jodothyrins bei Psoriasis,
nach welchem das Medicament nichts nützen und sehr gefährlich sein
soll. H. hat in vier damit behandelten Fällen (die gleiche Zahl wie bei
Zarubin) das Gegentheil gesehen, ein sehr schönes Resultat und in keinem
Falle unangenehme Symptome.
Fall 1. Seit 10. November in Behandlung, täglich 020 steigend
bis 1*80 Gramm Jodothyrin, Gesammtdosis 76\S(>. Der Patient hat um
4‘020 Kg. zugenommen, im Urin fand sich weder Kiweiss noch Zucker.
Die früher 1 Cm. dicken Epidennisauflagerungen an beiden Händen, Ellen¬
bogen. Knien sind jetzt bis auf minimale Reste geschwunden, nur ein¬
zelne erbsengrosse Knötchen deuten die Grenzen der früher bestandenen
Psoriasis an.
Fall 2. Seit 21. November 020 Jodothyrin steigend bis 1*80, im
Ganzen 66*20. Von der ausgebreiteteu Psoriasis mit mächtigen Aullage¬
rungen ist jetzt wenig mehr vorhanden.
Fall 3. Erst seit 22. December in Behandlung bis 1*20 pro die, im
Ganzen 21*00. Bei der letzten Untersuchung fanden sich Spuren von Jod
im Urin, während in allen übrigen Fällen nie Jod nachzuweisen war. Die
Besserung ist bis jetzt gering, doch ist die Psoriasis nicht mehr so con-
tiuirend, mehr zerrissen.
Fall 4. Betrifft ein Mädchen, das seit dem 18. November 55,00 er¬
halten hat, eine Gewichtszunahme von l / 2 Kg. aufweist. Es bestand sehr
starke Psoriasis, die sich nur wenig gebessert hat. Die Patienten haben
nur alle 2 Wochen ein leichtes Bad bekommen, wurden dabei nie geriehen.
Jedenfalls ist das Resultat günstig, ohne Schädigung des Allgemein¬
befindens.
Ne um a n n demonstrirt im Anschluss daran drei mit Jodothyrin
(Baumann) behandelte Fälle von Psoriasis vulgaris:
1. Einen 33jährigen, seit 15. November in Behandlung stehenden
Mann. Derselbe erhielt bisher 297 Pulver ä 0*5 Gramm. Es wurde erst
ein Pulver gegeben, dann jeden dritten Tag um ein Pulver gestiegen,
bis zu zwölf Pulvern. Es bestand über Stamm und Extremitäten ausge-
breitete Psoriasis nummularis, an den Unterschenkeln auch grössere
Plaques. Jetzt sind die meisten Etllorescenzen noch sichtbar, aber stark
abgeblasst, die Infiltration derselben geschwunden, die Sehuppenbildung
verringert. Der Effect ist etwa derselbe wie bei interner Darreichung von
Arsen oder Jodkalium, steht jedoch dem durch subeutane Arsenikinjec-
tion erzielten nach. Dazu kommt, dass in sämmtliehen so behandelten
lallen Nebenerscheinungen wie Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen, leichte
1 emperatursteigerung, Schwindel, starkes Durstgefühl und Diurese auftraten.
Archiv f. Dermatol, u. Syphil. Band XXXIX. g
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Verhandlungen
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2. Bei dem lHjährigeii zweiten Patienten trat nach Gebrauch von
27 Pulvern ein namentlich die Streckfläche der Vorderarme bis zum
Handgelenke, Unterschenkel, Nacken und Gesicht befallendes Erythema
Iris auf. Es ist allerdings nicht sichergestellt, ob dasselbe durch das
Jodothvrin bedingt war, es trat nach Aussetzen und neuerlicher Dar¬
reichung des Mittels das Erythem nicht wieder auf. Es haben sich aber
nach Abblassen des Erythems an Stelle desselben in acuter Weise schup¬
pende Psoriasiseiflorescenzen entwickelt. Gegenwärtig wird der Kranke
mit Theer behandelt.
3. Ein 40jähriger Pat., schlecht genährt, Potator, der seit einem
Jahre an Psoriasis leidet, hat 422 Pulver erhalten, ohne dass Heilung
erfolgt wäre. Die Ffflorescenzen sind blässer, weniger infiltrirt, jedoch
die Schuppenmenge noch beträchtlich. — Das Mittel wird jedenfalls bei
Psoriasis stets versucht werden müssen.
Eh rin an n hat unter den von ihm mit Jodothvrin behandelten
sechs Fällen auch einen mit Erythema multiforme beobachtet. Es betraf
einen Fall, den E. schon vor zwei Jahren mit Jodkalium behandelte,
worauf schon nach wenigen Grammen ein ausgedehntes toxisches Erythem
auftrat. In grossen Massen hob sich die Epidermis ab, die Fusssohlen
und die Flaeldiand verloren ihre Epidermis ganz. Vor 14 Tagen gab E.
dem Pat. Jodothvrin zu halben Grammen, stieg jedoeh mit Rücksicht auf
die bei dem Pat. gemachte Erfahrung nicht mit der Dosis. Dennoch
trat am 5. Tage ein ausgedehntes Erythem auf, so dass jetzt keine Stelle
der Haut von Epidermis bedeckt ist, wie bei schwerem Pemphigus folia¬
ceus. Mit Rücksicht aut die gleiche Beobachtung bei Darreichung des
Jodkaliums und des Jodothyrins möchte E. die Wirkung des letzteren
doch als Jodwirkung ansehen, obschon Jod im Harn der Patienten nicht
gefunden werden konnte. Bei rascher Epidermisabstossung bei diffuser
Psoriasis wird man vorsichtig sein müssen.
Grosz macht darauf aufmerksam, dass das Präparat Zarubins
nicht mit dem an unseren Kliniken verwendeten identisch sei. Es ist das
T h y r e oj o di n u m siccatiun (Merk), das sich als ein sehr unverläss¬
liches Mittel erwiesen hat, da es in einzelnen Fällen schwere Neben¬
erscheinungen hervorrief, wahrend ein Kind irrtümlicherweise 80 Stück
nahm, ohne einen Schaden davon zu erleiden. Das von uns verwendete
Jodotliyrin dagegen ist ein chemisches Präparat, das genau dosirt werden
kann. Wenn sich die Beobachtungen mehren werden, wird sich auch
zeigen, dass die Reaction auf das Mittel eine individuell sehr verschie¬
dene ist, so dass die Wirkungsweise nie vorausgesagt werden kann.
Audi G. möchte gleich F h rm an n die Wirkung des Jodothyrins wesent¬
lich als Jod Wirkung au Hassen.
E h rrn an n demonstrirt
1. ein t rau ma ti sch es Gesc h w ii r d er Z u n gc lierrährend von
einem schadhaften Zahne. Es unterscheidet sich von einem tuberrulüsen
durch den Mangel der Schmerzhaftigkeit, der diffusen Rütkung, der cha¬
rakteristischen eingeschnittenen Ränder und der Knotehen an der Peri-
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der Wiener dermatologischen Gesellschaft.
115
pherie. Der Belag enthält keine Tuberkelbacillen. Solche Geschwüre ent¬
stehen auch an der Oberlippe alter Leute, indem die gelockerten Zähne
durch die Zunge an die Lippe gepresst werden. Hier können solche Ge¬
schwüre für Rhinosklerom gehalten werden.
Neumann hält das Geschwür seiner Derbheit wegen fürcarcinomatös.
2. einen Pat., der noch Reste eines vorausgegangenen Svphilides zeigt.
Seit 10 Tagen bestehen Schmerzen im Sulcus bicipitalis internus aus¬
strahlend gegen den Vorderarm. Bei Druck zucken die Muskeln des Vor¬
derarms, es wurde auch gesteigerte Schmerzempfindlichkeit nachgewiesen.
Es handelt sich also um eine Neuritis des Nervus medianus in
der acuten Periode der Lues. Solche Neuritiden sind gar nicht
selten und gleichzustellen den Entzündungen des Periostes und der
Sehnenscheiden.
Ullmann demonstrirt einen Fall von Syphilis hereditaria
recidiva bei einem 22jährigen Manne. Er wurde vor 6 Wochen in die
ambulatorische Behandlung der Poliklinik aufgenoramen wegen einer Ge¬
schwulst an der Aussenseite des r. Talocruralgelenkes, die damals vielfach
sinuös zerklüftet, von mächtigen Exsudatmassen bedeckt war und reichlich
Eiter entleerte. Eine antiluetische Behandlung besserte den Zustand, der
Process schritt nicht weiter. Die Affection war im Juli für einen kalten
Abscess gehalten worden trotz energischer chirurgischer Behandlung
(Excochleation) jedoch nicht besser geworden. Der Pat. zeigt ferner eine
Affection der Kniegelenke, deren er sich gar nicht bewusst gewesen war.
Die Gelenkskapsel ist allenthalben ausgedehnt, die Gelenkbänder sind je¬
doch nicht gelockert, Gehfähigkeit normal, Schmerzfähigkeit fehlt. An
den Tibien finden sich beträchtliche Tophi, Femur, Wirbelsäule, Schädel¬
knochen, Oberarmknochen sind normal, dagegen zeigen die Unterarm¬
knochen Verdickungen, die auch in einer nach Röntgen aufgenommenen
Photographie als spindelige Auftreibungen der Knochen zu erkennen sind.
Sonst finden sich keine Zeichen von hereditärer Lues. Von seinem
Vater hat Pat. erfahren, dass die Mutter nach seiner Geburt im Wochen¬
bette an Syphilis gestorben sei, und dass Pat. selbst gleich anfangs Zeichen
von Lues geboten habe, namentlich Eiterungsprocesse am Halse. Doch
sind jetzt keine Spuren solcher luetischer Affectionen vorhanden, was bei
hereditärer Lues ja oft vorkommt. Es handelt sich gewiss um eine Sy¬
philis gummosa und zwar hereditaria recidiva, nicht hereditaria tarda.
Hochsinger bemerkt, dass er bei zwei Kindern, die er in den
ersten Lebensmonaten mit frischen luetischen Exanthemen behandelte, im
7. beziehungsweise 8. Lebensjahre einen ganz analogen Befund (symmetrisch
an beiden Kniegelenken Flüssigkeitserguss bei vollständiger Schmerz¬
losigkeit) beobachtet habe. Er hatte auch sonst Gelegenheit, die Schick¬
sale von Kindern, die er in den ersten Monaten mit congenitaler Syphilis
gesehen, weiter zu verfolgen, und fand, dass in manchen Fällen die
Narben an Schleimhäuten, am Lippensaum, oder ein Zurückbleiben in der
Entwicklung oder allgemeine Ernährungsstörung zu beobachten waren.
Es blieben aber genug Fälle, die im späteren Alter ein tadelloses Aeussere
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und normale Entwicklung aufwiesen, trotzdem in den ersten Lebens¬
monaten sichere hereditäre Lues constatirt worden war.
Schiff fragt, ob Ul 1 mann überhaupt eine Syphilis heredi¬
taria tarda gelten lasse, oder ob er. wie es den Anschein habe, annimmt,
dass in allen Fällen, die als solche bezeichnet werden, die ersten Symp¬
tome der Lues übersehen wurden.
Ullmann ist der Ansicht, dass es praktisch überhaupt schwer zu
entscheiden sei, ob früher Symptome vou Lues vorhanden waren oder
nicht, so namentlich auch, wenn die ersten Symptome der Lues keine
besonderen subjeetiven Beschwerden machen, wenn sie z. B. in einem
leichten Schnupfen bestehen.
Lang freut sich, dass, wie es nach den Zwischenrufen den An¬
schein hat, alle Anwesenden sich in der Frage der Syphilis hereditaria
tarda gleich skeptisch verhalten. Die Autoren, welche für eine solche ein-
treten, hätten zu beweisen, dass vorher nie luetische Erscheinungen be¬
standen haben, was ihnen, wie neuerdings die Erfahrungen Hochsin¬
ger’s lehren, gewiss schwer fallen dürfte.
Neu mann ist der Ansicht, dass das entscheidende Wort in der
Angelegenheit den praktischen Aerzten zukommt, da nur diese Gelegen¬
heit haben, die verschiedenen Phasen des Familienlebens mitzumachen
und so den Verlauf der congenitalen Lues zu verfolgen. Zu erwähnen
wäre noch die Möglichkeit, dass ein Kind intrauterin Syphilis innerer
Organe, so Lebersyphilis, durehmacht. und später tertiäre Symptome zeigt.
Grünfeld betont, dass die in der Literatur angeführten Fälle
von Syphilis hereditaria tarda auf die Anamnese gestützt werden und
diese gilt ja grade bei Syphilis niemals als ganz verlässlich.
Kaposi erwähnt, dass sich die Wiener Schule schon wiederholt
gegen die Annahme einer Syphilis hereditaria tarda ausgesprochen hat.
Bemerkenswerth wäre noch, dass auch Becidiven im Gefolge frühzeitig
erworbener Lues acijuisita von manchen als Syphilis hereditaria tarda be¬
zeichnet werden können.
Kaposi demonstrirt eine 40jährige Frau, die seit 2 Jahren an
Keloiden der SternalgegenJ, wie es scheint einer Prädilectionsstelle
des Keloides, leidet. Es finden sich daselbst zwei quere rothe Wülste
von derber Beschaffenheit im Ceutrum weislich schimmernd und depre-
mirt, von einer Länge von 2'5—4 Cm. Ueber den Mammen finden sich
noch einige kleinere weizenkornähnlicke Wülste. Sie sind schmerzhaft
und erweichen unter Pliasterbehandlung.
Lang demonstrirt den schon einmal vorgestellten Pat. mit einer
allgemeinen Dermatitis exfoliativa, die anfangs als Pemphigus
foliaceus gedeutet worden war. Auch in der letzten Zeit hat sich der
Zustand nicht geändert, nie hat sich irgendwo ein Bläschen gezeigt. Wenn
die Salbenbehaiuliung ausgesetzt wurde, mehrten sich die Rhagaden.
Kaposi sieht den Fall zum ersten Male. Er hält es für Psoriasis
universalis. Er hat im Laufe der Jahre mehrere solche Fälle gesehen
und hat Besserung erzielt durch partienweise locale Behandlung mit
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der Wiener dermatologisdien Gesellschaft.
117
Compression, Pyrogallussäure etc. bei gleichzeitiger interner Darreichung
von Arsenik, Jodkalium (wofür jetzt Jodothyrin zu geben wäre). Pem¬
phigus möchte K. mit Rücksicht auf die Felderung ausschliessen.
Lang hat, trotzdem er keinen Anhaltspunkt für die Annahme einer
Psoriasis gesehen, Jodothyrin versucht, jedoch keinen Erfolg gesehen.
Neu mann hält eine Psoriasis mit so weicher elastischer Haut für
unwahrscheinlich, er hat einen solchen Fall noch nicht gesehen. Sonst
könnte ein Chininexanthem oder eine Pityriasis rubra so aussehen. Als
der Fall das erste Mal vorgestellt wurde, hat N. daran erinnert, dass
Fälle von ausgebreitetem Pemphigus foliaceus bei denen es nicht zu
Blasenbildung kommt, ähnlich aussehen können. Damals war jedoch das
Bild ein anderes, da die ganze Haut mit Salbe bedeckt war.
Lang hält den Fall für eine Affection besonderer Art, und zwar für
eine schwere Erkrankung, da bei der permanenten Hyperämie und Exsu¬
dation in der Haut, es endlich zu einer dauernden Ueberschweminung
des Blutes mit Leukocyten kommen muss. Für Psoriasis hält er die
Affection auch deshalb nicht, da diese speciell auf der Kopfhaut ein an¬
deres Bild bieten müsste.
Kaposi könnte seine Diagnose nicht genauer begründen, die Dif¬
ferentialdiagnose sei in manchen Fällen mehr Gefühls- und Erfahrungs¬
sache. Ein gleiches Bild könne jede allgemeine Dermatitis erzeugen. Der
Einwand, dass die Therapie nicht wirksam gewesen, sei nicht stichhältig.
K. hat bei den von ihm beobachteten ähnlichen Fällen von Psoriasis
auch die verschiedensten Mittel versucht, bis endlich eines Heilung her¬
beiführte. Es lässt sich nicht sagen, wie lange der Process dauern werde,
aber K. hat selbst die schwersten Fälle heilen gesehen. Freilich kann da¬
durch wie durch jede allgemeine Dermatitis auch der Tod herbeigeführt
werden, so durch Amyloidose innerer Organe.
Neumann demonstrirt:
1. eine 25jährige Patientin mit Fibroma m oll u sc um. Es be¬
finden sich an der Haut des Stammes zahlreiche theils aufsitzende, theils
an der Basis abgeschnürte oder gestielte Geschwülste von verschiedener
Grösse, stecknadelkopfgross und darüber, einzelne von der Farbe der
normalen Haut, teigig weich, die meisten dunkelbraun, schlaff herabhän-
gend, dazwischen allenthalben Pigmentflecke in Form grosser blassbrauner
Naevi, oder kleiner ephelidenartig. Am 1. Oberschenkel eine besonders
grosse schwammartig vorspringende faustgrosse, teigig weiche Geschwulst.
Pat., physisch und geistig ziemlich normal entwickelt, gibt an, dass ihr
Vater mit derselben Affection behaftet sei.
2. einen schon einmal vorgestellten Fall mit Myom ata cutanea.
3. Die bereits wiederholt vorgestellte Patientin mit ausgedehnter
ulceröser Syphilis der Nase und des Gesichtes. Beim Eintritte
ins Spital, anfangs October, bestand ein fast fhichhand- grosses Geschwür
an der rechten Schläfe und ein Knochen und Weichtheile der Nase fast
ganz zerstörendes von der Stirne zur Oberlippe reichendes Geschwür mit
derb iniiltrirtem Rande. Nach 50 Dosen Decoct. Zittmann. fortius und
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mitius und dreiwöchentlichem Jodkaliumgehrauche. Jodoformverband und
energischer Lapisätzung sind beide Geschwüre bis auf etwa kreuzergrosse
rein granulirende Stellen vernarbt. Der Rest des linksseitigen Nasenflügels
wurde ausgeheilt, so dass an der Nasenwurzel noch ein halbkreuzergrosser,
in die Nasenhöhle Einblick gestattender Defecf besteht, der durch Plastik
zu decken wäre. Endlich besteht noch eine gummöse Erkrankung im
linken Kniegelenk.
4. einen 28jährigen Pat. mit tuberculösen Geschwüren au
der Mundschleimhaut. An der Schleimhaut der Unterlippe in der
Medianlinie ein längsovales, über kreuzergrosses Geschwür mit scharfem
feinzackigem, leicht unterrainirtem gerötheten Rande und drüsig unebener,
blassrother, theils graugelb belegter Basis. Neben demselben eine etwa
ebenso grosse zarte weissliche Narbe nach einem spontan abgeheilten
Geschwüre, ein weiteres linsengrosses Gesehwürchen am Zahnfleisch des
Unterkiefers. Das Zahnfleisch der ganzen rechtsseitigen Unterkieferhälfte
narbig retrahirt, so dass allenthalben der Hals der Zähne frei liegt. Ein
drittes, über kreuzergrosses Geschwür an der Zungenspitze, dasselbe kreis¬
förmig flach von etwas derber Gonsistenz, mit festhaftendem Belage. Die
Zungenspitze wird dadurch verkürzt, so dass sie nicht über die Zahn¬
reihe hervorgestreckt werden kann. Die Geschwüre sind schmerzhaft, es
besteht starke Salivation. Miliare Tuberkelknötchen am Rande der Ge¬
schwüre sind nicht zu sehen, Drüsen am Unterkieferwinkel beiderseits
über wallnussgross, etwas druckempfindlich. Dauer der Aflection angeblich
4—5 Monate.
Rille demonstrirt. einen 65jährigen Pat. mit einem grossen gum¬
mösen Geschwüre am Mundboden und an der Zunge. Unter¬
halb der Zungenspitze vorne bis zum Alveolarfortsatz reichend, nach
rückwärts die Zunge vom Mundboden etwa 2 Cm. weit abhebend und
unterminiren ein über thalergrosses Geschwür mit drüsig unebenem
ldassgrau belegtem, leicht blutendem Grunde. An der Zungenoberfläche
findet sich ein etwa haselnussgross vorspringender eindrückbarer, etwas
druckempfindlicher Knoten. Hochgradige Salivation. Die tieferen Rachen¬
gebilde normal, auch die Wangenschleimhaut glatt, am Zungenrande
Zahnabdrücke. Die Drüsen am Halse nicht vorgrössert. Anamnestisch weiss
Pat. nichts anzugeben.
Kaposi demonstrirt einen Mann mit hartem Schanker an der
Unterlippe. Ein maculo- papulöses Syphilid beginnt bereits abzublassen.
Am Nacken reichliche Acnenarben und Keloide. Am Vorderarm eine
1 Cm. lange, */ a Cm. breite vertiefte, secernirende Wunde, lierrührend von
einer Fontanelle, die dem Pat. wegen eines schmerzhaften Ohren¬
leidens vor 8 Monaten in Constantinopel angelegt worden war.
Popper stellt vor aus der Abtheilung Lang:
1. eine Kranke, die schon einmal mit gummösem Fungus der
Strecksehnen des 1. Unterschenkels vorgestellt wurde. Die Gegend des
Sprunggelenkes war damals aufgetrieben, die Haut wies zahlreiche Ge¬
schwüre auf, innerhalb deren die Sehnen bloss zutage liegen. Heute bat
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der Wiener dermatologischen Gesellschaft.
11 »
«das Sprunggelenk seine normale Configuration, die Geschwüre sind sämmt-
lieh überhäutet. Die Therapie bestand in Auskratzen der Geschwüre mit
scharfem Löffel, welche hierauf der Granulation überlassen wurden. Der
zurückgebliebene oberflächliche Defect wurde nach Thierseh gedeckt.
Kosmetisch und functionell ist die Heilung befriedigend.
2. Einen Fall von ausgedehnten gummösen Ulceratiouen.
Der 35jährige Pat. zeigt die Streck- und Beugeseite der zwei unteren
Drittel der r. Unterschenkel und die Kniegelenksgegend von zahlreichen,
zumeist über thalergrossen Geschwüren eingenommen, zwischen denen
die noch vorhandene Haut narbig verändert ist. Die Geschwüre zeigen
alle luetischen Charaktere. Besonders gross ist ein flachhandgrosses Ge¬
schwür an der Hinterfläche des Oberschenkels, welches die Muskeln bloss¬
legt. Pat. hat vor 15 Jahren ein Geschwür am Penis acquirirt, welches
keine Allgemeinerscheinungen zur Folge hatte. Er wurde nicht allgemein
behandelt, die Erkrankung am Oberschenkel besteht seit 4 Jahren und
wurde nur local behandelt. Die Therapie wird in Excochleation der Ge¬
schwüre und eventuell plastischer Deckung nach Thiers ch bestellen.
Sitzung vom 27. Januar 1R»7.
Vorsitzender: Kaposi. Schriftführer: Spiegler.
Hochsinger demonstrirt zwei Fälle von hereditärer Lues
bei Säuglingen, die besonders dadurch ausgezeichnet sind, dass die Dia¬
gnose auf Lues vor Ausbruch des Exanthems gestellt werden konnte.
Der erste Fall betrifft ein Kind, das gut genährt ist, mit 14 Tagen
ein Gewicht von 4 Kg. hatte und durch nichts von der Norm abwich,
als durch eine Coryza und eine Vergrösserung der Leber. Die Coryza
der luetischen Kinder hat das Charakteristische, dass sie auf den Rachen
nicht übergreift. Untersucht man bei einem Schnupfen z. B. in Folge
von Grippe, so findet man stets eine starke Röthung und acute Schwellung
der Pharynxschleimhaut. Bei Coryza der hereditär syphilitischen Kinder
findet man höchstens eine leichte Röthung an der hinteren Rachenwand,
Gaumenbögen und Zäpfchen sind vollständig frei. Ein solcher Befund be¬
rechtigt zu dem Verdachte, dass es sich um Lues handelt. H. hatte mit
der antiluetischen Behandlung gewartet, um zu sehen, ob nicht doch ein
Exanthem kommt; thatsächlich zeigte das Kind nach 5 Tagen ein cha¬
rakteristisches, scheibenförmiges Exanthem an den Fusssohlen.
Das zweite Kind wurde im Alter von 11 Tagen zur Behandlung
gebracht mit der Angabe, es sei normal zur Welt gekommen. Vom
7. Tage jedoch konnte das Kind den Arm schwer heben, welcher Zu¬
stand sich immer mehr verschlimmerte. Man fand am oberen Eude des
Humerus eine spindelförmige Anschwellung, eine ähnliche Anschwellung
am unteren Ende und den anstossenden Enden der Vorderarmknochen,
gleichzeitig bestand eine Schwellung der Mittelhand beiderseits. Auch
bei diesem Kinde bestand eine Coryza, die Rachengebilde waren eben¬
falls frei. Ferner besteht eine Vergrösserung der Leber, dagegen kein
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Verhandlungen
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Milztumor. H. untersuchte die Verdickungen an den Extremitäten mit
Röntgenstrahlen und erwartete auch hievon Aufklärung über die schlatfe
Lähmung, die sich bei dem Kinde in Folge des Knochenprocesses ein¬
stellte, während sonst bei Gelenkserkrankungen durch Contraction der
Muskeln das Gelenk tixirt wird. Die Photographie zeigte jedoch keinerlei
Verdickung der Knochen, die Anschwellung betrifft also nicht die Knochen,
sondern die Weielitheile, Muskeln, Perieliondrium. Das bestätigt die
Angaben von Kassowitz in seiner Arbeit „Syphilis und Rachitis“, dass
Pseudoparalysen zu Stande kommen durch Uebergreifen des syphilitischen
Processes vom Periost auf die Sehnenscheiden und Perimysien. Wichtig
ist ferner der Befund einer vergrüsserten Leber bei beiden Kindern.
II. hatte auf dem Naturforschercongresse in Lübeck über 148 Fälle here¬
ditärer Lues berichtet, von denen 45 starke Leberschwellungen aufwiesen.
Fs wurde damals eingewendet, dass die Leberschwellung vielleicht auf
Anaemia splenica beruhe, die sich oft bei hereditär luetischen Kindern
findet. Dabei ist jedoch die Milz vergrössert, die Leber nur wenig. Findet
sich jedoch bei einem Kinde die Leber sehr gross, die Milz klein, dann
ist das auf Lues verdächtig, namentlich wenn auf anliluetische Behand¬
lung die Leberschwellung zurückgeht. — Im ersten demonstrirten Falle
bestand geringe Milzschwellung, im zweiten fehlt sie, die Leber reicht
in beiden Fällen zur Nabellinie und bildet sich auch in der Röntgen -
photographie deutlich als Schatten ab. Die Blutuntersuchung ergab im
ersten Falle nichts Abnormales, im zweiten geringe Leukocytose, besonders
reichlich Myelocyten, was mit dem Ivnochenprocesse in Zusammenhang
stehen dürfte. Die beiden Fälle zeigen, dass ein Fortbestehen foetaler
Erkrankungen nach der Geburt gar nichts Seltenes ist und dass die Di¬
agnose der Syphilis vor Ausbruch des Exanthems möglich ist.
Neumann meint, dass die Diagnose gewöhnlich aus der Beschaf¬
fenheit des ganzen Organismus gestellt wird, Leherinturnescenzen finden
sich oft, aus der Leberschwellung allein wird die Diagnose jedoch nicht
zu stellen sein. In den Muskeln kennt Neumann diffuse Entzünduugs-
processe im acuten Stadium und gummöse in Spätstadien. Gerade bei
Kindern, die ja meist an der Erkrankung sterben, Hessen sich genauere
anatomische Nachweise erbringen.
Hoch singer betont, dass das erste Kind in nichts von der
Norm abweicht, sondern bloss eine Coryza und den Lebertumor aufwebt.
Rille verweist auf den hohen diagnostischen Werth der Blut¬
untersuchung, die in solchen Fällen entscheidend sein kann. Nament¬
lich haben die Untersuchungen von Loos sehr constante Verhältnisse er¬
geben, so ausser dem vom Vorredner citirten Befunde von Markzellen oder
Mveloplaxen (C o r n i 1, II. F. Mülle r) noch ganz marcante Veränderungen
an den rothen Blutkörperchen, welche Hoch singer nicht erwähnt bat,
insbesondere das Auftreten von kernhaltigen Erythrocyteil in bisweilen
kolossaler Menge. Auch R. konnte einmal in einem keine klinischen Er¬
scheinungen darbietenden Falle der hiesigen Findelanstalt mit Hilfe der
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der Wiener dermatologischen Gesellschaft.
121
haematologischen Untersuchung Syphilis diagnosticiren, wo dann später
ein luetisches Exanthem auftrat.
Kaposi meint, dass es merkwürdig sei, dass die Affection der
Muskeln und Sehnen keinerlei Reizungs- sondern bloss Lähmungser-
scheinungen erzeuge. Er erinnert sich an eine Reihe von Fällen allge¬
meiner Pseudoparalyse bei Kindern der Findelanstalt, bei denen zum
Theil wegen bekannter Lues der Mutter der Ausbruch derselben bei dem
Kinde erwartet wurde, zum Theil jedoch keine Verdachtsmomente für
Lues Vorlagen. Es trat bei vollständigem Wohlbefinden bei den gut ge¬
nährten Kindern allgemeine Pseudoparalyse auf, dauerte einige Tage und
schwand bei Ausbruch des Exanthems. Es waren keine Veränderungen
an Knochen und Weichtheilen zu palpircn, man musste auch wegen des
gleichzeitigen Befallenseins aller Muskeln an eine centrale Ursache denken,
aber auch hiebei ist nicht klar, warum keine Reizungssymptome auf¬
traten und warum die Paralyse mit Auftreten des Exanthems verschwand.
Hochsinger bemerkt gegenüber Rille, dass der von Loos als
charakteristisch für hereditäre Lues angegebene Befund im Blute auch bei
Anaemia splenica sich finde. Auch Heubner erklärt in seiner letzten
Bearbeitung der hereditären Syphilis, dass die Blutuntersuchung nichts
beweisen könne. Der erste der demonstrirten Fälle zeigte absolut keine
Abnormität des Blutbefundes. — Fälle wie die von Professor Kaposi
citirten hat H. nicht gesehen.
Lang ist der Ansicht, dass die Lähinungssymptoine durch menin-
geale Reizung erzeugt werden, wie sie auch bei acquirirter Lues Vorkommen.
Es besteht ferner der anatomische Nachweis einer meningealen IJaemor-
rhagie in einem Falle, der im Leben Lähmungserscheinungen darbot.
Lang erwähnt eine Abhandlung von Dr. Pollak in der deutschen
niedicinischen Wochenschrift über eine Reihe von Fällen von allgemeiner
Lähmung, die mit dem Auftreten des Exanthems schwand.
Neu mann erinnert an eine Arbeit von Diday in den Annalen
für Syphilis und Dermatologie, in welcher Lähraungserschei-
nungen bei Kindern auf Myositis in Form von Infiltraten und Gummen
zurückgeführt werden.
Rille glaubt nicht, dass die in Rede stehenden Blutbefunde er¬
schüttertwerdendürfen. Es handelt sich noch um eine Reihe detaillirterer
Veränderungen, auf welche jetzt nicht genauer eingegangen werden kann,
so um sehr beträchtliche Differenzen in der Grösse der rothen Blutkörper¬
chen und gewisse höchst charakteristische tinetorieile Verschiedenheiten
derselben. Dass die Anaemia infantum pseudoleukaemica ähnliche Ver¬
hältnisse aufweist, ist ihm genau bekannt, und hat dies schon Loos
betont, doch sind da die morphologischen Veränderungen nicht so hoch¬
gradig nnd wissen wir vorläufig noch nicht, ob zwischen diesen beiden
Processen nicht doch irgend welche Beziehungen bestehen.
Ehr mann deraonstrirt einen Fall von Sklerodermie an der
Haut der unteren Extremität von der Inguinalgegend längs der
inneren Seite bis zum inneren Condylus der Tibia. Es hatte sich eine
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Pseudocontractur entwickelt, deren Streckung im Gypsverband Gangrän
erzeugt hatte. Daher stammen eine Reihe von Narben. Die Vertheilung
entspricht nicht etwa einem Nervengebiete, eher dem der Yena saphena
magna. Nach Wolters besteht die Sklerodermie in einem Process an
den Gefassen. Neben erweiterten Lymphgefässen sind auch Blutgefässe vor¬
handen, die Muskeln schwinden und werden durch Bindegewebe ersetzt.
v. Hebra hat sehr gute Erfolge bei Sklerodermie durch syste¬
matische Massage erzielt. So wurde ein diffuses Sklerem, das von den
Füssen bis zu Nabelhöhe reichte, in zwei Monaten gut.
Ehrmann hat ebenfalls gute Resultate bei Massage gesehen, im
vorgestellten Falle muss gewartet werden, bis alle Wunden geheilt sind.
Neumann demoustrirt als Pendant einen schon einmal vorge¬
stellten Pat. mit Sklerodemie, Massage ist nur im elevirten Stadium
des Skierems von Nutzen, wenn einmal die Knochen und Muskeln be¬
fallen sind, nützt sie nichts mehr. Dass es sich hiebei um eine Gefässer-
krankung handelt, wurde von N. vor langer Zeit nachgewiesen.
Nobl dcmonstrirt aus der Abtheilung des Docenten Grünfeld
einen Fall von Initialsklerose an der Unterlippe bei einem jungen Mäd¬
chen. Interessant ist der Befund von centraler Excavation an den
Schneidezähnen, wie sie als typisch für hereditäre Lues beschrieben
wurde und hier mit recenter Lues zusammentrifft.
v. Ilebra dcmonstrirt einen Fall von Raseurinfection mit Syphilis
in der Mitte des Kinns. H. erzählt ferner von einem andern Falle extra-
genitaler Infeetion. Es betraf eine Frau mit allgemeinem Exanthem und
besonders grossen Papeln im Gesicht. Das Kind derselben hatte eine noch
weiter vorgeschrittene Lues. Später konnte nachgewiesen werden, dass
das Kind von einem Kindsmädchen inficirt worden war und die Mutter
sich in der Weise inficirte, dass sie den Kopf des Kindes an ihre Wangen
drückte. Das Kind hatte namentlich am Munde Exuleerationen und die
Mutter litt an Aene des Gesichtes, was die Infeetion erleichterte.
Neu mann deraonstrirt:
1. einen 17jährigen Pat. mit Orchitis epidemica. Die linke
Scrotalhälfte vergrössert, die Haut geröthet, oedematös geschwellt, der
Ilode dieser Seite vergrössert, gleichmässig derb und druckempfindlich,
auch der Nebenbode vergrössert, namentlich am Caput, während der
Caudaltheil nicht deutlich abgegrenzt werden kann. Die Affection besteht
seit fünf Tagen, Fieber soll nicht bestanden haben, doch Unwohlsein und
Appetitlosigkeit. Eine gleichzeitige Schwellung der Parotis besteht nicht.
Der Harn ist klar, kein Ausfluss, keine Gonococcen im Urethralschleim.
Kocher berichtet über zwei Parotitisepidemien, die letzte in einem
Schweizer Infanteriebataillon. Innerhalb 23 Tagen traten 23 Fälle von
Parotitis auf, Ecomplicirt mit Orchitis, 4 Fälle primärer Orchitis, aus¬
schliesslich Männer in den 20er Jahren. Bei einer Genfer Epidemie be¬
obachtete Rilliet 23mal Orchitis, der jüngste Pat. war 14, der älteste
45 Jahre alt.
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der Wiener dermatologischen Gesellschaft.
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2. Im Anschluss an den Vortrag Tarnowsky’s in London, der
annimmt, dass es sich bei maligner Lues um Mischinfection mit Eiter-
coccen handle, demonstrirt Neumann einen Fall von maligner
Lues, von dem Gewebsstücke darauf hin untersucht werden sollen.
Wenn man bedenkt, wie viele ulceröse Primäraffecte, wie selten ulceröse
Syphilide gesehen werden, scheint obige Annahme nicht sehr wahr¬
scheinlich. Lang macht aufmerksam, dass vor T arnowsky andere und
auch er selbst sich mit der Angelegenheit beschäftigt haben.
3. Einen 24jährigen Pat. mit Keloiden. Zwei bisquitförmige,
scharf begrenzte, flach erhabene, geröthete schmerzlose Wülste mit run¬
zeliger Epidermis bedeckt finden sich in der Sternalgegend. Eine weitere
kreuzergrosse rundliche ebenso beschaffene Erhabenheit in gleicher Höhe
an der linksseitigen Brusthälfte. Die Aftection soll seit der Geburt be¬
stehen, gegenwärtig suchte Pat. das Spital wegen recenter Lues auf.
Kaposi kennt aus der Literatur und aus eigener Erfahrung eine
Reihe von Fällen mit Keloiden der Sternalgegend, es wäre des Studiums
werth, zu ergründen, weshalb das Keloid mit Vorliebe an dieser Stelle
sich localisirt.
4. Einen 30jährigen Kranken mit ausgedehnter Alopecia areata.
An vielen Stellen der Kopfhaut umschriebene haarlose Stellen, theils
einzelstehend kreisförmig, theils coufluirend zu flachhandgrossen Stellen.
Es fehlen die Augenbrauen- und Wimperhaare, ebenso die früher be¬
standenen Barthaare. Grössere haarlose Stellen finden sich ferner an der
Symphyse und Bauchwand, wo theilweise noch jetzt starke Behaarung
besteht. Der Haarausfall soll im vorigen Jahre begonnen haben.
Rille demonstrirt einen 64jährigen Pat., Schankwirth aus Galizien,
mit multiplem primären pigmentlosen Hautsarcomen. Anden
verschiedenen Hautstellen zahlreiche (über 100) zum Theil subcutan voll¬
ständig oder mit der Cutis verschiebbare Geschwülste von normaler
Haut bedeckt, meist kugelig erbsen-haselnuss- bis wallnussgross, schmerzlos
sehr hart. Daneben weniger zahlreiche, über das Hautniveau vortretende,
mit der Haut verwachsene blassrothe, matt glänzende Geschwülste. Diese
sind meist erbsengross, im Gesichte, in der Supraclaviculargrube
grössere. Am Rücken in der Lumbalgegend thalergroäse, plaqueartig vor¬
stehende exulcerirte Knoten mit steilen Rändern, blassbraun, eine dünne
seröse Flüssigkeit absondernd bei zufälligen Verletzungen stark blutend.
Die umgebende Haut geschwellt, livid. Ein über faustgrosser, von dunkel
gerötheter, gespannter Haut bedeckter Knoten findet sich rechts zwischen
Rippenbogen und Darmbeinkamm, ein weiterer faustgrosser Knoten
subcutan in der Scapulargegend. Ein Convolut von zahlreichen Knoten
links am Rande des M. pectoralis major bis in die Achselhöhle reichend,
ein kleineres oberhalb der linken Kniescheibe. Das Hautcolorit blass, gelblich,
auch die Schleimhäute blass, jedoch frei von Geschwulstbildungen, ab¬
gesehen von einem haselnussgrossen derben Knoten unter der Oberlippen-
8ckleimhaut.
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Die Erkrankung soll vor Jahresfrist mit dem grossen Knoten an
der Lende begonnen haben. Seitens der inneren Organe nielis Abnormes,
ausser Appetitlosigkeit, keine subjektiven Erscheinungen, im Harne weder
Zucker, noch Eiweiss. Leber den histologischen Befund und die genaue
Blut Untersuchung wird später berichtet werden. Es besteht leichte, vor¬
wiegend polynucleäre Leukoevtose, kein sichtliches Leberwiegen der
acidophilen Elemente. Der Kranke erhielt jetzt einige Tage Arsmihaemol-
pillen (Kobert-Bart eit), doch wird die Behandlung mit subcutanea
Arseninjectionen fortgeführt werden.
Lang demonstrirt einen Fall von beginnender Elephan¬
tiasis des Lntersehenkels. Die Affection begann zu Ostern 1 ROH, ohne dass
Kothlauf oder sonst eine Affection vorausgegangen wären. Am unteren
Bande des Pectoralis rechts erscheint die Haut geröthet und bei der
Untersuchung- fühlt man eine derbe Platte. Auch an den untersten Theilen
des Scrotums findet man eine cireumscripte derbe Partie.
Kaposi hält die Affection am Unterschenkel für rccidivirendes
Erisypel, nach welchem jedesmal Oedem zurückbleibt und nicht zur De¬
sorption kommt. Endlich entsteht daraus die elephantiastLche Verdickung.
In Bezug auf die anderen Herde lässt sich nichts Bestimmtes sagen.
Popper stellt aus der Abtheilung des Prof. Lang vor:
1. Einen 5bjährigen Pat. mit Elephantiasis des 1. Beines.
Die ganze Extremität ist sehr vergrössert. Die Haut ist grösstentbeils
normal gefärbt. An der Innenseite des Oberschenkels ist durch die Haut
ein Convolut von fingerdicken Gefässen sichtbar, einzelne sind als derbe
Stränge durchzutasten. Inguinal- und Gruraldriisen stark geschwollen. Die
Haut fühlt sich derb, trocken an. Muskeln und subcutanes Gewebe lassen
sich nicht isoliren. Am Unterschenkel in der Knöchelgegend beiderseits
Ulcera, das an der Ausscnseito handtellergross, unregelmässig begrenzt
mit zahlreichen Ilautinseln. Ueberdies in der Knochelgegend ein Wall
von warzenähnlichen, theilweise macerirten Wuelierungen. Der Knochen
der Tibia verdickt, aber glatt. Der Fuss ist polsterartig aufgetrieben.
Die grosse und kleine Zehe scheinen intaet zu sein.
2. Einen Fall von atonischem Geschwür geheilt durch
Transplantation nach Thier sch. Die Pat. wurde mit einem vier-
kreuzerstiiekgrossen Geschwür vor den Hymenairesten, welches sieh auf
die Vaginalwand fortsetzte, aufgeiiommen. Trotz mehrwöcheutlieber to¬
pischer Behandlung zeigte das Geschwür keine Heilungstendenz, auch
Auskratzen, Excision führten nicht zur Heilung. Es wurde daher nach
vorherigem Abkratzen mit T h i ers cIrschen Lappen gedeckt, die Lappen
heilten an, so dass das Geschwür bis auf eine linsengrosse, granulireiule
Stelle überbautet ist.
Lang bemerkt hiezu, dass er am Tage nach der Transplantation
meinte, sie sei missglückt, da sich das Geschwür belegt zeigte. Nach
einigen Tagen fand man jedoch, dass das Epithel haften geblieben sei.
Doch unterscheidet sieh die Stelle auch jetzt von der rosig gefärbten
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der Wiener dermatologischen Gesellschaft.
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Umgebung durch eine mehr weissliche Färbung uud gibt so die Abstam¬
mung von der Epidermis zu erkennen.
Wilhelm fragt, ob nicht auch Transplantation von Schleimhaut
versucht werden könnte.
Neumann bemerkt, dass Transplantation von Schleimhaut mit
Erfolg bereits von Wölfler ausgeführt wurde.
Kaposi demonstrirt einen Fall von besonders gestaltetem papu¬
lösen Erythem. Es sind scheibenförmige, scharf begrenzte Flecken,
lebhaft injicirt wie bei einem acuten Exanthem, und zeigen eine ganz
geringe Infiltration, viele tragen in der Mitte ein Knötchen und werden
so einem Erythema annulare ähnlich. Einen ähnlichen Fall hat K. vor
einigen Tagen bei einer Frau gesehen, bei ihr waren EfTlorescenzen über¬
dies an den Handrücken.
Verhandlungen der Berliner dermatologischen
Vereinigung.
Sitzung vom 5. Januar 1897.
Vorsitzender: Lassar. Schriftführer: Joseph.
I. Gebert stellt bei einer 31jährigen Patientin einen Fall- von
Alopecia areata vor, welche seit ungefähr 10 Wochen besteht. Das
Leiden hat unmittelbar nach einer sehr starken seelischen Erregung,
welche durch den Tod ihres Vaters verursacht wurde, angefangen. Seitdem
ist die Pat. nervös und leidet an hochgradiger Schlaflosigkeit. Vor 9 Jahren
hat die Pat. bereits die gleiche Affection im Anschluss an den Tod eines
ihrer Kinder gehabt. Der Zusammenhang der Erkrankung mit den psy¬
chischen Erregungen scheint in diesem Falle ausser Zweifel zu sein.
II. Heller: Reinfection oderReinduration? Die Forde¬
rungen, die man an einen Fall von Reinfection stellen muss, sind fol¬
gende: 1. Die Beobachtung der ersten Syphilis durch einen einwands-
freien Fachmann. 2. Beim Beginn der zweiten syphilitischen Infection
muss die erste völlig abgelaufen sein und 3. der Primäraftect der zweiten
Syphilis muss auch von secundären Erscheinungen gefolgt sein. Bei der
Anwendung dieses Massstabes scheidet eine grosse Anzahl von Reinfec-
tionsfällen, die in der Literatur bekannt sind, aus. Zur Illustration
stellt H. einen 33jährigen Patienten vor, der vor 10 Jahren syphilitisch
inficirt war. Im Jahre 1886 heiratete er und nach 7 Monaten gebar seine
Frau angeblich ein todtfaules Kind. Drei andere Kinder leben und sind
mehr oder weniger rachitisch. 1894 hatte Pat. ein Recidiv und Septem¬
ber 1996 beobachtete H. den Pat. mit Plaques am rechten Zungenrand.
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Verhandlungen
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Dieselben schwanden nach einer subcutaneu Sublimatbehandlung. Nach
Heilung derselben stellte sich Pat. Mitte November wieder vor und zeigte
genau an der Stelle des früheren Schankers eine knorpelharte Induration.
Die Aehnlichkeit mit einem Frimäraffect wurde dadurch noch grösser,
dass sich auf der Sclerose zwei kleine Ulcerationen entwickelten, indessen
Drüsenschwelluugen traten nicht auf. Erst Darreichung von Jodkali be¬
wirkte eine Verkleinerung der Sclerose. Die fragliche Verhärtung muss
in diesem Falle als Reinduration aufgefasst werden. Indessen, hatte der
Kranke die Plaques an der Zunge noch gehabt, so würde man sicherlich
geneigt gewesen sein, den Fall als Reinfeotion aufzufassen.
Rosenthal glaubt, dass selbst, wenn die Plaques an der Zunge
noch vorhanden gewesen wären, man bei dem Fehlen von Drüsonschwel-
lungen und sonstigen Erscheinungen auf der Haut, doch nicht den Fall
anders als Induration hätte deuten können, besonders da das Auftreten
des Primäraflectes gleichzeitig mit Plaques im Munde nicht gewöhnlich ist.
Köbner spricht sich entschieden gegen die Annahme einer Reindu¬
ration aus und hält die Affection für ein zerfallenes Gummi.
Lassen glaubt, dass, falls die vorausgegangene erste Infection
unvollkommen immumsirt, die zweite Ansteckung nur local verlaufen
könnte, so vielleicht auch in dem vorgestellten Falle.
III. Gumpertz stellt zwei Fälle von syphilitischer spasti¬
scher Spinalparalyse vor. Der erste Fall ist bereits von G. im Juni
vorigen Jahres in der Gesellschaft demonstrirt worden. Der Gang ist in¬
zwischen ataktisch geworden, die Kniereflexe sind noch gesteigert, Sensi¬
bilitätsstörungen bestehen nicht und die Atrophie des N. opticus ist noch
vorhanden. Der 2. Fall betrifft einen bSjährigen Mann, der sich vor
9 Jahren syphilitisch inticirt hat. Derselbe zeigt einen hervorragend
spastisch paretischen Gang, gest eigerte Knicphänomene, keinen Dorsal-
clonus. Es bestellt bei passiven Bewegungen keine Rigidität der Beine,
ein Phänomen, das von Erb als charakteristisch für die syphilitische
Spinallähmung hingestellt worden ist. Der Augenspiegelbefund ergibt
eine blasse Papille mit stark verengten Gelassen, Rothgrüu-Blindheit und
Einengung des Gesichtsfeldes, Pupillenstarre ist nicht vorhanden. Dieser
Fall ist noch dadurch interessant, dass die Frau des Pat. seit 7 Jahren
in Folge von spinaler Opticusatrophie vollständig erblindet ist und an
Tabes leidet.
Gemeinsam beiden Fällen ist der Umstand, dass ihre syphilitische
Affection keine oder nur ungenügende Behandlung gefunden hat. Die
Prognose ist in beiden Fällen eine erträgliche.
Oes trei eher glaubt, dass der Ansicht, dass die Schwere der
Erscheinungen sich in den vorgestellten Fällen aus der unzureichenden
Behandlung erkläre, bedingt zuzustimmen sei. Er selbst *ah vor 2 Jahren
einen Fall von Syphilis mit schweren Erscheinungen von seiten de»
Centralnervensystems, der im obigen Sinne zu verwert hon ist.
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der Berliner dermatologischen Vereinigung.
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Indessen die Erfahrung lehrt leider, dass trotz der sorgfältigsten
Behandlung sich später die schwerston syphilitischen Symptome zeigen
können. CJnd wenn statistisch feststeht, dass bei progressiver Paralyse
75% nach Strümpell und bei Tabes noch ein grösserer Procentsatz
auf eine syphilitische Vergangenheit zurückblickt, so wird man nicht allzu
weit gehende Hoffnungen bezüglich der Dauerhaftigkeit unserer modernen
Hg-Cur hegen dürfen.
Köbner ist nicht der Ansicht, dass alle spinalen Atrophien des
N. opticus syphilitischen Ursprungs sind.
Mackiewicz fragt, ob man bei dem ersten Kranken beständig
eine Reflexsteigerung beobachtet hat.
Gumpertz erwidert, dass, wo andere Ursachen für eine Sehnerveu-
atrophie nicht vorliegeu, der Verdacht auf Lues sehr nahe liegt. Reflex-
Steigerung ist in dem ersten Falle stets vorhanden gewesen. Was die
mangelhafte Behandlung betrifft, so hat G. nur die Ansicht Erb’s aus¬
sprechen wollen. Bei Tabes und Paralyse liegen aber die Verhältnisse
insofern anders, als sie nicht Affectionen einer directen Nervensyphi-
lis sind.
IV. Blaschko stellt einen 16jährigen jungen Mann vor, welcher
auf dem Hinterkopf mehrere 2 markstückgrosse, kreisrunde, ziemlich
kahle Stellen zeigt. Die Haut ist auf denselben nicht geröthet, jedoch
mit Schuppen bedeckt. Die Haare folgen dem Zuge sehr leicht und zeigen
eine grauweisse, eingetrocknete Wurzelscheide als Hülle. Auch in der
Umgebung der Flecke schuppt die Haut, jedoch sitzen die Haare dort
fest. Auf der Stirn des Pat. besteht die gleiche Aflection, welche zu einem
Verlust eines grossen Theils der Augenbrauen geführt bat. Im Laufe der
letzten Jahre sind ähnliche Fälle von französischen Autoren beschrieben
worden, so namentlich von Quinquaud als Folliculitis spilans s. destructiva,
von Lailler als Acne decalvans und von Besnier als Alopecie eicatri-
sante innominee. Doch in allen diesen Fällen war Narbenbildung vor¬
handen, was bei seinem Pat. bisher vollständig fehlt. Es ist augenscheinlich,
dass es eine ganze Reihe von ätiologisch miteinander vielleicht gar nicht
verwandter Affectionen gibt, die zur Alopecie führen. Zu erwähnen ist
noch, dass die Untersuchung der ausgefallenen und ausgezogenen Haare
nicht das typische Bild von Atrophie geben, wie es Sabouraud in seiner
Arbeit über Alopecie eingehend beschrieben hat. Blaschko ist geneigt,
den Fall als Eczema seborrhoicum aufzufassen.
Köbner glaubt, dass der Fall einer Area celsi nicht ähnlich ist,
sondern durch die Fortsetzung des entzündlich desquamativen Processes
in die Haarbälge bedingt sei. Die weit überwiegende Zahl der bei uns
vorkommenden Fälle von Alopecia areata ist truphisclien oder neurotischen
Ursprungs.
V. Blaschko stellt ein 10jährige9 Mädchen vor, welches seit
ihrem 13. Lebensjahr an einer schweren Urticaria leidet. Dieselbe
charakterisirt sich dadurch, dass die Quaddeln nach kurzem Bestand hämo r-
rhagisch werden. Inden nächsten Tagen stellen sich natürlich die iibli-
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eben Farbenveränderungen der cutanen Blutungen ein. Diese Erscheinung
hat dahin geführt, dass der Fall als Urticaria pigmentosa aufgefasst
worden ist. Indessen mit dieser typischen Form hat der vorgestellte Fall
keinerlei Verwandtschaft, hauptsächlich sind bei seiner Pat. die Streck¬
seiten der Extremitäten befallen, während der Rumpf fast vollständig
freigebliebenist; das Gesicht ist bei jeder Attaque wenn auch nur massig,
ergriffen. Die symmetrische Vertheilung der Eruptionen nähert den Fall
den exsudativen Erythemen. Und auch sonst finden sich noch einige
Momente, welche für eine Verwandtschaft mit dieser Krankheitsgruppe
sprechen. So sind mehrfach im Laufe der Zeit rheumatische Erkrankun¬
gen verschiedener Gelenke au (getreten. Ausserdem ist der Fall auch von
schweren Complicationen nicht, verschont geblieben. Vor 1 Jahre zeigte
sich eine Keratitis parenchymatosa, die bald von Blutungen gefolgt war.
Dieselbe trat zu einer gleichzeitig bestehenden Retinitis haemorrhagiea,
bei welcher um die Opticuspapille ein seröses Exsudat mit partiellen
Hämorrhagien bestand, hinzu. Nach mehrmonatlicher Dauer trat voll¬
ständige Heilung ein. Ob diese Augenatlection nicht auf hereditärer Lues
beruht, ist nicht zu entscheiden. Die anamnestischen Daten geben für
diese Diagnose nur wenig Anhaltspunkte.
Heller hatte Gelegenheit, die Pat. in der Charite zu sehen, und
damals bot die Affection das typische Bild einer Urticaria haemorrhagiea.
O. Ros ent hal.
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Venerische Krankheiten.
(Eedigirt von Prof. Neisser und Primararzt Jadassohn in Breslau.)
Gonorrhoe und deren Complicationen.
Blokusewski. Zur Verhütung der gonorrhoischen In-
fection beim Manne. Derraatolog. Zeitschr. Bd. II., 1895.
Zur Verhütung der Tripperinfection beim Manne empfiehlt Blo¬
kusewski Einträufeln von 2—3 Tropfen einer 2°/ 0 Arg. nitr.-Lösung in
die Fossa navicul. möglichst bald, bis ungefähr l / 4 Stunden nach dem Coitus,
nachdem zuvor durch Uriniren das in der Fossa navicul. vorhandene
Secret entfernt wurde. Durch zeitweiliges Zuhalteu der Urethralmündung
mit dem aufliegenden Finger kann die Ausspülung des Secretes durch
den Harnstrahl unterstützt werden. Nach '/ 4 4 wird die Lösung mit
Wasser abgespült. Ist längere Zeit nach dem Coitus verflossen, so ist,
eine längere Einwirkung der Lösung (*/ 2 4 ) notlnvendig. Ebenso empfiehlt
es sich durch Vertheilen des über der Fossa navicul. stehenden Tropfens
die Frenulurogegeud zu reinigen. Zur entsprechenden Ausführung dieser
Methode hat B. ein portatives Troplglas anfertigen lassen.
Ludwig Wae 1 sch (Prag).
Lyon. Comraent doit-on traitcr la bl ennorrhagie aigue
c\iez l’homme? Le Mercredi medical, Nr. 20. 2b. Juni 1 >95.
Lyon empfiehlt vor Allem die Janet’sche Behandlung und
zwar soll immer die Abortivcur der Gonorrhoe versucht werden. Man
leitet dieselbe ein durch Auswaschen der ganzen Urethra mit einer
Lösung von Kal. hypermang. 10: 100*0, 2mal täglich, dann folgen nach
4 Tagen Spülungen mit einer 2—4° 0 Lösung. Guiard bevorzugt noch
schwächere Lösungen 1 : 5000 bis 1*0 : 4000. Die Menge der Flüssigkeit soll
V 2 L. betragen. L. hebt hervor, wie wichtig für den Verlauf einer Gonor¬
rhoe die Gonococcen-Untersuchung ist; dann gibt er die bekannten
diätetischen und hygienischen Massnahmen bei der Gonorrhoe-Behandlung
an. Wenn die Abortivcur misslingt, soll man die J anet’schen Ausspülungen
nach 10—14 Tagen beginnen. Je nachdem man bloss die Urethra anterior
oder die Urethra in toto ausspülen will, hängt man den Irrigator 0*75 Cm.
oder 2 M. hoch auf. Eine Ausspülung täglich genügt, man braucht etwa
Archiv f. Dermatol, u. Syphil. Band XXXIX. 9
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
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8—15 Ausspülungen. Besteht dann noch Secretion ohne Vorhandensein
von Gonocoecen, so wendet Verf. eine Lösung von 1:20000 an, welche
nach 2—3 Tagen den Ausfluss beseitigt. Nur in Fällen, in denen der Kranke
die Ausspülungen der Urethra nicht an wenden kann, lässt L. Einspritzungen
mit der gewöhnlichen Tripperspritze machen und empfiehlt dazu eben¬
falls Kal. permang. 2*5: 100*0. Contraindicirt sind Auswaschungen und
Einspritzungen : 1. Bei Epididymitis und Prostatitis. 2. Bei Infiltrat ions-
herdeli längs der Urethra. 3. Bei Stricturen. Als unterstützende Mittel
empfiehlt L. noch die Balsamica im Stadium der Abnahme der Gonorrhoe.
Julius Raff (Stuttgart).
Lyonais. Traitement methodique de la blennorr liagi e.
La Medec. mod. 20. Jänner 1800.
Die methodische Behandlung der Gonorrhoe theilt Lyonais
in 3 Abschnitte: 1. Die hygienische Behandlung: Vermeidung reizender
Speisen und Getränke, sowie mechanischer Irritationen. 2. Die antiphlo¬
gistische Behandlung: Trinken von grossen Quantitäten Limonade mit
oder ohne Zusatz von salicylsaurem und doppelkohlensaurem Natron,
Vollbäder, im Nothfalle Blutegel ans Perineum, Opium- und Antipyrin-
klvstiere. 3. Die unterdrückende Behandlung (NB erst nach völligem Ab¬
klingen der entzündlichen Erscheinungen anzuwenden): Per os: Copaiva r
Sandelöl, besser Cubeben; erst zum Schluss, wenn der Ausfluss schon fast
ganz verschwunden, sind adstringirende und desinficirende Inject ionen
in die Urethra angezeigt. Ferdinand Epstein (Breslau).
Petrini de Galatz. Le traitement de la b 1 e nn o r r h ag i e
Presse med. roumaine. 7. Juli 1805. lief. La Medecine moderne 0. Jahrg.
Nr. 74. 15. September 1805.
Petrini hält viel von der Fournier’sehen Gonorrhoebehandliing :
Buhe, Alkalien, Bäder, Balsamica etc. Von Abortiveuren verspricht er
sich keinen Nutzen. Mit Injectionen sollte erst nach 4 Wochen begonnen
werden. Bei der Urethritis anterior spritzen die Patienten selbst, in
acuten Fällen am besten mit. Ichthyol, welches bessere Resultate gibt als
Sublimat oder Argentum nitricum. Bei alten Posterioren Instillationen
nach Guyon, bei frischen Behandlung nach Casper.
1 'au 1 O p p 1 o r »Bres 1 au).
Allen, G. W. Behandlung der acuten Urethritis. Boston
Journal. 28. Mai 1801. Ref. D. Medic.-Ztg. 1803, p. 28.
Allen tritt für sofortige Behandlung der acuten Urethritis mit
antiseptischen, nicht mit adstringirenden Mitteln ein, die er mit interner
Darreichung von Copaiva oder dem noch wirksameren Sandelholzöl com-
binirt. Die besten Erfolge seien durch 2 — 3mal täglich ausgeführte Irri¬
gationen mit Sublimat (1:10000 bis 1:40000) zu erzielen. Eine Cou-
pirung der Gonorrhoe könne man nur in ganz frischen Fällen erwarten
wenn der Put. schon einige Stunden nach der Infection in Behandlung
komme. M ü n c h h e i m e r.
Strauss. Der heizbare Irrigator mit selbstthätiger
Temperaturregulirung in Verbindung mit einer neuen Bügelhahn-
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der Syphilis.
131
canüle zur Behandlung de9 Trippers mittelst Ausspülungen mit Kalium
hypermang. Allgem. Medicin. Central-Zeitung 64. Jahrg. Nr. 59, 1895. S.-A.
Die Veröffentlichung von Strauss schildert den im Titel charak-
terisirten Apparat des Näheren. Er ist von G. Beuthel jun. (Barmen,
Wupperstrasse) zu beziehen und kostet 10 M. Strauss empfiehlt
das Janet’sche Verfahren warm. Er macht täglich eine Irrigitation
von ca. 300 Ccm. und verwendet hierzu eine Lösung hvpermangaii-
sauren Kalis von 1:5000, welche, solange Gonococcen nachzuweisen
sind, auf 30—35° ß. erwärmt wird. Je geringer die Reactiun ist, desto
schneller steigt er mit der Concentration (bis 1 : 1000). Tritt starker
Harndrang ein, so muss die Concentration herabgesetzt werden. St. hat
überraschend gute Resultate von dieser Behaudlungsweise gesehen; täg¬
liche Untersuchung des Secretes auf Gonococcen ist erforderlich. Sind die
Gonococcen definitiv verschwunden, so kann man zur Beseitigung des meist
zurückbleibenden schleimigen Secretes noch einige Zeit Irrigationen von
1% lauwarmen Lösungen von Alaun, Zinc. sulfur. oder suifocarbolic.
u. s. w. vornehmen. Contraindicirt ist die Methode bei folliculären und
cavernösen Infiltraten und Abscessen, acuter Cowperitis, Prostatitis, Epi-
didymitis und Cystitis. Paul Oppler (Breslau).
Guitäras. Report of Ten Cases of Anterior Urethritis,
Treated in the Wards of the City Hospital by the Author’s
Method. The Therapeutic Gazette. 15. Nov. 1895.
Nachdem Guiteras gute Erfahrungen bei der Augen bien -
norrhoe mit seiner Behandlung gemacht hatte, wandte er sie auch bei
der Gonorrhoe der Urethra an. Nach Auswaschen der Harnröhre mit
irgend einer indifferenten Lösung macht er eine Arg. nitric.-Injection (ca.
1:5000) und spült dann wieder mit 4°/ 0 Borsäure nach. Dieser Vorgang
wird täglich wiederholt unter steter Steigerung der Concentration der
Silberlösung. Geeignet sind nur Fälle, die zum ersten Male inficirt sind,
da bei den anderen Stricturen (I) den Erfolg verhindern. Der Erfolg ist
ein angeblich überraschender, da die Fälle meist abortiv heilen. Berichte
simd beigefügt über 10 Kranke, von denen 60% (•') in einer Woche
geheilt wurden. Max Pinner (Breslau).
Routier. Traitementdelablennorrhagie. Journal de Mede-
cine de Paris. Ref. Journal d’accouchements. 15. September 1895, Nr. 37.
Routier behandelt die Gonorrhoe mit baktericiden Mitteln und
zwar mit Kali hypermanganicum. Er wartet, bis die entzündlichen Er¬
scheinungen vorüber sind und der Process subacut geworden ist. Dann
wird sofort Urethra anterior und posterior behandelt mit langdauernden
Spülungeu einer lauwarmen Lösung von Kali hyp. 1 : 2000. Jedesmal
2—4 Liter. Gewöhnlich tritt die Heilung nach 7 oder 8 Spülungen ein.
Bei Complicationen wird deren Heilung abgewartet. Um die Heilung
iestzustellen, wird eine „epreuve des bocks“ (Janet) vorgenommen,
da R. im Biergenusse das beste provoeatorisehe Mittel erblickt, eventuell
auch eine Injection von Argentum nitricum (Concentration V) dem
gonococcentödtende Eigenschaften abgesprochen werden. Die Einfach-
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
heit der Methode und die Möglichkeit, die Ausführung derselben ganz
in die Hände der Patienten zu legen, werden hervorgehoben.
Paul Oppler (Breslau)
Jaison, Pb. Alkalische Injeetionen bei der Gonorrhoe-
Behandlung. Sem. med. 1805, Nr. 48, Vol. CXC.
Jaison hat auf Grund der Erfahrung, dass Gonococcen auf saurem
Nährboden besser wachsen, antiseptische Injeetionen mit Alkalien verbunden
und dabei gute Erfolge erzielt. Er empfiehlt besonders eine Sublimat¬
lösung (1 : lOOfMTt, welche <’>% Liquor Kal. caustic. (5*81 °/ 0 ) enthält.
Dagctt, B. H. Flooding the Urinary Tract. Buffalo Medical
Journ. Bd. XXXV, Nr. 3.
Daggett bespricht die Methoden zur Ausspülung der Blase
ohne Catheter insbesondere die von Feleki und Jan et angegebenen;
er hält keine derselben für empfehlenswert]!, weil sie einerseits namentlich
bei jüngeren Individuen nicht immer zum Ziele führen, andrerseits bei
bestehender Cystitis die Entzündung steigern. Er empfiehlt daher eine
ähnliche Methode, bei welcher der Irrigator nur einen Fuss über dem
Becken sich befindet ; die injicirte Flüssigkeit soll eine Temperatur von
110 bis 112° F. haben; der Patient muss sich iu halber Rückenlage
mit angezugenen Beinen befinden, weil dann die Becken muskulatur und
der Sphineter urethrae am besten entspannt sind. I). glaubt, dass unter
diesen Bedingungen der Eintritt der Flüssigkeit in die Blase durch active
Thätigkeit der Harnröhrenmuskcln unterstützt wird. Zum Beweise dafür,
dass ein nennenswerther Flüssigkeitsdruck bei dieser Methode nicht noth-
wendig ist, wird u. A. ein Fall angeführt, bei welchem die Blasen¬
ausspülung trotz einer nach Urethrotomia externa zurückgebliebenen
llarnröhrentistel gelang. Die Ausspülung der Blase soll so oft wiederholt
werden, bis die ablaufende Flüssigkeit klar ist; auch der Kranke selbst
kann die Procedur leicht erlernen und allein an sich vornehmen. 1>.
empfiehlt seine Methode besonders bei Cystitis und Urethritis mit Epi-
didymitis und anderen Coinplicationen. Es werden mehrere Kranken¬
geschichten von derartigen Fällen mitgetlieilt, bei denen mit Hilfe der
neuen Methode rasche Heilung erzielt wurde, nachdem die sonstigen
therapeutischen Eingriffe im Stiche gelassen hatten. Auch bei der Be¬
handlung der chronischen Prostatahypertrophie leistete die Irrigations-
raethode sehr gute Dienste, u. A. bei einem 74jährigen Kranken mit sehr
hochgradiger Prostatavergrösserung, der sich in der geschilderten Weise
selbst zu behandeln lernte und so vor einem chirurgischen Eingriff’ be¬
wahrt werden konnte. J. Schaffer (Breslau).
Cipriani. Inanuovacannula per 1 a i r r i g a z i o n e a d o p p i a
corr ente de 11a ure tri te anteriore. Riv. CI. e terap. Xov. 1S05, Nr. 11.
Cipriani beschreibt eine von ihm angegebene Camile zur
Behandlung der Gonorrhoea anterior des Mannes. Dieselbe hat vorn
zwei Schenkel und ist durch ein Septum getheilt. Dadurch entstehen
2 Kammern, eine obere und eine untere, welche mit den betreffenden Schenkeln
comramiiciren. Jede Kammer enthält 5 kleine Löcher. Die Vortheile des
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der Syphilis.
133
Instrumentes sind nach Verf. folgende: 1. Die Canüle ist sehr leicht zu
handhaben. 2. Man kann in 5 Minuten etwa 2 L. Flüssigkeit durch die
Urethra spülen. 3. Man kann, ohne dass eine Störung in der Function
der Canüle eintritt, so tief in die Urethra eingehen, als nöthig ist.
C. machte bei 34 Kranken 3mal täglich eine Ausspülung und sah nach
3 Wochen Heilung eintreten. Eine Urethritis posterior oder eine andere
Complication sah er niemals. Mit der Behandlung wurde erst nach Auf¬
hören der acuten Erscheinungen begonnen. Als Spülflüssigkeit diente
Kali permang. 0’5—1 : 1000*0, Arg. nitr. 0*1 : 100*0, Zinc. sulfur.
0*5: 1*0:100*0. Julius Raff (Breslau).
Albertazzi. La cura specifica della blenorragia con
Targentammina. Gazetta degli ospedali a delle cliniche 1S95, 16. Juli.
Albertazzi stellt folgende Thesen über seine bisherigen Er¬
fahrungen über die Wirkung des Argentarain bei Gonorrhoe auf: Die
Argentaminlösungen dringen tief in das Gewebe, ohne es zu verletzen.
Eine Argentaminlösung 1 : 4000 vernichtet eme Reincultur von Gonococcen
leichter als eine Arg. nitr.-Lösung von 1 : 4000 oder eine Sublimatlösung
1:10000. Einspritzungen in die Urethra von Argentaminlösungen bis 1: 1ÜUÖ
werden sehr gut vertragen; das Secret wird nach den ersten Injectionen
etwas stärker, nimmt aber dann rapide ab. Argentamin-Injectionen sind
fast in jeder Periode der Gonorrhoe angebracht. Die Heilungsdauer
schwankt von 6—15 Tagen. Otto Lasch (Breslau).
CailOYa. De rieht hyol da ns le traitement de la
B1 ennorrhagie. These de Paris 1805.
Canova hat unter Balze Fs Leitung Gonorrhoen mit lang-
dauernden Ichthyolausspülungen behandelt, auf Grund der Vorzüge,
welche den Ichthyolinjectionen nachgerühmt werden. (Dass Jadassohn
seinerzeit das Ichthyol für ein „ideales“ Antigonorrhoicum erklärt haben
soll, ist ein Irrthum C.’s. Ref.) C. verwendet Anfangs wenigstens immer
eine 1°/ Q Lösung und spült einmal täglich mit ungefähr einem Liter
von 30—35°. Nach einigen Tagen werden abwechselnd 1% und 2% Lösungen
gespült. Wirkung soll schnell eintreten: Aufhören der Mictionsbesehwerden,
Verminderung der Erectionen, Secretbeschränkung, ausgiebige Epithelab-
stossung.Keine Schmerzen, ausser in einem Falle bei einem Neurastheniker;
jedoch Blasenreizung bei öfterer Wiederholung der Ausspülungen der po¬
sterior. Behandelt wurden
14 acute \ 8 Erfolge, 5 Misserfolge, 1 nicht beob.
3 subac. \ Gonorrhoen, darunter 2 „
9 chron. 1 6 „ 2 „ 1 fraglich.
Das Auf hören des Ausflusses und Verschwinden der Gonococcen
fielen zeitlich beinahe stets zusammen, bei den acuten Fällen im Durch¬
schnitt nach 10, bei den subacuten nach 7, bei den chronischen nach ca.
7 Tagen. Paul O ppler (Breslau).
Orlow. Ueber die Behandlung der Gonorrhoe der
Urethra mit Formaldehyd. Woenno-medicinskij Journal 1895. Mai.
Ref. Jeszenie-djelnik 1895, Nr. 34, p. 496. Russisch.
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Bericht über die Leistlingen auf dem Gebiete
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Orlow kommt auf Grund von 10 von ihm beobachteten Fällen zu
dem Schlüsse dass das Formaldehyd in 1—5% Lösungen günstig auf die
Gonorrhoe einwirkt. Unter dem Einfluss der Einspritzungen (schwache Lö¬
sungen 3—lraal des Tages, starke nur Imal) sollen dieGonococcen aus demSe-
crete schnell verschwinden und das Secret selbst schnell aus dem eitrigen
in den serösen Zustand übergehen. Dabei soll das Formalin, in schwachen
Losungen, keine reizende Wirkung ausüben. A. Grünfeld (Rostow).
Constantini B. Blenorragia curata col dermatolo. Ref*.
in Gazetta degli ospedali e delle eliniche 1895, Nr. 156.
Constantini hat bei vier Fällen von Gonorrhoe Injectionen mit
2—4% Suspensionen von Dermatol in sterilem Wasser angewandt. Die
Injectionen wurden täglich 2mal ausgeführt. Die Schlussfolgerungen des
Verfassers sind kurz folgende: Das Dermatol bildet für die erkrankte
Schleimhaut ein gutes Dock- und Schutzmittel; es wirkt ad^tringirend
und seeretionsbehindernd. Es wirkt entwicklungshemmend auf die Gonu-
cocctn, vernichtet dieselben, ebenso auch die gewöhnlichen Eitererreger.
Es kann die üblichen Adstringentien uud Desinticientien vollständig er¬
setzen und während der ganzen Dauer einer Goiiorrhoebehandlung ange¬
wandt werden, da eine Gewöhnung der Schleimhaut an das Medicament
nicht eintritt. Max Dreysel (Leipzig).
Gülltz, J. E. Die Behandlung der Gonorrhoe nach den
neueren Methoden, insbesondere mit Zinkst ä 1) c h e n, auf der
Grün d la g e d e r L ehre vom T r i p p e r p i 1 z. A1 lg. Wiener med. Ztg.
1393. Deutsche Med.-Ztg. 1894, (»0 p. (>(>8.
Giintz beliauptet, dass einzig und allein Jodoform und Calcaria
clilorata die an ein Antigonorrhoicum zu stellenden Pos tu late erfüllen,
nämlich, dass sie ohne zu reizen, sowohl in der praktisch anwend¬
baren Dosis die Gonococceu zu tödten, als auch in den Hauptsitz der¬
selben im submucösen Gewebe zu dringen vermögen; und zwar schliesst
G. Letzteres aus ihrer „Eigenschaft zu verdunsten und als gasartige Körper
von den Flüssigkeiten überhaupt und somit auch, wie ausserdem experi¬
mentell nachgewiesen ist, von den Flüssigkeiten der Gewebe resorbirt zu
werden“. Jodoform ist in dicktlüssiger Suspension in Wasser mit einer
Art Salbenspritze, Ualear. chlor, in V,—2% Lösung zu injiciren. Chron.
Gonorrhoe behandelt G. mit Zinkstähchen, die durch Anrühren von prä-
cipitirtem Zinkoxyd mit Wasser bereitet sind und durch ihre austrock¬
nende Wirkung die Gonococcen ebenso vernichten, wie die Malariapilze
in einem Sumpfe durch dessen Austrocknung vertrocknet und vernichtet
werden. M ü n c h h e i m e r (Colberg).
G. L. Trait erneut de la blennorr liagi e chronique chez
Thora me. Le Mercredi medical. 17. Juli 1895, Nr. 29.
Im Eingänge betont L., dass an der langen Dauer vieler Gonorr¬
hoen die schlechte Leitung der Behandlung schuld sei; die grosse
"Mehrzahl der Acrzt-e behandelt nach einem Schema mit Injectionen oder
Instillationen mit Arg. nitr. oder anderen Substanzen, ohne sieh um se¬
kundäre Infectionen, die Ausdehnung und Tiefe des Brocesses oder um
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der Syphilis.
135
das Bestehen von inficirten Drüsengängen, paraurethralen Hängen etc*, und
vor Allem ohne sich darum zu kümmern, ob noch Gonococcen vorhanden
seien oder nicht. Dabei sei der Nachweis derselben und ihre gute Färbung
sehr leicht, doch ist es nöthig, dass zur genauen Untersuchung der Morgen¬
urin der Pat. verwendet werde. Der Verf. empfiehlt, ohne zunächst auf
eine Anterior- und Posterior-Trennung einzugehen und von einer Aus¬
spülung der Anterior zu sprechen, man solle den Pat. einen Tlieil seines Urins
entleeren lassen, dann auf die Harnröhre und Prostata drücken und dann den
2. Theil uriniren lassen; finden sich in dieser 2. Portion Flocken, so sind diese
auf Gonococcen zu untersuchen und eventuell die Prostrata resp. paraurethrale
Herde als Aufenthaltsort von Gonococcen anzunehmen. Um des Verschwindens
derGonococcen ganz sicher zu sein, räth der Vf. entweder mehrere Gläser Bier
trinken oder Injectionen mit Arg. nitr. Solut ’/ 2000 oder Sublimat-Injec-
tionen y 200 oo in die Urethra vornehmen zu lassen, welch letztere zugleich
den Zweck hätten, andere Mikroben, die ausser dem Gonococcus in der Urethra
anter. vegetiren könnten, zu vernichten und die event. noch vorhandenen
Gonococcen isolirt darzustellen. Der Verf. verbreitet sich dann übersecundäre
Infection mit anderen Mikroben der Luft oder der weibl. Vagina, da für
die Ansiedlung solcher die Blennorrhoe eine erhöhte Disposition zu schäften
scheint; um von einer durch andere Mikroben verursachten secundären
Infection reden zu können, müssen sich dieselben in ziemlich grosser
Anzahl zeigen. Der Lieblingssitz dieser gonorrhoischen Secundär-Infection
ist die Fossa navicularis; in diesem Falle findet man die Mikroben
wohl im Secret, nicht aber in den Filamenten des Urins. Sind die¬
selben in den Fäden der I. Portion, so ist die Anterior durchweg
inficirt, sind sie in den Fäden beider Portionen, so hat sich die Iu-
fection über die Urethra in ihrer ganzen Ausdehnung verbreitet; auch
<iie Blase kann iuficirt sein, was durch eine leichte Urintrübung, die
sich weder auf Salpetersäure, noch Wärme aufhellt, oder durch das Auf¬
finden einer beträchtlicheren Anzahl von freien oder in Leukocvten einge¬
schlossenen Mikroben im Sediment des Urins zu constatiren ist. Pvelo-
nephritiden, die auch Vorkommen können, geben immer eine zweifelhafte
Prognose. Ebenso muss man an die Tiefe der Schleimhaut, Drüsen, Pro¬
stata, Samenbläschen denken, um sich die Erfolglosigkeit der Therapie
zu erklären. Mit Hilfe eines Bougie ä boule oder Benique’scher Sonden
kann man die Unterschiede der Elasticität und des Calibers der Urethra
in den verschiedenen Theilen feststellen. Der Druck mit dem Finger
verschafft das Secret der Urethraldrüsen und der Prostata und lässt die
Tiefenatisdehnung des Processes in dieser Hinsicht erkennen. Auch die
Endoskopie kann behufs Feststellung des Vorhandenseins von Polypen,
Fissuren, Drüsenabscessen etc. nothwendig werden.
Dann erwähnt der Verf. kurz diejenigen Fälle, in denen zwar eine
und zwar oft eine sehr hartnäckige Secretion vorhanden ist, aber nicht
niehr Mikroorganismen nachweisbar sind; dieses Secret rührt von den
Secretionsproducten dilatirter Urethraldrüsen her. Nach diesen Erörte¬
rungen, durch welche der Verf. beweisen will, dass die Indieationen und
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
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damit die Methoden der Behandlungen sehr verschiedene sind, kommt er
zur eigentlichen Therapie, die 3 verschiedene Ziele hat. I. Das nacLf dem
Yerf. am leichtesten zu erreichende ist die Entfernung der Gono-
coccen. Kr empfiehlt täglich 1 Ausspülung der Urethra mit 1000 Gr.
Solut. Kal. permang. ( 7 1000 , am 2. Tage 7, c00 , nach 7 Tagen so
dass die eine Hälfte zur Ausspülung der Urethra anter., die andere zur Blasen¬
ausspülung verwendet wird. II. Die Bekämpfung der secundäreu Infeetion.
Bo lange Gonococcen vorhanden sind, soll man der Kal. permang.-Lösung Viooa
noch Sublimat zusetzen oder Solut. Arg. nitr. */ j000 oder Instillationen
mit Arg. nitr. ’/ J00 oder Y 100 anwenden. Wenn keine Gonococcen mehr da
sind, so genügen im Ganzen 2 Sublimatausspülungen (einmal y iö00# , dann
Vioooo) un, l ausserdem gründliche Reinigung des Orificium urethrae mit
Sublimatlösung (y. 2000 ) getränkter Watte. Für veraltete Fälle mit Sclero-
sirung empfiehlt Verf. allmälige Dehnung mit Böniques nach vorheriger
Sublimatausspülung. Otto Lasch (Breslau).
Schalenkamp. Die Insufflation trockener Pulver. Ein
Beitrag zur localen Behandlung des chronischen Harnröhrentrippers beim
Manne. Monatsh. f. prakt. Denn., Bd. XX, Nr. 5.
Schalenkamp macht für die Formen des chronischen Harn¬
röhrentrippers, bei denen ein spärliches, dünnflüssiges, gonococcen-
freies Secret abgesondert wird, das bisweilen verschwindet und auf Reize
aller Art wieder erscheint, den — übrigens nicht neuen — Vorschlag,
eine Behandlung mittelst trockener Pulver adstringirender Mediearaente
einzuleiten. Die Medieamente (z. B. Jodoform, Calomel, Dermatol, Tannin,
Thioform, Bismut. subnitr., Zinkoxyd etc.) werden mittelst eines aus
einem Jacques-Patent-Katlieter leicht zu improvisirenden Instrumentes,
dessen nähere Beschreibung im Original nachzulesen ist, eingebiasen.
Vor dem Einblasen des Pulvers muss der Kranke Urin lassen. Er soll
möglichst wenig Flüssigkeiten zu sich nehmen. Die Anwendung der In-
suftlation erfolgt mindestens dreimal am Tage und muss noch kurze Zeit
nach dem vollständigen Verschwinden des Secretes fortgesetzt werden.
Sternthul (Braunschweig).
Isaae. UeberdenWerthderSalbenbehdl. bei der chron.
Gonorrhoe. Festschrift für Lewin, 5. Nov. 1895. S. Karger-Berlin.
Isaae versucht die Salbenbehandlung bei der Urethritis posterior
gonorrhoica wieder zu Ansehen zu bring«» und empfiehlt, da er nur den
Mangel einer ordentlichen Salbenspritze für den Grund der Vernach¬
lässigung der Salbenthcrapie hält, einen nach seinen Angaben gefertigten
Apparat. Ferdinand Epstein (Breslau).
Philip. Le candelette e le instillazioni nella cura
de Ile blennorragie chroniche ri belli. Lyon med. 1895. August.
II Morgagni, 23. Noveinbre 1895, Nr. 44.
Wenn bei einer chronischen Gonorrhoe die Instillationen nach
14 Tagen keinen Erfolg haben, empfiehlt Phelip die Behandlung aus¬
zusetzen. Er unterlässt dann 2—4 Wochen jegliche Therapie, beginnt wieder
mit Injectioneu, um endlich nach weiteren 2 Wochen eventuell zur
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der Syphilis.
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Behandlung mit Metallsonden überzugehen. Er hält 2 aufeinander
folgende Sitzungen mit einem Zwischenraum von 1—8 Tagen, nach
weiteren 24—48 Stunden macht er eine Instillation und wiederholt
den ganzen Cyklus noch einmal. Nach diesem Modus verfahrend, hat
er 82% Heilungen gehabt. Auch hat er 2 Fälle von chronischer
Prostatitis bei Gonorrhoe heilen sehen. Auch bei chronischer Gonor¬
rhoe mit Strictur wendet Verfasser diese combinirte Behandlung an.
Die Wirkung der Sonde sucht er nicht in einer Dehnung der
Urethra, sondern in einer Massage derselben. P. empfiehlt nicht mit d e r
Sonde die Behandlung zu beginnen, welche bei der ersten Sitzung die
Strictur passirt, sondern mit einer solchen, die um 5 Nummern schwächer
ist. Dann erst geht er allmählich zu stärkeren Sonden über. Der Verfasser
wendet die Sonden von Benique an. Julius Kaff (Stuttgart).
Röchet, V. De l’uretlirite chronique granuleuse et de
son traitement par le Sulfate de c ui vre solide. Areh. prov.
d. Ckir., Th. III, p. 440.
Bei Fällen chronischer Urethritis mit klarem Secret und kleinen
isolirten Granulationsherden benutzt Röchet Kupfersulfat in Substanz
(%—%) mit grösserem Vortheil als Argentum nitricum. Stricturen müssen
vorher geheilt sein; durch die mittels eines neuen Aetzmittelträgers appli-
cirten Aetzungen sollen solche nicht zu Stande kommen. J.
Akazatow, N. Behandlung der chronischen U r e t h r i t i s
bei Männeru. Woenno-Medizinskii Journal 1894, März. (lief. Jeszenie-
djelnik 1895, Nr. 23). Russisch.
Auf Grund von 31 beobachteten Fällen empfiehlt Akazatow
die Behandlung des chronischen Trippers mit den schweren Bougies von
Benique. Die Behandlung soll kurze Zeit nach Ablauf der acuten Symptome
eingeleitet werden. A. Grünfeld (Rostow).
Ehrmann, S. Ueber Behandlung paraurethraler Hohl¬
gänge und Urethralpapillome. Wiener med. Presse 1895, Nr. 8.
Ehr mann gibt nach einer kurzen Besprechung der Wichtig¬
keit des Bestehens gonorrhoisch inficirter paraurethraler Gänge für den
Träger, der dadurch stets Autoinfectionen in der Urethra ausgesetzt ist,
(eine ja oft genug hervorgehobene Thatsache) eine Methode an, die es
ermöglicht, solche Gänge mittelst Elektrolyse unblutig und ohne Schmerz
zu zerstören. E. hat bereits 21 Fälle derartig zur eompleten Heilung ge¬
bracht, ohne je einen Misserfolg gehabt zu haben. Als Kathode verwendet er
eine knopfförmig endigende Sonde — das knopftÖrmige Ende von Metall —
die in den Gang geschoben wird. Die Stromstärke bleibt stets unter
4 MA. Der Strom wird dabei mittelst zweier eingeschalteter Rheostaten
minutiös regulirt. — Im Orificium sowie tiefer in der Urethra spriessende
Papillome entfernt der Autor je nach Grösse und Sitz mittelst als Kathode
armirter „Lüffelchen“ Lanzen, Stachel, oder einer Kugelelektrode, welche
im Endoskop (Hartgummi) unter Spiegelbeleuchtung vorgeschoben und
unter Augencontrole gehandhabt werden. Die Instrumente werden näher
beschrieben. Carl U 11 mann (Wien).
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Bericht über die Leistungen auf dein Gebiete
Woodward, R. M. Cleveland, Ohio. AnOper at io nforRelieving
Phimosis wlien C o m p 1 i cating Gonorrh oea, without Infecting
the Wound. The New-York Med Journ. 23. Febr. 1895, Vol. LXI, Nr. 8.
Wood ward, empfiehlt ein neues Yeri ähren, um bei Operation
der in Folge von Gonorrhoe oder weichen Schankern entstandenen
Phimose eine Infection der Schnittflächen zu vermeiden. Es wird
die Phimose in eine Paraphimose verwandelt und gründlichst desinficirt.
Dann erfolgt nach vorhergegangener Cocainisirung eine kleine Incision
am Dorsum peuis in der Nähe seiner Wurzel. Von dort aus wird eine
Hohlsonde subcutan bis unter den Schnürring hinter der Corona glandis
vorgeschoben. Auf demselben Wege unter Leitung der Sonde führt man
nun ein Tenotom Hach ein. Nach Erreichen der Einschnürung schlitze
man dieselbe subcutan ein und reponire nun die Vorhaut. Die kleine
Einschlitzung genügte in den Fällen des Verf. zur dauernden Beseitigung
d*r Phimose. Ob Wood ward das Verfahren auch schon bei weichen
Schankern angowendet und auch hier keine Wundtlächeninfection einge¬
treten ist, geht nicht sicher aus dem Artikel hervor.
Hugo Müller (Frankfurt a. M.)
Buckston Browne, G Symc’s treatraent o f urethral
stricture. Tothe Editors of the Lancet. Lancet, 22. Dec. 1894.
Bucks ton Browne spricht sich in einer Zuschrift an die
Redaction des „Lancet“ gegen die von Pe mb er ton vertheidigte An¬
sicht aus, dass die Urethrotomia externa bis heute den von Sy me für
sie in Anspruch genommenen Werth behalten habe. Kr lobt im Gegentbeil
die von Jenem verworfene innere Uretlirotomie, bei der nicht, wie nach
der äusseren Uretlirotomie, Fisteln zurückbliebcn oder schwere Blutungen
einträten, und die doch die schwersten Stricturen gut und dauernd
beseitige. Stcrnthal (Braunschweig).
Brown, W. II. Chronic stricture o f the urethra.
Sheffield Medico-Chirurgical Society. Lancet, 9. März 1895.
Brown hält die Behandlung chronischer Urethralstricturen mit
Dilatation, gleichviel ob diese schnell oder allmälig ausgeführt wird,
für gefährlich, sobald eine schwerere Form von Cystitis vorhanden oder
die Urethra abnorm sensitiv ist. Er verwirft die innere Uretlirotomie,
hältdagegen die äussere nach dem Verfahren von Wheclhouse für eine
sichere und wirksame Methode. Ein Vortheil dieser Methode ist, dass sie
dem Operateur die Gelegenheit gibt, die Blase zu untersuchen, wodurch
in einem seiner Fälle unwrmutheterweise 2 Steine gefunden wurden.
Di ese Methode sorge ferner für eine wirksame, nachfolgende Blasendrainage.
Verf. lässt stets 4—5 Tage ein Drainrohr in der Blase liegen und spült
in schweren Fällen mit Chininlösung aus. Sternthal (Braunschweig).
F e rria Sulla e 1 et tr o 1 i s i lineare d e i Restringimenti
u r e t r a 1 i. Gazetta Medica di Torino, 15. Juni 1895, Nr. 24, 25, 2t>.
Ferria hält die Elektrolyse für ein sehr gutes Mittel zur Be¬
handlung der Ilarnröhrenstricturen, welches oft der Urethrotomia interna
vorzuziehen ist. Man unterscheidet dabei das langsame und das schnelle
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der Syphilis.
131)
Verfahren. Bei dem ersteren kommt das Instrument von New mann in
Anwendung. Dasselbe ist scherenförmig, die eine Branche trägt eine
Olive aus Platin, die andere ein Endglied, um den Strom aufzunehmen.
Man arbeitet mit Strömen von 3—5 Milliamperes 3—5 Minuten lang alle
8 Tage; bis zur vollständigen Heilung sollen H Monate vergehen;
Newmann’s Resultate sind sehr gut. Das schnelle Verfahren bezweckt die
Strictur in einer Sitzung zu durchbrechen wie bei der inneren Urethrotomie
und zwar durch chemische Zersetzungen, weiche der Strom bewirkt. Das
Instrument dazu besteht aus einer etwa 30 Cm. langen Schere, an deren
einer Branche eine dreieckige Platte von Platin angebracht ist oder
vielmehr ein Platinfaden, der einen stumpfen Winkel beschreibt, und
dessen Basis von einem Schaft aus Metall gebildet wird. An der anderen
Branche befindet sich ein Endglied mit einem Rheofor und einem isolirten
Endknopf. Der grösste Durchmesser des Instrumentes übersteigt nicht
Nr. 7 Cbarriere. Eine Batterie von 12 Elementen mit Stromunterbrecher
und mit Galvanometer sind dazu nothwendig. Der Einführung des Instru¬
mentes lässt man eine Auswaschung der Urethra mit Borsäure vorangehen
und macht zur Anästhesie eine Injection von 2—3% Lösung von Cocain
muriat. Man verbindet den in die Urethra eingeführten negativen Pol
mit der Batterie, den positiven setzt man auf den Körper des Kranken
auf und lässt dann etwa einen Strom von 12 M.-A. durchgehen; man kann
auch bis zu 24 M.-A. steigen. Man fühlt nach kurzer Zeit, dass das
Instrument weitereingeführt werden kann, d. h. dass die Strictur durchbrochen
ist, worauf man den Strom wieder öffnet. Dann macht man abermals
eine Blasenausspülung und lässt den Kranken am besten sich zu Bett
legen und laxirende Mineralwässer trinken. Die Wirkung der Instru¬
mente ist wie F. ausdrücklich hervorhebt, keine galvanokaustische.
Als Nachbehandlung müssen die Kranken regelmässig bougirt werden, bis
man auf Nr. 20 Charriere angelangt ist. Es folgen nun die Krankenge¬
schichten der 20 von F. mit Elektrolyse behandelten Fälle. Die Intensität
des Stromes schwankt zwischen 10 Milliamperes und 40. Sie richtet sich
nach der Toleranz des Patienten. Zu lange darf man den Strom nicht
emwirken lassen, weil man sonst Gefahr läuft, auch auf gesundes Gewebe
emzuwirken und dadurch neue Stricturen erzeugen kann. So ist es Ver¬
fasser in einem Falle auch ergangen. Die Dauer der elektrolytischen
Sitzung schwankte in F.’s Fällen zwischen 25" und 10'. Als mittlere
Zeitdauer betrachtet er 4 Minuten, als mittlere Stromintensität 20 M.-A.
Bei sehr langen unregelmässigen harten Stricturen führt die lineare
Elektrolyse oft nicht zum Ziel (in 4 Fällen des Verfassers), oder es ist
eine zweite Sitzung nöthig (ebenfalls 4 Fälle). Dagegen ist der Erfolg der
ersten Sitzung, auch wenn es nicht gelang, die Strictur zu passiren, immer
derartig, dass die subjectiven Beschwerden des Kranken gemildert werden.
^ acht man dann eine zweite Sitzung, so gelingt es oft noch mit schwachen
Strömen und in kurzer Zeit die Strictur zu überwinden. Diese günstige
Wirkung der Elektrolyse führt F. darauf zurück, dass der Strom nicht
bloss an dem Punkte wirkt, wo die Metallplatte die Schleimhaut berührt,
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
sondern dass er eine Art von Fernwirkung entfaltet. Der Schmerz
bei der Operation wird sehr verschieden angegeben, im Allgemeinen wird
jedoch der Kingriff von den Kranken ohne besondere Schmerzen aus¬
gehalten. Blutungen und Fieber nach der Elektrolyse hat F. nie beob¬
achtet, ebenso keine Urininfiltration, wie sie bei der Urethrotomia interna
selbst bei geübten Operateuren vorkommt. Was nun die Frage der Recidive
anbetrifft, so ist von Desnos berichtet worden, dass er in einer grossen
Anzahl von Fällen eine neue Strieturirung auftreten sah. F. erklärt diese
Misserfolge dadurch, dass Desnos viel zu starke Strome nahm (25 bis
30 M.-A.) und sie zu lange (bis 30 Min.) einwirken liess. Er selbst hat
unter seinen 20 Fällen 0, in denen nach 1 — 3 Jahren bei mehr oder weniger
gut durch geführt er Sondencur die Strictur sich noch mehr erweitert
hatte. In 4 Fällen, in denen gar keine Nachbehandlung stattfand, blieb
gleichwohl die Strictur erweitert, wenn auch nur bis auf 14 (Uhamerei. In
weiteren 4 Fällen, in denen keine Nachbehandlung statt fand, und durch
die Elektrolyse eine beträchtliche Erweiterung erzielt worden war, trat
nach verschiedener Zeit (durchschnittlich 17 Monate) wieder eine Ver¬
engerung ein. Gegenüber den vielfachen Vortheilen der linearen Elektrolyse :
geringe Schmerzhaftigkeit, keine Nachblutung, keine Urinintiltration,
Möglichkeit, die Behandlung ambulatorisch durchzuführen, weiss Verf.
bloss einen Nachtheil im Vergleich zur Urethrotomia interna: die Methode
ist in einer beschränkteren Anzahl von Fällen durchführbar. F. fasst
zuletzt seine Erfahrungen in folgenden Sätzen zusammen: 1. Bei der Be¬
handlung der Ilarnröhrenstrieturen mit linearer Elektrolyse beträgt die
obere Grenze für den Strom 20 M.-A. bei einer Dauer von höchstens
4 Minuten für eine Sitzung. Ist die Zeitdauer eine geringere, so kann
man den Strom auch noch stärker nehmen. 2. Die Elektrolyse eignet sich
nicht für sehr harte, narbige, unebene, gewundene Stricturen, ferner für
solche, die länger sind als 1 Cm. oder complicirt. sind mit einem peri¬
urethralen Inhitrat. 3. Kür alle anderen Stricturen ist die Klektrolyse die
beste Methode, weil sie keine Gefahren für den Kranken mit sich bringt
und ambulatorisch durchgeführt werden kann. 4. Treten Recidive ein, so
kommen sie nicht schneller und sind nicht schwerer als bei der Urethro¬
tomia interna. Uebrigens sind die Resultate der Klektrolyse sowohl lange
Zeit nach der Operation wie auch gleich nach derselben ausgezeichnet,
wenn man nur die Nachbehandlung nicht vernachlässigt.
Julius Raff (Stuttgart).
Fort. Linear Electrolysis. A New Process in the
Treatement of the Strictures.
Fort. Electrolyser for the Surgical Treatement of
5 trictures. The New-York Med. Jour. Vol. LNII, Nr. 20, d 1(5. Nov. lS0f>.
Fort empfiehlt auf’s Wärmste seine auch für Uterus, Oesophagus
und Rectum geeignete Methode der Elektrolyse zur Anwendung bei
Urethralstricturen. Er hat für diesen Zweck ein Instrument angegeben,
welches aus einem langen dünnen biegsamen Bougie besteht, dessen Form
von einem Platindrahte gebildet wird; darüber eine dünne Guttapercha-
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der Syphilis.
141
Schicht. Das Bougie wird mit dem negativen Pole eines constanten Stromes
in Verbindung gebracht. Die Operation dauert nur Sccunden, ist schmerz¬
los, unblutig und führt nach Fort stets zu dem gewünschten Resultate.
Meistens kommt man mit einer Stromstärke von 10 Milliamperes aus.
3 Tage nach der Operation kann man schon mit starken Bougies Vor¬
gehen. F. hat allein schon 135 Fälle von Oesophagusstrictur auf diese
Weise mit Erfolg behandelt. Beigegeben sind Notizen über 10 Fälle von
Urethralstricturen. Paul Oppler (Breslau).
Watson. An Analysis of one Hundred Gases of
Urethral Stricture Operated upon by Various Methods.
Medical and Surgical Reports of the Boston City Hospital. 1695.
Watson hat in den letzten 8 Jahren 100 Fälle von Urethral¬
stricturen operativ behandelt. Von Operationsmethoden kommen zur
Anwendung:
Urethrotomia interna bei Stricturen der Pars anterior:
a) Nach Otis.37
b) Nach Maisonneuve.13
Urethrotomia interna bei Strietur der Pars memhranacea .... 2
Urethrotomia interna, combiuirt mit Urethrotomia externa perinealis 21
Urethrotomia externa perinealis.13
Zerreissung von Stricturen der Pars memhranacea.4
Irethrotomia int. und ext. nach Garin.5
Resection und Naht bei vorderer Strietur.1
Cystotomia suprapubica und nachfolgende Urethrotomia ext. perinealis 1
Sa. 100
Die Sterblichkeit betrug 4%. Die Einzelheiten der Indicationen
und Operationsmethoden sind im Originale nachzulesen. Unter 21 noch
später beobachteten Fällen von Urethrotomia interna fanden sich 2 Recidive
4 und 6 Jahre nach der Operation. Von den 4 mit Divulsion behandelten
Fällen recidivirten 2. Unter 5 weiter beobachteten Fällen von Urethrotomia
externa fanden sich 2 Recidive. Paul Oppler (Breslau).
Tavitian. Etüde sur le guajacol et son emploi da ns
le traitement de Pore hi te blennorrhagique. These, Paris 1895.
Tavitian bespricht zunächst das Guajacol vom chemischen und
physiologischen Standpunkt und empfiehlt sodann zur Behandlung der
F^pididymitis unter der Form von Umschlägen 2% Lösung oder von Sal¬
ben (5:30 Vaselin). E. Finger (Wien).
Pucci. II Guajacol per via e p i d e r m i c a n c 1 Po r c h i t e.
Gazetta degli Ospedali e delle Cliniche, 1. Juni 1895, Nr. 66.
Pucci berichtet über den günstigen Einfluss, den das Guajacol
bei einem Falle von doppelseitiger Orchitis entfaltet hat. Eine 10%ige
Ouajacolsalbe wurde auf das Scrotum applieirt, und Fieber sowohl als
Schmerzen waren schon am nächsten Tage verschwunden. Die An¬
wendung des Mittels verursachte ziemlich starkes Brennen. Chinin, wel-
f hes gegen das Fieber angewendet wurde, batte keinen Erfolg. P. er-
wähut, dass von anderer Seite Application von Guajacolsalben auf die
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Wirbelsäule bei Malaria empfohlen wurde; es half in Fällen, in denen
Chinin nicht vertragen wurde, Arsen, Antipyrin und Eucalyptus frucht¬
los geblieben war. Julius Raff (Stuttgart).
Dol£ris. Therapie bei weiblicher Gonorrhoe. Nouv. areh.
d'obstctr. et de gynecol. Bef. im Centralblatt für Gynäkologie 1895, p. 145.
Boieris verwirft bei acuter Gonorrhoe jegliche active Thera¬
pie und empfiehlt nur Bettruhe, Scheidenausspülungen mit Sublimat und
Einlegen von Tampons in die Scheide; bei chronischer Gonorrhoe wendet
er Dilatationen des Uterus und intrauterine antiseptische Ausspülungen an.
Paul Neisser (Beuthon).
Garofalo. L’i 11 i o 1 o n e 11 c blennorragie d e 11 e douue.
Gazetta degli Ospcdali e delle Cliniche, 19. l)ec. 1895, Nr. 152.
Garofalo rühmt den günstigen Einfluss des Ichthyols bei der
Behandlung der weiblichen Gonorrhoe. Er glaubt durch eine metho¬
dische Ichthyolbehandlung das Uebergreifen der Gonorrhoe auf den Uterus
und seine Adnexe verhüten zu können. Julius Ilaff (Stuttgart).
Tixeroit, Louis. Traitement des infections blennor-
rhagiques eliez la fern me par le permanganate de potasse.
These, Paris 1895.
T ixeron plaidirt während der Anwesenheit von Gonococcen bei
weiblicher Gonorrljoe die Behandlung von Janet, mit Kali hyperman-
ganicum - Irrigationen und Injectionen vorzunehmen. Für die Phase
secundärer Infeetion empfiehlt er Irrigationen von Sublimat 1 : 10.OK), für
bakterienfreie Katarrhe Ichthyol, für Urethra in 1%, für Vagina in 10%
Lösung. Ebenso applieirt er bei Bartholinitis und Urethritis externa das
Kali hypermaiigunicum mittelst kleiner Spritze. E. Finger (Wien).
Pryor. The Palliative T reatment o f Go n o r r h o e a 1
Tubal Disease. New-York Medical Journal. Nov. 1895.
Prvor tritt für eine frühzeitige Punctum der gonorrhoisch er¬
krankten Tuben ein, weil im Anfang der Procoss selten über dieselben
hinausgellt. Er hält die Operation auch für den nicht besonders ge¬
schulten Arzt für ausführbar und sah bei dieser Behandlung 80% seiner
Fälle ohne Recidiv heilen. Max Pinn er (Breslau).
Howard A. Kelly. Gonorrhoeal pyelitis und pyoureter
cured by irrigation. Bulletin of the J. Ilopkins Hospital IS95, Fohr.
Howard A. Kelly hat. eine Frau, die an blennurrhagischer auf¬
steigender Pyelitis litt, durch Cathetcrisiren und Irrigation der Ureferen
geheilt. E. F i n ger (Wien).
Detchart A. T r a i t e m ent d u r h u m a t i s m e blennoi-
r h a g i q u e. These, Paris 1895.
Detehard empfiehlt hei gonorrhoischem Bheumatismus die
locale Anwendung von Hg-Pllastern, welche Behandlung nach seiner An¬
sicht sowohl locale, als (durch Resorption des Hg in die Circulation) All¬
gemeinwirkung äussert. E. Finger (Wien).
Courtin. T r a i t e in ent de Pa r t h r i t e b 1 <: n n o r r h a g i <j u e.
Gazette hebdomadaire des Sciences medicales, Nr. 31, 1891.
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der Syphilis.
14a
Court in empfiehlt für die leichteren Formen von gonorrhoischer
Gelenkaffection, der einfachen Arthralgie ohne nachweisbare Ver¬
änderung und der Synovitis serosa Kühe und Application von heissen
Einpackungen bei gleichzeitig energisch fortgesetzter Bekämpfung der
Urethritis. Sollte eine acute Gelenkentzündung event. mit eitrigem
Erguss in die Gelenkhöhle eintreten, so ist radicale chirurgische Behand¬
lung angebracht. Max Pinner (Breslau).
Güntz, J. E. Die Verhütung und Behandlung der
blennorrhoischen Augeuentzüudung der Neugeborenen.
Aerztlicher Centralanzeiger 1895, Nr. 19. u. 20.
Güntz perhorrescirt alle Behandlungsmethoden der Gonorrhoe
als schädlich und unwirksam — mit Ausnahme der von ihm vorge¬
nommenen Ausspülungen der Harnröhre mit Calcaria chlorat. 2 : 100 (zu
filtriren!). Vor der Geburt spült er die Scheide mit Thymol (1 : 1100) aus;
mit derselben Lösung wird die Lidspaite bei Blennorrhoe bespült; ausser¬
dem Eisumschläge und bei Hornhautgeschwüren Jodolorm. J.
Fromaget. Traitement de Tophthalmie purulente
par le formol. Annales d’oculistique, 1895 II.
Fromaget empfiehlt bei Blennorrhoe Formol 1:2000 zu Aus¬
waschungen, 1 : 200 zu Einträufelungen; der erfahrene Ophthalmologe wird
besser die Cauterisationen mit Argentum nitricum noch nebenbei anwen¬
den. Dieses tödtet die Gonococcen, das Formol verschlechtert den Nähr¬
boden. J.
Frothingham. The Use of Strong Solutions of
Argentum Nitrate in the Treatment of Ophthamial
Neonatorum. Harper. Hospital Bulletin lor August 17. 1895. lief.
The Therapeutic Gazette. Vol. XIX, Nr. 210. Dec. 1895.
Frothingham empfiehlt zur Behandlung der Ophthalmoblen¬
norrhoe, im ersten (?) Stadium häufige — mindestens stündliche —
Waschungen mit Borsäurelösung oder Sublimatlösung 1 : 5000, im zweiten
(?) Einträufeln von 1—2°/ 0 Argentum nitrieum-Lösungen.
Paul Oppler (Breslau).
Verbreitung und Prophylaxe der venerischen
Krankheiten. Prostitutionswesen.
Stone A. K. Prostitution. The Relation of tlie Ex-
perience of Europe to tbe Solution of the Problem in
Boston. The Boston Medical aud Surgieal Journal. XXXIII Nr. 2.
Stone verdankt seine Informationen über das Prostitutions¬
wesen in Europa besonders den Berichten zahlreicher Commissionen,
weiche in den Jahren 1890—92 sich mit der Lösung der Pi ostitutions-
Frage beschäftigten. — Von den europäischen Staaten ist nur England
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
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ohne die gesetzliche Institution einer Controle der Prostituirten; auch
wird dort die öffentliche Anlockung fast gar nicht eingeschränkt. In den
Städten der übrigen Länder wird die Controle in der Weise gehandbabt,
dass die Mädchen, welche entweder in öffentlichen Häusern untergebracht
oder als „Inscribirte“ der Polizei bekannt sind, von Zeit zu Zeit einer
Cntersuchung unterworfen werden. Die in den Statistiken angegebene
Zahl der unter polizeilicher Aufsicht stehenden Personen ist meist (z. B.
in Paris) viel kleiner als in Wirklichkeit, da noch viele andere der
Polizei nicht bekannte Mädchen ihren Lnterhalt durch die Prostitution
verdienen. Nach den statistischen Berechnungen verschiedener Autoren
(l'iaux in Belgien, Bergli in Kopenhagen, Neisser in Breslau,
Pa ss avant in Paris u. A.) kann man im Allgemeinen annehmen,
dass in Europa etwa 3t) bis f>0°/ 0 aller den Behörden bekannten Pro¬
st ituirten venerisch erkrankt sind. Was die Verbreitung der Syphilis be¬
trifft, so geht aus der Mehrzahl der Berichte hervor, dass diese Krank¬
indt im Zunehmen begriffen ist; dieser Ansicht sind z. B. Vidal, le
F o r t, V o u r n i e r und M a u r i a e, während für die französische und
belgische Armee eine Abnahme der Geschlechtskrankheiten angegeben
wird. Nach Bla sch ko haben in Berlin seit 185Ö die venerischen Er¬
krankungen ahgenommen, während Wolf und Neumann dies be¬
streiten. Uebereinstimmend wird von allen Autoren die Ansicht aus¬
gesprochen, dass die bisherigen sanitären Massregeln zur Verhütung der
Verbreitung der Geschlechtskrankheiten unzureichend seien. — Sehr ver¬
schieden sind die Vorstellungen über die zur Abwehr nothwendigen
Mittel. Während z. B. ein französischer Minister meint, dass für jeden
Ort besondere Gesetze erlassen werden müssen, verwirft ein anderer die
staatliche Regelung der Prostitution vollständig. Auf dem 10. interna¬
tionalen Congress zu Berlin stimmte die Mehrzahl für die Fnterbriiigung
der Prostituirten in einem bestimmten Stadt viertel und in Bordellen;
Andere wieder hielten dies für besonders gefährlich. Thatsächlich lässt sich
ein beständiges Ilerabgehen der Anzahl der öffentlichen Häuser in den
grossen Städten constatiren, so in Paris, St. Petersburg und in Antwerpen.
Nach allen bisher gesammelten Erfahrungen gibt es also bisher keine
allgemein anerkannte Methode zur Lösung der Prostitutionsfrage. Von
allen Autoren zugestanden ist der Mangel an Einrichtungen, die erkrankten
Prost ituirten ausreichend zu behandeln. Indessen darf hei der Auf¬
stellung der Grundsätze der Internirung nicht ausseracht gelassen
werden, dass bei allzustrengen Vorschriften die erkrankten Mädchen sich
der Aufnahme ins Hospital entziehen (z. B. durch Wechsel des Wohn¬
sitzes) und so die Verbreitung der venerischen Krankheiten begünstigen. —
Stone bespricht zum Schluss die Verhältnisse der Prostitution in Boston,
die vor der kürzlich vollzogenen Aenderung in der Polizeiverwaltung
ausserordentlich ungünstige waren. Es bestand ein ausgedehnter Mäd¬
chenhandel und eine grosse Anzahl berüchtigter Bordelle, in denen alko¬
holische Getränke in unbeschränkter Weise verkauft wurden und sehr
häutig verschiedenartige Excesse vorkamen. Seit d'*m energischen Ein-
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der Syphilis.
145
\s
schreiten des neuen Polizeipräsidenten hat die Zahl der öffentlichen
Häuser und der Prostituirten erheblich abgenommen. Es hätte sich nur
ein einziger Uebelstand bemerkbar gemacht, dass nämlich die Prostitution
in einzelnen früher verschont gebliebenen Stadttheilen sich ausgebreitet
hätte; indessen würde wenigstens hierdurch die Aulmerksamkeit mehr
auf dieses Uebel gelenkt und so eine Bekämpfung desselben befördert.
Da also bisher ein bestimmtes System zur Unterdrückung der Prostitution
nicht existirt, müsse man dieselbe einzuschränken suchen durch eine
strenge Beurtheilung dieser Verhältnisse durch die öffentliche Meinung»
durch Unterstützung der diesbezüglichen Gesetze, durch Erziehung der
Jugend und endlich auch dadurch, dass man die Vermehruni- der ver¬
brecherischen Menschenclasse durch Castration und Entfernung der
Ovarien vermindert (!), denn die weiblichen Nachkommen dieser verfielen
der Prostitution. Gleichzeitig sollte die Verbreitung der venerischen
Krankheiten durch die Möglichkeit entsprechender Hospitalbehandlung
bekämpft werden. In der dem Vortrag folgenden Discussion berichtet
De Blois u. A. über seine Erfahrungen bezüglich des Prostitutions¬
wesens in fremden Städten und in Boston. Hier batte er Gelegenheit»
die Mädchen eines Bordells regelmässig zu untersuchen; er betont die
Schwierigkeit und Unzulänglichkeit einer derartigen Controle, zumal
wenn eine Unterstützung der Polizeibehörden hierbei fehlt. Folsom
weist auf die „Contagious Diseases Acts u hin, welche in einzelnen eng¬
lischen Districten zum Zwecke der Verminderung der Geschlechtskrank¬
heiten mehrere Jahre lang in Kraft waren. Die Ansichten über die
Wirksamkeit dieser Institution waren so widersprechend, dass dieselbe
nach kurzer Zeit vom Parlament wieder aufgehoben wurde. Auch die
Errichtung der „Loeke-Hospitäler w leistete nichts Wesentliches, weil die
Internirung der Prostituirten nicht lauge genug stattfinden konnte
Hinsichtlich der heimatlichen Verhältnisse erwähnt Folsom nur, dass in
St. Louis ein Versuch gemacht worden sei, das Prostitutionswesen zu
regeln, und bemerkt auf einen Einwand Putnams, dass die Einrichtungen
zur Aufnahme geschlechtskranker Frauen in Tewksbury und Bridge water
unzureichend seien. Ara Schlüsse der Debatte spricht sich Stone
noch einmal in dem Sinne aus, dass er die Aufhebung der Bordelle für
einpfehlenswerth hält; die Geschlechtskrankheiten würden sieh sicherer
einschranken lassen, wenn die Prostituirten nur einzeln wohnen durften.
Schäfte r.
Lewis, Denslow. What Should the Policy o f the
State toward Prostitution? Remarks Made at the September
Meeting of the Doctors’ Club of Chicago. The Provine. Medio. Journ.
XIV. Nr. 168, 2. Dec. 1895 p. G-iG.
Zur Bekämpfung der Prostitution hält Lewis zunächst sociale
Massnahmen für erforderlich, durch welche Hebung des Arbeitslohnes
und Eröffnung neuer Berufsarten für Frauen erzielt werden. Ausser¬
dem aber müsse, schon aus Rücksicht auf die Frauen und Kinder der
mit Prostituirten verkehrenden Männer, sanitätspolizeilich vorgegangen
Aichiv f. UerniAiol. u. Syptifl. liaiul XXXIX. irj
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
werden. Die Vorbedingung für diesbezügliche Hinrichtungen — Reglomen-
tirung mit periodischen Untersuchungen, wie in Europa, aber unter ab¬
soluter Schonung der individuellen Freiheit ! — sei jedoch in Amerika
die Beseitigung von Staatsgesetzen, die, z. B. in Illinois, nicht nur jede
Action gegen die Prostitution, sondern auch die blosse offieial cognizance
derselben verbieten. Bis diese Gesetze abgeschafft sind, könne die
Polizei wenigstens dafür sorgen, dass die in Gefängnissen, Asylen etc.
untergebrachten Männer auf venerische Krankheiten regelmässig unter¬
sucht und eventuell, wenn die krank Befundenen selbst es wünschen,
behandelt werden. Endlich solle auch von den Behörden durch Grün¬
dung von Specialhospitälern und Ambulatorien die Möglichkeit einer
sachgemässen Behandlung, wenigstens in den grossen Städten, erweitert
werden. Die Aerzte in denselben könnten manche Infeetion dadurch
verhüten, dass sie die — freiwillig in Behandlung kommenden — Pro-
stituirten über einen prophylaktischen Gebrauch von Antisepticis unter¬
richten. F. M ii n c h h e i m e r.
Poutoppidan. Die Con t r o 1 e bei der P r u s t i t. u t i o n un d
die Ausbreitung der venerischen Krankheiten. Hospitah-
Titende X., 20. Bef. Deutsch.* Med. Zeitg. 1893, 81 p. 017.
Poutoppidan stellt Statistiken über die Häufigkeit der ve¬
nerischen Krankheiten in Kopenhagen, wo seit 1880 die sanitätspolizei¬
liche Controle der Prostitution verschärft ist, solchen aus Italien und
Norwegen gegenüber. Der Vergleich fallt so ungünstig für die letzteren
aus, dass P. die Wiedereinführung der Controle, die ja für Italien im
Jahre 1891 durch Aufhebung der lex Crispi nach dreijähriger Wirksam¬
keit geschah, auch für Norwegen als sicher prophezeit.
F. M ü n e h h e i rn o r.
Horowski. W. K. Z u r F r a g e ü b er di e () u e 11 e n d e r
8y p h i 1 i si nfe c t i on. Woenno-medizinskii Journal 180t, August. (Bef.
Jeszenedjelnik 1804, Nr. 45.) Russisch.
Auf Grund eigener Beobachtungen im Kiewer Militär-Spital
kam Borowskv in Uebereinstimmutig mit vielen anderen Autoren zur
(Jeberzeugung, dass die Zahl der Ansteckungen mit Syphilis durch die
geheime Prostitution bedeutend grösser ist als die durch bordellirte und
isolirte Prostituirte, welche unter Aufsicht stehen. Nach der Tabelle
von Boro ws ky (für die letzten 4 Jahre) beträgt, die Ansteckung durch
die eingetragenen Prost ituirten in Procenten ausgedrückt 20*75 für Ofticiere
und 21*5 iiir Soldaten, während die Infeetion durch geheime Prostitution
für Ofliciere 70*25% und für Soldaten 78*3% beträgt! A. Grün feld.
Searensio. La sifilide cd i v igen ti r e go 1 a in e ii t i contro
di essa. Lettura l'atia al R. istituto Lomhardo di Scienze e lettere nelP
addunanza del 7 Marzo 1>95.
Bekanntlich wurde im Jahre 1888 in Italien die polizeiliche
Ueberwaehung der Prostitution aufgehoben. Scarenzio beklagt, diese
Massregel aufs Tiefste und weist, in seinem Vortrage zahlenmäsMg nach,
wie sehr die Syphilis und die venerischen Krankheiten seitdem zuge-
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der Syphilis.
147
nomraen haben. Seit 1891 besteht übrigens eine Besserung insofern, als
die Zwangseinsehreibung und regelmassige ärztliche Untersuchung wieder
eingeführt ist, aber nach Scarenzio ohne besonderen Erfolg. Er weist
darauf hin, wie lebhaft die Agitation von Seiten der Aerzte und ärzt¬
lichen Vereine ist, um eine Rückkehr zu den Gesetzen vor 1888 zu er¬
langen, und fordert Alle auf, in ihren Bemühungen nicht nachzulassen.
Raff.
Herzeu*tein, G. M. I e b e r die M assregeln zur Be¬
kämpfung der Syphilis auf dem Lande. Vortrag, gehalten in
der Sitzung der russischen syphilidolugisclien Gesellschaft am 29. April
1895. Jeszenedjelnik 1895, Nr. 2<> p. 589—391). Russisch.
Auf Grund angeführter Facta und Behauptungen macht Her¬
zen st ein u. A. folgende Schlüsse: 1. Die syphilitischen Erkrankungen
im russischen Volke nehmen ununterbrochen zu. 2. In Folge der Bedin¬
gungen, welchen die Verbreitung der Lues unterliegt, kann die medicinisclie
Hilfe nicht localisirt werden insbesonders noch aus dem Grunde, weil
die Mittel ungeheuer mangelhaft sind. Nur der Staat kann den Kampf
gegen dieses Leiden aut sich übernehmen, da er ausser genügenden
Mitteln auch das nöthige Aerztepcrsonal zur Verfügung hat. 3. Die Be¬
kämpfung der Syphilis soll zuerst in den Gouvernements beginnen, welche
an der Wolga liegen, und in einigen Gouvernements des centralen Theiles
Russlands, wo die Bevölkerung sich mit Gewerben beschäftigt, welche
ausserhalb der Heimat betrieben werden müssen. 4. Die Bekämpfung soll
durch besondere Colonen, Aerzte und niedere medicinisclie Chargen
(Feldscher etc.) ausgeführt werden; dieselben sollen einzelne Punkte
bereisen und eine Zeit lang dort verbleiben. A. Grünfeld.
Petersen, O. W. U e b e r d ie M a ssr e g e 1 n z u r Be kämpfung
der Syphilis in Russland. Wratsch 1895, Nr. 31, p. H>5—Sb7. Russ.
Im Anschluss an die von Herzen st ein angegebenen Mass-
regeln bespricht Petersen dieselbe wichtige Frage und macht darauf
aufmerksam, dass die Bekämpfung der Syphilis resp. die Behandlung der¬
selben von reisenden Colonen absolut unmöglich wird, da die dazu
nüthigen Mittel kolossal gross sein müssen. Petersen macht mit
Recht darauf aufmerksam, dass in den Residenz- sowie anderen grossen
Handelsstädten spezielle Spitäler eingerichtet werden müssen, damit die
wandernden Arbeiter stets Hilfe bekommen können und nicht in Folge
von Platzmangel in den Spitälern sich aufs Land begeben müssten und
dort unweigerlich mit Lues extragenital anstecken. A. Grünfeld.
Frinowski, N. E. Zur Organisation des Kampfes gegen
die Syphilis auf dem Lande. — Jeszenedjelnik 1895, Nr. 15, p.
217—226. Russisch.
Der Vortrag von Frinowski, gehalten in der St. Petersburger
Syphilidologisehen und dermatologischen Gesellschaft, illustrirt, wie stark
die Syphilis in manchen Dörfern des grossen russischen Reiches verbreitet
ist, und mahnt, dieses Unglück zu berücksichtigen und junge Aerzte aufs
Land zu schicken und in jedem Dorfe Haus für Haus zu untersuchen
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
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und der Bevölkerung Hilfe zu leisten. In manchen Dörfern constatirte
der Autor bis 84% Syphilitiker. A. Grünfeld.
Kjellberg, J Einige statistische Studien über die
venerischen Krankheiten in Schweden. Hvgiea, Juli 1895.
Kjellberg hat aus den Berichten des Medicinaleollegiurns in
Schweden für die .Iahre 1822—1892 die Anzahl der in den Krankenhäusern
behandelten Falle von venerischen Krankheiten zusammengestellt. Er zeigt,
wie unvollständig diese Angaben sind ; bis zum Jahre 1871 hat man die ver¬
schiedenen venerischen Krankheiten nicht voneinander getrennt; von da
an sind sie zwar voneinander getrennt worden, doch ist dieses nur un¬
vollständig geschehen; ausserdem ist es schwer, über die Anzahl der
Rückfälle Aufschluss zu erhalten; auch pseudovenerische Krankheiten
sind bisweilen unter die venerischen aufgenommen. Ungeachtet des, dass das
statistische Material also nicht gut ist, glaubt der Verfasser aus den An¬
gaben, im Grossen und Ganzen genommen, doch Schlüsse über das Vor¬
kommen der venerischen Krankheiten in Schweden ziehen zu können.
Er unterscheidet zwischen den Fällen, die in den Krankenhäusern der
zwei grössten Städte Schwedens, Stockholm und Gothenburg, und den¬
jenigen, die in den Krankenhäusern der Provinzstädte behandelt worden
sind. Es scheint aus ihnen hervorzugehen, dass die Frequenz der vene¬
rischen Krankheiten abgenommen hat, dieses jedoch weniger in Stock¬
holm und in Gothcnlmrg, als in den übrigen Theilen des Landes. Auf
1000 der Bewohner des Landes und der Provinzstädte berechnet, ist die
Anzahl der in den Krankenhäusern behandelten Fälle von venerischen
Krankheiten ziemlich regelmässig von 11*2 (1822) bis auf 0’3 (1892) ge¬
sunken. Steigerungen sind zwar vorgekommen; (so z. B. im Jahre
1809 auf 101.) Der Verfasser glaebt die Ursache solcher Steigerungen
in Misswuchs und schlechten ökonomischen Zeiten zu linden, in denen
die Krankheiten sieh mehr ausbreiten; doch lässt sich dieser Schluss nicht
mit voller Sicherheit ziehen, da in schlechten Jahren, in denen der Ar¬
beitsverdienst gering ist, ein grösseres Procent der venerischen Kranken
sich in die Krankenhäuser aufnehmen lässt, wo sie unentgeltliche Pflege
erhalten, als in guten Jahren, in denen sie einen besseren Arbeitsverdienst
haben. In Gothenburg, vor Allem aber in Stockholm, zeigt, die Anzahl
der in den Krankenhäusern behandelten Fälle von venerischen Krank¬
heiten grosse Schwankungen, ohne dass man dafür eine völlig befrie¬
digende Erklärung zu geben vermag. — Als ziemlich sicher erscheint es
dem Verfasser, dass die Syphilis abgenomrnen hat. Das Mittel der
Anzahl der Tage, welche venerische Kranke in den Krankenhäusern
gepflegt worden sind, ist von 50*7 in den Jahren 1851—60 auf 3U2
im Jahre 1892 herabgegangen. Der Verfasser hebt hervor, dass, nach
dieser Statistik zu schliessen, die venerischen Krankheiten im Grossen
und Ganzen auf dem Lande allmählich an Boden verloren haben und
mehr auf die grösseren Städte beschränkt worden sind. E. W e 1 an d e r.
Alilershot. The sanitary and social condition». The
Laue et 30. März 1895.
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der Syphilis.
149
In einem Bericht über das Truppenlager zu Aldershot wird dar¬
auf hingewiesen, dass vielfach die Frauen der zum Dienst in das Aus¬
land geschickten Soldaten zur Prostitution getrieben werden. Bei ihrer
grossen Armuth sinken sie bald auf die tiefste Stufe gefallener Frauen.
Tkeihveise schlafen sie unter freiem Himmel und oft werden Vergehen
gegen die Sittlichkeit unter dem Schutz von Bäumen, Dämmen, Ginster etc.
begangen. Es gibt kein Gesetz, um das Betragen dieser Frauen zu
regeln, sie in Behandlung zu bringen, wenn sie krank sind, sie Reinlich¬
keit zu lehren und sie in Berührung mit jenen Einrichtungen zu bringen,
die ihnen zu einem besseren Leben verhelfen würden. Iu Folge dessen
sind Syphilis und andere ansteckende Krankheiten vorwiegend in Alders¬
hot. Wenn alle Arten venerischer Krankheiten für Grossbritannien zu¬
sammengerechnet werden, so beträgt die Gesammtaulnähme pro mille
194*6 und das Verhältnis? der beständig verpflegten Kranken 16*68 für
das Jahr 1893. Vergleicht man dies mit dem Durchschnitt der letzten
7 Jahre, so ergibt sich eine Abnahme in den früheren Jahren von 29*0
und im letzten von 0*79. Im Verhältnis» zum vergangenen Jahre beträgt
die Abnahme bei den Aufnahmen 0*6 pro mille, während in Aldershot
statt einer Abnahme eine Zunahme von 39*9 pro mille zu verzeichnen
ist. - Wenn man die Ziffern der letzten wenigen Jahre nimmt, während
deren die „Contagious Diseases Acts“ in Kraft waren, so findet man das
Verhältnis der Aufnahmen wegen venerischer Krankheiten 1878 zu 136 3b
1879 zu 163*35; 1880 zu 197*78; 1881 zu 211*58 und 1882 zu 261*13 pro
mille. Wie weit dieses offenbare Anwachsen der Zahlen einer weniger
strengen Anwendung des Gesetzes zuzuschreiben ist, besonders zu einer
Zeit, als man dami* umging es abzuschaden, oder dem Eintreffen einer
besonders grossen Zahl von Recruten, ist schwer festzustellen. Die neuen
Zahlen waren schwer zu erlangen und scheinen eher niedriger zu sein.
Unter dem Capitel „Venerische Krankheiten 4 war das Verhältnis» der
letzten drei Jahre 252*3; 210*3 und 156*6 pro mille. Aber diese Zahlen
sehliessen nicht Geschwüre des Penis und Balanitis mit ein. Nimmt man
diese dazu, so steigen die Zahlen auf 260*03; 221*3 und 189*8 für die
Jahre 1890—1891, 1891—1892 und 1892—1893. Da 1893 ein Ansteigen
von 36*9 zu verzeichnen hat, so würde die Zahl für dieses Jahr 226*7
pro mille betragen. — Betrachtet man die grossen Schwankungen, die
stets bei solchen Krankheiten statttinden, so sieht man, dass man keinen
deutlichen Unterschied im Vorwiegen venerischer Erkrankungen vor und
nach der Abschaffung der Contagious Diseases Acts fest stellen kann
Man muss aber dabei berücksichtigen, dass bei diesen Zahlen Gonorrhoe
eingeschlossen ist, für deren Eindämmung jenes Gesetz nichts helfen
konnte. Die Nützlichkeit solcher Gesetzgebung wird am besten festgestellt,
wenn das Vorherrschen secundärer Syphilis studirt wird, bei der ja ein
Irrthum ausgeschlossen ist. So war z. B. 1893 in Grosshritannien das Ver¬
hältnis der ins Hospital wegen secundärer Syphilis Aufgenommenen 31*8
pro mille, die Zahl der beständig Kranken 3*31 pro mille. Die Zahlen
für England und Wales waren höher, nämlich 37*4 und 3*74 und der
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150 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Durchschnitt der letzten 7 Jahre in England und Wales war 39 *5 und
3’bb. Nimmt man anderseits die Insel Malta, wo eine Contagious Diseases
Act in Kraft ist, so betrug die Zahl der wegen secundarer Syphilis Auf-
genommenen 1893 13*3 pro rnille und die Zahl der beständig Kranken nur
l*b9. Der Durchschnitt auf Malta von 1886*—1892 beträgt 14*6 pro mille
et anno und die Zahl der beständig Kranken 1-42. Oder in runden Zahlen:
auf 3 an secundarer Syphilis leidende Soldaten von Grossbritannien, wo
keine Contagious Diseases Act in Kraft ist, kommt nur 1 kranker Soldat
auf Malta, wo ein solches Gesetz zu Recht besteht. Zieht man alle Arten
venerischer Krankheiten in Rechnung, so bietet die Statistik für Malta
nicht den gleichen, überraschenden Unterschied, aber sie ist immerhin
günstiger als die Berichte daheim. 1893 betrugen die Aufnahmen in
Großbritannien 194 und die Zahl der beständig Kranken lb*38. während
sie für Malta 122*3 und 10*515 lauten. Von 188b—1892 betrug der Durch¬
schnitt der Aufnahme wogen aller Art venerischer Krankheiten 91*fi und
der beständig Kranken 7*39 pro mille. Im Grossen und Ganzen spielen
bei diesen Verhältnissen auch die socialen Zustände eine erhebliche Rolle,
und diese haben sich in der britischen Armee glücklicherweise gebessert.
Pis sind allmählig immer bessere und intelligentere Elemente in das
Heer eingetreten, in Folge dessen siud die Mannschaften auch massiger
und sauberer. Zugleich hat man bei den neuen Baulichkeiten dafür ge¬
sorgt, dass die Soldaten das Bedürfnis» persönlicher Sauberkeit leichter
befriedigen können. Dadurch sind die üblen Polgen der Aufhebung der
Contagious Diseases Acts theilweise abgewendet worden. Die Zustände
würden sonst noch weit schlechter sein. Immerinn sind sie schlimm genug,
da sich von 4 Soldaten in Aldershot einer jährlich iuticirt. Dies bedeutet
aber nicht nur (»ine Reduction in der Schlagfertigkeit der Armee, sondern
zeigt auch, dass die venerischen Krankheiten unter der Civilbevölkerung
sehr stark auftret en. Stern thal.
T he hea 11 h o f th e ri a v v i n 1893. The Lancet 19. Jan. 1895.
Lance t bringt einen kurzen Auszug aus dem Bericht über
den Gesundheitszustand der englischen P’lotte im Jahre 1893. Aus
demselben ist erwähnenswerth, dass die constitutioneile Syphilis im
Jahre 1893 im Vergleich zu den letzten b Jahren ein Anwachsen
zeigt. Unter den Ursachen, die in der Flotte die Mannschaften
vorübergehend dienstunfähig machen, nehmen die venerischen Krankheiten
gewohnheitsmässig einen Ilauptrang ein. Bei bO.120 OiVicieren und Mann¬
schaften traten 1893 in 9321 Fällen venerische Pirkrankungen auf; davon
waren 3lob primäre Syphilis, 1593 secundäre Syphilis, 4b22 Gonorrhoe
und deren Folgen Die Zahl der Invaliden in P’olge dieser Krankheiten
war 193 und es traten 5 Todesfälle ein. Der Verlust, den die Nation an
der Zahl der Seeleute erleidet, und der Zeitverlust während der Dienst-
unfahigkeit, ganz abgesehen von den unmittelbaren und ferneren P’cilgen
derartiger Krankheiteu, gibt Stoff zu ernsten Erwägungen. S t er n t h a 1.
The report of the Sanitarv Commission er to the
G o v e r n e ment o f J n d i a f o r 1893. The I.ancet 30. März 1895.
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der Syphilis.
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Aus dem Bericht sei die Bemerkung hervorgehoben, dass die
europäische Armee in Britisch-Indien, die 1893 aus 70.00U Mann bestand,
in diesem Jahre 32.6(53 Erkrankungen an venerischen Krankheiten hatte
d. i. 466 pro mille gegen 410 pro mille 1892. Die venerischen Krank¬
heiten betrugen 33% aller Krankheiten überhaupt. Stcrnthal.
Wwedensky, A. A. U e b e r die Erkrankungen der Prosti-
t uir ten auf der Messe zu IS' i s c hni -X o wgorod, zusammen-
ge stellt nach den Daten des dortigen Frau en - Spitals. S.-A.
aus Westuik Obrschtschestwennoj Gigicny, Sudebinoy i Praktitschoskoj
Medizini. Bd. XXVI. 1895. Russisch.
Wwedensky schildert den wirklich traurigen Zustand der
kranken Prostituirten in dem sehr engen Raume des Frauen-Spitals zu
Nischni-Nowgorod, woselbst die Betten stets mit der doppelten Menge von
Kranken überfüllt waren. Aus dem Berichte ist weiter zu entnehmen,
wie kolossal gross der Unterschied ist in der Zahl der venerisch erkrankten
Prostituirten, falls dieselben von einem Specialarzte untersucht werden
und macht darauf aufmerksam, dass die Control e über die Prostituirten
stets nur Fachmännern überlassen werden darf. Die Zahl der Syphili¬
tischen in den letzten 4 Jahren betrug 403 (im Jahre 1S91 5*76%, 1892
1212%, 1893 13*43%, 1894 9*96% i. An weichen Schanker litten
durchschnittlich 2—5 u / 0 . An Gonorrhoe schliesslich 7*25—9*84%. Be¬
richte über die Untersuchungen der Prostituirten sind von den Frauen-
Aerztinen Eltzina und C hol e w inskaj a publicirt und in diesem
Archive referirt. A. Grünfeld.
Eltzina, Mine Z. — La Prostitution ä 1 a f o i r e de N i j n i-
Novgorod et sa reglementation. — Gazette Hebdomadairu de
Med. et de Chir. 1894. Nr. 35.
Mme. Eltzina berichtet über die Erfahrungen, die sie als Mit¬
glied einer Commision zur Ueberwaehung der Prostitution während der
Messen in Nischni-Nowgorod, dem bedeutendsten Markte Russlands, gesam¬
melt hat. Durch den grossen Fremdenverkehr und das massenhafte Zuströmen
von Prostituirten bilden diese Märkte gewissermassen ein Infectionscentrum
für ganz Russland. — Die Controlmassregeln beginnen damit, dass die zu¬
gereisten Prostituirten ihren Pass bei der Polizei abgeben und sich darauf
der Sanitätsbehörde vorstellen. Sie erhalten hier eine Karte, die mit ihrem
Namen, einer laufenden Nummer und mit ihrer Phot ographie versehen ist. Der
Stempel gibt das Datum des Untersuchungstages an, der auch in ein Register
eingetragen wird. Falls die Untersuchte sieh als krank erweist, wird die
Diagnose lateinisch auf der Karte vermerkt und die Inhaberin sofort in das
nahe gelegene Krankenhaus überführt, wo sie kostenlos behandelt wird. Fü r
die Uebrigen erfolgt zweimal wöchentlich eine gründliche Untersuchung
in einem geräumigen, mit ausreichenden Nebenzimmern versehenen Local.
Die Anwendung des Speculums ist hierbei obligatorisch für alle neu Ein -
geschriebenen und für alle syphilitisch Erkrankten. Bei den übrigen er¬
folgt sie einmal wöchentlich. — Da die früher übliche Untersuchung
eines Theils der Prostituirten in ihrer Wohnung sich wegen der oft
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
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mangelhaften Licht- und llaumverhältnisse als unzureichend erwiesen
hat. haben sich neuerdings alle ohne Ausnahme in dem Controllocal vor¬
zustellen. Die Untersuchung erfolgt zweimal wöchentlich und wird
principicll auf den ganzen Körper ausgedehnt. — Schlussfolgerungen:
1. Jeder normal lebende Mensch hat ein absolutes Recht auf Freiheit.
2. Wer nicht normal lebt, und, mit oder ohne Absicht, die Gesundheit
seines Nächsten zu schädigen beginnt, muss wie ein schwaches oder un¬
zurechnungsfähiges Wesen überwacht werden. Dieser Fall liegt vor bei
den Prostituirten und denjenigen ihrer männlichen Besucher, die krank
sind. Daraus folgt: 3. Die Nothvvendigkeit einer Ueberwachung der Pro¬
stituirten und ihrer Besucher. — 4. Die Abschaffung der obligatorischen
Controle befördert die Ausbreitung der Syphilis. — Ferner: Die Unter¬
suchung ist ausschliesslich durch Syphilidologen, am besten durch weibliche
Aerzte, auszuführen. Die richtige Technik der Untersuchung ist wichtiger
als ihre Häufigkeit. Polizeiliche Intervention ist möglichst zu vermeiden.
Die Besucher sollten sich stets die Karte vorzeigen lassen. G ii n s b u r g.
Cholewinskaja, M. M. Bericht über die Besichtigung der
Prostituirten auf dem Sam ok ater B e o ba c h t u n gs pun c t e
der Messe zu N i schn i -No wgorod pro 1898. Wratsch, 1894,
Nr. 17, p. 487—49i. Russisch.
Die Zahl der während der Messe beobachteten Prostituirten (vom
15. Juli bis zum 8. September) beträgt nach Cholewinskaja 805. Von
diesen wurden als Kranke erkannt. 26o. In Procent zahlen ausgesprochen, litten
an Syphilis 14.78%» an Ulcus molle 5.83%» an Gonorrhoe 6.58% und an
anderen Erkrankungen 9.81%. — Der Bericht illustrirt zugleich, wie mangel¬
haft noch die Beobachtung der Prostituirten auf der Weltmessc ist, da
dieselben nicht rechtzeitig zur Beobachtung gelangen, sondern erst
nach 2 bis 3wöchentlicher Thätigkeit. — Die Folgen für die aus allen
Theden der Welt herkommenden Kaufleute sind zu klar. A. Grünfeld.
Cholewinskaja, M. M. Bericht über die Untersuchung
der Prostituirten auf dem Samokater B e o b a e h t u n g s p u n k t e
während der Messe zu N i s c h n i - N o w g o r o d im Jahre 1894.
Wratsch 1895, Nr. 16. und 17, p. 438—439 und 471 474. Russisch.
Der Bericht von Cholewinskaja hat mehr inländisches Interesse
und ist aus demselben zu ersehen, wie mangelhaft die Beobachtung
von Seiten der Behörde geführt wird. Cholewinskaja proponirt
daher rechtzeitig Massnahmen zu ergreifen und die Beobachtung in die
Hände des Medicinal-Departements zu übergeben, welches schon in diesem
(1895) Jahre seine Thätigkeit beginnen soll, da im Jahre 1896 die grosse
russische Ausstellung in Nischni-Nowgorod stattfindeu wird.
A. Grü nfeld.
Rasch. Ueber das Klima und die Krankheiten im
Königreich Siam. Virchows Archiv Bd. 140. Heft 2. 1895.
Nach einer längeren Einleitung, in der Basch sich mit der
Schilderung des Landes und der Lebensweise der Einwohner, dann mit
den klimatischen Verhältnissen befasst und viele, sehr interessante Mir-
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I
der Syphilis.
153
theilungen macht, kommt er zu den im Königreich Siam herrschenden
Krankheiten. Unter den Infectionskrankheiten interessirt uns zunächst
das, was er über die Syphilis und Lepra erzählt. Vorausschicken möchte
ich noch seine Bemerkung, dass die Polygamie in Siam in vollster Blüthe
steht. Die Verbreitung der venerischen Krankheiten ist eine sehr grosse;
nach R.’s Erfahrungen kommen auf 100 Kranke Siamesen 33—37 venerisch
Erkrankte. Wie lange die Lues im Lande herrscht, ist nicht zu eruiren ;
ihr Verlauf ist klinisch etwas anders als bei uns. Der Primäraffect stellt
sich auffallend schnell (am 4.—5. Tage p. c.) fast ausnahmslos in der
Form eines phagedänischen Schankers ein, der zunächst eine grosse
Neigung zur Ausbreitung in die Tiefe zeigt, aber nach gründlicher Reini¬
gung des Geschwürs (ev. mit dem scharfen Löffel) und unter Jodoform¬
behandlung schnell heilt. Auffallend schnell treten auch die secundär-
syphilitischen Symptome auf, denen stets das Zwischenstadiura der Bubonen
vorausgeht. 8—14 Tage nach dem Erscheinen des Primäraffectes schwellen
die Inguinaldrüsen an, werden schmerzhaft, und es kommt in den meisten
Fällen zur Vereiterung, in anderen bilden sich die starken Entzündungs¬
erscheinungen zurück und es kommt zu einer Induration. Während des
Bestehens der Bubonen kommen bereits Allgemeinerscheinuugen — allge¬
meine Drüsenschwcllung, Roseola und vor Allem sehr ausgeprägte
Gelenkschmerzen — zum Ausbruch. Die letzteren bestehen oft mit
Exacerbationen und Remissionen während mehrerer Jahre weiter. An¬
fänglich ist ausser starker Schmerzhaftigkeit in den Gelenken — bes.
Knie- und Fussgelenke werden befallen und zwar fast stets symmetrisch,
— nichts nachweisbar ; später treten dann oft Schwellung, Röthung und
Exsudationen auf. Die Schmerzen sind in kühlen Morgenstunden am
stärksten. Die Drüsenschwellung besteht nicht in einer indolenten Schwel¬
lung, sondern die Drüsen sind acut intumescirt und fühlen sich eher weich
als hart an. Zu den Gelenkschraerzen gesellen sich dann die Knochen-
affectionen — diffuse Schmerzen in den Knochen bes. im Sternum, Tibia
und Ulna. Dazu stellt sich in den meisten Fällen eine specifische Bronchitis
ein, die auf Darreichung von Jodkalium verschwindet. Sehr schnell —
schon im Verlaufe von 2 Monaten — kommt es bei ungenügender Behand¬
lung zu schwerer Kachexie, die allerdings durch den Gebrauch von Jod¬
kalium schnell wieder gehoben wird. Hautsyphilide sind sehr viel seltener
las in Europa; sehr selten sah der Verf. Lues des Centralnervensystems.
Was die Behandlung anlangt, so erwähnt R. nur das Jodkalium, das eine
sehr glänzende, viel energischere Wirksamkeit zeigt als in Europa und
viel besser vertragen wird. R. fasst seine Ansichten über die Syphilis in
den Tropen in folgende 3 Sätze zusammen : 1. Das syphilitische Virus schafft
sich schneller eine Eingangspforte und dringt schneller in den Körper
ein. 2. Die Allgemeininfection kommt in viel kürzerer Zeit zustande
a ls in Europa. 3. Der Verlauf der Erkrankung ist stets ein viel acuterer
als in Europa. Lasch.
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Buehanzeig’en und Besprechungen.
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Merget, A. Mercure. Action physiologi<iue, toxique et therapeu-
ticjue. Bordeaux et Paris. 1894. 402 Seiten.
Besprochen von Prof. J. Jadassohn in Bern.
Ich glaube die Verpflichtung zu haben, auch jetzt noch —
trotzdem schon über 2 Jahre seit dem Erscheinen verflossen sind
— die Fachkollegen auf ein Buch aufmerksam zu machen, das unser
Interesse in hohem Grade verdient. Der Verf. ist vor der Druck¬
legung des Werkes gestorben; Bordier und Gas säet haben
die Herausgabe besorgt. Von den Bestrebungen Merget’s, die
Syphilis durch Quecksilber in Dampfform zu behandeln, ist in
diesem Archiv einmal (Bd. XXXI p. 302) kurz berichtet worden.
Es ist aber bei dem praktischen und theoretischen Interesse, das
diese Frage besonders auch durch die Bestrebungen We 1 an d e r’s
die „Ueberstreichungsbehandlung“ einzuftihren gewonnen hat, noth-
wendig die monographische Bearbeitung, welche Merget der
Wirkung des Mercur, besonders des dampfförmigen auf Grund
zahlreicher, eigener Untersuchungen und eingehender historischer
Studien gewidmet hat, Jedem, der sich auf diesem Gebiete genauer
orientiron oder selbst bethätigen will, dringend zu empfehlen.
Es ist nicht möglich, im Kabinen dieser Besprechung auch
nur einen kleinen Theil des thatsüchlichen Materials wiederzugeben,
das der Verf. vervverthet hat.
Nur das Wichtigste sei kurz hervorgehoben: Die grosse Fä¬
higkeit des 11g zu Ditlussion durch gasförmige wie durch flüssige
Medien wird eingehend studirt; für den Nachweis der Ilg-Dämpfe
in »Spuren wird der Gebrauch von „reactiven Papieren“ speciell
mit ammoniakalisciier Argentum nitricum-Lösung; zur Auffindung des
Hg in Flüssigkeiten und Geweben die Zerstörung der organischen
Substanzen mit heisser Salpetersäure, Präcipitirung auf Kupfer.
Nachweis mittels des „empfindlichen Papiers“ empfohlen. (Alle
Details siehe im Original.) Die toxische Wirkung reiner Ilg-Diimpfe
bei niedrigerer Temperatur, als die der Versuchsthicre es ist, wird
an verschiedenen Thiergattnngen experimentell erwiesen ; sie findet
ausschliesslich durch die Respirationswege statt; continuirliche
Einnthmung mit Hg-Dämpfen gesättigter Luft tödtet die Thiere
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Bucbauzeigen und Besprechungen.
1T)5
sicher und zwar um so schneller, je kleiner sie sind; dem Tode
gehen nur nervöse Symptome vorher; die anderen Organe bleiben
bei dieser Art Intoxication vollständig frei, trotzdem Hg in ihnen
allen und zwar in sehr verschiedener Menge — am meisten in den
Nieren, dann in Leber, Lungen, Gehirn etc. — nachzuweisen ist;
die Nervenerscheinungen machen sich bei den höheren Thieren
sehr spät und langsam geltend; sie heilen, wenn man die Hg-Dämpfe
fortlässt. Nicht mit Hg gesättigte Luft ist nicht toxisch; ebenso¬
wenig tritt die toxische Wirkung ein, wenn die Hg-Dämpfe nur
discontinuirlich zugeführt werden.
Dagegen wirken diese bei höherer Temperatur und der
Staub des Metalles oder seiner Verbindungen, indem sie zu einer
acuten Intoxication (mit Stomatitis, Lungen- und Darmerscheinun¬
gen etc.) führen; die Bedeutung dieser Erfahrungen für die Hygiene
der mit Hg beschäftigten Arbeiter liegt auf der Hand.
Die Hg Dämpfe dringen nach Mer ge t — entgegen der viel¬
fach vertretenen Anschauung, dass sie sich zunächst in Sublimat etc.
umwandeln — mechanisch durch das Lungenepithel in das Blut
und mit diesem in alle Theile des Körpers, ohne dass sie ihren
„metallischen Zustand“ verlieren. In dieser Form, „en nature“ wirkt
das Hg auch auf die Syphilis. Die Einreibungen führen, wie M.
durch eigene Experimente zeigt, nur durch die Respiration zur
Resorption des Hg; gesunde Haut wird vom Hg weder in unver¬
ändertem Zustande noch nach irgendwelcher Modification durch¬
drungen. Auf Grund dieser Anschauung schlägt der Verf. vor, die
Frictionen aufzugeben und statt deren die Einathmung von Hg-
Dämpfen einzuführen. Er benützt Flanell, den er zuerst in saures
Hg Nitrat und dann in Ammoniakwasser eintaucht — das Hg ist
auf diesen Flanellen sehr fein vertheilt; man lässt dieselben in der
Nacht um den Hals tragen oder fixirt sie unter der Leinwand des
Kopfkissens; von der Wirksamkeit dieser Methode hat sich nicht
nur der Verf. selbst, sondern auch Ri viere und Frßzouls über¬
zeugt; dieselbe bringt nie Stomatitis oder Salivation hervor —
eine Thatsache, die um so auffallender ist, als Merget bei sich
selbst über 3 Monate hindurch bei Anwendung dieser Methode
(zum Theil Tag und Nacht) die tägliche Ausscheidung von 6—9 Mgr.
Hg (in Urin und Faeces) constatirt hat; nur wenn die Hg-Dämpfe
bei höherer Temperatur (z. B. in der Achselhöhle) entwickelt
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Biichanzeigcn und Besprechungen.
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werden, kommt eine Stomatitis zu Stande. Die Hg-Präparate, welche
per os oder subcutan in grossen Dosen eingeftihrt werden, wirken
alle dadurch, dass sie in Hg reducirt werden; die localen Reiz¬
wirkungen der Hg-Präparate führt M. auf die Säuren zurück, welche
mit ihnen verbunden sind oder welche durch ihre Reduction frei
werden; ihre Allgemeinwirkungen beruhen auf der Absorption der
Chloralbuminate oder der der „Oxydalbuminates hydrargyro-alcalins“,
welche das Haemoglobin frei machen.
In schwachen Dosen und lange Zeit angewendet bringen die
Mercurpräpafate nervöse Symptome speciell das Hg Zittern hervor
— dieser chronische Mercurialismus ist dem „professionellen“ ganz
gleich. Schliesslich betont Merget auf Grund seiner literarischen
Studien und speciell gestützt auf die bekannten K u s s m au rachen
Angaben, dass die Mercurialisirung durch Hg-Dämpfe (aber nur
diese!) vor Syphilis-Infection schützt. (Er drückt sich in dieser
Beziehung allerdings wesentlich zuversichtlicher aus, als Kuss¬
maul, welcher ausdrücklich nur eine „beschränkte Immunität der
Queeksilberarbeiter, falls sie mercurialisirt sind“, annahm.)
Aus diesen kurzen Bemerkungen geht wohl zur Genüge her¬
vor, wie viel Belehrung und Stoff — auch zu Nachuntersuchungen
der neuen Anschauungen des Verfassers, deren Kritik hier nicht
versucht werden sollte — in dem sehr anregend geschriebenen
Buche zu finden ist.
Berdal, Henri. Traite pratique des maladies veneriennes. Paris.
A. Malovine. 1897. 679 Seiten.
Besprochen von Prof. J. Judassohn in Bern.
Ein neues Lehrbuch bedarf immer in einem gewissen Umfang
der Entschuldigung; denn wenn schon ältere vorhanden sind, die
gutes leisten, wozu em neues schreiben? In seinem empfehlenden
Vorworte zu dein Buche Berdal’s gibt Tenne son als Grund
für die Abfassung des neuen Werkes an: Die Wissenschaft mar-
schirt so schnell, dass die neuesten Bücher schon nicht mehr auf
der Höhe stehen. Das Buch Berdal’s ist nun in der That ganz
modern, und zwar im besten Sinne des Wortes; denn es vernach¬
lässigt das Altbewährte nicht, aber es bringt alles Wesentliche,
was in den letzten Jahren auf dem Gebiete der venerischen Krank¬
heiten geleistet worden ist und es betont doch diese neuen Er-
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Bucbanzeigen und Besprechungen.
157
rungenschaften nicht in so ungerechter unhistorischer Weise, wie
das manchmal grade in Büchern junger Autoren zu finden ist.
In dem vorliegenden Bande — ein zweiter Uber Syphilis soll
folgen — werden die Gonorrhoe, die „venerischen nicht syphili¬
tischen Ulcerationen der Genitalien“ und die „paravenerischen
Affectionen“ behandelt. Auf die klinische Darstellung und auf die
Therapie wird das Hauptgewicht gelegt; sowohl die Symptome der
einzelnen Affectionen, wie die Differentialdiagnose werden in sehr
detaillirter Weise erörtert; in dieser Art der klinischen Klein¬
malerei excelliren ja gerade unsere französischen Collegen; sie
legen mit Recht grossen Werth auf die Schilderung auch der
scheinbar unwesentlichen Dinge, welche gewiss dem Erfahrenen
oft Überflüssig erscheint, es aber für den Lernenden ganz und
gar nicht ist. Dabei schützt auch in dem B e r d a I ’sclien Buche
die übersichtliche Disposition und die Recapitulation des Wesent¬
lichen in Form von Thesen den Leser davor, dass er über dem
Detail die grösseren Gesichtspunkte vergisst. Besonders in der
Therapie kann ein Lehrbuch kaum zu eingehend sein — wenn
man sieht, wie oft aus an sich vortrefflichen Vorschriften in der
Hand des Nicht-Erfahrenen (freilich auch leider allzuoft des Nicht-
Denkenden) etwas Unnützes, ja Schädliches wird, wird man die
bei der Lectüre wohl etwas ermüdende Breite in der Darstellung
der Therapie im Interesse der Lernenden und der Leidenden dank¬
bar begrtls8en. Die Darstellung ist überall klar, die beigegebenen
Abbildungen zwar nicht sehr zahlreich, aber doch zur Illustration
der praktisch wichtigsten Dinge ausreichend, wenngleich die Aus¬
führung nur mässigen Ansprüchen genügt.
Was den Inhalt des Werkes selbst angeht, so ist derselbe
m. E. ein erfreuliches Zeichen dafür, wie sehr durch die Zunahme
des internationalen wissenschaftlichen Verkehrs die Differenzen der
„Schulen“ abgenommen haben. Die Gonorrhoe wird vom streng
bakteriologischen Standpunkte aus abgehandelt; auch die des Weibes
und die des Auges, welche sonst in den Büchern der Sypliilido-
logen meist zu kurz kommen, werden eingehend geschildert; der
Rheumatismus wird ausführlich, die „seltenen Complieationen“entspre-
chend ihrer geringeren praktischen Bedeutung ganz kurz abgehandelt.
Unter den nicht-syphilitischen venerischen Ulcerationen nimmt
die erste Stelle natürlich das Ulcus molle ein. Der Verfasser er-
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158
Buchanzeigen und Besprechungen.
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kennt den Ducrey’echen Bacillus an und bespricht die Methoden
seines Nachweises, dem er eine grosse praktische Bedeutung zu¬
erkennt; die Darstellung der Varietäten des weichen Schankers
und seine Differentialdiagnose ist sehr gut gelungen. Bei den Bu¬
bonen sind die neueren Arbeiten, welche die Bedeutung der Misch-
infection mit pyogenen Mikroorganismen so sehr herabgemindert
haben, noch nicht berücksichtigt. Ein eigenes Capitel, dessen Aus¬
führlichkeit dnrch das Interesse des Vaters für sein Kind entschuldigt
ist, wird der „Balanoposthite 6rosive circinie“ gewidmet, die
B er dal im Verein mit Bataille beschrieben und als eigene
specifische Infectionskrankheit aufgefasst hat (cf. dieses Archiv 1890
p. <568). Die diesem Capitel beigegebenen Abbildungen illustriren
die Resultate, welche mit der Inoculation dieser Affection in Serien
erzielt worden sind, in sehr anschaulicher Weise; die Affection,
deren klinische Eigenart der Ref. ohne Weiteres zugeben möchte,
scheint in Paris häufiger zu sein, als in Deutschland. Für weniger
scharf charakterisirt halte ich die „Balanite pustulo-ulcöreuse“ Du
C a s t e 1 ’s.
Unter dem Namen der „paravenerischen Affectionen“ fasst
Be rdal den HerpeB genitalis, die Vegetationen Phimose und
Paraphimose, Phthiriasis und Scabies zusammen. Es ist gewiss
richtig, dass eine Darstellung dieser Krankheiten in einem Lehrbuch
der Venereologie nicht fehlen darf. Ein sehr ausführliches „Formu-
laire“ schliesst den ersten Theil des Werkes. Auch wo man von
den Anschauungen Berdal’s abweicht — und der Ref. gesteht,
dass das in manchen Punkten bei ihm der Fall ist—muss man der
unparteiischen Darstellung seine Anerkennung zollen. B. empfiehlt
die abortive Methode der Gonorrhoe-Behandlung nur für die aller¬
ersten Stadien der Infection (mit ganz schwachen Lösungen von
Kali hypermanganic.) und bricht eine Lanze für die classische
„methodische Behandlung der Gonorrhoe“; er vermeidet die
wirklich locale Therapie der acuten Gonorrhoe bei der Frau; er
ätzt das Ulcus molle mit Chlorzink etc. etc. Da aber überall die
verschiedenen Anschauungen ausführlich wiedergegeben Bind, tliun
solche Abweichungen von dem, was uns als das empfehlens-
wertheste erscheint, dem Werthe des Buches keinerlei Eintrag.
Dasselbe kann somit warm empfohlen werden.
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Buchanzeigen und Besprechungen.
1 f>9
Bergmann, Dr. Ad. von. Die Lepra. Deutsche Chirurgie. Lie¬
ferung 10 b . Stuttgart. Verlag von F. Enke 1897.
Angezeigt von Prof. Doutrelepont in Bonn.
Zu passender Zeit, in welcher die Leprafragen wieder leb¬
hafter discntirt werden, neue Lepraherde auftauchen und immer
mehr einzelne Leprafölle von Gegenden, wo der Aussatz endemisch
vorkommt, importirt in Europa beobachtet werden, erscheint dieses
Buch. In 112 Seiten gibt uns der Verfasser, ein erfahrener Lepra¬
forscher und Direktor des Leprosoriums zu Riga, einen vollstän¬
digen Ueberblick Uber die einzelnen Fragen, welche sich auf Lepra
beziehen.
Nach einem Literaturverzeichniss, welches die letzten 10 Jahre
umfasst, hinsichtlich der älteren Arbeiten wird aufLeloir’s Traite
de la Lepre verwiesen, gibt von Bergmann einen genauen Be¬
richt über die Geschichte und die geographische Verbreitung der
Lepra. Im 2. Capitel folgt die Aetiologie, wobei alle bezüglichen
Ansichten genau, kurz und klar besprochen werden; besonders die
Ansichten der Vertreter der Contagiosität und ihrer Gegner werden
sorgfältig aufgezählt und erwogen, die Thatsachen, welche fUr oder
gegen die einzelnen Ansichten aus der Literatur herangezogen
werden können, scharf und klar gegeniibergestellt, wobei der Autor
selbst sich als Anhänger der Contagiositätslehre bekennt. Die
Fälle, welche zur Entscheidung der Incubationszeit des Aussatzes
dienen können, werden aufgeflihrt. Der Verfasser nimmt einen Primär-
affect, welcher bald nach der Infection auftritt, dem aber nur nach
mehreren Jahren die allgemeinen Symptome folgen, an und ver¬
gleicht dieses initiale Infiltrat der Lepra mit der Initialsklerose der
Lues, gibt aber an, dass durch die Exstirpation desselben der
Ausbruch der Allgemeinsymptome nicht zu verhindern ist, was
direct -dagegen spricht, dass die Entstehung der Lepra ein aus¬
schliesslich localer Vorgang sei. In demselben Capitel werden die
Prodrome der Krankheit ausführlich behandelt. Das 4. Capitel ist
dem Leprabacillus und der pathologischen Anatomie gewidmet; die
bis jetzt vergeblichen ZUchtungsversuche und die negativen Re¬
sultate der Versuche die Lepra auf Thiere zu Übertragen finden
ihre Aufzählung und Beurtheilung. Bei der Besprechung der Ver¬
breitung des Leprabacillus in den verschiedensten Organen erklärt
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IGO ßudiunzeigen und Besprechungen.
der Verf. die Erkrankung der Lungen und des Darmes bei Lepra
für noch nicht sicher entschieden und behauptet, dass trotz regel-
mä88 : ger Erkrankung der Nieren der Bacillus nicht aufzufinden ist.
Dagegen möchte ich hervorheben, dass die Bacillen in den Nieren
häufiger gefunden worden sind, dass die lepröse Erkrankung der
Lungen auch von Hansen nach den Befunden von Dr. Lie und
von uns zugegeben wird (cf. A. Hansen, Leprosy Medical Annual
1897) und dass in dem Falle, welchen ich mit Wolters be¬
schrieben habe, nicht allein eine deutliche rem lepröse Erkrankung
der Lungen und Nieren constatirt wurde, sondern zum ersten Male
auch der Darm eine sichere Erkrankung an Lepra mit zahlreichen
charakteristischen Leprabacillen aufwies (dieses Archiv Bd. 34,
p. 55). In diesem Aufsatze finden sich auch die früheren Nach¬
weise von Leprabacillen in Nieren und Lungen aufgeführt. Iin
5. und 6. Cap. bespricht v. B. die Symptomatologie und den Ver¬
lauf der Lepra in ihren beiden Formen der Lepra tuberosa und
Lepra nervorum. Das 7. Capilel handelt von der Diagnose und
Differentialdiagnose, alle Erkrankungen, welche mit der Lepra
verwechselt werden könnten, bespricht der Verf. eingehend und
hebt klar die Differentialraomente hervor, gegenüber der Tubercu-
lose, Lues, Erythema exsudativum, Herpes, Ekzem, Atrophia cutis
und Pigmenterkrankungen. Auf das Verhältniss der Syringomyelie
und der Morvan’sclien Krankheit geht v. B. dann noch aus¬
führlicher ein, da diese Krankheiten in letzter Zeit besonders von
Zambaco zu der Lepra gerechnet werden, wogegen der Verf.
sich entschieden ausspricht.
Im letzten Cap., welches die Therapie behandelt, wird gegen
die Verbreitung der Krankheit hauptsächlich die Isolirung der
Kranken empfohlen, v. B. schliesst, leider mit Recht, dieses Cap.
mit der traurigen Erkenntniss, dass wir in der radicalen Heilung
des Leidens es nicht weiter gebracht haben, wie früher, dass wir
aber durch die Massnahmen unserer Therapie im Stande sind, die
Leiden dieser wahrhaft Unglücklichen zu mildern.
Am Schlüsse des Werkes folgen 7 schöne Tafeln, die erste
gibt histologische Bilder der Lepra, die anderen 6 sind Rcpro-
ductionen von guten Porträts leprös Erkrankter. Wir können dieses
Buch nur recht warm dem Studium empfehlen.
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Archiv f. Dermatol, u. Sypliil. Baud XXXIX.
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Aus der königl. Universitätsklinik für Syphilis und Hautkrank¬
heiten des Herrn Q-eheimrath Prof. Z)r. Doutrelepont zu Bo nn.
Ueber locale Veränderungen nach intra-
musculärer Injection von Hydrargyrum
salicylicum.
Von
Dr. Max Wolters,
Privatdocenten für Dermatologie, I. Assistenzarzt der kgl. dermatol. Universitätsklinik
zu Bonn.
(Hierzu Taf. VII u. VIII.)
Durch den Tod eines, kurze Zeit in der Klinik wegen
Syphilis behandelten Patienten bot sich mir Gelegenheit zu
weiteren Studien über die Einwirkung intramuskulärer Injec-
tionen von unlöslichen Quecksilbersalzen. Die Verhältnisse
lagen in diesem zweiten Falle ungleich günstiger als in dem
von mir beobachteten und in diesem Archiv Band XXU mit-
getheilten ersten Falle. Der Patient war noch nicht vorher
durch Injectionen behandelt worden; es wurden nur im Ganzen
6 Einspritzungen gemacht, und zwischen der letzten und der
Zeit des Ablebens lagen nur 3 Monate. Die Injectionsherde
kamen daher früher zur Untersuchung, lagen räumlich getrennt
und waren nicht, wie im ersten Falle durch neue, in dieselbe
Stelle gemachte Injectionen in ihrem Aussehen verändert.
Kurz, es fanden sich die Herde isolirt in der Musculatur vor
und boten das ungetrübte Bild der Veränderungen dar, wie
sie nach 3 Monaten sich entwickelt hatten.
Auch in diesem Falle waren an der Leiche die Injec-
tionsstellen, wenn auch nicht so drastisch wie im ersten Falle,
durch kleine Knoten in der Tiefe markirt. Dieser Umstand
verhalf mir Mangels stärkerer Veränderungen zur Auffindung
der Herde.
li*
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W olters.
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Dass überhaupt die alten Injectionsstellen noch monate¬
lang in der Tiefe als kleine rundliche Knoten und Resistenzen
zu fühlen sind, habe ich in meiner ersten Mittheilung aus¬
drücklich erwähnt. Es ist dies auch in den Berichten über
die Lnjectionstherapie, sowie in der anschliessenden Discussion
in der französischen Gesellschaft für Dermatologie letzthin
von verschiedenen Seiten bestätigt worden.
Dass subjective Beschwerden beim Auftreten derartiger
Infiltrate ebenso wie ihre Grösse und die Zeit ihres Bestehens
individuell variiren, und bis zum gewissen Grade mit der An¬
zahl der Injectionen im Verhältniss stehen, ist für mich zwei¬
fellos, ebenso wie, dass Infiltrate leichter bei Frauen, wohl
wegen der stärkeren Adipositas, gefunden werden. Es darf
daher nicht Wunder nehmen, wenn, wie in meinem ersten
Falle, nach 62 Injectionen noch nach 1 Jahre Infiltrate zu
fühlen waren.
Es ist meines Erachtens dieser Fall für die grosse Zahl
der Injectionen in seinem Befunde als typisch anzusehen.
Aber auch nach einer geringeren Anzahl von Injectionen
ist es sicherlich die Regel, dass sich nach (5—7 Monaten noch,
bei genauer Palpation vereinzelte Infiltrate durchfühlen lassen.
Ich habe darauf in letzter Zeit noch ganz besonders geachtet.
Kommen nun, wie in meinem ersten Falle im Laufe der Jahre
immer neue Herde dazu, die, wie erwiesen, mit bindegew'ebiger
Schwiele heilen, so ist es natürlich, dass sich Conglomerate
von Infiltraten, Verhärtungen bilden, die dann ohne Mühe zu
fühlen sind. Somit muss es als typisch angesehen werden,
dass bei zahlreichen Injectionen leicht palpabele Knoten in
den Glutaeen Zurückbleiben, bei weniger zahlreichen, einzelne
schwerer durchzufühlende. Ich kann daher den zuerst ver¬
öffentlichten Fall nicht als selten oder ungewöhnlich bezeichen,
wie Jadossohn ihn in seinem Referate über meine Mitthei¬
lung 1 ) angesehen wissen will. Zahlreiche Injectionen bedingen
eben noch auf Jahre hinaus fühlbare Infiltrate.
Die Krankengeschichte des zweiten von mir untersuchten
Patienten ist kurz folgende:
’) Centralblatt für Chirurgie. 1806. Nr. 15.
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Ueber loyale Veränderungen nach intramusculärer Injection. 165
K. J., 24 Jahre alt aus W.
Patient stammt aus einer gesunden, nicht belasteten Familie; spe-
ciell lässt sich von Syphilis, Tuberculose oder nervösen Erkrankungen in
der Ascendenz Nichts nachweisen. Der Kranke selbst gibt an, früher immer
gesund und bis zu seiner jetzigen Erkrankung nie leidend gewesen zu
sein. Gegen Ende August 1895, ungefähr 5 Tage post Coitura, soll im
Sulcus coronorius, auf der Glans und auf dem Dorsum penis eine Reihe
von Geschwüren aufgetreten sein, die unter Anwendung von Jodoform
rasch verheilten. Da einige derselben leicht indurirte Narben hinter-
liessen, und weiterhin regionäre Lymphdriisenschwellungen auftraten, so
wurde vom behandelnden Arzte eine Inunctionscur eingeleitet und
114 Gr. Unguent einer, verbraucht.
Nach 5 wöchentlicher Cur traten Paresen in Armen und Beinen
auf, Paraesthesien, Doppelsehen, Sprachstörungen, weshalb die Quecksilber¬
behandlung aufgegeben wurde. Doppelsehen sowie Sprachstörung ging
zurück, dagegen schwanden die Paresen nicht völlig und es stellten sich
vorübergehend sogar Störungen in der Uriuentleerung ein.
Da sich bald darauf sehr ausgedehnte Secundaria einstellten, liess
sich der Kranke am 8. October in die Klinik aufnehmen. Die nervösen
Symptome waren noch in geringem Grade vorhanden.
Der gut genährte Kranke von mittlerer Grösse zeigt keine Stö¬
rungen des Allgemeinbefindeus, kein Fieber, keine Veränderungen in
Herz und Lungenthätigkeit; Urin frei von Zucker und Eiweiss.
Auf der Glans penis, nahe dem Orificium urethrae ein beinahe ver¬
heiltes Geschwür mit massig indurirtem Grunde: auf dem Dorsum penis
und im Sulcus coronarius je eine linsengrosse indurirte Narbe. Es findet
sich weiterhin indolente Drüsenschwellung am ganzen Körper, diffuse
Alopecia massigen Grades.
Auf dem Kopfe finden sich nässende Papeln, ebenso wie am rechten
Nasenflügel, ausgesprochen maculöses Exanthem, besonders auf Brust und
Bauch. Ziemlich starke Plaques auf den Tonsillen.
Es findet sich weiterhin noch eine leichte Atrophie in der Mus-
culatur der Extremitäten, Schwäche in der Rumpfmusculatur und Herab¬
setzung der Empfindlichkeit als Reste der früher vorhanden gewesenen
Symptome vor. Unter Injectionen von 10°/ 0 Hydrargyrum salicylicum Sus¬
pension, 0.06 jeden 3. bis 4. Tag schwanden die luetischen Er¬
scheinungen sehr rasch, so dass nach 6 Injectionen Nichts mehr davon
nachweislich war. Gleichzeitig aber damit nahm die Mattigkeit und Schlaff¬
heit des Kranken zu, Taubsein der Extremitäten trat ein, und liess eine
weitere Verabreichung von Hydrargyrum unthunlicherscheinen. Es wurde
Kalijodatlösung verordnet und täglich 2—3 Gramm genommen. Gleich¬
wohl nahmen die nervösen Symptome nicht ab. Es bildete sich ziemlich
rasch schlaffe Lähmung und Hypaesthesie an den Extremitätenden
aus, Sehnenreflexe fehlten; des weiteren traten partielle Entartungsreac-
tion und fibrilläre Zuckungen auf. Dazu kamen Störungen in der Urinent¬
leerung, Schwäche der Rumpfmusculatur und Herabsetzung der Empfind-
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Wo 11 e r s.
106
lichkeit am ganzen Rumpf. Der Patient wurde zur weiteren Behandlung
auf die medicinische Klinik verlegt, wo die Diagnose Polyneuritis be¬
stätigt wurde.
Audi mikroskopisch ist dann nach dem 3 Monate später
erfolgten Tode von Brauer 1 ) diese Diagnose sichergestellt
worden, wobei er allerdings im Zweifel lässt, ob Lues oder
Quecksilber oder eventuell beides zusammen die Affection be¬
dingt habe. Herr Dr.Brauer wird auf die Sache noch genauer
in einer grösseren Publication eingehen, für das vorliegende
Thema ist nur eines noch von Interesse, dass nämlich an der
Musculatur des Körpers Veränderungen sich nicht haben nacli-
weisen lassen. Es fällt damit der Einwand, dass es sich bei
den später zu beschreibenden Befunden um Einwirkung der
nervösen Erkrankung habe handeln können. Der Sectionsbe-
fund ergab, das centrale und periphere Nervensystem abge¬
rechnet, Nichts von Bedeutung. Eiir mich kam es vor Allem
darauf an, die Stellen in der Glutaealmusculatur aufzufinden,
wo die Injectionsmassen deponirt waren. Durch genaue Pal¬
pation gelang es ohne grosse Mühe, und wurden die Stellen
mit intacter Musculatur der Umgebung herausgenommen, und
zwar aus äusseren Gründen nur aus der linken Gluaealmuseu-
latur. Die Muskelstücke wurden in M ii 11 e r'scher Flüssigkeit
gehärtet. Es fanden sich nun, nicht wie im ersten Falle nach
Entfernung der Haut derbe spindelförmige Herde von mehr
oder weniger glasig transparentem Aussehen, sondern es
Hessen sich in dem Musculus glutaeus max. und medius längliche,
mehr diffuse Härten durch die Palpation uachweisen, die aller¬
dings auf dem Querschnitte etwas glasiges Aussehen darboteu.
Solcher Infiltrate wurden entsprechend der Zahl der Injectionen
nur 3 gefunden, was die Annahme, dass wir die Injectionsstellen
vor uns hatten, noch bestätigte. Die spätere genaue mikro¬
skopische Untersuchung erwies diese Auffassung als völlig
zutreffend.
Am Querschnitte des gehärteten Präparates sieht man
deutlich zwischen den Muskelbündeln eines, das sich durch
sein Aussehen von den übrigen unterscheidet. Es zeigt statt
') WandLTversammlunjj sin!westdeutscher Xeurulogen und Irrenärzte
lSbb. Areli. f. Psychiatrie. Bd. 28. lieft i».
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Ueber locale Veränderungen nach intramusculärer Injection. 167
des graugrünen gleichmässigen Farbentones ein fleckiges Aus¬
sehen ; auch ist es durch breitere Zwischenräume von den anderen
Bündeln getrennt. Betrachtet man diesen quer zur Muskelaxe
gelegten Schnitt bei Loupenvergrösserung, so zeigt sich, dass
zwischen den normalen, compacten Muskelbäuchen einer
eingebettet liegt, dessen Substanz durch zahlreiche, runde
und ovale Oefinungen durchbrochen ist. Dieser veränderte
Muskel liegt von den übrigen durch breitere Zone getrennt.
Zur genauen Untersuchung wurden die Muskelstücke in Celloi-
din eingebettet und geschnitten. Hämatoxylin, Carmin,
Pikrocarmin, Triacidmischung nach B i o n d i, Orcein Färbungs¬
methode nach Tänzer für elastische Fasern, sowie Wei-
gerts Methode der Fibrindarstellung wurden zur Klärung
der Verhältnisse herangezogen.
Ein Theil des Materiales wurde quer, das andere längs
der Muskelfaserung gesclmitten, und von beiden Schnitt¬
gattungen auch Serien untersucht. An den Querschnitten zeigt
sich nun bei schwacher Vergrösseruug, dass die ganze Masse
des mehr central liegenden Muskelbauches verändert ist, und
zwar erscheint nur noch ein Theil der Fasern erhalten, wäh¬
rend ein anderer grosser Complex zu Grunde gegangen ist und
ersetzt wird durch ein Gewebe, dessen grosse Hohlräume und
Maschen wir schon bei Lupenvergrösserung deutlich erkennen
konnten. Dieses Ersatzgewebe trennt sich nicht scharf von
der Musculatur, sondern springt hier tief in die compacteren
Massen hinein, dort finden sich noch Muskelbündel vereinzelt
neben den Hohlräumen vor. Zwischendurch liegen undeutlich
und diffusgefärbte krümmelige Massen ohne bestimmten Cha¬
rakter. In den Uebergangsgebieten sieht man vereinzelte Ge-
fässe mit kleineren Infiltrationsherden, deutlicher und häufiger
in der stark verbreiterten bindegewebigen Muskelscheide.
Bei stärkerer Vergrösserung zeigt sich nun, dass nur ein
Theil des intact scheinenden Muskelbauches in der That intact
war; die bindegewebigen Septen waren verbreitert, und je
näher dem veränderten Theile erscheint fast jede Muskelfaser
umgriffen von wucherndem kernreichen Gewebe. Nach und
nach geht dann die Musculatur zu Grunde und man kann das
schrittweise verfolgen an den glasig und krümmelig werdenden
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168
Wolters.
Muskelschollen, die zuletzt nur noch als stärker gefärbte
bröckelige Massen im Bindegewebe die Stelle markiren, wo die
Faser lag. Die Kerne der Sarcolemms sind vermehrt, Neu¬
bildung von Muskelelementen ist nicht zu bemerken. Die
grösseren und kleineren Hohlräume in den bindegewebig ver¬
änderten Muskeltheilen zeigen sich meist von Bindegewebsfasern
begrenzt, die sehr kernreich sind. Da diese Kerne stellenweise
als flache Gebilde der inneren Wandung der Hohlräume an-
lagen, so konnte wiederum die Vorstellung Platz greifen, dass
es sich um Endothel tragende Hohlräume bandelte. Schon
höhere und tiefere Einstellung liess die Gebilde als nicht
kugelförmige erkennen; Serienschnitte, und vor allem Längs¬
schnitte der Muskulatur zeigten dann, dass es sich um röhren¬
förmige Hohlräume handelte, in welche hinein dann wieder
Wucherungen stattgefunden hatten.
Bei schwacher Vergrösserung erblickt man auf einem
solchen Längsschnitt die Musculatur, zerlegt durch eine grössere
Anzahl von Canälen, die in ihrer Breite und Configuration
wechselnd der Längsrichtung folgen. Diese Röhren in der
Musculatur sind, wie man an den schwach angedeuteten Quer-
septen erkennen kann, nicht leer, sondern werden von Gewebs-
zügen durchkreuzt, welche das ganze Lumen in grössere und
kleinere, mehr oder weniger gegeneinander abgeschlossene Hohl¬
räume thei'en, die alle eine rundliche oder ovoide Form dar¬
bieten, oder durch Combination solcher entstanden sind. Unter
diesen Verhältnissen war es klar, dass auch diesmal der
Versuch, das Canalsystem zu injiciren, fehlschlagen musste.
Kleinere und grössere Gefässe, von massigen rundlichen Infil¬
trationsherden umgehen, treten an vielen Stellen deutlich vor,
während im übrigen stärkere Anhäufung von Rundzellen fehlt.
Bei stärkerer Vergrösserung zeigte es sich auch hier,
dass nicht alle Muskelfasern erhalten waren, die sich bei
schwacher Vergrösserung so erschienen. Vielfach waren nur
noch Reste, an anderen Stellen Brockel und stärker färbbare
Krümmel übrig geblieben, die von einem sehr kernreichen
Gewebe breit umhüllt werden. In diesem lagen neben den
grossen ovalen oder auch häufig stäbchenförmigen Kernen ver- •
einzelte „Mastzellen“, sehr häufig aber Pigment führende Zellen
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Ueber locale Veränderungen nach iatraraiisculärer Injection. 169
und freie Pigmentschollen. Auch bei starker Vergrösserung
konnten frischere Entzündungserscheinungeu, Rundzellenan¬
sammlungen, mit Ausnahme der bereits erwähnten um die
Gefässe nicht aufgefunden werden. Leichtere Grade von
Endarteritis waren an Venen wie Arterien fast durchweg zu
constatiren. Wo die Muskelfasern noch in grösseren Verbänden
zusammen liegen, ist jede von einer grossen Menge in Reihen
liegender Perimysiumkerne begleitet. Der Kernreichthum
nimmt noch zu, je näher die Stelle einem der geschilderten
röhrenähnlichen Canäle liegt. Verfolgt man nun das Sarco-
lemma, wie es oft möglich ist, in einen solchen Hohlraum
hinein, so zeigt sich, dass dasselbe ohne Unterbrechung die
Innenfläche desselben überzieht. Von wechselnder Dicke, und,
wo stärker ausgebildet, fein streifig, mit denselben Ovalen
häufig stäbchenförmigen Kernen kleidet das gleiche Gewebe
die Canäle aus, um an anderen Stellen wieder zwischen
degenerirten, oder auch noch erhaltenen Muskelfasern sich zu
verlieren. Dabei spaltet sich von dem auskleidenden Gewebe
fortwährend eine Verästelung nach der anderen ab, um als
kernreicher Gewebszapfen in das Lumen hineinzuragen, oder
mit einem der anderen Wandung in Verbindung getreten
einen kleineren Hohlraum abzugrenzeu. Man kann so in ein¬
zelnen Stadien verfolgen, wie von den wandständigen Partien
ein Querseptum nach dem anderen gebildet wird, wodurch
dann der ursprüngliche Canal zu einer Reihe von hinter¬
einander liegenden Vacuolen wird. Es entspricht dies dem
von mir früher schon erhobenen Befunde, (1. c. pg. 13 unten),
dass die Vacuolen nahe der Musculatur bisweilen eine Anordnung
in Reihen zeigen, zwischen denen Streifen von länglichen
Kernen als Scheidewand hinziehen. Diese letzteren deutete
ich auch damals schon als vom Pirimysium herrührend.
An allen Stellen kann man dann erkennen, dass das ge¬
wucherte kernreiche Sarcolemma der einzelnen Muskelfibrillen,
wo es einen Hohlraum begrenzt, continuirlich übergeht in das
Gewebe, das die Vacuolen umscliliesst, und dass es auch da
die gleiche Structur aufweist, wo augenscheinlich durch narbige
Schrumpfung die Vacuolen dichter an einander gelagert eine
reiheDförmige Anordnung nicht mehr deutlich erkennen lassen.
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Wolter s.
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Es ist somit kein Zweifel, dass die im Muskel gefundenen
Hohlräume und Canäle vom Sarkolemma ausgekleidet sind,
dessen Kerne eine grosse Wucherung auch in den ent¬
fernter liegenden Theilen erfahren hab°n. Aus den vielfachen
Zwischenstadien ergibt sich fernerhin, dass durch Wucherung
und spätere narbige Schrumpfung des neugebildeten Gewebes
der Ausfall an zu Grunde gegangener Musculatur gedeckt
wird. Es wird somit nach Hg salieylicum Injection der Process
sich in der Weise gestalten, dass mechanisch und chemisch
eine gewisse Menge Muskelfasern zerstört werden, deren Zer-
fallsproduete, ebenso wie ausgetretene Blutelemente, nach Ab¬
lauf der acutesten Entzündungserscheinungen resorbirt werden.
Es resultiren daraus leere Sarcolemma-Schläuche oder, wo
auch das Sarcolemma ganzer Muskelbündel zu Grunde ging,
grössere Canäle, die von Sarkolemma ausgekleidet sind. Von
letzterem geht dann unter starker Kernvermehrung (Kern-
theilungsfiguren) eine Wucherung aus, welche das Minus des
Gewebes deckt und durch spätere Schrumpfung zur definitiven
Vernarbung bringt. Diese letzten Stadien hatte ich in dem
zuerst von mir veröffentlichten Falle Gelegenheit zubeobachten
und eingehend zu schildern.
Die früher ausgesprochene Ansicht, dass der entstandene
Defect durch Wucherung des Fettbindegewebes stattfinde,
wurde durch meine damaligen Befunde veranlasst, die aber
durch diese neuen Untersuchungen dahin zu ändern sind, dass
es allein das Sarkolemma ist, welches das verlorene Gewebe
ersetzt. Die oben geschilderte Bildung von Vacuolen, die nach
und nach ihre Anordnung in Reihen verlieren und von weniger
zellreichem Gewebe begrenzt erschienen, musste diese Annahme
wahrscheinlich machen. Auch möchte ich ausdrücklich darauf
hinweisen, dass die in den Wandungen liegenden Kerne, die
endotheliale Auskleidungen vortäuschten, eben nur die Kerne
des gewucherten Sarkolemmas darstellten.
Genaue Untersuchung auf Mikroorganismen nach ver¬
schiedenen Methoden blieb resultatlos, auch fand sich kein
Fibrin vor.
Der nach 2 Methoden gemachte Versuch, in der Muscu¬
latur Quecksilber nachzuweisen, gelang nicht.
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Ceber locale Veränderungen nach intramusculärer Injection. 171
Dieser negative Befund 3 Monate nach der Injection ist
wohl geeignet, den Vorwurf zu entkräften, dass die Depot¬
therapie auf lange Zeit hinaus noch Gefahren in sich berge,
durch eventuelle plötzliche Resorption von Quecksilber aus
alten Depots. Es findet sich nach 3 Monaten, vielleicht noch
nach kürzerer Zeit, überhaupt kein Quecksilber mehr an den
Injection sstellen vor, kann also auch von da aus keine ver¬
hängnisvolle Wirkung mehr entfalten.
Was die Wirkung der Quecksilbereinspritzungen auf die
Musculatur anlangt, so glaube ich, dass die neu gewonnenen
Befunde mit dem früher Gesagten (1. c. p. 17) durchaus in
Einklang stehen. Schon bei der Injection, oder kurz nachher
durch die Muskelaction wird das Injectum zwischen die Mus-
celfasern hineingetrieben und bildet so die streifenförmigen
Herde, welche uns als Canäle späterhin zu Gesicht kommen.
Wie weit dabei mechanische oder chemische Factoren bethei¬
ligt sind, lässt sich mit Sicherheit nicht sagen, doch scheint
der gleichmässige Befund der Canäle ohne centrale Zerfallshöhle
bei dem Hydrargyrum salicylicum wenigstens mehr für ein
Ueberwiegen der letzteren zu sprechen, und zwar für eine
langsame, nicht stürmische Umsetzung des injicirten Präparates.
Anders scheint es bei dem Calomel von dem fast allgemein,
letzthin von Juillien, *) betont wurde, dass an der Injections-
stelle ein acuter und heftiger Zerfall zur Höhlenbildung führt.
') Annales VII. Febi. 1896 p. 174.
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172
Wo 1 terö.
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Erklärung der Abbildungen auf Tafel VII u. VIII.
1. Querschnitt der Muskulatur. In der Mitte und nach oben der
veränderte Muskelbauch mit den quer getroffenen Canälen (c) nach rechts,
dunkel gehalten, stärker gefärbte Massen in der Muskulatur (Zerfall);
desgl. oben im Bindegewebe mit Pigment vermischt P (Loupenvergröss.).
2. Längsschnitt der Muskulatur. Canäle bei e. M erhaltene Muskel¬
fasern. g Gefässe (Loupenvergrösserung).
3. Eine Stelle aus einem Canal des vorigen Präparates bei starker
Vergrösserung. Auf beiden Seiten erhaltene Muskelfasern m. In dem
Canale gewuchertes Sarcolemma (S) mit vielen Kernen, das mit dem der
anderen Seite in Verbindung getreten ist. (A)
Gck igle
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Aus der k. k. dermatologischen Universitätsklinik von Prof.
F. J. Pick in Prag.
Ueber eine eigenthümliche Form multipler
infectiöser Hautgangrän.
Von
Dr. Ludwig Waelsch,
I. Assistent der Klinik.
(Hierzu Taf. IX.)
Am 30. April 1896 wurde auf unsere Klinik in elendem,
leicht benommenem Zustand der 38jährige Lohgerber K. H.
eingebracht. Die mit seiner ihn begleitenden Gattin aufgenom¬
mene Anamnese ergab Folgendes:
Im Jahre 1891 wurde Patient angeblich wegen einer Magengeschwulst
operirt. Seit dieser Zeit kränkelte er beständig; er litt an häufigen Magen¬
krämpfen, musste zeitweise das Bett hüten, und konnte nur mit grösseren
Unterbrechungen seiner Arbeit nacbgehen.
Vor 3 Wochen entstand ohne bekannte Ursache an der Haut der
Magengegend ein brauner Fleck, auf dem sich allmälig eine Beule bildete;
die letztere perforirte nach einigen Tagen, entleerte grünen Eiter und
wandelte sich in ein Geschwür um. Seit dieser Zeit entwickelten
sich fort und fort neue Beulen auf ganz gleiche Weise, die dann eben¬
falls aufbrachen und Geschwüre aus sich entstehen Hessen. Sie traten
successive auf an der Haut des Bauches, der Brust, der Arme und Ober¬
schenkel.
Seit den letzten 3 Wochen hustet Patient, hat grünlichen Auswurf
und schwitzt bei Nacht. In der allerletzten Zeit traten auch starke
Diarrhoen auf.
Patient war bis zu seiner Erkrankung angeblich in einer Gerberei
beschäftigt, wo er die frischen Häute, wie sie aus der Schlachtbank
kamen, von den Haaren zu säubern und in der Moldau zu waschen hatte.
Eine Verletzung an den Händen oder Fingern, oder eine Affection an
denselben, die den Beulen am Stamme ähnelte, will er nie beobachtet
haben.
Bis auf die jetzige Affection war Patient mit Ausnahme einer im
Alter von 4 Jahren erlittenen Verbrennung an Händen und Brust stets
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gesund. Er ist 4 Jabre verheiratet und hat 3 gesunde Kinderj die Frau
hat niemals abortirt. Seine Eltern, sowie ein Bruder starben an Lungen-
tuberculose.
Der Patient machte einen elenden, ungemein herabgekoramenen
Eindruck. Er ist leicht benommen und kann sich nur lallend verständi¬
gen. Er zeigt gracilen Knochenbau, sehr schwache Musculatur, ist hoch¬
gradig abgemagert. Die Wangen sind stark eingesunken, die Augen
hallonirt. Die Inspection der Mundhöhle sowie des Rachens ergibt nichts
Abnormes. — Der Hals lang, schmal, die Halslymphdrüsen nicht ver-
grössert.
An der Haut des Stammes, und zwar ausschliesslich der vorderen
Brust- und Bauchwand, an den oberen Extremitäten, sowohl an der
Streck- und Beugeseite, ferner der Streckseite der Oberschenkel finden
sich ungemein zahlreiche Geschwüre. Dieselben sind scharfrandig, von
rundlicher oder nierenförmiger Gestalt, 3—6 Cm. im Durchn esser. Der
Geschwürsgrund zeigt schlaffe Granulationen, die entweder missfiirbig
belegt, oder von eingetrockneten mit Blut untermischten Secretmassen
bedeckt sind. Auf Druck auf die weithin unterminirten Ränder der Ge¬
schwüre entleert eich reichlicher dünnflüssiger, höchst übelriechender
Eiter. Die Ränder selbst sind livide, oft bräunlich oder grünlich verfärbt.
Die unregelmässig geformten Geschwüre lassen an ihren Rändern aus
gegen den Geschwürsgrund einspringenden Zacken ihre Entstehung durch
ConÜuenz benachbarter Geschwüre deutlich erkennen. Dort, wo zwei be¬
nachbarte Substanzverluste nahe aneinander stehen, erweisen sie sich
nur durch eine schmale, schwarzblau verfärbte unterminirte Hautbrücke
von einander getrennt.
Links von der Linea alba, 4 Cm. unter dem Nabel, findet sieb eine
blaurothe fluctuirende Erhebung von etwa Thalergrösse, von verdünnter,
stark gespannter Haut bedeckt; daneben mehrere kleinere, oberflächliche
Abscesse.
Ein etwa bühnereigrosser Abscess von livider Haut überzogen
befindet sich in der Mitte des rechten Oberschenkels, am linken Ober¬
schenkel mehrere wie oben beschriebene Ulcerationen, welche aber mit
einem zwischen ihnen befindlichen Abscess communiciren, so dass sich
auf Druck auf den letzteren grosse Mengen Eiters aus den Geschwüren
entleeren. Die Geschwüre verbreiten einen ungemein penetranten, aashaften
Geruch. — Im Bereiche der vorderen Brustwand erscheint die geschwürs¬
freie Haut weiss, verdünnt, narbig-atrophisch (Verbrennungsnarbe); im
Hypogastrium eine vertical verlaufende, lineare, 5 Cra. lange Narbe
(Operationsnarbe). Ueber dem Kreuzbein besteht ausgedehnter brandiger
Decubitus.
Von einer Untersuchung der inneren Organe des Patienten musste
in Folge seines elenden Zustandes Abgang genommen werden. Im Harne
fanden Bich keine abnormen Bestandteile.
Es wurde sofort eine Untersuchung des Blutes und des Eiters vor
genommen.
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Ueber eine eigcnthüml. Form multipler infect. Hautgangrän. 175
Die Zählung der rothen Blutkörperchen ergab 4,890.000, die der
weissen 13.200, das Verhältniss der weissen zu den rothen 1:390;
Fleischl : 3')%.
Die mikroskopische Untersuchung der Blutpräparate ergab (nach
Löffler, Gram, Gäbet) ein vollständig negatives Resultat bezüglich
des Vorhandenseins von Mikroorganismen.
Im Eiter der Geschwüre fanden sich grosse Mengen nach Gram
sich färbender Diplococcen, zwischen denselben eingestreut kurze, nicht
Gram beständige Stäbchen, sowie sehr zahlreiche rundliche, coecen-
ähnliche Gebilde, die ebenfalls die Nachfärbung mit Vesuvin annahmen,
und endlich fein granulirte, ebenso sich tinctoriell verhaltende, unregel¬
mässig gestaltete dichte Haufen. Die nach Gram sich nicht färbenden
Bacillen landen sich dagegen fast in Reincultur neben spärlichen Gram¬
beständigen Diplococcen in jenen Präparaten, welche mit dem, aus den
uneröffneten Abscessen aspirirten Eiter angefertigt worden waren.
Mit dem Eiter, sowohl der Geschwüre, als der uneröffneten Ab-
scesse wurden auch behufs bakteriologischer Untersuchung Platten ge¬
gossen. Ueber die Resultate dieser Untersuchung will ich später berichten,
und mich vorläufig darauf beschränken, den weiteren Krankheitsverlauf
zu schildern.
Am Morgen des Tages nach seiner Aufnahme ist Patient fieberfrei,
verfallt sichtlich, beständiger Singultus, das Abdomen ist stark meteoristisch
aufgetrieben, bei Palpation schmerzhaft. Gegen Abend stellt sich unter
zunehmender Benommenheit des Patienten leichtes Fieber (38*2°) ein.
In der Nacht klagt Patient über sehr starke, krampfartige Schmerzen
im Unterleib, und bat mich dringend um eine Morphium-
injection. Die Bitte des Kranken, der ausdrücklich eine Morphium-
injection verlangte, machte mich stutzig. Ich sah aber auch zugleich,
dass ich es mit einem Sterbenden zu thun habe, und glaubte ihm seine
Bitte nicht abschlagen zu können. Nach verabreichter Injection stellte
sich unruhiger, von mussitirenden Delirien unterbrochener Schlaf ein.
Am nächsten Morgen war der Kranke bewusstlos, uugemein collabirt,
Temperatur 35*9°, Puls fadenförmig, kaum zu tasten, sehr frequent. Im
Laufe des Vormittags erfolgte der Exitus.
Die Stellung der klinischen Diagnose im vorliegenden
Falle war eine ungemein schwierige. Es kamen alle jene Krank¬
heitsbilder in Betracht, welche mit ausgedehnten Ulcerationen
der Haut einhergehen, demnach Lues. Tuberculose, Car-
cinomatose, chronischerMilzbrand und Rotz, mul¬
tiple Hautgangrän, Septico-Pyohämie.
Lues liess sich sowohl anamnestisch, als auch nach dem
klinischen Bilde und dessen Verlauf sofort ausschliessen, ebenso
auch Carcinose, an die wir wegen der anamnestisch erlio-
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Wael8ch.
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benen Operation einer angeblichen Magengeschwulst denken
mussten.
Gegen Tuberculose sprach das Aussehen der Ge¬
schwüre, sowie das Fehlen der Tuberkelbacillen im Eiter der
Ulcerationen; es ergab auch die Untersuchung des eitrigen
Sputum diesbezüglich ein negatives Resultat.
Dagegen aber liess die Beschäftigung des Kranken mit
frischen Thierfellen es als möglich erscheinen, dass wir es im
vorliegenden Falle vielleicht mit einer auf den Menschen über¬
tragenen Zoonose zu thun hätten.
Milzbrandbacillen oder überhaupt Grambeständige Ba¬
cillen konnten wir aber im Eiter oder Abscesse der Geschwüre
nicht nachweisen; ebenso sprach auch das Aussehen der Ab¬
scesse und Geschwüre, sowie der ganze Verlauf der Erkrankung
nicht für diese Diagnose. Dagegen liess uns der Beruf des
Kranken, zusammengehalten mit dem Befunde von nach Gram
sich nicht färbenden Bacillen, fast in Reincultur, im Eiter un-
eröffneter Abscesse au chronischen Malleus denken,
gestattete uns aber doch nicht, die Diagnose diesbezüglich
sicher zu stellen. Denn einerseits bietet das Bild des chro¬
nischen Hautrotzes, wie jüngst erst Buschke 1 ) wieder her¬
vorgehoben hat, ,,so wenig Charakteristisches, dass oft kli¬
nisch die Unterscheidung von syphilitischen, tuberculösen
Geschwüren, ev. Aetinomycose der Haut einfach nicht zu machen
ist“ und andererseits fehlten auch die charakteristischen Schleim¬
hauterkrankungen, und war endlich auch der Verlauf der
Krankheit, entgegen dem bei Malleus chronicus gewöhnlichen,
ein ungemein rapider (3 Wochen). Es genügte ferner auch
der Befund Gram nicht beständiger Bacillen im Eiter ohne
Zuhilfenahme der culturellen Untersuchung und des Thierex¬
perimentes nicht, um die Diagnose „Ilautrotz“ zu erhärten.
— Patient lag im Ganzen 1 , / w Tage auf unserer Klinik, eine
Zeit, die viel zu kurz war, um ein endgiltiges, einwurfsfreies
Resultat der bakteriologischen Untersuchung zur Verfügung zu
haben. Wir mussten demnach die Diagnose „Malleus chro¬
nicus“ zwar im Auge behalten, dabei aber doch noch über¬
legen, ob der geschilderte Symptomencomplex nicht auch noch
in anderen Ursachen seine Erklärung linden könnte.
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Ueber eine eigenthüml. Form multipler infect. Hautgangrän. 177
Wir hatten es im vorliegenden Falle mit einem Indi¬
viduum zu thun, das durch jahrelanges, der zum Tode
führenden Erkrankung vorausgehendes Krankenlager in seiner
Ernährung stark heruntergekommen, schwer cachektisch ge¬
worden war. Es war dann an der Haut des Kranken aus
nicht näher bekannter Ursache zur Entstehung von Infiltraten,
pustulösen Efflorescenzen auf denselben und geschwürigem
Zerfall der letzteren gekommen, ein Symptomencomplex, wie
er von Simon 8 ), Eichhoff 3 ) u. A. m. bei cachectischen
Kindern beschrieben wurde. Von den, Infectionsmaterial
reichlich enthaltenden und der Infection auch ausgesetzten
Abscessen und Geschwüren (s. das Resultat der mikroskopi¬
schen Untersuchung des Eiters), konnte es dann zu einer Pro¬
pagation des den Organismus schwer schädigenden Virus ge¬
kommen sein, so dass neben den Erscheinungen an der Haut
das Bild einer septischen Allgemeinerkrankung entstehen
konnte. Ausserdem liess es sich nicht von der Hand weisen,
dass wir es umgekehrt mit einer auf nicht eruirbare Weise
entstandenen septischen Allgemeinerkrankung zu thun hatten,
welche durch Hinzutreten eines uns vorderhand nicht bekannten
Virus zu ausgedehnter Hautgangrän, dem oben geschilderten
Symptomencomplex Veranlassung gegeben hatte.
Wir machten demnach die kliuische Diagnose: Gan-
graena cutis multiplex cachectica, Sepsis.
Die Section, welche im Prager deutschen pathologisch¬
anatomischen Institute des Herrn Professor Chiari von Herrn
Doc. Dr. v. Wunschheim ausgeführt wurde, ergab nichts,
was wir zur Stütze unserer Diagnose nach der einen oder
anderen Richtung hätten verwerthen können.
Ich hebe aus dem Protokoll nur hervor, dass sich neben
den Erscheinungen an der Haut und klinisch nicht nach¬
weisbar gewesenen Muskelabscessen pathologische Verände¬
rungen an den Lungen vorfanden. Die r. Luuge war im
Unterlappen leicht angewachsen, sonst frei, im rechten Pleura-
cavum fanden sich etwa 30—40 Ccm. einer gelblichen, trüben,
flockigen Flüssigkeit. Das Parenchym der rechten Lunge er¬
schien gedunsen, ziemlich substanzarm und enthielt im Unter¬
lappen zahlreiche, aashaft stinkende, bis taubeneigrosse colli-
Archiv f. Dermatol, u. Syphil Band XXXIX. J2
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quescirte Zerfallsherde. Die Pleura des Unterlappens war dem¬
entsprechend mit zartem, fibrinösem Belage bedeckt, etwas
missfärbig.
Die linke Lunge war ebenfalls ira Unterlappen adhärent, das
Parenchym derselben daselbst von schlaffer, lobulärer Ver¬
dichtung eingenommen, die zum Theil in Vereiterung und
auch etwas missfarbig erschien. Aus den Bronchien beider¬
seits, besonders links, war reichlich schleimigeitriger Inhalt
entleerbar. In beiden Lungenspitzen, dann auch zerstreut im
übrigen Lungenparenchym fanden sich einzelne Herde chro¬
nischer, zum Theil obsoleter Tuberculose.
Im Herzbeutel fand sich ein Esslöffel klaren Serums;
das kleine Herz war schlaff, blass, das Herzfleisch leichter
zerreisslich; die Herzklappen zart, an der Aorta mässige End-
arteriitis chron. deform. In den peribronchialen Lymphdrüsen
zeigte sich zum Theil obsolete Tuberculose.
Die Leber war entsprechend gross, von glatter Oberfläche,
ihr Parenchym röthlichgrau, etwas brüchiger die Milz mässig
vergrössert, blutreich, weich.
Die Nieren waren anämisch, sonst normal. Die Schleim¬
haut des harnleitenden Apparates erschien leicht geröthet; die
Hoden waren klein, schlaff, blass. Der Magen war stark aus¬
gedehnt, seine Mucosa blass, am Fundus stark postmortal an-
gedaut. Die Schleimhaut des mässig ausgedehnten Dünn- und
Dickdarmes war ohne Besonderheiten. Pancreas und Neben¬
nieren erschienen nicht pathologisch verändert.
Deckglaspräparate vom Eiter eines Hautmuskelabscesses
erwiesen darin reichliche Grambeständige Strepto- und Sta-
phylococcen, sowie reichliche nicht Grambeständige Bacillen.
In Culturen von diesem Eiter wuchsen Streptococcus pyogenes
und Staphylococcus pyogenes aureus, sowie Bacterium coli
commune, nicht aber der Bacillus mallei.
Die pathologisch-anatomische Diagnose lau¬
tete demnach: Abscessusmultiplices subcutanei et
intramusculares cumulceratione cutis late ex-
tensa. Bronchitis suppurativa et Pneumonia
lobul. sinistra partim in suppuratione. Gangraena
circumscripta multiplex lobi infer. pulmon. dextr.
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Ueber eine eigentliüml. Form multipler infect. Hautgangrän. 179
Pleuritis serofibrinosa bilateralis. Degeueratio
parenchymatosa myocardii et hepatis. Tumor
lienis acutus. Decubitus gangraen. in regione sa-
crali. Tuberculosis chron. et obsoleta pulmon.
et glandular. lymphaticar. peribronchialium.
Es gab also die Obduction nur Aufschlüsse über die patho¬
logischen Veränderungen der inneren Organe, auf deren Un¬
tersuchung wir intra vitam verzichten mussten, Hess uns aber
über die Aetiologie des Processes ganz im Unklaren.
Das Vorhandensein der intramusculären Abscesse, die
wir in vivo nachzuweisen nicht in der Lage waren, und die
als für chronischen Rotz charakteristisch angegeben werden,
Hessen uns umso gespannter die Ergebnisse der bakteriologi¬
schen Untersuchung und der Thierexperimente abwarten.
Resultat der bakteriologischen Untersuchung.
Inzwischen hatten sich aus den noch zu Lebzeiten des
Kranken auf dem Eiter angelegten Platten Culturen entwickelt,
welche ein ganz eigentümliches Aussehen zeigten, und in den
vom Eiter der unerüffneten Abscesse stammenden Platten
fast in Reincultur neben spärlichen Stachylococcencolonien
aufgegangen waren. Dieselben zeigten charakteristisches Aus¬
sehen, auf das ich noch später zurückkommen will, und er¬
wiesen sich bei der Untersuchung als nach Gram sich nicht
färbende kurze, an den Enden abgerundete Stäbchen, welche
etwas kleiner waren als die im Eiter beobachteten. Die
Stäbchen zeigten eine Länge von V/ 3 — 2 M. und deutliche
Eigenbewegung.
Wir überimpften aus den Platten noch auf Kartoffeln, auf
welchen der Rotzbacillus charakteristische honiggelbe bis rost¬
braune Rasen bildet, und legten auch gleichzeitig Culturen
auf den anderen gebräuchlichen Nährböden an. Ferner wurden mit
einer Aufschwemmung der Colonien aus den Platten männliche
Meerschweinchen intraperitoneal geimpft. W r ir wähltep männ-
Hche Thiere, da nach Strauss 4 ) auf Einbringung von rotz-
verdächtigem Material in die Bauchhöhle dieser Thiere nach
2—3 Tagen charakteristische Hodenschwellung auftritt, und
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andererseits gerade Meerschweinchen für septische Infections-
keime, die als Nebenbefund in Rotzgeschwüren häufig Vor¬
kommen, weniger empfänglich sein sollen.
Die Züchtung des fraglichen Bacillus auf Kartoffel
ergab ein für Kotz negatives Resultat. Es bildete sich näm¬
lich nach 24 Stunden ein schmutzig-gelbgrauer Belag, in dessen
Nachbarschaft nach weiteren 1—2 Tagen unter langsamem
peripheren Weiterwachsen des Belages sich eine eigenthüm-
licli schiefergraue Verfärbung der Kartoffeloberfläche ent¬
wickelte, wie sie Jäger 5 ) als charakteristisch für Proteus
fluorescens, den Krankheitserreger des Weil 1 sehen Icterus
beschreibt.
Ebenso hatte auch das Thierexperiment ein gegen Mal-
leus sprechendes Ergebniss, indem die Erkrankung der
Scheidenhaut des Hodens bei den Yersuchsthieren ausblieb.
Das Eigenthümliche des Falles, für welchen uns also die
bakteriologische Untersuchung vorderhand auch keine Erklä¬
rung gegeben hatte, und die merkwürdige, constant gleichblei¬
bende Wachsthumsform des Mikroorganismus auf den ver¬
schiedenen Nährböden forderten eine gründliche Weiterunter¬
suchung, über deren Resultat ich nun kurz berichten will.
a) Beschreibung der Wachsthumsformen des Bacillus.
Das Aussehen der Culturen war Folgendes:
In Agar platten entstanden oft schon nach 24 Stunden
rundliche, grauweisse Colonien, welche im durchfallenden Lichte
prachtvoll griin und roth fluorescirten, und nach der Peri¬
pherie fingerförmige, an den Enden oft leicht verdickte Fort¬
sätze entsenden, wodurch die Cultur wie von einem Strahlen¬
kranz umgeben erscheint, und ein Aussehen erhält, der Blüthe
der Sonnenblumen vergleichbar. (Fig. 6 o.) Daneben fanden
sich kleine, tropfenartige, durchsichtige Colonien, welche von
einem schmalen, im Niveau des Nährbodens gelegenen rauch-
grauen, oft bläulich schimmernden Ilof umgeben waren, der an
seiner Peripherie häutig eine Andeutung von Zacken- oder
Strahlenbildung erkennen liess. (Fig. 6 b.) In der Nachbar¬
schaft der Oberflächencolonien fanden sich schon nach 36
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Ueber eine eigenthüml. Form multipler infect. Hautgaugrän. 181
Stunden sehr zahlreiche Tochtercolonien, welche oft auf weite
Strecken hin isolirt zur Entwicklung kamen, um dann unter¬
einander oder mit der Muttercolonie zu grösseren Rasen zu
confluiren. In anderen Fällen, wenn im Centrum einer Platte
oder Kral’schen Plattendose der Nährboden mit dem der
Reincultur entnommenen Material beschickt wurde, entwickelten
sich strahlige Colonien, deren Strahlen eine ziemliche Länge
aufwiesen und alle nach einer Richtung gedreht erschienen, so
dass wasserstrudelartige Bilder zustande kamen. (Fig. 5.) In
wieder anderen Fällen konnte ich beobachten, dass schon nach
24 Stunden die ganze Agaroberfläche überzogen erschien von
einem milchgrauen Belag, der freie Lücken zwischen sich schloss,
eine Raschheit des Wachsthums, die darauf hindeutet, dass von
der sich entwickelnden Stammcultur Schwärme von eigenbeweg¬
lichen Mikroorganismen sich losgelöst haben mussten, und
dann nach ihrer Festsetzung sich rasch isolirt weiter entwickeln,
wie es von den Proteusarten beschrieben wird.
Die Tiefencolonien erwiesen sich als scharf- und glatt-
randige durchsichtigrauchgraue runde Colonien.
In Gelatineplatten zeigen die Colonien nach
24—36 Stunden ungemein verschiedenes Aussehen. Es finden
sich hier scharfrandige kreisrunde Oberflächencolonien, welche
an die des Typhusbacillus erinnern, ferner solche von
eigenthümlich lichtbrauner Farbe mit deutlicher concentrischer
Schichtung, wie sie dem Cholerabacillus zukommen, end¬
lich unregelmässig gestaltete grobgranulirte gelbbraune Cul-
turen, welche zwar scharf- aber nicht glattrandig sich begrenzen.
Im weiteren Verlauf zeigt sich dann hie und da um die
kleinen Colonien ein Saum verflüssigter Gelatine, während
andere wiederum diese peptonisirende Wirkung nicht erkennen
lassen, also verflüssigende und nicht verflüssigende Colonien
neben und durch einander liegen, ein Befund, wie er von
Jäger bei Proteus fluorescens beschrieben wurde.
Zwischen diesen soeben geschilderten finden sich auch
Colonien, welche ein ungemein vielgestaltiges Aussehen zeigen.
Sie haben die Gestalt von breiten Stäbchen, welche entweder
geradlinig verlaufen, oder vielfach zickzackförmig oder spiralig
gedreht sind, oder endlich zoogloeaartige, unregelmässig ge-
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staltete Massen darstellen, wie sie Hauser 6 ) bei Proteus
vulgaris gesehen hat. Die iin Centrum einer Gelatineplatte
angelegte Cultur zeigt in anderen Fällen wieder rasches peri-
jiheres Wachsthum mit rapid erfolgender Verflüssigung, so dass
sich schon nach 24—36 Stunden eine flache lichtgraue Scheibe
gebildet hatte, welche grob granulirt unter zunehmender Ver¬
flüssigung der Gelatine sich vergrösserte und nach 48 Stun¬
den bereits einen Durchmesser von über 1 Cm. erreicht hatte.
In der Nachbarschaft waren auch hier durch Ausschwärmen
zahlreiche ungemein vielgestaltige Colonien entstanden. Eine
Bildung langer Fäden seitens der Muttercolonie, wie sie
Hauser bei Proteus beobachtet hat, bestand hier aber
nicht.
In Bouillon entwickelt sich nach 24 Stunden eine dif¬
fuse gelblich-weisse Trübung der Nährflüssigkeit; an der Ober¬
fläche entsteht ein feines, weisses opalescirendes Häutchen,
das sich nach 3—4tägigem Wachsthum senkt, und dann viel¬
fach gefaltet unter dem Niveau der Flüssigkeit herumschwimmt,
oder sich allmälig ganz zu Boden senkt, während sich an der
Oberfläche ein neuer reifartiger Belag bildet; ferner besteht
deutlicher Niveaurand. Am Boden bildet sich ein dichter,
gelblichweisser Bodensatz, der beim Schütteln in groben Fetzen
aufsteigt, und sich durch anhaltendes Schütteln zu kleinen
Bröckeln vertheilen lässt.
Die mikroskopische Untersuchung ergab Auswachsen des
Bacillus in ungemein lange, zart gegliederte Scheinfäden,
neben isolirten kurzen Stäbchen; die des Häutchens zeigte
rundliche in grösseren Haufen nach Art der Staphylococceu
beisammenliegende Gebilde, eingebettet in nicht näher diffe-
renzirbare Massen.
Ge 1 atine-Stichcu 11ur: Nach 24 Stunden deutliches
Wachstbum längs des Stichs, in Form eines schmalen, grob-
granulirten. oft seitlich vielfach gekerbten Streifens. Um die
Einstiehsötfnung herum deutliches Wachsthum, sowie Beginn
trichterförmiger Verflüssigung. Im weiteren Verlaufe nimmt
die Verflüssigung mehr und mehr zu, erfolgt aber jetzt schicht¬
weise, so dass immer ein verflüssigter, diffus graugelb getrübter
Gelatinecylinder der nicht verflüssigten Gelatine aufsitzt. In
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Feber eine eigenthüml. Form multipler infect. llautgangrän. Jg3
der Nachbarschaft des Stichs entwickeln sich ungemein zahl¬
reiche, winzige Colonien, welche der Gelatine ihre Durchsich¬
tigkeit nehmen, und den Eindruck erwecken, als ob das Glas
der Eprouvette angelaufen wäre, später aber, als wäre der
Nährboden mit feinstem Sand vermengt. Sie kennzeichnen
sich als Tochtercolonien durch ihre prachtvolle Fluorescenz.
Es hat also der Mikroorganismus die Fähigkeit, die
Gelatine allseitig zu durchsetzen und Tochtercolonien in der¬
selben zu bilden. Dadurch erklärt sich auch das eigenthüm-
liche Verhalten der Gelatineculturen, dass manchmal die totale
Verflüssigung sehr rapid schon nach 36—48 Stunden erfolgt,
während innerhalb der ersten 24 Stunden nur minimale Ver¬
flüssigung sich beobachten liess. Es ist eben hier schon sehr
frühzeitig zum Ausschwärmen der Organismen gekommen,
welche isolirt für sich allein schon verflüssigende Colonien ge¬
bildet haben. Die Verflüssigung ist aber dann nie gleich-
massig, indem sich neben dünnflüssigen Theilen weniger stark
verflüssigte dicke Gelatinemassen darin vorfinden. Die Rasch¬
heit, mit weicher die Verflüssigung erfolgt, scheint vom Wasser¬
reichthum, also von der Consistenz der Gelatine abzuhängen,
was auch Hauser bei Schilderung des Proteuswachs¬
thums hervorhebt. Die Verflüssigung erfolgt aber bei letzterem
Bacillus strumpfförmig.
Andere Gelatineculturen zeigen wiederum ein Bild, wie
es Fig. 4 veranschaulicht. Es bildet sich hier inner¬
halb 36 Stunden längs des Stichs deutliches, streifenförmiges
Wachsthum aus, mit Beginn einer trichterförmigen Ver¬
flüssigung. Von dem centralen Streifen ausgehend, lassen
sich nun nach allen Seiten ausstrahlende fadenförmige,
feinste Fortsätze erkennen, welche die Gelatine verschieden
weit durchsetzen, ohne sie vorderhand zu verflüssigen. Zwi¬
schen diesen Fortsätzen und in der von ihnen noch nicht
durchwachsenen Gelatine Anden sioh kleinste, w r ie oben be¬
schriebene Colonien.
In Traubenzuckergelatine erfolgt das Wachsthum
ebenso wie in gewöhnlicher Gelatine, nur kommt es hier zu
deutlicher Gasbildung.
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Ist die Gelatine total verflüssigt, so erscheint sie gelb-
weiss getrübt, am Boden ein dichter, flockiger Satz.
Glycerin-Agar-Strichcultur: Schon nach 6 Stunden
sehr deutliches Wachsthum längs des Strichs in Form einer
schmalen, bandartigen Auflagerung, besonders an den unteren
Theilen des Nährbodens, wo naturgemäss mehr vom übertra¬
genen Material abgestreift wurde. An diesen unteren Theilen
zeigen sich ichon nach 6—8 Stunden charakteristische, oft bis
’/a Cm. lange, feine, manchmal sich gabelig theilende faden-
artige Fortsätze. Nach 24 Stunden hat sich ein 2—3 Mm.
breites Band von gelblichweisser Farbe und wachsartigem
Glanz längs des Strichs gebildet, das allseitig umgeben ist von
dicht aneinander gelagerten, den ganzen Rasen nach Art der
Zähne eines Kammes umgebenden Fäden. Manche dieser feinen
Fäden verzweigen sich noch astförmig, so dass stellenweise ein
sehr zierliches Geflecht zu Stande kommt.
Bei anderen Culturen bilden sich wiederum plumpere
seitliche Fortsätze, welche erst ihrerseits die feinen Fäden aus
sich entstehen lassen.
Nach 2 bis 3 Tagen beginnen zuerst an den unteren
Theilen die daselbst gelegenen Fäden zu confluiren, wodurch
der Rasen sich nach unten zu bedeutend verbreitert. Es lassen
sich jedoch an der Peripherie dieser unteren Theile noch hie
und da deutliche Fäden erkennen, die daun noch die restlichen
seitlichen Partien der Nährbodenoberfläche einnehmen. An den
oberen Theilen des Rasens sind die strahlenförmigen Fortsätze
dann noch immer deutlich ausgesprochen. Das C'ondenswasser
erscheint stark getrübt, am Grunde desselben gelblich weisse
Massen.
Die Bildung dieser eigenthümlichen fadenförmigen Fort¬
sätze konnte ich aber bei auf Zucker-Agar angelegten
Culturen nicht beobachten. Der Rand des sich hier rasch ent¬
wickelnden Belages war zumeist scharf und glatt, und zeigte
nur hie und da seichte und leichte Einkerbungen. Um diesen
streifenartigen Belag herum entwickelte sich nach 24stiindigem
Wachsthum ein 2 bis 3 Mm. breiter Saum, der etwas durch¬
sichtiger und lichter gelbweiss als der übrige Rasen erscheint
und von dem centralen Streifen jedoch durch eine scheinbar
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Ueber eine eigenthüml. Form multipler infect. Hautgangrän. 185
freie Nährbodenoberfläche getrennt ist. Nach weiteren
24 Stunden hat sich der mittlere Streifen nur wenig ver¬
ändert, dagegen hat sich der breite Rand um denselben ver¬
breitert und fast den ganzen Nährboden überzogen. Der freie
Theil zwischen ihm und dem centralen Streifen ist noch er¬
halten geblieben. Im Nährboden, ferner zwischen demselben
und der Glaswand entstanden zahlreiche Gasblasen.
Auf Harnagar erfolgte das Wachsthum ebenso üppig
wie auf den anderen Agarnährböden. Es entstanden auch
Fortsätze, welche aber nicht Fadenform aufwiesen wie auf
Glycerin-Agar, sondern sich vielfach zart moosartig verästelten.
Das mikroskopische Bild der von den Agarculturen angelegten
Präparate war innerhalb der ersten 24 Stunden dasselbe wie
das der in den Platten gewachsenen, also an den Enden ab¬
gerundete, ziemlich dicke Bacillen, die sich besonders schön
und gleichmässig mit alkalischen Methylenblaulösungen färbten,
und hier wieder am deutlichsten mit Sahli’s Boraxmethylen¬
blau, nach Gram sich entfärbten. Nach 36 Stunden fanden
sich aber nur noch wenige Bacillen, dagegen fast ausschliess¬
lich Involutionsformen, in Gestalt in Haufen beisammenliegen¬
der coccenähnlicher Gebilde, deren Längsdurchmesser nur
wenig den Breitendurchmesser überwog (vgl. das Ergebniss der
Untersuchung des Eiters). Diese eigenthümlich rasche Ent¬
stehung von Involutionsformen liess sich aber bei den späteren
Generationen, wahrscheinlich in Folge von Angewöhnung an
die saprophytische Wachsthumsform nicht mehr beobachten.
Es zeigten dann auch 40 und 60 Tage alte Culturen aus¬
schliesslich schöne, ausgeprägte Bacillenformen. Nur ergaben
sich hier Verschiedenheiten bezüglich der Färbbarkeit der
einzelnen Bacillen, indem sich neben sehr stark gefärbten
Stäbchen mehr weniger zahlreiche, blässer gefärbte Bacillen
(besonders deutlich bei Verwendung von Sahli’s Methylenblau)
beobachten liessen. Mit zunehmendem Alter der Cultur ging
auch die Zahl der schöngefärbten Stäbchen zurück.
Glycerin-Agar (Stichcultur): Nach 24 Stunden
deutliches Wachsthum längs des Stichs, ähnlich wie in Gelatine.
An der Oberfläche des Nährbodens, in der Nachbarschaft der
Einstichsöffnung, hat sich ein wachsartig glänzender weisser,
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fast die ganze Oberfläche des Nährbodens überziehender Käsen
gebildet, der sich nach 48 Stunden verbreitert und verdichtet.
Die Contouren des Stichs beginnen etwas verschwommen
zu werden; in der Nachbarschaft desselben erscheint ähnlich
wie bei Gelatine der Agar getrübt; diese Trübung nimmt all-
mälig mehr und mehr zu, so dass die genaue Begrenzung des
Wachsthums längs des Stichs verschwimmt.
In Traubenzuckeragar erfolgt das Wachsthum
(Stichcultur) in derselben Weise; schon nach 24 Stunden lassen
sich allenthalben im Nährboden zahlreiche Gasblasen nach-
weisen.
Blutserum (schräg erstarrt) Strichcultur: Längs des
Strichs bandförmiges Wachsthum, im auffallenden Licht von der
Farbe des Nährbodens, im durchfallenden gelblich weiss, schön
fluorescirend. Condenswasser diffusgeblichgetrübt. Nach 3 Tagen
hat sich der Streifen über die ganze Oberfläche des Nähr¬
bodens verbreitet. Die mittleren Theile lassen sich durch ihre
besondere Dichte von den übrigen Partien des Rasens trennen,
welche als zarte an den periphersten Theilen rauchig getrübte
Auflagerungen den Nährboden überziehen. Beginn der Ver¬
flüssigung des Blutserums. Im weiteren Wachsthum schreitet
diese Verflüssigung langsam fort, und erhalten die noch nicht
verflüssigten Theile eine bernsteingelbe oder dunkelbraune Farbe.
Lakmusmilch (mit neutraler Lakmustinctur als In-
dicator versetzt): Nach 24 Stunden ist die Farbe der Milch
etwas lichter geworden, bis auf einen schmalen, oberflächlichen,
2—3 Mm. breiten Streifen, der die Farbe der neutralen Lak¬
mustinctur beibehalten hat. vielleicht sogar etwas dunklerblau
geworden ist. Nach 48 Stunden hat dieser Streifen eine aus¬
gesprochen dunkelblauviolette Farbe angenommen, die Farbe
der übrigen Milch ist noch lichter geworden. Nach 3 Tagen
Eintritt der Gerinnung. Das Casein, das den stark abgeblassten
Farbstoff mitgerissen hat, ist noch nicht vollständig abgesetzt;
oberhalb desselben die schmutzig gelbgraue, wenig durch¬
scheinende Molke. Im weiteren Verlauf des Pilzwachsthums
nimmt das Casein rein weisse Farbe an, die Molke wird durch¬
sichtig und erhält nach 3—4 Wochen allmiilig braune Farbe.
Die Keaction der Milch schwach alkalisch.
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Ueber eine eigenthüral. Form multipler infect. Hautgangrän. 187
b) Thierversuche.
Mit diesem, durch seine eigentümliche Wachstlmmsform
ausgezeichneten Mikroorganismus nahm ich nun auch Thier¬
versuche vor, die ihn als einen ungemein pathogenen
kennen lehrten.
I. 450 Gr. schweres Meerschweinchen erhält 1 Ccm. einer
21 Stunden alten Zuckerbouilloncultur in die Bauchhöhle
injicirt. Innerhalb der nächsten 3 Tage geringere Fresslust.
Am vierten Tag Gewicht 300 Gr.; das Thier ist fieberfrei, sitzt
traurig in seinem Käfig, ist struppig, frisst nicht, macht einen
schwerkranken Eindruck. Nach weiteren zehn Tagen ist das
Thier bis auf die Knochen abgemagert (Gewicht 200 Gr.) und
geht an diesem Tage (dem vierzehnten nach der Impfung) zu
Grunde. Vier Stunden vor dem Tode stürzt es plötzlich auf
die Seite um, und zeigt tonische und clonische Krämpfe.
Die Section ergibt: sehr stark ausgesprochene Todten-
starre, der Rücken stark convex gekrümmt, die Extremitäten
krampfhaft maximal gestreckt.
Peritoneum stark glänzend, seine Gefässe mässig injicirt;
Milz vergrössert; in derselben, besonders zahlreich aber in der
Leber stecknadelkopfgrosse gelbe Knötchen. In beiden Lungen
pneumonische Herde.
Es gelingt weder aus dem Blut noch der Peritonealflüssig¬
keit den Bacillus zurück zu cultiviren; dagegen in Reincultur
aus den Knötchen der Leber und Milz.
Mikroskopisch finden sich in den beiden letzteren Organen
umschriebene Necroseherde, entsprechend den makroskopisch
sichtbaren Knötchen, ausserdem zahlreiche Hämorrhagien. In
den Necroseherden liess sich der Bacillus wegen der grossen
Schwierigkeiten der färberischen Darstellung nicht mit Sicher¬
heit nachweisen; der positive Ausfall der mit Organstückchen
von Leber und Milz angestellten culturellen Untersuchungen
beweist aber sein Vorhandensein.
H. 575 Gr. schweres Meerschweinchen erhält dasselbe
Quantum wie I einer gleichaltrigen Cultur intraperitoneal. Das
Thier erkrankt unter denselben Symptomen wie I. und gebt
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auch unter hochgradigster Abmagerung und mehrere Stunden
vor dem Tode plötzlich einsetzenden Krämpfen zu Grunde.
Sectionsbefund wie bei I. Ausserdem Coecum und Colon
meteoristisch ausgedehnt, der übrige Darm contrahirt. Die
Gallenblase über haselnussgross, von leicht getrübter Flüssig¬
keit erfüllt; am Grunde der Gallenblase dicker Eiter. Im
Zupfpräparat der Leberknötchen, ferner im Gallenblaseninhalt,
sowie in dem der maximal ausgedehnten Blase entnommenen
Harn der vorerwähnte Bacillus in Reincultur (im Harn ausser¬
dem noch Hefepilze und Spermatozoen), was durch die bak¬
teriologische Untersuchung bestätigt wurde.
Mikroskopische Untersuchung der inneren Organe: Be¬
fund wie bei I.
III. Eine weisse Maus erhält ’/* Ccm. einer 40 Stunden
alten Bouilloncultur in die Bauchhöhle. Tod nach 6 Stunden
unter Streckkrämpfen.
IV. Eine weisse Maus erhält 0'2 Ccm. derselben Cultur
wie III. intraperitoneal. Tod unter tonischen Krämpfen nach
13 Stunden.
V. Eine weisse Maus erhält 0'1 Ccm. einer 4 Stunden
alten Bouilloncultur in die Bauchhöhle. Tod nach 16 Stunden.
Durch 2 Stunden vor dem Tode tonische Krämpfe.
VI. Eine Hausmaus erhält 0‘1 Ccm. derselben Cultur wie
V. in die Bauchhöhle. Tod nach 14 Stunden unter Krämpfen.
Die Section von IV., V. und VI. ergibt ziemliche Mengen
freier Peritonealflüssigkeit, mit starker Injection des Peri¬
toneum; freie Flüssigkeit in beiden Pleurahöhlen. Aus diesen
Flüssigkeiten, sowie aus dem Blute des Bacillus in Reincultur
züchtbar.
Vn. Einem 6 Wochen alten, 1800 Gr. schweren Hund
wird 0*5 Ccm. einer 6 Stunden alten Zuckerbouilloncultur sub-
cutan unter die Haut des Rückens gespritzt. Im Laufe der
nächsten Tage bildet sich an der Injectionsstelle ein leicht
schmerzhaftes wallnussgrosses, fluctuirendes Infiltrat, das dann
im Verlaufe weiterer 14 Tage bis auf einen derben haselnuss¬
grossen Knoten verschwindet.
VIII. Männliches Kaninchen erhält am Abend 0'9 Ccm.
einer 5 Stunden alten verflüssigten Gelatinecultur unter die
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Ueber eine eigenthüml. Form multipler infect. Hautgangrän. 189
Rückenhaut. Am nächsten Tage sitzt das Thier traurig in der
Ecke des Käfigs mit stark gekrümmtem Rücken, frisst nicht.
16 Stunden nach der Impfung fällt es plötzlich auf die Seite,
bekommt tonische Krämpfe, die durch Klopfen an den Käfig
sich auslösen lassen, und geht nach weiteren 2 Stunden zu
Grunde. Auch hier die Todtenstarre ungemein ausgesprochen.
Bei der Section findet sich an der Injectionsstelle nur eine
kleine Blutborke, sonst nichts Pathologisches. fAn den inneren
Organen lassen sich makroskopische Veränderungen nicht nach-
weisen. In beiden Pleurahöhlen mässige seröse Ergüsse. An der
Lungenoberfläche kleine Ecchymosen. Milz nicht auffällig ver-
grössert. Coecum und Colon ascendens stark ausgedehnt,
kollossale Mengen Kothes enthaltend, der übrige Dickdarm
maximal contrahirt. Der rechte M. ilepsoas, weniger der linke
blass, leicht zerreisslich.
Aus dem Blute, der Pleuraflüssigkeit, sowie dem Harne
der Bacillus in Reincultur züchtbar.
Ergebnis» der histologischen Untersuchung eines
excidirtcn Abscesses.
Der Leiche wurde ein ungefähr wallnussgrosser, intacter
Abscess vom Oberschenkel entnommen, dessen histologische
Untersuchung folgendes Resultat ergab: Die epithelialen
Schichten der oberen Wand des Abscesses sind stark ver¬
schmälert, die Retezapfen und Papillen vollständig geschwun¬
den. In den oberen Schichten des Corium besteht gering¬
gradige Gefässerweiterung und perivasculäre kleinzellige Infil¬
tration, hie und da Reste umschriebener kleiner Hämorrhagien.
In den tiefen Schichten des Cutis, sowie in der Subcutis findet
sich ein bis auf die Fascie reichender, und die daselbst be¬
findlichen Gewebe theils zerstörender, theils auseinander
drängender Abscess, von welchem aus strangförmige entzünd¬
liche Infiltration sich weithin zwischen die Schichten des
Bindegewebes verfolgen lässt. In der Nachbarschaft des Ab¬
scesses, und zwar sowohl am Grunde als auch an den Seiten
desselben finden sich zahlreiche kleinere und grössere
Hämorrhagien.
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Die Abscesshöhle selbst ist erfüllt von ungemein dicht ge¬
lagerten Eiterzellen, zwischen welchen sich Fetzen nekrotischen
Gewebes vorfinden.
Zwischen den Eiterzellen, und zwar hauptsächlich an der
Peripherie lassen sich vermittelst der Färbung nach Gram
zahlreiche Staphylococcen nachweisen, die aber gegen die Mitte
des Abscesses zu spärlicher werden, während sie in den nekro¬
tischen Gewebsfetzen vollständig fehlen.
Es erübrigte noch der Nachweis des vorbeschriebenen
Bacillus im Gewebe. Da er aber nicht Gram beständig ist,
hatte ich bezüglich seiner Färberischen Darstellung mit grossen
Schwierigkeiten zu kämpfen. Nach vergeblichen Versuchen ihn
durch die Kühne’sche oder Löffler’sche Färbung nachzu¬
weisen, gelang es mir endlich ihn durch die von Jäger 5 ) an¬
gegebene Färbung im Gewebe sichtbar zu machen. Die Schnitte
kamen auf 3—5' in Carboifuchsin, hierauf in Essigsäurelosung
(1 Tropfen conc. Essigsäure auf 30 Ccm. Wasser), bis der Schnitt
keine Farbstoffwolken mehr abgab, und dann nur für so lange
Zeit in absoluten Alkohol, als zur Entwässerung unbedingt er¬
forderlich war.
Die Bacillen fanden sich dann ungemein zahlreich in den
vorerwähnten necrotischen Gewebspartien. Sie zeigten aber
hier bedeutendere Grösse als in den Reinculturen, 4—4*5 u
und waren manchmal fein granulirt. Zwischen den Bacillen
fanden sich auch kleinere rundliche Gebilde, die vollständig
übereinstimmten mit jenen, die ich auch in den Reinculturen
beobachten konnte. Sie liessen sich auch in kleineren und
grösseren Haufen, die Stapkylococcenhaufen sehr ähnlich waren
(vergl. die Beschreibung der Häutchen in den Bouillonculturen),
zwischen den Eiterzellen nachweisen.
Aetiologie der Haiitcrkrankimg.
Es fand sich also auch in den Hautabscessen der oben
beschriebene, exquisit pathogene Bacillus. Auf welche Weise
war es aber zur Iufection mit diesem Mikroorganismus ge¬
kommen?
Darüber gab uns nun eine Anamnese Aufschluss, welche
die Herren Dr. Fähnrich, Stadtarzt in Holleschowitz bei
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Ueher eine eigentbüml. Form multipler inlect. Hautgangrän. 191
Prag, und Dr. Kralowetz, ebendaselbst, die den Patienten
vor dessen Spitalseintritt durch längere Zeit behandelten,
Herrn Prof. Pick mitzutheilen die Güte batten. Beiden Herren
sei hiemit der wärmste Dank ausgesprochen.
Dieselbe ergab, dass der Kranke durch drei Jahre an
sehr heftigen, kolikartigen, mit Erbrechen einhergehenden
Schmerzanfällen litt, gegen die ihm öfters Morphiuminjectionen
applicirt wurden, da alle verwendeten inneren Mittel den Dienst
versagten. Die damals vorgenommene objective Untersuchung
des Patienten ergab das Vorhandensein einer flachen, 3*/2 Cm.
im Durchmesser fassenden Geschwulst (Lipoma praeperitoueale),
welche operativ entfernt wurde. Die Anfälle blieben darauf
drei Monate aus, kamen aber später mit gleicher Intensität
wieder. Vor zwei Jahren begann nun der Kranke
gegen die immer wiederkehrenden Schmerzan¬
fälle sich selbst Morphiuminjectionen mit einer
Lösung zu machen, die ihm ein Freund verschaffte. Die
letzte Injection machte er sich 3 Wochen vor seinem Eintritte
auf unsere Klinik in der Magengegend, wo sich auch, laut An¬
gabe seiner Frau, innerhalb dreier Tage ein rasch zu einem Ge¬
schwür zerfallender Abscess entwickelte, dem dann alsbald an
anderen Körperstellen derartige brandig zerfallende Geschwüre
folgten. — Patient war also ein schwerer Morphinist, und diea
erklärt seine hochgradige Kachexie und die kurz vor seinem
Tode von seiner Seite gestellte Bitte um eine Morphium-
injection.
Es kam also augenscheinlich durch die Verwendung der
unreinen Spritze und der ganz verrosteten Injectionsnadeln,
deren Uebersendung wir Herrn Dr. Fähnrich verdanken,
3 Wochen vor dem Tode zu einer Iufection der Injeetions-
stelle an der vorderen Bauchwand mit daran anschliessen¬
der Abscedirung derselben, und im Gefolge dieser Infectiou zu
einer Propagation des höchst virulenten Virus an der Haut des
kachektischen Individuums mit Bildung secundärer Abscesse.
Wir können diese später entstandenen Abscesse als secundäre
betrachten, da die 3 Wochen vor dem Tode des Kranken vor¬
genommene Injection überhaupt die letzte gewesen, welche er
sieb applicirte. Aus diesen später entstandenen Abscessen.
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Waelsch.
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konnte ich nun den vorbeschriebenen Bacillus fast in Reincultur,
mehr weniger verunreinigt durch Staphylococcen, züchten.
Ich stehe daher nicht an zu vermuthen, dass die Infec-
tion der Injectionsstelle mit diesem Bacillus erfolgte, der sich
uns auch durch das Thierexperiment als ungemein pathogen
erwies. Den Befund der Staphylococcen im Abscesseiter fasse
ich .als einen zufälligen auf, zumal ich in den centralen Theilen
des Abscesses, eingeschlossen in nekrotische Gewebsmassen
ausschliesslich den Bacillus nachzuweisen in der Lage war, und
sich in der Peripherie neben Staphylococcen auch entschieden
Mikroorganismen vorfanden, welche vielleicht Involutionsformen
des geschilderten Bacillus darstellen (vgl. die Untersuchung der
Agarculturen). Es dürfte also der eigentliche Krankheitserreger,
welcher zurNecrose des Gewebes führte, der charakteristische
Bacillus gewesen sein, und erst secundär, ein sehr häufiges
Yorkommniss, der Staphylococcus eingedrungen sein.
Bestärkt werde ich in dieser Ansicht durch die Ergeb¬
nisse einer Untersuchung von Babes und Pop, 7 ) welche vor
Kurzem einen Fall von „Pustula maligna mit secun¬
där er hömorrhagischer Infection, verursacht
durch einen specifischen Bacillus“, veröffentlichten.
Dieser letztere Bacillus hatte zwar durch sein Wachsthum den
des Anthrax zerstört und verdrängt, dafür aber dann die
Rolle des eigentlichen Krankheitserregers übernommen, und
zum Tode des Kranken geführt.
Culturcll zeigt dieser von Babes und Pop beschriebene
Bacillus so grosse Aehnlichkeit mit dem von mir gezüchteten,
dass ich nicht anstelle, ihn mit demselben zu identificiren.
Ebenso lässt auch der positive Ausfall der Thierversuche, der
ihn als einen ungemein pathogenen und rasch wirkenden Er¬
reger hämorrhagisch-septischer Erkrankung bei Kaninchen,
Meerschweinchen und Mäusen erkennen liess, diese Identifi-
cirung als gerechtfertigt erscheinen.
Was aber unseren Fall als besonders bemerkenswerth er¬
scheinen lässt, ist der Umstand, dass es hier nicht, wie beim Falle
Babes’, erst zu einer secundären Infection mit diesem Krank¬
heitserreger gekommen war, dem von einem anderen pathogenen
-erst der Weg gebahnt wurde, sondern dass hier schon
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Ueber eine eigenthüml. Form multipler infeet. Hautgangrän. 193
primär die Infection mit diesem Bacillus erfolgte. Es bilden die
Bacillen, zu denen der beschriebene gehört, um mit B ab es zu
sprechen, „offenbar Uebergänge zu den als Proteus bekannten
Formen, von welchen sie sich aber durch ihre Form, den Mangel
der so charakteristischen massenhaften Schleimbildung, sowie der
ungemein mannigfaltigen Formen der Stäbchen, welchen sie
ihren Namen verdanken, unterscheiden“.
Es ist aber der Befund dieses virulenten Bacillus in den
Abscessen dieser schweren multiplen Hautgangrän auch des¬
wegen von grossem Interesse, weil er uns einen eventuellen
Anhaltspunkt gibt für die Aetiologie dieser Erkrankung.
Meinem hochverehrten Lehrer und Chef, Herrn Professor
F. J. P i c k, fühle ich mich verpflichtet, meinen herzlichsten Dank
für die Ueberlassung des Falles und für die Förderung meiner
Arbeit auszusprechen.
Literatur.
1. Buschke, A. Ueber chronischen Rotz der menschlichen Haut
nebst einigen Bemerkungen über die Anwendung des Mallein beim Menschen.
Archiv f. Dermatol, und Syphilis. Bd. XXXVI p. 323.
2. Simon. Ueber multiple cachectiscbe Hautgangrän. Verhandl.
der medicin. Section der schles. Gesellsch. für vaterländ. Cultur. Sitzung
v. 20. Sept. 1878. Ref. im Archiv f. Derm. u. Syph. Bd. XI 1879 p. 394.
8. Eichhoff. Ueber multiple cachectische Hautgangrän. Deutsche
med. Wochenschr. Nr. 34. 1880.
4. Strauss. Archive de med. exper. 1892.
5. Jäger, H. Die Aetiologie des infectiösen fieberhaften Icterus.
Zeitschrift für Hygiene und Infectionskrankheiten. Bd. XII. 1892.
6. Hauser, G. Ueber Fäulnisbacterien und deren Beziehungen zur
Septicämie. Leipzig 1885.
7. Babes und Pop. Ueber Pustula maligna mit seeundärer hämor¬
rhagischer Infection, verursacht durch einen specifischen Bacillus. Deutsche
medicin. Wochenschrift. 1896. Heft 4.
Archiv f. Dermatol, u. Syphll. Band XXXIX.
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Erklärung der Abbildungen auf Tafel IX.
Fig. 1. 48 Stunden alte Cultur auf schrägem Glycerinagar: Gelb-
weisscr, wachsglänzender, streifenförmiger Belag mit dicht aneinander¬
stehenden, fadenförmigen Fortsätzen, die nach abwärts zu confluiren.
Fig. 2. 3b Stunden alte Cultur auf schrägem Zuckeragar: In der
Mitte längs des Striches streifenförmiger Belag; über der ganzen Breite
des Nährbodens, durch eine schmale Lücke von dem centralen Streifen
getrennt, rapides Waclisthura, das in den oberen Thcilen zur Bildung
eines zarteren, in den unteren Theilen sehr dichten Belages geführt hat.
Fig. 3. 3b Stunden alte Cultur in Zuckeragar (Stich): Längs des
Stichs sehr rasches Wachsthum in Form eines am Rand vielfach gekerb¬
ten Streifens.
Fig. 4. 48 Stunden alte Cultur in Gelatine (Stich): Längs des Stichs
streifenförmiges Wachsthum. Von dem Streifen gehen in den Nährboden
zahlreiche fadenförmige Fortsätze aus; ausserdem im Nährboden eine
Unmenge kleinster Colonien. Beginn trichterförmiger Verilüssigung.
Fig. 5. 38 Stunden alte Colonie auf einer Glycerinagarplatte: Grau-
weisse Colonie mit nach einer Seite gedrehten Fortsätzen (Wasserstrudel¬
form ; natürliche Grösse).
Fig. b. 48 Stunden alte Colonie auf einer Glycerinagarplatte:
Grauweisse Colonie mit zahlreichen Fortsätzen, die auch seitliche Zweige
entsenden (Sonnenblumeuform; natürliche Grösse).
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Reinzüchtung des Gonococcus Neisser in
zwei Fällen gonorrhoischer Metastase.
Von
J. Jundell,
Assistenten der medizinischen Klinik Seratimerlazaretet, Stockholm.
Fall I. 1 ) G. A. L., 31 Jahre Zimmermaim, in die chir. Kliuik des
Krankenhauses am 10. Sept. 1896 aufgeuoramen. John Berg hat die
Freundlichkeit gehabt mir diesen Fall zu überlassen.
Vor drei Wochen bekam der Pat. Gonorrhoe. Zwei Tage vor der
Aufnahme ins Krankenhaus Schmerzen im rechten Fusse, anfangs nur
beim Versuche zu stehen oder zu gehen, später auch bei vollständiger Ruhe.
Status den 10./9. Abendtemp. 39T°. Beständige Schmerzen im
rechten Fusse. An der Innenseite des rechten Fussgelenkes eine diffuse
Anschwellung, deren grösste Mächtigkeit die Gegend hinter dem Malleo¬
lus int. einnimmt, und die nach unten bis zum os cuneiform. I, nach
oben bis circa 8 Cm. über die Spitze des Malleolus int. reicht.
Starke Röthung und Empfindlichkeit über der Schwellung. Die
Schmerzen am stärksten bei Palpation längs dem Verlaufe der Sehnen¬
scheide des Muse. tib. post., wo auch eine Andeutung zu Fluctuation
wahrgenommen wird. Eine unbedeutende Röthung und Schwellung ist
auch an der äusseren Seite zwischen dem Malleol. ext. und dem äusseren
Rande der Achillessehne zu seheD. Der Fuss wird leicht supinirt ge¬
halten. Sowohl active wie passive Bewegungen mit dem rechten Fusse
sind wegen Schmerzen in hohem Masse beschränkt; der Schmerz am
stärksten bei auch dem geringsten Versuche zur Abduction oder Pro¬
nation. Supination wird viel leichter ertragen.
Reichlicher purulenter Fluss aus der Urethra.
Den 11./9. Morgentemp. 38*3°, Abendtemp. 39-0°.
Den 12./9. Morgentemp. 37*8°. Der Pat. klagt heute über Schmerzen
in der rechten Hand. Auf der Dorsalseite des rechten Handgelenks sieht
*) In der Schwedischen Gesellschaft der Aerzte am 15. Sept. 1896
mitgetheilt.
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Jun dell.
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man eine rothe und empfindliche Anschwellung mit diffusen Grenzen,
Schmerzen, obwohl nicht besonders schwere, bei Bewegungen im rechten
Handgelenke. Bewegungen mit den Fingern verursachen kaum Schmerzen.
Ein Ccm. Blut wurde aus einer Vene in der rechten Ellenbogen¬
beuge mittelst einer sterilisirten Pravaz’schen Spritze ausgesogen. (Siehe
Untersuchung I.)
Culturprobe aus der Urethra auf Ascitesagar, vorgestern genommen,
zeigt heute eine reichliche Menge Gonococcencolonien.
Diagnose: Tendovaginitis gonorrhoica musc. tibial. post,
dextr. und Synovitis gonorrhoica carpi dextr.
Die Sehnenscheide des Musc. tibial. post. dext. wurde heute punc-
tirt, wobei eine eitrige, ziemlich dünne, aber schwach fadenziehende
Flüssigkeit erhalten wurde. (Siehe Untersuchung II.)
Sublimateinspritzung in die Sehnenscheide. Abendtemp. 38*2°.
Den. 14./9. wurde das rechte Handgelenk punctirt, wobei man eine
reichliche Menge halbklare, schwach rothgefarbte, nach einer kleinen
Weile coagulirende Flüssigkeit erhielt. (Siehe Untersuchung III.)
Den 21/9. Die Schmerzen im Fusse hörten einige Tage nach der
Punction der Sehnenscheide auf, aber die Schwellung und Röthung hinter
dem inneren Malleolus wurde nur wenig geringer. Die Schwellung und
Röthung hinter dem äusseren Malleolus deutlich gesteigert. Deutliche
Fluctuation hinter dem inneren Malleolus.
Den 24./9. Gesteigerte Schmerzen und Schwellung im rechten
Handgelenke. Die Schwellung um das rechte Fussgelenk immerfort be¬
deutend. Ein Ccm. Blut wurde aus einer Armvene ausgesogen. (Siehe Unter¬
suchung I.)
Den 25./9, Schmerzen im rechten Handgelenke heute verschwunden.
Den 29./9. Die Anschwellung und Röthung um den rechten inneren
Malleolus hat in den letzten Tagen zugenommen, jetzt aber keine spon¬
tanen Schmerzen. Incision wurde heute über der Anschwellung gemacht,
wobei man in eine in der Längsrichtung des Beines laufende, circa 10 Cm.
lange, suboutan liegende Höhle eindrang, welche von dunkelrothen, sehr
leicht und reichlich blutenden Granulationen erfüllt war. Dieser Granu¬
lationsherd an der Innenseite des Fussgelenks setzte sich nach aussen
fort, in dem lockeren Bindegewebe zwischen der Achillessehne und den
tiefen Muskeln verlaufend, und reichte bis in das subcutane Bindegewebe
zwischen dem Malleol. ext. und dem äusseren Rande der Achillessehne.
Die Granulationen wurden mit scharfem Lötfel ausgeschabt. (Siehe Unter¬
suchung IV.) An der medialen Wand der Sehnenscheide des Musc. tibial.
post, waren zwei kleine, unregelmässig begrenzte Defecto, in welchen
die Sehne bloss lag. Die Sehne selbst sab etwas aufgefasert aus. Kein
Exsudat in der Sehnenscheide. Nirgends eigentliche Eiterbildung. Subli¬
matausspülung. Jodoformgaztamponade.
Den 12./10. Die Wunde überall mit rothen, nur leicht bluten¬
den Granulationen bekleidet, äusserst geringe Eitersecretion. (Siehe Unter¬
suchung \.) Bei jedem Verbandwechsel haften Bluteoagula am Verbände
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Reinziichtung des Gonococeus Neisser in gonorrh. Metastase. 197
Den 18./10. Die Wunde wie früher. (Siehe Untersuchung VI.)
Den 30/10. Die Wunde wird jetzt mit Creolinlösung behandelt. Die
Granulationen nicht so leicht blutend wie früher. (Siehe Untersuchung VII.)
Den 16./11. Die Wundhöhle bis zu einem zwei Cm. langen Fistel¬
gange reducirt. Der Pat. fängt an zu gehen. Morgentemp. vom
13./9.—11./10. gewöhnlich ein oder einige zehntel Grad über 37*0°, Abend-
temp. gewöhnlich ein bis zwei Zelintheile unter 38*0°. Später voll¬
kommen normale Temperatur.
Bakteriologische Untersuchung von den vom Falle I genom¬
menen Proben.
Um Wiederholungen zu vermeiden, will ich schon jetzt
anführen, dass die Ascitesagarplatten bei den nachstehenden
Untersuchungen nach Kiefer’s Vorschrift bereitet wurden.
Zu einem Theile inflammatorischen Exsudats (tuberculöse Peri¬
tonitis?) oder Ascitesflüssigkeit wurden zwei Theile neutrales
Fleischpeptonagar (372% Agar, 5% Pepton und 2% Glycerin)
hinzugesetzt.
Untersuchung I. Untersuchung der am 12./9. und 24./9.
entnommenen Blutproben. In beiden Fällen wurde das Blut auf
je 4 Platten Ascitesagar ausgestrichen. In den Platten, die
nach Verlauf von 48 Stunden untersucht wurden, waren einige
Colonien von Staphylococcus pyogenes albus, aber keine Gono-
coccen vorhanden.
Untersuchung II. Untersuchung des Exsudates von
der Sehnenscheide des Muse, tibial. post. Das Exsudat wurde
in dünnen Lagen auf Deckgläschen ausgebreitet, wurde energisch
mi t Anilinwassergentianaviolett gefärbt, einige Male mit Gram’s
Jodlösung übergossen, während circa 30 Secunden in absolutem
Alkohol entfärbt, mit Wasser abgespült und mit stark ver¬
dünntem Karbolfuchsin nachgefärbt. Für die mikroskopische
Diagnose auf Gonococcen verfahre ich bei der Gram’schen
Färbungsmethode in angegebener Weise, was notliwendig ist,
wenn man Täuschungen entgehen will. Bei der mikroskopischen
Untersuchung der Präparate wurde eine ziemlich geringe Zahl
von Gonococcen angetroffen, theils extra- theils intracellulär
liegend.
Die extracellulären lagen theils isolirt, theils in Gruppen
von 4—10. Intracellulär lagen sie, in Zahl wechselnd, zwischen
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198
Juudell.
1 und circa 50. Ausser Gonococcen wurden andere Bakterien
nur in einem Präparate und in einer einzigen Zelle gefunden,
die sieb von allen anderen durch eine höchst bedeutende
Grösse auszeichnete.
Diese einkernige Riesenzelle enthielt mehrere verschiedene
Arten Bakterien: theils Gonococcen, circa 15 Stück von typi¬
schem Aussehen, theils Diplococcen, circa 10 Stück etwas lancett-
förmig mit der Längsachse senkrecht auf die Theilungsfurche
stehend und in derselben Weise wie die Gonococcen gefärbt (also
nach Gram entfärbt), theils ziemlich lange und schmale, eben¬
falls wie die Gonococcen gefärbte (nach Gram sich entfärbende)
Stäbchen, entweder einfache oder als Diplobacillen in einer
Zahl von circa 20, theils endlich einige kürzere Doppelstäbchen
von wechselnder Länge, ebenfalls wie die Gonococcen gefärbt.
Mit Ausnahme von dieser grossen, bakterienverschlingenden
Zelle und zwei polygonalen (endothelialen ?) Zellen, in welchen
Gonococcen nicht gefunden wurden, enthielt der Eiter aus der
Sehnenscheide nur gewöhnliche Rundzellen, von welchen nur
eine geringe Zahl Gonococcen enthielt. Alle Gonococcen in den
Präparaten hatten scharfe, typische Conturen und hatten die
Fuchsinfarbe sehr wohl aufgenommen.
Je ein Tropfen des Eiters wurde auf 8 Ascitesagarplatten
ausgestrichen. Mach 48 Stunden sah man in den Platten typische,
gelatinös graue, in durchfallendem Lichte stark lichtbre¬
chende Colonien von Gonococcen in einer Zahl von 10—40
in den verschiedenen Platten. Keine anderen Colonien als von
Gonococcen. Einige Colonien wurden auf Ascitesagarröhren über¬
impft und auf diesem Nährboden in 13 Generationen fort-
gepflanzt. Die Coccen wurden nach Gram in 15—20 Secunden
entfärbt; sie wuchsen nicht auf den gewöhnlichen Nährböden.
Untersuchung III. Je ein Tropfen des Exsudates vom
rechten Handgelenke wurde auf 8 Ascitesagarplatten aus-
gestrichen. Alle Platten verblieben steril.
Untersuchung IV. Untersuchung von den Granula¬
tionen am 29./0. Die Deckglaspräparate, durch Streichen
der Glasfläche über die Granulationen hergestellt, zeigten im
Mikroskope Rundzellen, alle gleich gross und von gewöhn¬
lichem Aussehen, und überall reichlich Gonococcen theils frei, theils
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Iteiiizüehtuiig des Gonoeoccus Neissur in gunorrh. Metastase. 1<J9
und das überwiegend, in Zellen eingeschlosseu. Die freien
Gonococcen entweder isolirt oder in Gruppen von 4—10. Die
Rundzellen enthielten Gonococcen in einer Zahl von 1—20.
Die Oberfläche von einigen Ascitesagarplatten wurden mit
den Granulationen überstrichen. Nach 24 Stunden waren in jeder
Platte mehrere hundert Gonococcencolonien zu sehen. Colonien
von anderen Bakterien konnten nicht entdeckt werden. Nachdem
die Gonococcencolonien sich noch 24 Stunden entwickelt hatten,
wurden einige auf einer Rinnensonde aufgelängen und in die
Urethra eines Patienten mit Tumor cerebri im letzten Stadium
inoculirt. (Siehe unten!)
Untersuchung V. Untersuchung der am 12./10. exci-
dirter» Granulationen. Ausbreitung auf Ascitesagar wie bei IV.
Nach 48 Stunden Gonococcencolonien zu hunderten, ausserdem
aber einige Colonien von Staphylocoecus pyogenes aureus
und albus.
Untersuchung VI. Die Granulationen, am 18./10. ex-
cidirt, wurden wie früher auf Ascitesagarplatten ausgebreitet.
Nach 48 Stunden nur zwei Gonococcencolonien. aber zahlreiche
Colonien von gewöhnlichen Staphyloeoccen.
Untersuchung VII. Die Granulationen, am 30/10. ex-
cidirt, gaben nach 48 Stunden gewöhnliche Staphyloeoccen, aber
keine Gonococcen.
Inoculation mit Gonococcen vom Falle I.
Einige Gonococcencolonien, von den am 29./!). excidirten
peritendinösen Granulationen erhalten, wurden am 1./10. in die
Fossa navicularis eines 18jährigen Jünglings im letzten Stadium
von Tumor cerebri inoculirt. Der I’at. hatte bei der Inoculation
eine Temperatur von 38'2°, welche bis zum Tode beinahe
ganz constant blieb. Trotzdem und trotz einer vorhandenen
Incontinentia urinae mit continuirlichem Urinfluss, entstand
eine starke Gonorrhoe. Die Urethra vor der Inoculation ganz
gesund.
Den 2./10. Praeputium etwas geröthet und ödematös; die
Schleimhaut der Fossa navicularis lebhaft roth und geschwellt;
in der Mündung ein Tropfen gelbweissen, zähen Secrets. Mikro-
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J undell.
skopisch Gonococcen tlieils frei, theils in Gruppen auf und in
den Zellen.
Den 4./10. Das Oedem am Praeputium stärker; reichlichere
Secretion; Gonococcen zahlreich, frei und in Zellen.
Den 5./10. Reichlicher purulenter Ausfluss; Gonococcen
meist in Zellen.
Den 8./10. Reichlicher purulenter Ausfluss. Culturversuch
auf Ascitesagar gab nach 48 Stunden eine sehr grosse
Menge typischer Gonococcencolonien.
Der Pat. starb am Abend.
Fall II. P. N., 83 Jahre, Verwalter; in die mediciuisehe Klinik
am 8., 10. 1896 aufgenommen.
Vor 5 Wochen Gonorrhoe, vom Arzt mit Einspritzungen behandelt.
Nach 14 Tagen geringerer Fluss und nach weiteren 14 Tagen sehr un¬
bedeutender F1us9. Eine Woche vor der Aufnahme ins Krankenhaus
fing das linke Knie, nachdem der Pat. an einer lange dauernden Jagd tbeil-
genommen hatte, an zu schmerzen, wurde empfindlich und geschwollen«
Alle Bewegungen wurden sehr schmerzhaft. Gleichzeitig Frost und
Fieber. Die Tage unmittelbar vor dem Anfänge des Gelcnkleidens „war
der F1us9 vollkommen verschwunden und kam nicht mehr wieder“.
Status den 8./10. Abcndtemp. 38*5°. Das linke Knie stark geschwollen,
die Haut darüber nicht geröthet, Fluctuation, Patella ballotirt deutlich.
Active und passive Bewegungen wegen Schmerzen beinahe unmöglich.
In der Urethra eine minimale Menge zähen grauen Schleimes. Probe
auf Ascitesagar zeigte nach 48 Stunden eine reichliche Menge gewöhn¬
licher Staphylococcen, aber keine Gonococcen. Wiederholte Cultur-
versuche mit dem Urethralsecret gaben dasselbe Resultat. Die nur in der
ersten Urinportion vorhandenen Fäden, wurden ebenfalls wiederholt
durch Culturproben auf Gonococcen untersucht. Das Resultat auch hier¬
bei negativ.
Den 8./10. Probepunctiun des Kniegelenks, wobei eine deutlich getrübte,
etwas schleimige Flüssigkeit erhalten wurde. (Siehe Untersuchung VIII.)
Den 13/10. Morgentemp. 36*0°, Abendtemp. 39*0°. Am Abend wurde
mittelst steriler Pra vaz’sc her Spritze 1 Ccm. Blut aus einer Armvene
aufgenommen. (Siehe Untersuchung IX.) Das Knie wurde wieder punctirt,
wobei eine reichliche Menge Flüssigkeit von derselben Beschaffenheit wie
oben erhalten wurde. (Siehe Untersuchung X.) Sublimatinjeetion ins Gelenk.
Den 17./10. Die Schwellung des Knies zugenommen. Professor Berg
machte eine Incision ins Gelenk, wobei circa 75 Ccm. getrübte, mit
kleinen grauen Flöckchen untermischte Flüssigkeit ausraun. (Siehe Unter¬
suchung X.) Die Temperatur während der letzten Tage zwischen 38*0° und
39*0°. Wiederholte Blutproben mittelst Stichen in die Finger. (Siehe
Untersuchung IX.)
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Reinzüchtung des Gonococcus Neisser ia gonorrh. Metastase. 201
Den 17./11. Der Zustand des Pat. wurde nach und nach gebessert,
aber trotz Massage und Gymnastik ist das Knie noch ziemlich steif.
Bakteriologische Untersuchung von den vom Falle II genom¬
menen Proben.
Untersuchung VIII. Das Kniegelenkexsudat am 8./10.
erhalten. Keine Gonococcen im mikroskopischen Präparate.
Kulturprobe auf Ascitesagar ergab Alles in Allem 20 typische Gono-
coccencolonien auf 8 Platten, auf welche relativ ansehnliche
Mengen Exsudat ausgestrichen worden waren. Ueberimpfung
auf Ascites igar in 16 Generationen. Kein Wachsthum auf den
gewöhnlichen Nährböden. Augenblickliche Entfärbung nach
Gram.
Untersuchung IX. Die Blutprooen, welche bei der
Fiebersteigung, die am 13./10. und den folgenden Tagen auftrat,
entnommen wurden, wurden auf Ascitesagarplatten ausgebreitet.
Nach 48 Stunden sind einige Platten steril, andere enthalten
Colonien von gewöhnlichen Staphylococcen; keine einzige Platte
enthielt Gonococcen.
Untersuchung X. Die Exsudate, die am 13./10. und
17./10. erhalten wurden, zeigten bei directer mikroskopischer
Untersuchung Gonococcen in geringer Zahl, die meisten in
Gruppen von 2—10 in Kundzellen eingeschlossen. Einzelne
isolirte, extracellulär liegende Gonococcen waren auch zu
sehen. Culturproben auf Ascitesagar mit den Exsudaten zeigten
nach 48 Stunden eine grosse Zahl Gonococcencolonien, circa
75—100 in jeder Platte.
Inoculation mit Gonococcen vom Falle II.
Am 6./11. wurde in die normale Urethra eines Syphilitikers,
der in die syphilidologische Klinik Prof. W e 1 a n d e r’s im
Krankenhause Set. Göran aufgenommen war, eine zwei Tage
alte Gonococcencultur inoculirt, deren Vorfahren aus dem oben¬
genannten Kniegelenke herstammten, von diesem aber drei
Thierkörper passirt hatten. Die inoeülirte Cultur wurde von
einer Colonie erhalten, welche vom Blute der linken Herz-
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202
J und eil.
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kammer des letzten Thieres wucherte, nachdem dies Blut auf
Ascitesagar ausgestrichen worden war.
Den 7./11. Die Schleimhaut der Fossa navicularis etwas
geröthet und geschwollen. In der Urethralmündung ein Tropfen
grauen, schleimigen Secrets, das bei mikroskopischer Unter¬
suchung einige isolirte, extracellulär liegende Gonococcen
zeigt.
Den 8./11. Spärliches, schleimiges Secret, das nur einige
wenige extracelluläre Gonococcen, aber viele Bacillen, die theils
intra-, theils extracellulär liegen, enthält.
Den 9./11. Die Secretion viel reichlicher, das Secret
weniger zäh, mehr gelb; enthält zahlreiche Gonococcen, welche
theils in grosser Anzahl intracellulär in Leukocyten, theils auf
der Fläche von Epithelzelleu, theils extracellulär liegen. Keine
anderen Bakterien zu sehen. Culturprobe auf Ascitesagar zeigt
nach 24 Stunden reichliche Zahl von Gonococcencolonien.
Den 10./11. Reichlicher purulenter Fluss, intracellulär
liegende Gonococcen in sehr grosser Anzahl. Abortive Be¬
handlung durch Spülungen der vorderen Urethra mit warmen
Lösungen von hypermaugausaurem Kali 1 : 1000.
Den 13./11. Hat 6 solche Spülungen bekommen. Starkes
Oedem im Präputium, Schwierigkeit Urin zu lassen, welche
indessen bald verschwand. Dünner, seröser, etwas blutiger
Fluss. Im Secrete keine Gonococcen.
Den 21./11. Unbedeutender seropurulenter Fluss; ein¬
zelne Gonococcen.
Von den beschriebenen zwei Fällen hat der erste, die
gonorrhoische Teudovuginitis, das grösste Interesse, weil es der
erste Fall von Tendovaginitis ist, wo die Anwesenheit von
Gonococcen in unwiderleglicher Weise durch Reinzüchtung
und positiven Inoculationsversuch am Menschen bewiesen
worden ist. In der Literatur habe ich drei Fälle von Tendo¬
vaginitis gefuuden, wo angegeben wird, dass Gonococcen in
tSehnenscheide gefunden worden sind. In keinem der drei
Fälle wurden indessen Culturversuche auf für Gonococcen zu¬
sagendem Nährboden gemacht. Schon dieses macht, dass die
Culturversuche in keinem dieser drei Fälle als vollkommen
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Reinzüchtung dos Gonococcus Neisser in gonorrh. Metastase. 203
beweisend angesehen werden kann. Die ausgeführte directe
mikroskopische Untersuchung des Inhalts der Sehnenscheiden
beweist auch in keinem der drei Fälle vollkommen die An¬
wesenheit von Gonococcen, weil in einem Falle Färbung nach
Gram gar nicht versucht wurde, in den zwei anderen Fällen
dagegen Färbung nach Gram zwar angewandt wurde, ohne
dass aber angegeben wird, wie hierbei die Gram’sche Me¬
thode gehandhabt wurde. Ein Jeder aber, der sich etwas
näher mit dem Studium über das Färbungsverhalten der Diplo-
cocceu beschäftigt hat, weiss, welch wechselndes Resultat in
Betreff ihrer Abfärbung nach Gram man erhalten kann durch
eine ungleich langdauernde Einwirkung von Jodjodkalium und
Alkohol auf die Präparate. In der letzten Zeit haben mehrere
Untersucher die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, wie die
Gr am’8 che Methode angewandt werden soll beim Versuche
zur mikroskopischen Diagnose auf Gonococcen. Es unterliegt
keinem Zweifel, dass hierbei Fehler begangen worden sind und
von vielen noch begangen werden, was zu einer unzähligen
Menge Irrungen bei den klinischen und bakteriologischen
Untersuchungen auf Gonococcen Anlass gegeben hat. Indessen
will ich die drei angedeuteten Fälle kurz anführen.
DupFe’s Fall (18S8): 2' Jähriges Mädchen, bei welchem
gonorrhoische Entzündung in den Sehnenscheiden der Exten¬
soren an der Dorsalseite der beiden Hände, secundär nach einer
gonorrhoischen Vulovaginitis diaguosticirt wurde. Das durch
Function gewonnene Exsudat zeigte bei der mikroskopischen
Untersuchung Diplococcen, die den Gonococcen mit Hinsicht
auf Form und intracelluläre Lagerung glichen. Ihr Verhalten
zu Gram wird nicht erwähnt. Die Flüssigkeit wurde auf
die gewöhnlichen Nährsubstrate aufgetragen, welche steril
verblieben.
Tollemer und Macaigne’s Fall (1893). Diagnose:
Tendovaginitis Muse, extens. indic. dextr. secundär nach einer
gonorrhoischen Urethritis. Das Exsudat enthielt gonococcenähn-
liche Diplococcen, die sich nach Gram entfärbten. Die Flüs¬
sigkeit wurde auf Agar und Bouillon mit positivem Resultate
übertragen. Diese letzte Mittheilung macht es zweifelhaft, ob
Gonococcen in dieser Sehnenscheide wirklich vorhanden waren.
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204
J u n d e 11.
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Jacobi und Goldmann’s Fall (1894). Diagnose:
Tendovaginitis suppurativa musc. tibial. post, sin., secundär nach
einer gonorrhoischen Urethritis. Im Sehnenscheideneiter gono-
coccenähnliche Diplococcen, die sich nach Gram entfärbten.
Culturproben, auf den gewöhnlichen Nährböden gemacht,
blieben steril.
In meinem Falle I entstand ein oberflächlich liegender,
durch Gonococcen venirsachter Abscess oder richtiger Granu¬
lationsherd, offenbar per continuitatem von der kranken Seh¬
nenscheide fortgeleitet, welche bei der Incision nekrotisch be¬
funden wurde.
Zweimal früher hat mau in unwiderleglicher Weise
Gonococcen aus Abscessen rein gezüchtet. Der erste Fall ist der
von Paltauf und Horwitz (189'!): ein Abscess an der Dor¬
salseite des linken Metacarpus, der Sehne des Mittelfingers
entsprechend, enthielt Eiter und Granulationen; Communication
mit der Sehnenscheide oder mit dem Gelenk wurde nicht an¬
getroffen. Culturversuch auf Serumagar nach Wertheim er¬
gab Reincultur von Gonococcen. Der zweite Fall ist von Bu-
jivid (1895): Secundär nach einer Gonorrhoe entstanden
vier Abscesse, alle intramuskulär in den Muskeln der Ex¬
tremitäten liegend. Die Incision liefert spärlichen Eiter, der bei
mikroskopischer Untersuchung und Culturprobe auf Serumagar,
Gonococcen und keine anderen Bakterien zeigte.
Im Anschluss an meinen Fall II will ich die in der Lite¬
ratur vorkommenden sieben Fälle von Arthritiden, bei welchen
Gonococcen sicher nachgewiesen worden sind, in aller Kürze
anführen.
Rendu’s Fall (1S93). Gonitis. Vielleicht nicht ganz
sicher, weil nicht angegeben wird, ob die einzige Colonie, die
auf Ascitesagar erhalten wurde, auf den gewöhnlichen Nähr¬
böden Wachsthum zeigte oder nicht. Solche Angaben sind
um so mehr wünschenswerth. als ich in einem Falle, wo die
Diagnose auf gonorrhoische Synovitis (Gonitis) gestellt wurde,
auf Ascitesagar drei gonococcenähnliche Cölonien von einem
Coccus (?) erhielt, der sich augenblicklich nach Gram
entfärbte, und der an Form und Anordnung in Diplo- und
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Reinzüchtung des Gonococcus Neisser in gonorrh. Metastase. 205
Tetraform Gonococcen sehr ähnelte.') Er war aber grösser als
der Gonococcus und wuchs in einer Masse Generationen auf
gewöhnlichem Agar und in gewöhnlicher Bouillon. Er zeigte
auf Agar eine hellgelbe Farbe. Er wuchs rascher bei gewöhn¬
licher Zimmertemperatur als bei 36°. Bei Aussaat in gewöhn¬
liche Gelatine sah man nach 24 Stunden unter dem Mikro¬
skope kleine, ganz unregelmässige, grobkörnige, mit unregel¬
mässig gezahntem Rande versehene Colonien, die nur langsam
an Grösse Zunahmen. Die grössten erreichten nicht die Grösse
eines Stecknadelkopfes. Die Gelatine wurde nicht verflüssigt.
Die Gelatinestichcultur zeigte sich nach einer Woche als ein
ziemlich unbedeutender gelblicher Streifen. In gewöhnlicher
Bouillon bildete er einen mehr weniger dicken Bodensatz,
während die übrige Bouillon klar blieb. Auf Kartoffel kein
oder höchst unbedeutendes Wachsthum. Auf Ascitesagar ge¬
ringeres Wachsthum als auf gewöhnlichem Agar. Seine patho¬
gene Bedeutung fiir Tbiere habe ich noch nicht geprüft. Ich
habe ihn mit keinem anderen früher beschriebenen Coccus
identificiren können, besonders weil die Angaben über das
Verhalten der Coccen zu Gram nicht zuverlässig sind. Der
jetzt beschriebene Coccus (?) wird ähnlich wie die Gonococcen
augenblicklich nach Gram entfärbt.
Höck’s Fall (1893). Gonitis. Der erste ganz sichere Fall.
Weifser’s Fall (1894). Coxitis.
Finger, Gohn und Schlagenhaufer’s Fall (1894).
Multiple Gonococcenmetastasen mit secundärer septischer Infec-
tion im Anschluss an eine Blennorhoea neonatorum: Gonitis
und angrenzender Abscess am Schenkel mit Gonococcen (in
überwiegender Menge) und Streptococcen; Rippenperichondritis
mit ausschliesslich Gonococcen; inflammatorisches Oedem am
Halse und im Mediastinum ; Synovitis articulationis temporo-
maxillari8 mit ausschliesslich Streptococcen; im Blute eben¬
falls nur Streptococcen.
E. Neisser’s Fall (1894). Synovitis articul. talocrural.
Die Culturversuche in diesem Palle beweisen vollkommen, dass
*) Das Genitalsecret wurde nicht untersucht, weil ich die Pa¬
tientin nicht selbst gesehen; Luflinfection der Platten kann nicht ganz
sicher ausgeschlossen werden.
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J u ml eil.
hier Gonoeoccen vorhanden waren. Nirgends aber konnte bei
Neisser’s Pat. ein primärer Infectionsherd gefunden werden,
trotz genauer Untersuchung der Urethra (auch mittelst Cultur-
versuch auf Ascitesagar?). Neisser’s Pat. verneinte auch
bestimmt die Möglichkeit einer gonorrhoischen Infection. Auf
dies letztere braucht man ja keine Rücksicht zu nehmen.
Mein Fall II, der durch Inoculatiou an Menschen verificirt
wurde, zeigt, dass Gonoeoccen im Seerete der primären Infec-
tionsstelle fehlen können, obw r ohl die Metastase erst vor Kurzem
eingetreten war.
Bordoni-Uffreduzzi’s Fall (1804). Synovitis in
einem Fussgelenke. Dieser Fall war vor meinen jetzt mitge-
theilten zwei Fällen der einzige, wo die Sicherstellung von Gono¬
eoccen in einem metastatischen Ilerde durch positiven Inocula-
tionsversuch an Menschen bewiesen worden war.
Burci und Respighi’s Fall (1894). Gonitis. In diesem
Falle konnten am dritten Tage keine Gonoeoccen in der durch
Punction erhaltenen Flüssigkeit, die auf Serumagar überimpft
wurde, nachgewiesen werden; am sechsten Tage aber, nach
Incision und Ausschabung der Kapsel mit sterilisirtem Finger,
konnten Gonoeoccen im Mikroskope und culturell nachge¬
wiesen werden. Vergleiche hiermit meinen Fall II: nach der
ersten Probepunction Alles in Allem 20 Colonien auf 8 Platten,
nach der zweiten, 5 Tage später vorgenommenen Punction, circa
10 Colonien in jeder Platte.
Ausser aus Gelenken, Abscessen und Sehnenscheiden
ist es bis jetzt gelungen Gonoeoccen aus pleuritischem Ex¬
sudate, Mazza’s Fall (1894), aus dem Blute, Thayer und
Blumer’s Fall (1895), in einwandsfreier Weise rein zu
züchten. Im letztgenannten Falle, der bei der Autopsie eine
ulceröse, wahrscheinlich durch Gonoeoccen verursachte Endo-
carditis zeigte, wurden im Leben Gonoeoccen im Blute fol-
gendermassen nachgewiesen. Zwei Cm. Blut wurden mit steriler
Spritze aus der Vena mediana basilica ausgeholt und mit der
doppelten Menge Agar vermischt. Nach 48 Stunden ent¬
standen kleine weisse gonococcenähnliche Colonien, die
auf den gewöhnlichen Nährböden kein Wachsthum zeigten.
Die Mischung von einem Theile Blut und zwei Theilen
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Reinzüchtung des Gonococcus Neisser in gonorrh. Metastase. 2U7
Agar ist ein Gonococcen zusagender Nährboden, was
ich selber geprüft habe. Es unterliegt also keinem Zweifel,
dass es Thayer und Blumer gelungen ist nachzuweisen,
dass Gonococcen die Blutmasse inficiren können. Dasselbe
habe ich durch experimentelle Untersuchungen an Thieren be¬
wiesen. *) Meine Versuche, Gonococcen aus dem Blute des
Menschen reinzuzüchten, sind bisher negativ ausgefallen.
Bei der Erwähnung von Thayer und Blumer’s Fall,
wo Gonococcen mit dem Mikroskope in den endocarditischen
Auflagerungen nachgewiesen wurden, will ich, um hiermit die
Aufzählung der gonorrhoischen Metastasen zu vervollständigen,
die anderen in der Literatur vorkomraenden Fälle von Endo-
carditis erwähnen, welche auf Grund mikroskopischer Unter¬
suchungen der endocarditischen Auflagerungen mit grösster
Wahrscheinlichkeit als auf Gonococcen beruhend angesehen
werden können. Es sind dies die von Wilms (1893), Leyden
(1893), Councilman (1893, gonorrhoische myocarditis)^
Winterberg (1894), Finger, Gohn und Schlagen¬
haufe r (1895) und Michaelis (1896) beschriebenen Fälle.
Die Diagnose gonorrhoischer Endocarditis wurde in allen
den angeführten Fället! gegründet auf die directe mikroskopische
Untersuchung der endocarditischen Auflagerungen, hei welcher
die respectiven Untersucher Diplococcen fanden, welche in
Hinsicht auf die Form, intracelluläre Lagerung und die Leichtig¬
keit, mit welcher sie nach Gram entfärbt wurden, Gonococcen
vollständig glichen. Durch Cultur ist es noch nicht ge¬
lungen, Gonococcen in endocarditischen Ablagerungen nachzu¬
weisen, aber vielleicht wird es nicht lange dauern, bis ein
Versuch nach dieser Richtung gelingen wird. Ist dies gesche¬
hen, wird man die Analogie zwischen den Gonococcen und
den gewöhnlichen pyogenen Mikroorganismen vollkommen klar
gestellt haben.
') Ueber diese Untersuchungen werde ich später Näheres mit¬
theilen.
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Lungenembolie bei Injection von Hydrar-
gyrum salicylicum.
Von
Dr. Bernhard Schulze,
Arzt für Hautkrankheiten iu Kiel.
Die Gefahren der Behandlung der Lues mit Injectionen
unlöslicher Quecksilberpräparate sind hinlänglich bekannt. Wenn
wir von den sich zuweilen an der Iujectionsstelle zeigenden
Abscessen und den Intoxicationserscheinungen, wie sie sich bei
jeder Quecksilberanwendung zeigen können, absehen, so sind
es hauptsächlich die in den meisten Lehrbüchern allerdings
nur sehr oberflächlich angedeuteten Erscheinungen von Seiten
der Lungen, welche immer wieder das Bedenkliche dieser in-
tramusculären Einverleibung unlöslicher Hydrargyrumpräparate
beweisen. Möller 1 ) hat nun im dritten Heft des XXXVH. Bandes
dieser Zeitschrift in ausführlicher und klarer Weise die bisher
veröffentlichten wenigen Fälle von beängstigenden Lungen¬
symptomen bei vorgenannter Therapie zusammengestellt und 28
neue Fälle seiner Praxis hinzugefügt. Auch mir begegnete,
gerade als ich die Arbeit M ö 11 e Fs las, ein hierher gehörender
Fall, und halte ich es zur Vervollständigung der Statistik der¬
artiger Fälle für angezeigt, diesen hiermit zur Kenntniss zu
bringen, da jeder hinzukommende Fall von Neuem auf die
Gefahren unserer modernen Behandlungsweise hinweist, welche
sich zwar nicht immer gänzlich vermeiden lassen, aber doch
bei einiger Vorsicht meistens zu umgehen sind. Ich lasse nun
kurz die Krankengeschichte meines Patienten folgen.
W. H., Musiker, 32 Jahre alt, bisher völlig gesund, stellte sich ara
18. Sept. 1896 in meiner Sprechstunde mit einem typischen Ulcus durum
im Sulcus coronarius vor. Der inücirende Coitus hatte vier Wochen vorher
stattgefunden, weitere Erscheinungen von Lues waren noch nicht vor¬
handen. Im Laufe der nächsten Wochen entwickelten sich in regelrechter
Weise die gewöhnlichen Symptome der Syphilis: Die Drüsen schwollen
überall indolent an, Angina specifica, Plaques im Munde und Kopf¬
schmerzen stellten sich ein, und am 29. October war ein allgemeines
Archiv f. Dermatol, u. Syphil. Band XXXIX.
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210
S e h u 1 z e.
maculo-papulöses Exanthem deutlich ausgeprägt. Während die Behand¬
lung bisher in der üblichen Weise in Bedecken des Primäraffects mit
Emplastrum hydrargyr. bestanden hatte, wurde am 29./X. die Allgemein¬
behandlung in Angriff genommen, und zwar wurden aus verschiedenen
Gründen Einspritzungen des unlöslichen Quecksilberpräparates Hydrarg.
salicyl. 1,0 : 10,0 Paraffin, liquid, gewählt, welche ich in Zwischenräumen
von 5—8 Tagen in der bekannten Weise jedes Mai ein Ccm. intramus-
culär anwandte. Patient vertrug die Injectionen sehr gut, klagte nicht
über Schmerzen, die Infiltrate an den Einstichstellen über den Glutäen
waren wenig fühlbar, die Symptome der Lues wichen schnell.
Am 16./XI. injicirte ich in den linken Glutaeus die vierte Spritze
besagter Lösung, und verliess Patient, wie sonst auch, ohne Schmerzen
meine Wohnung. Sofort auf der Strasse überfiel ihn aber ein heftiges
Schwindelgefühl, verbunden mit Schüttelfrost, so dass er sich an der
Hausthür festhalten musste; es folgten ein langer, heftiger Hustenanfall
und Erbrechen, sowie starke stechende Schmerzen in der linken Lungen¬
gegend, besonders hinten und unten, so dass Patient nach seiner Angabe
kaum im Stande war zu athmen. Es gelang ihm nun, mit Hilfe eines
Yorbeigehenden die Strassenbahn zu erreichen und nach Hause zu kom¬
men, wo er sofort das Bett aufsuchte. Die Nacht verlief schlaflos unter
starken Schmerzen in der linken Lunge und fast ununterbrochenen
Hustenanfällen, auch will Patient starkes Fieber gehabt haben. Am
nächsten Morgen benachrichtete mich der Kranke von diesem Vorfall,
und fand ich bei meinem Eintreffen den Patienten in einem recht elenden
Zustande vor. Der Husten hatte sich zwar etwas gelegt, aber von Zeit
zu Zeit traten doch noch recht starke Anfälle auf, der Auswurf war sehr
gering und ohne blutige Beimischung. Die Athmung war beschleunigt
und sehr oberflächlich, da Patient nur schwer uud mit starken Schmerzen
athmen konnte, der Schmerz war einseitig links und wurde besonders als
hinten und unten angegeben. Der objective Befund der Lungen ergab
nirgends eine Dämpfung, nur hinten links unten hörte man deutlich aus¬
geprägte, nicht sehr starke Rasselgeräusche, sonst liess sich an den Lungen
nichts nachweisen, auch das Herz war völlig normal. Die Temperatur
war Morgens 392, Abends 39‘3. Die Urinuntersuchung zeigte weder Ei-
weiss noch sonstige Anomalien. Am nächsten Tage (18./XI. 1896) hatte
sich der Zustand unter absoluter Ruhe und nassen Umschlägen auf die
linke Seite wesentlich gebessert., zwar waren die Schmerzen beim Athmen
noch ziemlich heftig, auch die Temperatur war noch erhöht (Vm. 38*8 t
Ab. 38*4) aber der Husten hatte gänzlich aufgehört, Patient hatte Appetit
und fühlte sich im Allgemeinen besser.
19. /XI. Temperatur Ym. 38 0, Ab. 37.8. Schmerzen geringer, Ath-
nmng leichter, Rasselgeräusche nicht mehr hörbar.
20. /XI. Temper. Ym. 37*5, Ab. 37*7. Noch geringe Schmerzen, sonst
keine Symptome.
Die Schmerzen wichen in den nächsten Tagen völlig, so dass Pat.
nach einiger Zeit wieder ausgehen konnte.
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Lungenembolie bei Iujection von Hydrargvrum salicylicum. 211
Am 7./XII. 1896 setzte ich dieselbe unterbrochene Behandlung
fort, indem ich nun genau darauf achtete, bei der Injection keine Vene
zu berühren, was ich vorher bisweilen versäumt hatte. Patient erhielt
dann noch einige Injectionen und wurde am 21. Januar 1897 nach Ein¬
verleibung von im Ganzen 1,2 Gr. Hydrargvr. salicyl. (12 Spritzen) als
vorläufig symptomfrei entlassen. Kurz hinzufügen möchte ich noch, dass
während der gesammten Behandlungsdauer sich niemals Erscheinungen
von Stomatitis oder Enteritis zeigten.
Es kann sich nach meiner Meinung im vorliegenden Falle
nur um eine Lungenembolie handeln, welche voraussichtlich in
Folge der Verschleppung eines Paratfinpfropfes oder Queck-
silberpartikelchens in die Lunge auf der Venenbahn entstanden
ist. Die ganzen Erscheinungen, welche fast unmittelbar nach
der Injection auftraten (es waren höchstens fünf Minuten ver¬
strichen), lassen wohl kaum eine andere Deutung zu, und sind
ja auch ähnliche Fälle in beschränkter Zahl beobachtet wor¬
den, ich erinnere z. B. unter anderen an den ersten von
Lesser®) mitgetheilten Fall, in welchem sich fast genau das¬
selbe Bild zeigte. Lesser deutet diese Erscheinungen als em-
bolischen Lungeninfarkt, entstanden durch Injection des un¬
gelösten Quecksilbersalzes in eine Vene.
Auch Quincke 3 ) berichtet über das „Auftreten entzünd¬
licher Erscheinungen im Respirationsapparat“ in sieben Fällen,
doch traten die Erscheinungen in diesen nie so unmittelbar
nach der Injection ein wie in meinem Fall, nur in Fall 5 und
7 werden die Erscheinungen von Seiten der Lunge bereits als
am Injectionstage selbst aufgetreten angegeben, und vergleicht
Quincke die Erscheinungen mit den ersten Zeichen einer be¬
ginnenden Pneumonie. Im Uebrigen decken sich die Krank-
heitssymtome fast gänzlich mit denen des vorliegenden Falles.
Zu bemerken ist, dass es sich in den Q u i n c k e’schen Fällen
ebenso wie in denen von Watrazewski 4 ) und Lindström 5 )
um Injectionen von Hydrargyrumpräparaten mit Oel statt Paraffin,
liquid handelt, und ist darauf vielleicht das langsamere Ein¬
treten der Lungenerscheinungen zurückzuführen. Die Oed-
mansson’schen, 6 ) die sämmtlichen Möller’schen und der vor¬
stehende sind durch Paraffinemulsionen entstanden, so dass er
also in der Sache selbst ziemlich indifferent erscheint, welches
der beiden Vehikel verwandt wird. Dass es sich aber bei den
Lungensymptomen weniger um eine Quecksilberintoxication als
14*
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212
Schulze.
um CirculationsstöruDgen embolischer Natur handelt, scheint
mi r durch die eingehenden Versuche Möller’s erwiesen, welcher
ja embolische Erscheinungen am Thier auch lediglich durch
Injection von Paraffin oder Gummi arabic. ohne Zusatz irgend
eines Hydrargyrumpräparates erzielte, wenngleich nicht ge¬
leugnet werden kann, dass der Quecksilberzusatz erschwerend
wirkt, und vielleicht gerade durch die Verbindung des Hydrargyr.
mit dem Vehikel grössere Pfropfe verschleppt werden, als
wenn das Vehikel allein in die Venenbahn gelaugt. Wären die
Erscheinungen lediglich Zeichen einer Intoxication, so wäre es
doch wahrscheinlich, dass sich noch andere Symptome derselben,
wie Stomatitis, Euteritis u. s. w. früher oder später bemerkbar
gemacht hätten, was in meinem Falle z. B. absolut nicht eintrat.
Ich kann mich daher den Anschauungen M ö 11 e r’s im Allge¬
meinen nur anschliessen und das von Blaschke 7 ) vorgeschlagene
Verfahren „nach Einstich der Nadel erst abzuwarten, ob sich
keine Blutung an der Canüle (oder in derselben) zeigt, und
nur daun, wenn dies nicht der Fall ist, die Injection auszu¬
führen“ als sicheres Mittel empfehlen, um derartigen unange¬
nehmen und gefahrdrohenden Zufällen zu entgelten, wie sie
sonst leicht eintreten können und eingetreten sind. Beachtet
man diese Vorsicht, so ist die intramuskuläre Injection unlös¬
licher Hydrargyrumpräparate, welche ich der von Neisser aus¬
geübten subcutanen vorziehe, nicht mehr zu fürchten als jede
andere Quecksilberanwendung und kann nach wie vor in der
Syphilistherapie ihre bleibende Stelle behalten, da sie oft die
einzige Applicationsart bildet, welche angewandt werden kann.
Literatur.
1. Möller, Magnus. Uebcr Lungenembolie bei Injection von un¬
löslichen Queeksilberpräparaten. Archiv f. Dermatol, u. Svph. XXXVII.
Heft 3 p. 344.
2. Leas er. Vierteljahresschrift f. Dermat. u. Syph. 1888 p. 909 ff.
3. Quincke. Berl. klinische Wochcusohr. 1890 p. 401.
4. Watraszewski. Archiv f. Denn. u. 8yph. 1889 p. 835 ff.
5. Lind ström. Med. Rundschau. 1890.
6. Oedmansson. Nord. med. arkiv. 1S91. Bd. XXIII. Nr. 23.
7. Bla8cliko. Deutsche med. Wochenschr. 1892 p. 905.
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Aus der Münchener chirurgischen Klinik.
Ueber Alopecia congenita.
Von
Privatdocent Paul Ziegler,
I. Assistenzarzt.
(Hierzu Taf. X, XI u. XII.)
Durch Zufall gelangte ich vor 1 Jahre zur Beobachtung
eines interessanten Falles von angebornem gänzlichem Haar¬
mangel bei einem 17jährigen Mädchen, dessen Vater ich an
einer Hydrocele behandelt hatte. Dasselbe war nach Aussage
der Eltern gänzlich haarlos, im übrigen völlig normal ent¬
wickelt, zur Welt gekommen, als das jüngste von 11 Geschwistern,
die ebenfalls alle normal entwickelt waren und auch bezüglich
des Haarwuchses keine Abnormitäten zeigten. Weder Eltern
noch Grosseltern noch jemand in der übrigen Verwandtschaft
weisen irgend eine Anomalie des Haarwuchses auf. Seit dem
Eintritt der Periode im ! 3. Lebensjahre treten alle 4 Wochen
am Hinterhauptshöcker ein kleines Büschel schwarzer Haare
auf, die nach 4 Tagen mit dem Aufhören der Periode wieder
verschwinden; ungefähr seit derselben Zeit soll sich ein leichter
Flaum an den Wangen gebildet haben. Vor 1 Jahre traten
einige wenige Haare an den Augenbrauen und an den Lidern
von normalem Aussehen auf. Seit kurzem bemerkte Patientin
beim Waschen leichten Anflug von Wollhaaren an beiden
Vorderarmen.
Das kräftig entwickelte Mädchen ist von gutem Ernäh¬
rungszustände, zeigt abgesehen von den Haaren keinerlei Ab¬
normitäten, insbesondere sind Zähne und Nägel normal ent¬
wickelt; nur das physische Verhalten ist etwas scheu und
ängstlich. An den Augenbrauen und Lidern sind einige spärliche,
normal aussehende Haare, zartes Wollhaar an beiden Wangen
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214
Ziegler.
und Vorderarmen, sonst entbehrt der ganze Körper incl. Kopf,
Scham und Achseln jeglichen Haarwuchses. An beiden Ober¬
armen, an den Schultern und Oberschenkeln findet sich allent¬
halben reichlicher Lichen pilaris, aber auch nach Abkratzen
der Epidermis und Betrachtung mit der Lupe ist kein Haar
dort zu entdecken. Durch viele Bemühungen gelang es mir,
von der sehr ängstlichen Patientin die Erlaubniss zu erwirken,
dass ich ein kleines Hautstückchen aus der Kopfschwarte in
der Scheitelgegend behufs mikroskopischer Untersuchung ex-
cidiren durfte. Die kleine Wunde heilte per primam.
Die mikroskopische Untersuchung des Hautstückchens
zeigte normal entwickeltes Epithel mit reichlichen Papillen,
dagegen fehlten in sämmtlichen Schnitten, in welche das ganze
Stückchen zerlegt wurde, sowohl Haare als Haarpapillen, bei
Vorhandensein reichlicher, gut entwickelter, zum Theil mehrfach
verzweigter Talgdrüsen, welche die verschiedensten Stadien
der Zellentwicklung darboten und deren Ausführungsgänge mit
normalem geschichtetem Plattenepithel in kleine trichter¬
förmige Einsenkungen des Oberflächenepithels mündeten.
In der Nähe der Talgdrüsen, meist an deren Basis, stets
entfernt vom Oberflächenepithel, finden sich vereinzelte, spär¬
liche Epithelschläuche mit weitem meist kreisrundem Lumen;
das Epithel besteht aus 4—G Schichten, an der Basis niedriges
Cylinderepithel, nach innen zu abgeplattete polygonale Zellen
in 3—öfacher Lage, die äusseren weisen neben den Kernen
Eleidinkörner auf, die inneren sind zum grössten Theil kernlos.
Innerhalb des Lumens findet man an verschiedenen Stellen
vereinzelte kernlose Zellcontouren und Detritus, nie aber Spu¬
ren von Haare, obwohl die Schnitte alle zur möglichsten
Schonung in Paraffin eingebettet und aufgeklebt behandelt
wurden.
Diese Schläuche, die ein viel weiteres Lumen als normale
Haarwurzelscheiden zeigen, sind gewunden, denn man findet
manchmal mehrere Lumina dicht nebeneinander, zum Theil
noch durch Epithel verbunden, und scheinen gegen die Ober¬
fläche geschlossen, wenigstens habe ich nirgends Ausmündungen
gesehen, nur ein paarmal konnte ich kleine Epithelstreifen von
der Nähe der Lumina nach oben ziehend erkennen.
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Ueber Alojjecia congenita.
215
Die Schläuche sind von circular angeordneten Binde-
gewebszügen umhüllt, in deren Gegend glatte Muskelfasern
einmünden, die den Mm. arrectores pil. entsprechend mächtig
entwickelt von der Oberfläche schräg nach der Tiefe gegen
die Talgdrüsen und die Schläuche ziehen. Glatte Muskel¬
fasern findet man auch in der Umgebung der Schweissdrüsen,
welch’ letztere in normaler Häufigkeit und Lage, von normaler
Form sowohl was Drüse als Ausführungsgang betrifft, sich finden.
Gemäss der Anordnung des Bindegewebes, der Muskel¬
fasern, der einzelnen Epithelschichten, besonders auch nach
dem Vorhandensein der durch Carminfärbung deutlich sicht¬
baren Eleidinkörner in der auf das Cylinderepithel folgenden
Schicht müssen die Epithelschläuche wohl als Reste der äusseren
Haarwurzelscheide aufgefasst werden, obwohl nirgends eine
Spur von Papille, von innerer Haarwurzelscheide oder Haar
gefunden werden konnte.
Ich ordinirte anfangs der Patientin Arsenik in Form der
Pilul. asiaticae, dann gab ich ihr Schilddrüse frisch und in
Pastillen, doch entzog sich die Patientin nach ca. 2 Monaten
meiner Beobachtung, ohne den mindesten Effect erreicht zu
haben.
Vor kurzem sah ich sie vorübergehend wieder, der Zu¬
stand war völlig unverändert, nur am rechten Knie konnte
ich 2 je 1 Cm. lange wohl entwickelte, schwarze Haare, die
sich bei leichtem Zug schon ausziehen liessen, constatiren.
Da in den meisten gebräuchlichen Lehrbüchern diese
merkwürdige Anomalie des angebornen Haarmangels nur kurze
Erwähnung als seltenes Vorkommniss findet, bemühte ich mich
für Aetiologie, Prognose und vielleicht auch für die Therapie
aus der Casuistik der bisher bekannten Fälle Gewinn zu
ziehen.
Bei Hippoerates und Procopius 1 ) sind schon viele Fälle von
angeborenem Haarmangel beschrieben.
Danz 2 ) erwähnt 2 erwachsene Personen, wo nebst den Haaren
auch die Zähne fehlten, Steining 3 ) ein Geschwisterpaar, das am ganzen
*) Hebra und Kaposi. 1876. II. Bd. p. 143.
7 ) Ibid. Archiv f. Geburtshilfe. Bd. 4 p. 684.
3 ) Frorieps Notizen. 26. Bd. Nr. 4.
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216
Ziegler.
Körper kahl war, bei normalem Zahnbefunde; auch Augustin 1 ) be¬
richtet von angebornem Haarmangel.
Raver 3 ) hat einige Falle von angeborenem Haarmangel und Aus¬
bleiben des Haarwuchses auch in späterer Zeit beobachtet; erbeschreibt
einen 32jährigen Mann, der bei der Geburt gänzlich haarlos war, jetzt
zwar am Kopfe eine grosse Zahl sehr kleiner, äusserst feiner, farbloser
Haare aufwies, doch fehlten an den Lidern die Wimpern, der Bart spär¬
lich, statt der Augenbrauen nur einige sehr feine und kurze Haare, an
Brust, Scham und Achseln nur einige Haare, dagegen zahlreiche an der
Innenseite der Unterschenkel.
Thum am 3 ) überliefert uns von 2 leiblichen Vettern, Geschwister¬
kindern, die beide mit totalem Defect der Haare geboren, zur Heilung
gelangten unter gleichzeitiger beträchtlicher Verspätung der Zahnent¬
wickelung. Fuchs fand bei neugebornen Kindern einzelne Partien der
übrigen mit Haaren versehenen Kopfhaut unbehaart.
Nach Hill sollen einige Rassen in Australien völlig kahl sein.
Pareydt 4 ) demonstrirte einen 4Sjübrigen Mann, der völlig zahn- und
haarlos war, nur im Gesicht fand sich reichlicher Backenbart, dagegen
in den Achseln, am Haupte und an der Scham nur Flaumhaare. Seine
Grossmutter mütterlicherseits hatte weder Haare noch Zähne.
M i c luc ho-Macl av s 6 ) hat 2 völlig haarlose Australier unter¬
sucht, die muthmasslich von einer behaarten Mutter und einem unbe¬
haarten Vater stammten. Diese hatten 5 Kinder: die ältesten 2 Töchter
waren unbehaart, ebenso wie der Sohn, die 2 jüngeren Töchter waren
normal behaart. Die eine unbehaarte Tochter hatte 2 normal behaarte
Kinder. Die eine unbehaarte Tochter und der Sohn wurden von Mi-
c 1 u c h o - M a c 1 ay s untersucht: nur die Augenlider, beim Manne auch der
Nasenrücken, wiesen einige rudimentäre Härchen auf, sonst nirgends eine
Spur. Die Zähne waren normal.
Besonderes Interesse erregt die Veröffentlichung von Schede 6 )
über 2 haarlos geborne Geschwister, einen 13jährigen Knaben und ein
6 Monate altes Mädchen, wo jede Spur von Haaren, auch Wollhaar ver¬
misst wurde. 2 Geschwister, ebenso die Litern sind völlig normal; die
Kinder sind durchaus gehörig entwickelt. Die mikroskopische Unter¬
suchung eines Stückchens aus der Kopfhaut des Knaben ergab: grosse
normale Talgdrüsen, in halber Höhe derselben oder tief neben oder unter
dem Grund der Talgdrüsen, aber fast ausnahmslos in ihrer unmittelbaren
Nähe liegen eine grosse Anzahl von kleineren und grösseren, durch
Bindegewebe von den Talgdrüsen scharf abgegrenzten Atheromen, rudi-
*) Asklepieion. Jahrg. 1812. H. 3.
2 ) Rayer’s Darstell, der ITautkrankh. nach S t a n n i u s. Berlin 1839-
3 ) Med. cliir. Transact. Volum. XXXI. 1848 p. 71.
4 ) Deutsche Monatsschrift f. Zahnheilkunde. Nr. 2. 188(1.
J ) Zeitschrift für Ethnologie. 13. Bd. 1881.
r ’) Archiv f. klin. Chir. 1872 p. 15S.
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Ueber Alopecia congenita.
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mentaren Anlagen der äusseren Haarwurzelscheiden, mit denen sie im
Bau übereinstimmen; sie finden sich immer nur in den tieferen Schichten
der Cutis. Schweissdrüsen sind normal entwickelt, ebenso die mm.
arrector. pil., welche als breite Bündel von der Gegend der Mündung
einer Talgdrüse gegen den Grund der nächsten ziehen und hier sich ge¬
rade um die Atherome Yerästeln. Von einem Haar oder ausgebildetem
Haarbalg ist nirgends etwas zu sehen.
Jones und Atkins 1 ) haben ebenfalls die mikroskopische Unter¬
suchung der Haut eines haarlos gebornen Kindes vorgenommen und
spärliche Abortivformen von Haarfollikeln gesehen.
Quilford 5 ) berichtet von einem 48jährigen Manne, der völlig
zahnlos war, im Gesicht zwar einen Backenbart trug und reichlich Haare
an der Achsel und an der Scham aufwies, am Haupt aber nur spärliche
Flaumhaare, an der übrigen Haut fehlten die Haare und am ganzen
Körper völlig die Schweissdrüsen, selbst an vola und planta.
Von Luce 3 ) stammt eine Mittheilung über ein Mädchen, das völlig
kahl bei glatter Haut auf die Welt gekommen war; im Alter von 6 Mo¬
naten wurde die Haut uneben, höckrig, im Alter von 6 Jahren begannen
spärliche Haare, aber viel dicker als normal zu spriessen, was später
noch mehr zunimmt; die Haut bietet das Bild einer Xerodermie.
Hutchinson 4 ) beobachtete einen Knaben von 3'/ a Jahren mit an¬
geborener völliger Kahlheit; seine Mutter war in Folge einer im 6. Lebens¬
jahr auftretenden Alopecie völlig kahl geworden mit abnormer Trocken¬
heit der ganzen Haut.
Molönes 6 ) verdanken w T ir folgende Veröffentlichung; Ein im
übrigen normal entwickeltes Mädchen war nach Aussage der Eltern,
abgesehen von einem kaum sichtbaren Flaum und einigen Wollhaaren
statt der Cilien völlig kahl zur Welt gekommen; die Haut im übrigen
normal, auch Nägel gut ausgebildet. Mutter und ein Bruder des
Mädchens hatten im Alter von 19 und 6 Jahren zeitweilig an Haar¬
schwund gelitten, sind aber völlig gesund geworden. Die spärlichen
Cilien fielen im Alter von 5 Monaten aus ohne neuen Ersatz. Im Alter
von 16 Monaten gelangte es in Behandlung von M o 1 e n e s, der einen com-
pleten Haarmangel constatirte. Die Haut ist glatt, ausserordentlich weise
zahlreiche Drüsenausführungsgänge mit der Lupe zu erkennen, an den
Lidern einige Flaumhaare, keine Conjunctivitis. Bezahnung normal.
5 Monate nach Einleitung der Behandlung (Waschungen mit Lösungen
von ac. salicyl., mit Sublimatalkohol, Milchsäure und Einreiben verschie¬
dener schwach reizender Salben) zeigten sich die ersten Haare; jetzt nach
*) Dublin Journ. Med. Sc. 1876 p. 200.
2 ) Wiener med. Woch. 1883. Nr. 37.
s ) These de Paris 1879. Rech, eur un cas tres curieux d’alopecie.
4 ) Lancet 1886 p. 923.
5 ) Annal. de derm. et de syph. 1890 p. 548.
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3Jahren besteht normaler Haarwuchs mit Ausnahme eines kleinen
Fleckes hinter dem linken Ohre.
Aubry 1 ) beobachtete eine angeborne Alopecie bei einem 18jäh-
rigen Knaben, wo der Haardefect sich nur auf den Kopf und hier nur
auf die Gegend der Knochennähte beschränkte, und zwar fanden sich
2 haarlose Streifen entsprechend der Coronarnakt, eine entsprechend der
Lambdanaht. Der Schädel von normalem Umfang, aber ungleichmässig.
Aubry glaubt, dass ein gewisser Grad von Hydrocephalie Vorgelegen
hat, der geheilt ist.
In einem Fall von Fordyce’) bei einem 4jährigen Mädchen
sollen bei der Gehurt nur einige Haare vorhanden gewesen sein, die sehr
bald nachher austielen; einige Haare an den Augenbrauen sind noch ge¬
blieben. In der Familie keine Heredität.
Von Abraham 3 ) erfahren wir folgende Mittheilung: Eine 33jäh-
rige Frau wies einen völligen Haardefect an den Augenbrauen, Armen,
Beinen und am Stamm auf, spärlichen Haarwuchs am Kopf, Scham und
Achseln. Sie soll mit langem Flaum zur Welt gekommen sein, aber auch
dieser sei bald ausgefallen. Bis zum IS. Jahr sei sie völlig kahl ge¬
wesen, ohne jegliches Haar am Körper, bis sich nach und nach der
schwache Ersatz an den erwähnten Stellen zeigte. Patientin war seit
9 Jahren verheiratet und hatte *2 Kinder von 5 Jahren und 15 Monaten;
beide wurden mit spärlichem Haar geboren, das nach 3 Monaten ausfiel;
gegenwärtig sind beide Kinder ganz kahl.
In der Soc. franc. de Dermat. et de Syph., Sitzung vom 10./XI.
1S92 4 ) wurden 2 Fälle von angeborner familiärer Alopecie mit Rosen¬
kranzmissbildung der Haare vorgestellt, w r obei von Tenneson auf den
Zusammenhang mit der Keratosis pilaris hingewiesen wurde.
Bei Joseph 5 ) finde ich einen Fall von Schultz angeführt: einem
35jährigen Manne mangelte jeglicher Haarwuchs bis auf 10 um die Mnnd-
w r inkel gruppirte 1—1 */* Cm. lange Härchen.
Bei der Durchsicht der vorliegenden Literatur ergibt sich,
dass das Krankheitsbild des angeborenen Ilaarmangels durch¬
aus kein einheitliches ist; za einer präcisen Eintheilung jedoch
genügen die bisherigen spärlichen mikroskopischen Unter¬
suchungen keineswegs. Um den angeborenen Haardefect scharf
abzugrenzen von dem erworbenen in seinen verschiedenen
Formen, wäre es zweckmässig, den Namen Alopecie, den in
strengem Sinne das Ausfallen schon vorhandener Haare be-
') Annal. de Dermatologie. 1893.
7 ) Journ. of cut. and gen. ur. dis. März 1895.
3 ) Brit. Journ. of Demi. April 1895.
4 ) Monatshefte f. prakt. Denn. 1892 p. 618.
5 ) Lehrbuch der Ilautkrankh. Berlin 1892.
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Ueber Alopecia congenita.
219
deutet, hier ganz fallen zu lassen und die schon von anderen
vorgeschlagene Bezeichnung Atrichia oder Oligotrichosis oder
nach Bonnet’s Vorschlag congenitale Hypotrichosis allgemein
einzuführen. Um einen absoluten Haarmangel handelt es sich
in den wenigsten Fällen, meist befindet sich ein schwacher
Flaum an der einen oder anderen Region oder er war wenig-’
stens bei der Geburt vorhanden, wenn er auch bald nachher
verschwand. Neben dem über dem ganzen Körper ausgedehnten,
universellen, mehr oder minder völligem Defecte der Haare
gibt es nun auch angeborene umschriebene Atrichien, für
die ich als Beispiel den Fall von Aubry in Erinnerung brin¬
gen möchte, wo der partielle Haardefect entlang den Knochen¬
nähten verlief.
Was nun die verschiedenen Formen der Atrichien anlangt,
so gibt es Fälle, wo die Entwicklungsstörung im ganzen Epi¬
dermoidalgebilde Platz gegriffen hat, wo also neben den Haaren,
auch die Zähne, Hautdrüsen und Nägel in der Ausbildung
zurückgeblieben sind oder gänzlich fehlen, und zwar hei vor¬
handener und fehlender hereditärer Belastung; dies gehört
jedenfalls zu den grössten Seltenheiten und was den Haut-
drüsendefect betrifft, ist der Fall von Quilford wohl bis jetzt
ein Unicum. Das Fehlen der Haare allein nun kommt vor bei
ganz gesunden Kindern ohne hereditäre Belastung, wie die
Beobachtungen von Schede und mir zeigen, oder bei Kindern,
deren Eltern entweder selbst mit Atrichie zur Welt gekommen
sind oder im Laufe des späteren Lebens den Haarverlust er¬
litten haben. In letzterem Falle kann jede Spur einer Haut¬
erkrankung beim Kinde fehlen oder es kann die Xerosis pilaris
oder Ichthyosis, die bei den Eltern schon den Haarausfall
bedingte, sehr bald nach der Geburt auch beim Kinde zum
Vorschein kommen.
Für die in den Lehrbüchern als ätiologisches Moment
angeführte Syphilis habe ich in den aufgefundenen Kranken¬
geschichten keinen Beleg finden können; dagegen ist wohl die
Möglichkeit von nervösen Einflüssen zuzugeben insbesondere
in derartigen Fällen, w r o die Atrichie sich z. B. nur auf die
Gegend der Knochennähte beschränkt.
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Die mikroskopischen Untersuchungen, welche nur die
Fälle von Schede und auch den von Jones und Atkins
betreffen, bieten nun ein mit meiner Beobachtung fast völlig
übereinstimmendes Bild: bei wohl ausgebildeten Talgdrüsen
unterhalb derselben abgeschnürte äussere Haarwurzelscheiden
ohne Spur einer inneren Haarwurzelscheide, eines Haares oder
einer Haarpapille, mit weiten, zum Theil von Epitheldetritus
erfüllten Höhlen, während Schweissdrüsen und Mm. arrectores
pil. in normaler Weise entwickelt sind. Dass die ursprüngliche
Anlage des Epithelzapfens, aus dem das Haar sich entwickelt
hat, eine normale war, geht daraus hervor, dass die ebenfalls
aus dem Epithelzapfen hervorspriessende Talgdrüse eine nor¬
male Entwicklung erlangt hat, dass der Drüsenausführungsgang
völlig der normalen äusseren Haarwurzelscheide entspricht,
dass in den den Basalzellen benachbarten Zellen der abge-
schnürten Drüsenschläuche noch Eleidinkörner zu finden sind.
Die Ursache für das Ausbleiben des Haarwuchses muss, da
die ganze Umgebung, Drüsen, Haarmuskeln, normal entwickelt
sind, in einer localen Veränderung der äusseren Haarwurzel¬
scheide und zwar da der Ausführungsgang der Drüse normal
ist, in seinem unterhalb derselben gelegenen Theil begründet
sein. Während unterhalb der Einmündung der Drüse normaler
Weise Stratum granul. und Ilornschicht fehlen, sind hier selbst
in den erweiterten Schläuchen noch die Eleidinkörner vorhan¬
den und die innersten Epithellagen erscheinen kernlos, abge¬
plattet wie Hornzellen. Der reichliche Zerfall der übermässig
producirten Zellen kann eine Verstopfung des unteren Theiles
der Haarwurzelscheide bewirken und so analog der Bildung
der Atherome bei verstopften Talgdrüsenausführungsgängen,
eine Verengerung, eine Abschnürung der untersten Partien der
Haarwurzelscheide entstehen, ehe noch die Papille gebildet ist.
Vom klinischen Standpunkte aus ist nun nicht anzunehmen,
dass alle Fälle angebornen Haardefectes ein ähnliches Bild
wie die erwähnten bieten, sondern dass es sich in manchen,
besonders denen, die in kurzem Heilung oder Besserung er¬
fahren, nur um ein verspätetes Wachsthum der im übrigen
normalen Haaranlagen handelt. Dafür, dass thatsächlich eine
völlige Abschnürung stattgefunden hat, spricht neben der
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starken Erweiterung der nur in den tieferen Schichten der
Cutis sich findenden Schläuche das Fehlen von Ausmündun¬
gen an der Oberfläche trotz Durchsuchung zahlreicher Schnitte.
Von der Beschaffenheit der Haaranlage ist die Prognose ab¬
hängig und diesbezüglich würden wir natürlich den sichersten
Aufschluss durch das Mikroskop bekommen. Nach der Erfah¬
rung ist die Prognose der universellen Atricliie im allgemeinen
keine schlechte, da man ja noch nach 18 Jahren Heilung ein-
treten sieht. In unserem Falle, wo die Haaranlage wenigstens
in dem untersuchten Stück sehr spärlich erfolgt scheint und
völlige Abschnürung besteht, kann auf Besserung nicht ge¬
hofft werden, so ferne die histologische Beschaffenheit am
ganzen Körper in gleichem besteht. Partielle Atrichie hat von
vornherein eine schlechte Prognose, was z. B. bei dem Falle
von Aubry nicht auffällig erscheint.
In den Fällen, wo es sich um ein einfaches verspätetes
Wachsthum, meist in Verbindung mit erschwerter Dentition
handelt, wird die Therapie mit schwach reizenden Wassern
oder Salben Erfolge erweisen. In einem Falle von Abraham
soll durch Fütterung mit Schilddrüse Besserung eingetreten
sein, ebenso durch Behandlung mit einem constanten Sauer¬
stoffspray nach einer Empfehlung von Stocker’s. Auch ich
habe versucht, durch Schilddrüsenfütterung Besserung zu er¬
zielen, allein die Patientin entzog sich bald meiner Behandlung
und ich glaube nicht, dass sie durch das Wegbleiben von der
Behandlung sich einen wesentlichen Schaden zugefügt hat.
Herrn Prosector Dr. Böhm, der in gewohnter Liebens¬
würdigkeit die mikroskopischen Befunde revidirte, spreche ich
auch auf diesem Wege meinen besten Dank aus; ebenso Herrn
Privatdocenten Dr. B a r 1 o w für die gütige Ueberlassung seiner
reichhaltigen Bibliothek.
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Ziegler.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel X, XI u. XII.
I. Senkr. Schnitt durch die Haut. AA 0 2 Boden Zeiss. a Talgdrüse.
b Querschnitt eines Epithelschlauches, c Arrector pili, der einerseits zum
Epithelschlauch, anderseits zur Talgdrüse zieht.
II. Senkr. Schnitt durch die Haut. AA 0 2 Boden Zeiss. a Talgdrüse.
h Zwei nahe aneinander liegende Durchschnitte eines Epithelschlauches.
c glatte Muskelfasern, d Schweissdrüse.
III. Leicht schräg getroffener Querschnitt eines Epithelschlauches.
Immers. Oc. 2. Aussen die Basalzellen, dann polygonale Zellen mit
Eleidinkömern in den Kernen, dann abgeplattete, zum Theil kernlose,
verhornte Zellen.
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Bericht über die Leistungen
auf dem
Gebiete der Dermatologie und Syphilis.
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Verhandlungen des Vereines Ungarischer Dermato¬
logen und Urologen.
Sitzung vom 24. September 1896.
Vorsitzender: Schwimmer. Schriftführer: Török.
I. Josef Seilei. Fall von Filaria medinensis. Patient, Mit¬
glied einer sich in Budapest aufhaltenden Neger-Colonie, ist in Afrika —
Acria — geboren; von der 180 Köpfe zählenden Truppe litten 9 an der
Filaria; bei allen diesen konnte er den Wurm im subcutanen Binde¬
gewebe finden; über das Vorhandensein desselben im Bindegewebe anderer
Organe hat er keine Erfahrungen. Am häutigsten, so auch beim demonstrirten
Kranken kommt die Filaria an den unteren Extremitäten vor, seltener
anderswo; so sah er dieselbe in einem Falle im subcutanen Bindegewebe
des Scrotum. In allen diesen Fällen, so auch hier, entwickelte sich die
Affection folgendermassen: eine anfänglich haselnuss-, dann wallnussgrosse
fluctuirende Geschwulst war unter der Haut zu tasten; dieser locale Process
verursachte keine grössere lieaction im Organismus, es war auch dieser
selbst von keiner grösseren Teraperaturveränderung begleitet; auch be¬
deutendere Schmerzen traten nicht auf, es waren die Kranken nur bei Be¬
wegungen und beim Gehen gehindert.
Der Tumor kam in der zweiten oder dritten Woche seines Be¬
standes zur Abscedirung, brach auf; in der geringen Eitermenge zeigte
sich ein Ende der Filaria, welche die Kranken selbst hervorzuziehen
pflegten und um das Zerreissen derselben und ein Zerstreuen der dadurch
befreiten Eier zu verhindern, auf ein Stäbchen aufwickelten; binnen 8
bis 10 Tagen wird der Wurm auf diese Weise in toto entfernt, und es
stellt sich an der Stelle des Geschwüres die Restitution sehr rasch her.
Die Geschwulst übt manchmal, theils wegen ihrer Grösse, theils weil sie
2—3, ja sogar mehr Filarien enthält, einen Druck auf die darunter be¬
findlichen Blutgefässe aus, wodurch Stase und Oedem auftritt: so war es
bei einem Kranken, welcher auf die erste interne Klinik des Herrn Prof.
Koränyi kam. Bei diesem war die rechte untere Extremität vom Knie
abwärts verdickt und wies eine auf Druck empfindliche fluctuirende Ge¬
schwulst auf, welche incidirt, grosse Menge blutigen Eiters (zwei 8 bis
10 Cm.) und Filaria entleerte.
Archiv f. Dermatol, u. Syphil. liand XXXIX. j-
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Verhandlungen
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II. Schwimmer. Tuberculosis cutis. 0. J., 37 Jahre alter
Vergolder. Seine Mutter starb an Tubereulose. Im Januar 1890 bemerkte
er an der Schleimhaut seiner Nase empfindliche Exulcerationen, welche
sich mit Krusten bedeckten. Bald darauf rot bete sich und schwoll die
Haut der Nase an, so dass er die dermatologische Klinik aufsuchte.
Hier wurde seine Nase scarificirt. Danach wurde die Küthe und An¬
schwellung der Nase noch starker. Kein Schmerz. Status praesens: Die
Nase, besonders im Querdurchmesser, vergrössert, gedunsen, bläulichroth.
Die Haut Veränderung begrenzt sich mit verwaschenen Rändern nach auf¬
wärts gegen die Nasenwurzel. Auf beiden Nasenflügeln sind stecknadel-
bis hanfkorngrosse bläulichrothe Knötchen sichtbar, von welchen einige
unter der verdünnten Haut (‘inen eiterähnlichen Inhalt aufweisen. Links
von der Nasenspitze sieht man eine durch (’onfluiren der kleinen Läsionen
entstandene, in der Mitte (‘ingesunkene Erhebung von Thalergrösse. Die
Knötchen sind weich, unempfindlich. Aehnliehe Knötchen am Nasenein-
gange und an der Oberlippe. Eine grössere Erhebung von etwa l / i Cm.
im Durchmesser auf dem rechten Nasenflügel. Noch ist zu erwähnen, dass
der Kranke seit Jahren hustet ; Percussionsschall über der Lungenspitze
links gedämpft; rauhes Ein- und Ausathmen. Gegen Lupus vulgaris spricht
die rasche Entwicklung und die überaus weiche Consistenz der Knötchen;
gegen Syphilis der Mangel der anamnestischen Daten und der Umstand,
dass während des 9 Monate langen Bestandes kein Zerfall der Knoten
aufgetreten war, sowie der Mangel sonstiger syphilitischer Veränderungen;
gegen Acne spricht das Ausbleiben einer raschen Vereiterung und der
Mangel der der folliculären Eiterung nachfolgenden Narben. Schw. nimmt
an, dass es sich hier um einen tuberculösen Process handelt.
S. Rona: Dem Wesen nach ist wohl ein tubereulöser Process vor¬
banden, von klinischem Standpunkte muss aber im vorgestellten Falle
Lupus vulgaris diagnosticirt werden.
Marschalk ö hält den Fall ebenfalls für Hauttuberculose.
Schwimmer betont nochmals, (lass das weiche Gewebe gegen
Lupus spricht.
III. Schwimmer: Lu es heredi t ari a tarda. Sch. A., 12 Jahre
altes Mädchen. Ihre Eltern leben und sind gesund, ebenso 3 Geschwister;
drei andere sind gestorben (2 an Diphtheritis). Seit 5 Jahren entwickelt
sich an der Vorderfiächc des oberen Drittels der linken Tibia ein Knoten,
der sich allmälig vergrössert. Zu gleicher Zeit entstand ein zweiter
Knoten am Ulnartheil des Unterarms. Dieser Knoten zerfiel vor zwei
Jahren zu einem Geschwür. Die Nase ist seit etwa einem Jahre ver¬
schwürt, ebenso ihre Schleimhaut, das Septum narium ist im Laufe des
letzten Jahres zu Grunde gegangen. Zur selben Zeit war auch die Mitte
der Oberlippe und die Wange in der Gegend des rechten Mundwinkels
geschwürig zerfallen. Letzteres Geschwür ist zugeheilt. Vor 1 ‘/ 3 Jahren
ein Augenleiden, welches mit Lichtscheu einherging. Kein Olirenleiden.
Status praesens: Bohnen- bis linsengrosse Geschwüre, an den Nasenflügeln
mit aufgeworfenen Rändern und gelblich eitrigem Grunde, Nasenschleim-
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haut geschwellt, mit Geschwüren bedeckt. Die Nasenseheidewand fehlt.
Ein kleines Geschwürchen auf der Oberlippe. In der Nähe des rechten
Mundwinkels und auf dem Kinn je ein mit einer Kruste bedecktes Ge¬
schwürchen. Auf der Wange in der Nähe des linken Mundwinkels eine
10 Cm. lange, 3 Cm. breite, unregelmässige Narbe. Der mittlere Theil
der linken Ulna ist verdickt; über der Verdickung ein bohnengrosser,
von einer Kruste bedeckter Substanzverlust inmitten einer thalergrossen,
röthlichen Narbe. Auch die rechte Ulna ist in leichterem Grade verdickt.
An der linken Tibia querhandbreit unterhalb der Patella eine harte,
kindsfaustgrosse Knochenverdickung. Diflbrmirte Schneidezähne.
Havas: Die Fälle von sogenannter Syphilis hereditaria
tarda sind eigentlich Fälle von spät auftretender tertiärer Syphilis, und
man hat es in diesen Fällen keineswegs mit den ersten Manifestationen
der Syphilis zu thun.
Schwimmer glaubt, dass diejenigen nicht Unrecht haben, die
der Ansicht huldigen, dass die ersten Manifestationen einer ererbten
Syphilis spät auffreten können.
IV. Justus: Lichen ruber planus et cor neu s. Frau \V. J.,
27 Jahre alt. Vor 3 Monaten erkrankt. Die ersten Effloivseenzen traten
an den Unterarmen auf; typische Planuspapeln zerstreut über die ganze
Körperoberfläche. Bloss Gesicht, behaarter Kopf, Handflächen und Fuss-
sohlen sind freigeblieben. Stellenweise, besonders an den Unterextre¬
mitäten, Bildung von Plaques, welche mit dicker Hornschicht bedeckt
sind. Weissliche, punktförmige Knötchen am weichen Gaumen, weisse
linienförmige Auflagerungen auf der Wangenschleimhaut.
V. Justus: Syphilis papulosa u n i v e r s a 1 i s.
VI. Justus: Gruppirtes kl einpapulöses Syphilid auf
den Unterschenkeln.
VII. Justus: Cicatrices lueticae frontis, facici, nasi et
f o 11 i c u 1 i t i s syphilitica.
Vin. Justus: Seltenere Form der Syphilis auf der Nase.
P. J., 37jähriger Schuhmacher. Auf dem Nasenrücken ist eine braunrothe,
in der Mitte narbige, am Bande aufgeworfene, in der Mitte eingezogene
Veränderung sichtbar, welche den ganzen Nasenrücken einnimmt. Unter¬
halb des linken Auges nur auf der Oberlippe je ein halbkreuzergrosses,
mit aufgeworfenen Bändern versehenes und feine, weissliche Granulationen
aufweisendes, scharf begrenztes Geschwür sichtbar.
Schwimmer diagnosticirt hier keine Syphilis, sondern Lupus
er\ thematodes.
Török hält den Fall für Syphilis. Gegen Lupus vulgaris spricht
die Abwesenheit von typischen Lupusknötchen, das späte Aut treten des
Leidens, gegen Lupus erythematodes die tief eingezogenen Narben (statt
der flachen Atrophien des L. eryth.) und die Geschwüre.
Marschalko hält den Fall für Lues.
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Justus: Da3 Blut des vorgestellten Kranken zeigte nicht die von
ihm beschriebene Reaction des Hämoglobingehaltes nach Injection eines
Quecksilbersalzes. Er wird eine antiluetische Behandlung inauguriren.
Schwimmer hält seine Diagnose Török gegenüber trotz der
Gegenwart der Geschwüre aufrecht. Die locale Anwendung von Empl-
einer, beeinflusst auch den Lupus erythematodes und soll bei der Ent¬
scheidung der Frage durch therapeutische Massnahmen nicht angewendet
werden.
IX. Schwimmer stellt den schon einmal dernonstrirtenKranken mit
Neurodermitis papulosa pigmentosa mit neuen Eruptionen noch¬
mals vor.
X. Aschner (aus der Poliklinik des Dr. S. Rona): Scle-
rosis init. mammae; Lues congenita? Frau B. J., 30 Jahre alt,
ist seit 1 % Jahren verheiratet, gebar ihr erstes Kind (das demonstrirte)
am 15. Mai 1896 an der geburtshilflichen Klinik. Dasselbe wurde dort
für eine Frühgeburt erklärt. Die Tat. war bis dorthin immer gesund ge¬
wesen, hatte keine venerische oder syphilitische Erkrankung durchge¬
macht. Auch an dem Neugeborenen war in der ersten Woche nach der
Geburt kein Zeichen von Syphilis wahrnehmbar. In der 6. Woche nach
der Geburt bekam das Kind ein Bläschen an der Oberlippe, welches sich
in ein Geschwür umwandelte. Einige Wochen später trat bei dem Kind
ein Ausschlag auf. Die Mutter nahm vor 6 Wochen an ihrer linken
Brustwarze ein Geschwür wahr, seit einigen Tagen hat sie Kopfschmerz
und einen Ausschlag (Roseola). Der Vater wurde ebenfalls untersucht;
dieser leugnet jemals Syphilis gehabt zu haben. Auch waren keine Zeichen
einer abgelaufeiien Syphilis nachweisbar. A. dachte kurze Zeit, es in dem
vorgestellten Falle mit einer Ausnahme \ on dem Coli e s-Bau m e s’sehen
Gesetze zu thun zu haben. Er hält es jetzt aber für erwiesen, dass das
Kind durch eine extragenitale Infection die Syphilis aeijuirirtc und
seiner Mutter weitergab.
S. Rona scbliesst sich dieser Auflassung an.
XI. Justus: L o e a 1 i s a t i o u d e s Q u e c k s i 1 b c r s i m B1 u t e. Im
Laufe seiner Blutuutersucbungen gelangte Vortragender zur Frage,
welche Elemente des Blutes es seien, mit denen sich das intravenös ein-
gefuhrte Ilg in erster Reihe verbinde (Plasmaalbumen? rotlie, weisse
Blutkörperchen?). Erst wurden Versuche an Gesunden vorgenommen, um
das Sublimat aufzutinden. Bas centrifugirte Blut ergab drei Schichten.
Aussen lagen die rothen Blutkörperchen als dunkelrothe Säule, deren
Mitte bei manchem Blute am centralsten Theile grau erschien, entspre¬
chend der Stelle, wo die specitisch leichteren weissen Blutkörperchen zu
liegen kamen. Oberhalb der weissen Blutkörperchen sind weisse Fibrin-
knäuel oder -Fäden zu sehen, welche schon in die vom Serum gebildete
centralste Schichte hineinragen. Ich vermuthete das Ilg zuerst im Fibrin,
welches ich also vorsichtig heraushob, um seinen inneren, von der rothen
Blutkörperehenschicht unberührten Tbeil zu untersuchen. Das vom Serum
mittelst destillirter Kochsalzlösung befreite, aus einigen Proben zusam-
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mengesammelte Fibrin wurde mit der empfindlichen und complicirten
Lndwig’schen Methode auf Hg untersucht, u. zw. mit negativem
Resultat, trotzdem auf einige Ccm. Blut 2—3 selbst 4 Mgr. Hg einge¬
spritzt wurden, das 30- bis 40fache, also der Empfindlichkeitsgrenze der
Ludwig’schen Probe. Das reine, mittelst Pipette gesammelte Serum er¬
wies sich auch als frei von Hg; sind aber 5—10 Mgr. zur Injection in
das abgesperrte Venengebiet verwendet worden, so zeigten sich doch
Spuren von Hg im Serum, die also bei Einführung von zu grossen Mengen
im Serum zurückgeblieben sein mussten.
Die rothen Blutkörperchen wurden vom Serum vorsichtig befreit
und mit der Fürbringer’schen Methode behandelt. Sie enthielten immer
Quecksilber, gleichviel ob wenig (V 2 Mgr.), oder viel (10 Mgr.) in die
Vene eingespritzt worden war, nur der Ueberschuss verblieb im Serum.
Ich untersuchte auf diese Weise denHg-Gehalt der rothen Blutkörperchen
bei intravenös eingeführtem Hg an ca. 40 Personen. Es war noch zu
entscheiden, ob das Hg, welches in der Schichte der rothen Blutkörper¬
chen vorfand, an die rothen Blutkörperchen gebunden sei, oder ob nicht
vielleicht das Hg mit irgend einem Albumen einen unlöslichen Nieder¬
schlag bilde, welcher beim Centrifugiren immer in die Schichte der rothen
Blutkörperchen mit hineingeschlagen wird. Es müsste also ein mikro¬
skopischer Beweis erbracht werden dafür, dass es die einzelnen rothen
Blutkörperchen selbst es sind, die das Hg enthalten, respective es ge¬
bunden haben. Ich gelang nach vielen Versuchen zu folgendem Verfahren:
Nachdem das Blut intravenös mit Sublimat gemengt war, wurde mit der
Spritze aspirirt und ein Ehrlich’sches Präparat bereitet, wobei darauf
geachtet wird, dass die Blutkörperchen nicht zerstreut neben einander,
sondern in dicke Schichten zu liegen kommen, da solche Stellen die
makroskopische Beobachtung erleichtern. Das an der Luft getrocknete
Präparat kommt auf einige Stunden bei 120°—130° in die Trockenkammer.
Bringen wir das Stammochlorid in überschüssiger Menge mit irgend einem
Hg-Salz, z. B. mit Hg-Chlorid oder mit Hg-Oxyd zusammen, so reducirt
er das Hg-Salz erst in Oxydulsalz, dann in reines Hg nach folgenden
Formeln:
2 HgCl 2 + SnCl 2 — HgCl, + SnCl 4
Hg^CLj + SnCl* H 2 Hg + SnCl,
Warf ich also das Präparat in Stammonehloridlösung, so konnte
ich bald bemerken, wie das bis dahin rothe Hämoglobin zerstört wird,
was auch das Spektroskop beweist. Nehme ich nun das Präparat aus dem
Stammochorid heraus, wasche es mehrraal mit einer sehr verdünnten Salz-
säurelösung und mit destillirtem Wasser und betrachte es unter dem
Mikroskope, so erscheint es bei massiger Vergrösserung grau durch zahl¬
reiche schwärzlich-graue Trümmer und Körnchen, die nichts anderes sind
als das gebildete reine Hg, wie dies auch der in obigen Formeln ausge¬
drückte chemische Eprouvette-Versuch zeigt. Einen zweiten Beweis für
die Natur dieser Körnchen als reine Ilg ergibt folgendes Verfahren: Das
Präparat wird in geschlossenem Gefäss auf 24 Stunden in pulverisirtes Jod
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gelegt. Das Präparat larbt sich durch die Joddämpfe gelblich-braun, es
legen sich Jodkrystalle an, die summt dem überschüssigen Jod mittelst
langem Waschen mit Chloroform entfernt werden und nun sich zeigen
unter dem Mikroskop statt der frühem grauen Körnchen gelbliche, blasse
Trümmer und Blättchen als Zeichen dessen, dass das reine Hg unter
Einwirkung der Joddämpfe in gelbem Hg-Oxyd übergegangen ist, welche,
wenn wir das Präparat zu weiterem Beweis in Jodkalilösung aus dem
Präparat verschwinden, also gelöst werden. Zur Bestimmung der Locali-
sation des Ilg ist im Präparat, in welchen wir das Hg in Hg-Jodid über¬
führt haben, nicht geeignet wegen der eingetretenen blassgelblichen Farbe,
wegen des zu kleinen Volums und der undeutlichen Sichtbarkeit unter
dem Mikroskop. Fs muss also Hg-Jodid in eine Verbindung anderer u. zw.
möglichst auffallender Farbe überführt werden, um unter dem Mikroskop
leichter gefunden zu werden. Geben wir das Präparat zu diesem Zwecke
in eine frisch bereitete Schwefelhydrogenlösung, so wird es nach kurzer
Zeit braun, sogar schwarz, was besonders auffallend ist an den Stellen,
wo die rothen Blutkörperchen in dicker Schichte über einander liegen.
Bei möglichst starker Immersionsvergrösserung (Zeiss objectiv U'02,
compens. ocul. 4) siebt man nun, dass die rothen Blutkörperchen als
farblose, scharf eontourirte Ringe ihre Gestalt beibehalten haben, dass
aber in diese farblosen Zellringe deutlich dunkelschwarze kleine Körnchen
und kleinere Trümmer eingestrent- sind. Das sind die Hg-Sultidkörncben,
in die der Schwefelwasserstoff das Hg-Jodid überführt hat. Auch sind
diese schwarzen Körnchen nie ausserhalb der Blutkörperclienleiber zu
finden, wie in den zwischenliegemlen leeren Stellen, wo das Serum an
die Glasplatte antrocknete. Wir können auch Stellen beobachten, wo
kleinere oder grössere Punkte sich so an einander lagern, dass sie Zell¬
formen nachahmen. Das sind die weissen Blutkörperchen, die in grossem
Masse mit Hg-Suliid belegt sind. Nicht alle rothen Blutkörperchen ent¬
halten Körnchen Hg-Suliid, nur die meisten von ihnen. Ob die andern
keines abbekommen haben, oder ob der Fehler noch am Prapariren liegt,
vermag ich nicht zu entscheiden. Jedenfalls scheint es mir nach alldem
für entschieden, dass das in die Vene eingespritzte Sublimat, respective
Hg durch die rothen und weissen Blutkörperchen gebunden wird, sich
mit dem Albumen derselben vereinigt und so in die Circulation gelangt.
Nil. Török: Ueberdie Bedeutung der ekzematösen Haut¬
läsion und über die allgemeinen Reactionen der Haut. IV8
Schlussfolgerungen sind, wie folgt: 1. Die verschiedensten diluirten und
abgeschwächten Reize rufen auf der Haut reaetive Reizerscheinungen
(congestive Hyperämie, Oedem, Extravasation von Blutzellen, massige
Wucherung der fixen Gewebszellen und subjective Symptome: Schmerz,
Jucken etc.) hervor. 2. Etwas stärkere Reize verursachen dabei noch
Veränderungen der Epidermis, welche bei minderen Graden der Einwir¬
kung bloss als Verhornungsanomalie mit Abschuppung, bei höheren Graden
aber schon als colliquative Veränderungen in Erscheinung treten (Haut¬
läsion des schuppenden und nässenden Ekzems, oder schuppende und
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nässende Ekzematisation, Hautläsion der Dermatitis arteficialis mit aus¬
gebreiteten colliquativen Veränderungen). 3. Bei längerer Einwirkung
von massigen Reizen entsteht eine gleichmässige leichte Hypertrophie der
Epidermis und Papillarschichte (die Lichenisation). 4. Alle diese Haut¬
veränderungen stellen die allgemeinen Reactionen der Haut auf mehr
oder weniger abgeschwächte Reize verschiedenster Natur dar. Ihre Ent¬
wicklung geschieht unter pathologischen Verhältnissen viel rascher und
leichter. Die unmittelbare Ursache spielt dabei bloss die Rolle des
auslösenden Momentes, während die Reactionsform durch einen präfor-
mirten Mechanismus der Haut und durch die disponirenden Momente
gegeben wird. 5. Das Jucken spielt bei vielen von ihnen eine wichtige
Rolle als disponirendes Moment. So z. B. bei jenen Ilautläsionen, die
man Lichenisation, Prurigo und Ekzemknötchen zu nennen gewohnt ist.
Aber diese „Syndrome“ d. h. dieses Miteinandergehen des Juckens mit ge¬
wissen Ilautläsiopen ist bloss ein speciellor Fall des Gesetzes, das wir
ausgesprochen haben. Wenn Jucken und bestimmte andere prädisponirende
Momente vorhanden sind, dann ruft das Kratzen — als Folge des Juckens
— mit Leichtigkeit die Hautveränderungen hervor, welche den allge¬
meinen Reactionen der Haut zukommen. 6. Diese Hautveränderungen
allein genügen nicht, um eine Krankheit zu charakterisiren, sie können
■demnach auch nicht die Basis einer Diagnose liefern. Mangels besserer,
wesentlicherer Zeichen können sie ausnahmsweise und provisorisch dazu
<lienen, um nach ihnen Krankheitsgruppen zu bilden. S. Rona.
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Verhandlungen der Berliner dermatologischen
Vereinigung.
Sitzung vom 2. Februar 1S97.
Vorsitzender: Lassar. Schriftführer: Joseph.
I. Löwenstein stellt aus der Ledermann’schen Poliklinik einen
Fall von Lichen ruber planus vor, der nach Arsen unter sehr be¬
trächtlicher Pigmentbildung geheilt ist.
II. Löwenstein stellt aus der Leder man n’schen Poliklinik einen
Fall von intensivem Icterus bei einer Patientin mit frischer
Lues vor. Die Leber überragt um drei Finger Breite den Rippenrand,
sie ist ebenso wie die Gallenblase druckempfindlich. L. glaubt, da der
Icterus bereits etwas abgenommen hat, dass es sich um eine Papel-
bildung im ductus choledochus handelt.
III. Brüh ns stellt aus der Klinik von Prof. Lesser zwei Fälle von
der zum Unterschied von der Glossitis gummosa von Fournier mit dem
Namen Glossitis sclerosa belegten Affection vor. Bei beiden Patienten
mit syphilitischen Antecedentien entstand eine massige Schmerzhaftigkeit
der Zunge, zu welcher sich später eine immer mehr zunehmende starke
Anschwellung hinzugesellte. Dazu traten Abschilferungen und Geschwüre.
In dem einen Falle war auch die eine Wange in gleicher Weise
befallen. Beim Herausstrecken der Zunge sieht man, dass dieselbe stark
verdickt und die Oberfläche höckrig ist. Die Consistenz ist in Folge
festen Narbengewebes hart. Den Geschwüren liegen keine gummösen
Processe zu Grunde, sondern dieselben sind durch Irritationen der ver¬
schiedensten Art entstanden: Speisereste, die in den Rissen und Furchen
der Zunge liegen blieben, ferner Tabak, scharfe Getränke u. s. w. In
dem einen Fall war das Aussehen der Geschwüre fast earcinomartig.
Es ist nicht zu erwarten, dass sich durch die Behandlung die Ver¬
dickung zurückbildet, da consolodirtes Narbengewebe nicht mehr zur
Norm zurückkehren kann. Nur das Auftreten von neuen Infiltraten kann
vielleicht verhindert werden.
Lesser erwähnt, dass nach der Ansicht französischer Autoren
Einspritzungen von Calomel in diesen Fällen am besten wirken. In Folge
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der Berliner dermatologischen Vereinigung.
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dessen sollen auch die beiden Patienten dieser Behandlung unterworfen
werden. Auch er ist der Meinung, dass der Zustand im Wesentlichen
unverändert bleiben wird.
Lassar glaubt zwar, dass diese Form der Glossitis allerdings
sehr hartnäckig ist, dass aber, da ursprünglich Gummata vorhanden
waren, dieselbe häufig wiederholten Behandlungen durch Inunctionscuren
zugänglich ist.
IV. Joseph stellt einen Patienten von 15 Jahren vor, der das
ausgeprägte Bild eines über den ganzen Körper verbreiteten
Lupus darbietet. Besonders die Ohren, das Auge und die oberen
Extremitäten sind von der Hauttnberculose befallen. Im allgemeinen
kann man drei Entstehungsarten für diese Atfection unterscheiden:
1. Infection von aussen; 2. hämatogene Uebertragung und 3. Fort¬
pflanzung der Tuberculose auf die Haut von den unterliegenden Ge¬
weben. In dem vorge9tellten Falle hat der Patient im 9. Lebensmonat
eine fungöse Entzündung des rechten Ellenbogengelenks, deren Narben
deutlich sichtbar sind, durchgemacht. Doch hat sich hierzu möglicher¬
weise noch eine Infection von aussen hinzugesellt. J. hatte im März
vorigen Jahres ein junges Mädchen mit derselben Affection vorgestellt.
Nach einer Inunctionscur war bei derselben das Leiden unter Zurück¬
lassung von Narben geheilt. Da in diesem Fall ein Leucom in Folge
einer vorangegangenen Keratitis parenchymatosa besteht, so hat J. bereit»
eine Inunctionscur begonnen, und Hals und Gesicht mit Praecipitatsalbe
behandelt. Schon jetzt ist eine bedeutende Besserung zu constatiren.
Höchst wahrscheinlich liegt eine Mischinfection vor.
V. Rohna: Ueber Urticaria mit Pigmentbildung. Im
November vorigen Jahres kam in die Klinik von Joseph ein 25jähriger
Mann, welcher seit 7 Jahren an einer Urticaria litt, die mit Hinter¬
lassung von braunen Flecken verlief. Am Körper waren zahlreiche
Pigmentflecke von verschiedener Grösse abwechselnd mit normalen Haut¬
stellen zu sehen. An den pigmentirten Stellen gelang es durch Reiben
Quaddeln hervorzurufen. Die Diagnose wurde auf chronische Urticaria
mit Pigmentbildung gestellt, zum Unterschiede von der Urticaria pig¬
mentosa, welche schon in der frühesten Jugend auftritt und 10 bis
12 Jahre dauert, um auf der Höhe der Entwicklung 4 bis 5 Jahre stationär
za bleiben. Die mikroskopische Untersuchung im vorgestellten Fall ergibt
ein deutlich ausgeprägtes Infiltrat, welches aus mononucleären Zellen be¬
steht. Mastzellen sind fast gar nicht vorhanden. Nebenbei findet sich
eine beträchtliche Neubildung von Bindegcwebselementen, welche deut¬
lich das Zeichen einer chronischen Stauung tragen. Papillen und Lymph-
gefasse ebenso wie die Blutgefässe sind erweitert; die Epidermiszapfen
sind verlängert, die Intercellularräume von Lymphe durchtränkt. Ferner
sieht man ähnliche Cysten, wie sie Behrend beim Pemphigus acutus be¬
schrieben hat. Pigment war nur spärlich io den untersten Schichten de»
Choriums vorhanden. Das Ergebniss der Untersuchung besteht also
namentlich in dem Mangel an Mastzellen. Dieser Befund beweist deut-
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Verhandlungen
lieh, dass diese Affection von der Urticaria pigmentosa getrennt
werden muss.
Joseph betont, dass man sowohl klinisch als auch pathologisch-
anatomisch diese beiden Formen streng auseinander halten muss. Pick
hat einen Fall von Urticaria pigmentosa mit Blutungen beschrieben.
Auch Bla sch ko hat einen ähnlichen Fall beobachtet. Diese Formen
dürften sich aber mehr dem Erythema exsudativum multiforme anreihen.
VI. Meissner. Ueber Kataphorese. Unter Kataphorese ver¬
steht man den merkwürdigen Vorgang, dass der elektrische Strom an der
Anode flüssige Leiter durch eine feucht poröse Zwischenwand hindurch¬
strömen lässt..
Dieses Gebiet ist von du Bois-Reymond, Hermann und
Munck bereits bearbeitet worden. Es gelingt mittelst dieser Methode
Jodkali, Strychnin etc. in die Haut einzufuhren. Vor allen Dingen ist es
aber nothweudig, dass, um eine erfolgreiche Wirkung zu Stande zu bringen,
der Strom im Optimum seiner Zeit seine Richtung wechselt. Zu diesem
Zweck hat M. eine Uhr construirt, durch welche der Strom von 5 zu
f> Minuten immer wieder eine andere Richtung nimmt. Allerdings ge¬
lingt die Einführung auch mit dem eonstanten Strom ohne Wechsel,
aber in einem verhältuissmässig viel geringeren Grade als mit dem ge¬
wendeten Strom. M. demonstrirt 2 Kaninchen, von ziemlich gleichem
Gewicht, welche das eine der Einwirkung des eonstanten, das andere
derjenigen des gewendeten Stroms unterworfen wird. Bei beiden kommt
eine 4%ige Strychninlösung zur Anwendung. Beim ersten Thier zeigen
sich nach einiger Zeit erhöhte Reflexe, Lei dem andern tritt sehr bald
unter Krämpfen der Exitus ein. Warum der Strom gewendet werden
muss, zeigt sich am besten an einem Cylinder aus coagulirtem Eiweiss,
an dem man nachweisen kann, dass durch die Kataphorese die Flüssig¬
keit in dem dem Strom unterworfenen Theil des Cylinders ausgetrieben
wird, so dass eine Austrocknung eintrift, welche der weiteren Wirkung
des Stroms hinderlich ist. Ebenso verhält es sich beim thierisehen Ge¬
webe. M. zeigt ein Modell, welches aus einer Glasröhre mit ein¬
geschmolzenen Platin - Iridiumstäbchen besteht und welches für die Be¬
handlung mit Sublimat bestimmt ist. Beim Menschen ist es nur
nothweudig, die betreffenden Lösungen in die Lymphbahnen zu bringen.
Von hier aus findet dann die Leberführung der in Anwendung gezogenen
Medicamente in den Organismus statt. Praktisch dürfte sieb die Methode
bei Infcctionserrcgern, die in der Tiefe der Epidermis liegen, bewähren.
Man kann auf diese Weise Sublimat bis in die Cutis einführen. Durch
dieses Mittel wird die Sycosis, ebenso wie der Lichen ruber bei An¬
wendung von Solutio arsenic. Fowleri günstig beeinflusst. In 2 Fällen,
bei denen diese Atfection circumseript an den Unterschenkeln bestand,
schwand der Juckreiz sehr bald und auch die Eftiorescouzen bildeten
sich zurück. Von einer elektrolytischen Wirkung ist bei dieser Methode
nicht die Rede.
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Saal feid hat in früherer Zeit die Kataphorese mehrfach an¬
gewendet, hat aber die Methode wieder verlassen, da dieselbe ausser¬
ordentlich umständlich ist und viele Zeit erfordert, ohne eine schnellere
Wirkung herbeizuführen. Ferner hat er bei Anwendung der Elektrolyse
bei Hypertrichosis auf kataphoresischem Wege 2—4°/ 0 ige Cocainlösung
in die Haut eingeführt und so eine locale Anaesthesie zu Wege gebracht.
Heller erinnert an die Arbeit von Ullmann und an das elek¬
trische Zweizellenbad von Gärtner. Die Erfolge scheinen nicht zu¬
friedenstellend gewesen zu sein.
Meissner erwähnt, dass das Zweizellenbad, abgesehen von seiner
therapeutischen Verwendung, auch in der amerikanischen Gerbetechnik
Anwendung gefunden hat.
VII. Oestreicher stellt einen Patienten vor, welcher vor Jahren
Syphilis acquirirt hatte und mit einer Schmiercur und später mit Injec-
tionen behandelt worden war. Im Jahre 1892 zog er sieh ein neues
Ulcus zu, vielleicht eine Reinfection, und wurde Patient damals wiederum
einer Injectionscur unterworfen. Im Sommer 1893 trat ein Recidiv auf;
in Folge dessen wurde eine neue Schmiercur eingeleitet. Nach der
3. oder 4. Einreibung traten aber heftige Erstickungsanfälle und Dyspnoe
ein, welche die Ausführung der Tracheotomie nöthig machten. Im Larynx
wurde ein starkes Oedem der Schleimhaut beobachtet. Im Jahre 1895
zeigte Patient eine Rupia auf Kopf und Körper und wurde derselbe von
0. wiederum neben localer Behandlung einer Inunctionscur unterworfen.
Patient reagirte sofort mit Suffocationen der bedenklichsten Art. Krause,
der den Patienten laryngoskopisch untersuchte, constatirte eine complete
Ankylose der rechten Articulatio crico-arytaenoidea und links eine Ein¬
schränkung der Beweglichkeit wahrscheinlich in Folge einer abgelaufenen
Perichondritis. Trotzdem das Larynxlumen um über ein Viertel des
Normalen eingeengt ist, kann Patient frei athmen. Für die Dyspnoe
konnte keine besondere Ursache aufgefunden werden. Unaufgeklärt bleibt
es, warum in diesem Falle nach Einleitung einer Inunctionscur Suffocations-
erscheinungen aufgetreten sind. In der Literatur finden sich keine ähn¬
lichen Angaben, sondern nur Fälle von Athemnoth und Erstickungsgefahr
bei verschiedenen schweren syphilitischen Erkrankungen des Larynx.
Krause meint, dass es sich in diesem Falle um eine reflectorische
Reizung des N. laryngeus in Folge von Quecksilberverdampfung handelt.
Diese Annahme wird dadurch wahrscheinlich gemacht, dass bei der sub-
cutanen und internen Darreichung von Quecksilberpräparaten derartige
Vorgänge nicht beobachtet worden sind. Jodkali hat der Patient während
dieser Zeit nicht genommen.
VIII. Oestreicher stellt ferner eine 38jährigeFrau, welche seit
8 Jahren verheiratet ist und dreimal geboren hat. Seit 4'/ a Jahren ist
ein serpiginöses Syphilid von enormer Ausdehnung am ganzen Körper
vorhanden. Eine angewandte Cur brachte bedeutende Besserung
Nebenbei besteht ein Athmungshinderniss, welches auch objectiv
durch ein wahrnehmbares Geräusch zu hören ist. Ein eingeführtes
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Bougie stosst in der Höhe der Bifurcation der Trachea auf ein Hinder¬
niss, das schwer zu passiren ist. Wird es mit Gewalt durchgeführt, so
kann es nur mit Mühe zurückgezogen werden und ist vollständig ver¬
bogen. In den vier Jahren haben die Beschwerden nicht zugenommen.
Die Ursache ist in diesem Falle nicht aufgeklärt. Es kann sich um eine
Erkrankung der Trachea mit einer Perichondritis, oder um eine speci-
fische Erkrankung des peritrachealen Bindegewebes handeln, welche zur
Stenosirung durch Narbenbildung geführt hat. Jedenfalls ist eine Durch¬
leuchtung mit X-Strahlen vorgenommen worden. Dieselbe zeigte an der
linken Seite des Sternums unmittelbar neben der Trachea eine leisten-
artige Verdickung, welche bis zum dritten Brustwirbel reicht. In welcher
Weise dieser Befund zu deuten ist, ist nicht aufgeklärt.
0. Rosenthal.
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Verhandlungen der Wiener dermatologischen
Gesellschaft.
Sitzung vom 10. Februar 1897.
Vorsitzender Kaposi. Schriftführer: Spiegler.
Hochsinger demonstrirt zwei Kinder, die als Säuglinge mit
congenitaler Lues behandelt wurden und nun nach 8 bezw. 10
Jahren wieder zur Beobachtung kamen. H. hat seinerzeit über 63
Fälle von congenitaler Lues der Säuglingsperiode berichtet, die lege
artis behandelt und mehr als 4 Jahre in Evidenz gehalten wurden. Man
fand bei ihnen in späteren Jahren nur geringe Zeichen von Lues, Narben
an den Mundwinkeln, eingesunkene Nase, allgemeine Entwicklungsstörung.
Es fanden sich aber auch Kinder, die nach 6—15 Jahren in jeder Hin¬
sicht tadellos gefunden wurden. Speciell die Hutch i nson’schen Trias,
Keratitis, eingekerbte Zähne und Taubheit waren nie zu finden. Die
beiden vorgestellten Kinder unterscheiden sich von den eben citirten
Fällen dadurch, dass sie nur ein einzigesmal als Säuglinge wegen ma-
culösen Exanthems zur Behandlung kamen. Sie erhielten Protojoduret
verschrieben, blieben jedoch in der Folge ohne jede Behandlung. Diese
Kinder kamen nun nach 8 bezw. 10 Jahren H. wieder zu Gesichte. Die
Kinder zeigen die H u t c h i n s o n’schen Zeichen und zwar jedes andere
derselben. Das eine hat einen eingesunkenen Nasenrücken nebst Atrophie
der Nasenknorpel, Caput quadratum und sehr charakteristische, halb¬
mondförmige Einkerbungen am freien Rand der mittleren oberen Schneide¬
zähne. Das andere Kind hat eine typische, parenchymatöse Keratitis,
an den Metacarpophalangealgelenken beider Hände, Hyperostosen, Erguss
beider Kniegelenke mit leichter Crepitation und Verdickung der Tibia.
Die Keratitis parenchvmatosa kommt zweifellos bei vielen here¬
ditär luetischen Kindern vor, doch kann man auf sie die Diagnose der
Syphilis nicht stützen, da sie in typischer Form bei sicher nicht lue¬
tischen, dagegen tuberculösen Individuen vorkommt.
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23S
Verband hingen
Audi die Veränderung der Zähne ist diagnostisch nicht verwert h-
bar, da sie ebenfalls bei sicher nicht luetischen Kindern gefunden wird.
Es gibt fast keine Hemmungsbildung des Dentins, welche nicht schon
als luetisch beschrieben worden wäre. Diese Zähne sind das Product
einer schweren Kieferrachitis, wie sie hervorgerufen werden kann
durch irgend eine schwere constitutioneile Erkrankung vor dem Zahn¬
wechsel. So beobachtete H. diese Anomalie nach Scharlach mit
schwerer Nephritis. Die Syphilis ist nun eine der schwersten Noxen,
die fast immer Sehädelrachitis erzeugt, weil im Säuglingsalter der Schädel
am meisten wächst und die Rachitis sich an den Punkten des lebhaf¬
testen Wachsthums localisirt.
Bezüglich der genaueren Anamnese der vorgestellten Kinder wäre
noch zu erwähnen, dass der Vater sich LS Q 3 inficirte, nach Gmonatlicher
Behandlung heiratete. Es kam ein Abortus im 2. Monat, dann einer im
7., das erste lebende Kind, der kleine, minder entwickelte Knabe, wurde
im Alter von f> Wochen mit schwerer Lues, eingesunkenem Nasenrücken,
blutig-eitriger Coryza, maculösem Syphilid der unteren Körperhälfte ge¬
bracht. Wenn eine so schwere Lues spontan ablaufen konnte, wird dies
umsomehr bei leichter Lues möglich sein, was wicht ig ist in Hinblick auf
die Syphilis hereditaria tarda. Das zweite Kind war leichter erkrankt,
hat nur ein leichtes, inaeulöses Syphilid, Nasenrücken normal.
Neumann erwähnt, dass man selten in die Luge kommt, Kinder
mit Syphilis hereditaria tarda, wie die eben vorgestellten, zu sehen, weil
die Kinder mit angeborener Syphilis meist frühzeitig sterben. Im Sinne
Fournier’s, dass Kinder syphilitischer Eltern gesund geboren werden
und erst in den Jahren der Pubertät mit der tertiären Form behaftet
sind, wurde eine Syphilis hereditaria tarda noch nicht festgestellt. Die
Veränderungen an den Zähnen sind gewiss nicht auf die Syphilis an
sich, sondern auf die durch sie bedingte Ernährungsstörung zurüekzu-
füliren.
E11 mann theilt mit, dass auch Fournier in der December-
sitzung des vorigen Jahres bei Demonstration von Veränderungen an den
Zähnen, Oberkiefer, Netzhaut, Glaskörper die Ansicht vertreten habe,
dass es sich hiebei nicht um Symptome der Syphilis, sondern um Er¬
nährungsstörungen (parasyphilitischej handle.
Neumann demonstrirt einen 37jährigen Tat. mit gummöser
Periostitis am 0 rbi tialrand c. Es findet sich dem linken Augen¬
brauenbogen entsprechend eine zweifingerbreite Auftreibung, fiuctui-
rend druckempfindlich die Haut darüber unverscliieblich ödematös ge¬
sell well t, am Rande der Geschwulst- ein Knochen wall zu tasten. Die Lid¬
spalte klein, der Bulbus etwas nach abwärts gedrängt, kein Doppeltsehen.
An der Grenze des harten und weichen Gaumens eine steeknadel-
kopfgrosse Perforationsöftnung, welche in die Nasenhöhle führt. Der
Nasenrücken verbreitert, von der Nasensehleimhaut wird reichlich dünner
Eiter abgesondert. Khinnskopisch lässt sich eine hühnereigrosse, von der
Schädelbasis ausgehende, an der Oberfläche glatte, derb elastische Ge-
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der Wiener derniatologi.scl.ien Gesellschaft.
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schwulst nachweisen. In der Gegend des Aoromio-Clavieulargelenkes be¬
steht Druckschmerz und eine nussgrosse derbteigige Geschwulst. Der
Primäraffect bestand 1893, der Kranke erhielt damals 22 intramuskuläre
Injectionen, die Nasenaflfection datirt seit Herbst 1895.
Kaposi findet besonders merkwürdig die ausgedehnte Fluctuation
in so grosser Ausdehnung. Die Gummen pflegen am Rande einen er¬
habenen aufzuweisen, wie bei einem Kephalhämatom, im Centrum kommt
es zu einer Erosion des Knochens, nach Verschwinden des Toplms bleibt
eine Grube zurück. K. erinnert sich an einen Pat., der eine Lues
Überstunden hatte, Y 7 ater eines gesunden Kindes war und bei dem eine
ähnliche Geschwulst am Orbitalrande auftrat, die allgemein als Perio¬
stitis syphilitica angesehen wurde, sich jedoch nach der Exstirpation
als Sarcora erwies.
Neumann hat einen gleichen Fall gesehen.
Grünfeld hat einen als Chondrom allgemein diagnosticirten
ähnlichen Tumor unter antiluetischer Behandlung schwinden gesehen.
Kaposi sah an der Verbindungsstelle zwischen Kreuzbein und
Steissbein einen scharf begrenzten dreifingerbreiten Tumor, der ebenso
in der ganzen Ausdehnung fiuctuirte. Die llaut darüber normal, per
rectum liess sich vor dem Steissbein ebenfalls eine fluctuirende Ge¬
schwulst unter normaler Schleimhaut nachweisen. Nach drei Wochen
sah man auf antiluetische Behandlung bedeutende Besserung.
Kaposi demonstrirt eine Pat., die mit der Diagnose Syphilis
aufgenommen wurde, deren Erkrankung sich später jedoch als Erythem
erwies. Sie zeigte Anfangs in der Halskieferfürche, an den Kopfnickern
linsengrosse, braunrothe, derbe Knoten. Auffallend war ein dunkelblau-
rothes, teigiges Infiltrat beider Augenlider, die linke Ohrmuschel wies
ebenfalls einen scharf begrenzten, braunrotlien Knoten auf. Dabei be¬
stand heftiger Kopfschmerz. Am nächsten Tage traten acut linsengrosse,
vorragende scharf begrenzte Knoten an beiden Handrücken, Schulter,
äusserer Seite des Oberarms auf, manche in der .Mitte etwas eingesunken,
mit hämorrhagischem Punkt. An der Streckseite des rechten Vorder¬
arms zeigte sich ein braunrother Fleck mit kleinen Knötchen am Rande,
von welchen manche später zu Bläschen wurden. Am linken Vorderarm
traten später charakteristische Erythemffecke, in der Mitte blau, am
Rande mit rothen Knötchen auf, dann traten Knoten an der Mamma,
endlich exquisite Knoten von Erythema nodosura an der Aussenfläche
des rechten Oberschenkels auf. Dabei bestand hohes Fieber. Im Ge¬
sichte, an den Augenwinkeln entstanden neue Infiltrate, an der Conjunc-
tiva des rechten Auges seitlich ein scharf begrenzter vorragender Fleck.
Es wurde also ein Erythem diagnosticirt, es dürfte sich jedoch nicht
um ein gewöhnliches, sondern um ein medicamentöses Erythem handeln,
was sich bis jetzt jedoch nicht nachweisen liess. Namentlich die teigige
Schwellung an den Augenlidern ist auffallend. Die Pat. ist 49 Jahre
alt und leidet zum erstenmal an der Affcction.
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Neu mann deraonstrirt einen 27jährigen Schuhmachergehilfen
mit genitalem und extragenitalem syphilitischen Primär-
affect. Am äusseren Yorhautblatt ein halbkreuzergrosser, elevirter,
ulcerirter, rothbraunglänzender, derber Knoten, ein zweiter überkreuzer¬
grosser in der Kinnfurcho 1. von der Medianlinie. Die Basis sehr derb
mit gelbbrauner Borke bedeckt. Drüsen am Unterkieferwinkel über
wallnussgross, indolent, Leistendrüsen links höhnen- und haselnussgross.
Infection vor 6 Wochen.
Lang hat ebenfalls einen Fall mit so weit von einander liegenden
Sclerosen in Beobachtung. Dieselben können auch durch Autoinfection
in der ersten Zeit nach der Infection von einem exulcerirten Primär-
affect aus entstehen.
Neumann hält dies für eine wichtige Principienfrage, weil man
es nicht verantworten könnte, dass man nicht jede Sclerose exstirpirt,
wenn die Möglichkeit gegeben ist, dass einer sich neuerdings von aussen
her inficirt.
Kaposi sieht nicht ein, warum die Sclerose exstirpirt werden
sollte, da es für das Individuum gleichgiltig ist, ob es eine oder zwei
Sclerosen hat. Bei experimenteller Uebertragung des Schankergiftes
haftet es nicht immer, manchmal sieht man in der Praxis durch Auto¬
infection entstandene multiple, weiche Schanker, von denen einzelne,
wenn die Oertlichkeit darnach ist, so im Sulcus coronarius glandis, sclc-
rosireu; das syphilitische Virus kann weiter transportirt werden, aber es
ist die Periode nicht tixirt, in welcher das möglich ist, wahrscheinlich
ist die Uebertragung mit dem Effect Sclerosen nicht bloss Geschwüre
zu erzeugen nur vor dem Zustandekommen der allgemeinen Syphilis
möglich.
Lang ist der Ansicht, dass man in manchen Fällen die Sclerose
excidiren muss, wenn noch Hoffnung vorhanden ist, dass dieselbe noch
localisirt sei. Ein Zeichen dafür, dass die Excision das Individuum vor
Allgemeinsyphilis bewahrt habe, sieht L. in einer späteren Keinfeetion
des Pat., wie sie von Julien, Hehlers und von Lang beobachtet
wurde. Es geht nicht an, in solchen Fällen die Diagnose der ersten
Infection anzuzweifeln, da es doch Fälle gibt, wo die Sclerose so cha¬
rakteristische Merkmale zeigt, dass dir» Diagnose ohne Allgemeinexanthem
und ob die Drüsen mehr oder weniger afiicirt sind, sicher gestellt werden
kann. Dies war auch in dem von L. beobachteten Falle so.
U 11 mann erwähnt, dass es »auch Fälle gibt, wo ohne Exstirpation
der Sclerose kein Exanthem folgt.
Es gibt allerdings Sclerosen, die ohne Exanthem verlaufen aber
keine ohne Driisenseliwellung, diese ist das wichtigste Merkmal der Sy¬
philis, daneben besteht gewöhnlich noch Uliloranämie.
Zur Zeit der Syphilidisation machte Book der M jener Schule,
welche sich negativ gegenüber seiner Methode verhielt, den Vorwurf,
dass nicht mit Scleroseneiter, sondern Eiter von venerischen Ge¬
schwüren genommen wurde. Damals glaubte man fast allgemein, dass
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der Wiener dermatologischen Gesellschaft.
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Scleroseneiter an dem Träger nicht hafte, jetzt wissen wir, dass er an
syphilitischen Individuen in Generationen impfbar ist. Experimentell kann
man Folgendes constatiren. Man merkt in den ersten Tagen nach der
Impfung eine einfache Röthung um die geritzte Stelle, diese schreitet
peripher weiter und vor dem Ausbruch des Exanthem entsteht ein In¬
filtrat, welches keineswegs die Härte der Sclerose hat. Es macht gleich¬
zeitig mit dem übrigen Exanthem die weitere Entwicklung durch und
schwindet mit demselben. Die Exstirpation der Sclerosen und auch der
Lymphdrüsen hat dem Vortragenden nur negative Resultate ergeben.
Er exstirpirt nur bei Leuten, die es durchaus begehren, dann bei Phi¬
mosen zu curativen Zwecken, ohne zu hoffen, damit die Syphilis zu
verhindern.
Ehr mann erwähnt, man müsse Reinfection und postinitiale In-
fection auseinanderhalten, man muss auch bedenken, dass die Incuba-
tionsdauer der Sclerosen sehr verschieden ist. Bezüglich des Falles von
Lang meint E., dass man nicht von Reinfection sprechen könne, da es
das erste Mal nicht zu einer Syphilis gekommen war, die blosse Sclerose
macht nicht immun. E. hat einen Fall von 36 Sclerosen auf Grund
einer Acne gesehen.
Kaposi betont, dass die Reinfection der einzige Beweis sei, dass
das Individium durch die Exstirpation der Sclerose vor der Syphilis ge¬
schützt sei. K. hat in seinem Atlas der Syphilis schon einen Fall publi-
cirt, wo nach local behandelter typischer Sclerose keine Allgemein¬
symptome auftraten, und im nächsten Jahre neue Infection auftrat.
Lang ist der Ansicht, die Lues könne in jeder Phase, auch zur
Zeit des Initialaftectes, ausheilen. Wenn wir in einem Fall annehmen
können, dass die weitere Infection von der Sclerose aus noch nicht er¬
folgt sei, müssen wir excidiren, wenn auch der Erfolg in den meisten
Fällen negativ sein wird.
Lang bemerkt, dass die Ly mph Strangs clerose mit dem
Lymphstrom Zusammenhängen kann, aber durch eine progrediente Lymh-
gefässwanderkrankung bedingt sein kann. So hat er einige Male Lyraph-
stränge von den Leistendrüsen aufwärts unter der Haut des Bauches ab¬
tasten können, ohne dass am Abdomen Veränderungen Vorlagen. Man
müsste also ein Fortschreiten gegen den Strom annehmen, natürlicher
ist es, an eine progrediente Gefässwanderkrankung zu denken.
L. stellt einen Fall von Initialsclerose, Ly mp h sträng -
sclerose, beiderseitiger Scleradenitis inguinalis vor. Auf
der linken Seite ist von dem Drüsenschenkel abwärts ein harter Strang
zu tasten. Freilich bestehen alte Narben am Unterschenkel, doch scheint
es evident, dass die jetzige Allection mit der Sclerose zusammenhängt;
es wäre also auch eine Erkrankung der Gefässwand gegen den Strom.
Ebenso sah L. oft von den Nackendrüsen ausgehend derbe Stränge, die
ebenso zu deuten wären.
2. demonstrirt Lang eine Frau mit gummösen Geschwüren
des Vorderarms. Grösstentheils an der Streckseite, die obersten an der
Archiv f. Dermatol, u. Sypbil. Hand XXXIX. 10
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Beugeseitc desselben, die in einer Reihe in ziemlich gleichen Abständen
von einander angeordnet sind. Zwischen den obersten konnte man
deutlich Stränge palpiren. Es liegt nahe, hier an Erkrankung der Lyrnph-
gefässe zu denken.
Grünfeld betont, dass Autoinoculation bei hartem Schanker eben
möglich ist, wie bei Ulcus molle. Es gibt Fälle, in denen es offenbar ist,
dass es sich nicht um gleichzeitige Infection, sondern um Autoinoculation
durch Abklatschung handelt.
Neumann bemerkt, dass durch Abklatschung von offenen Sclerosen,
wie von Papeln an einer gegenüberliegenden Stelle Geschwüre entstehen
können. Das contemporäre Auftreten mehrerer Sclerosen findet sich
namentlich an erodirten Stellen, welche die Aufnahme des Virus be¬
günstigen.
Sitzung vom 24. Februar 1 Sbf>.
Vorsitzender: Kaposi. Schriftführer Spiegler.
Lang hat in der letzten Sitzung eine Patientin mit gummösen
Knoten am Vorderarm gezeigt und bat aus der Anordnung derselben
geschlossen, dass es sich um eiue Erkrankung der Lymphgefässe handeln
könnte. Darauf hatte Horowitz erwidert, dass dies nicht möglich sei,
da an dieser Stelle keine Lymphge fasse verlau fen, dieselben vielmehr ent¬
sprechend dem Ligamentum intermusculare auf die Beugeseite umbiegen.
L. hat sich nun im anatomischen Museum genau über diese Angelegenheit
informirt und gefunden, das- thatsächlieh auch auf der Streckseite Lymph-
gefässe verlaufen und er hat an Präparaten speciell ein Lvmphgefäss
gesehen, das in seinem Verlaufe genau der Anordnung der Knoten an
dem demonstrirten Falle entspricht.
Horowitz erwidert, dass der Verlauf der Lymphgefässe ein sehr
variabler ist, so dass sogar an den zwei Extremitäten desselben Indivi¬
duums verschiedene Verhältnisse gefunden werden. Ein sicherer Schluss
auf den Ausgang einer Alfeetion von den Lvmphgefässen ist also nicht
möglich. Bei fünfzig von H. injicirten oberen Extremitäten war ein ein¬
heitlicher Verlauf und speciell in der angegebenen Richtung nicht nach¬
zuweisen.
Lang betont, dass er Lymphgefässe ander betreffenden Stelle und
genau in der angegebenen Richtung an Präparaten selbst gesehen hat.
Rille demonstrirt von Neu mann’s Klinik
1. eine iHjähr. Kranke mit Fibroma mol Ins cum. Am Stamme
dichtgedrängte, kleine Geschwülste von Hanfkorn-, Erbsen- und über
Ilaselnussgrösse, dieselben zumeist breit aufsitzend, seltener gestielt, ent¬
weder von normaler und blass gerötheter oder dunkel pigmentirter Haut
bedeckt, dazwischen reichliche Pigmentflecke und Lentigines. Eine erbsen¬
grosse Geschwulst befindet sich auch neben der rechten Brustwarze im
Bereiche des Warzenhofes, vergleichbar einer überzähligen Brustwarze.
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In Fällen wenig ausgedehnter Fibromatosis, wo sich vereinzelte solche
Geschwülste an der Brust oder gegen die Achselhöhle hin befinden, könnte
eine Verwechslung mit Polymastie Vorkommen, wie im Vorjahre bei
einem wegen Syphilis in Behandlung gestandenen Manne, bei dem an*
den genannten Stellen schlaffe, beutelartige, haselnussgrosse Geschwülste
bestanden, die für supernumeräre Brustwarzen gehalten wurden. Die
genauere Untersuchung ergab multiple, über das Hautniveau nirgends
vortretende, cysticerkenähnliche Geschwülste an den verschiedensten Stellen
der Körperoberfläche. Bemerkenswerth ist, dass bei der demonstrirten
Kranken einzelne Geschwülste auch schwarze Comedopfröpfe im Centrum
tragen. Die Aftection bestellt seit der Kindheit und ist kein ähnlicher
Krankheitsfall in der Ascendenz vorgekomraen. Die Kranke hat vor drei
Wochen geboren, ihr Kind ist vollständig gesund.
Kaposi hat vor einigen Jahren einen ähnlichen Fall von Fibroma
molluscum in der Gesellschaft der Aerzte vorgestellt. Diese Fälle sind
gar nicht selten, mitunter sind diese Individuen etwas cretinartig. K. hatte
von jeher die Ansicht, dass es sich in allen diesen Fällen um massen¬
hafte Bildung von Naevis handelt, wie sie als Naevus pigmentosus und
mollusciformis angeboren Vorkommen. Auch diese Fibrome enthalten
wesentlich embryonales Bindegewebe, das schrumpft oder zu grossen Ge¬
schwülsten heranwächst. In manchen findet sich Pigment, andere tragen
kleine Atherome. Ebenso könnte man die Ichthyosis hystrix als Naevus
verrucosus universalis bezeichnen.
K. demonstrirt im Anschluss ein Mädchen mit Naevus verru¬
cosus an derBeugeseite der Finger. Vom Metacarpus angefangen
finden sich schrnutzigbraune, harte Auflagerungen und zwar au beiden
Händen. Ebensolche Warzen finden sich lateralwärts an der Fusssohle
scharf begrenzt, die ganze Ferse besetzend. Früher wäre die Aflection
als Ichthyosis verrucosa localis der Flachhand und Fusssohle bezeichnet
worden. Die Erkrankung ist erblich, besonders bei gekreuzten Geschlech¬
tern, so dass nur die Knaben es von der Mutter erben, ein andermal die
Mädchen vom Vater. Bei dem demonstrirten Falle lässt sich eine Ver¬
erbung nicht nachweisen. Diese Naevi können abfallen, kehren jedoch
später wieder.
Rille demonstrirt
II. eine 22jähr. Kranke mit Reet alb lennorrh öe. Die After¬
falten geschwellt, an denselben mehrfache, zum Theil fistulöse und ein¬
rissartige Geschwüre mit blassrothem, nur wenig belegtem Grunde und
leicht unterminirten Rändern. Ein besonders tiefgreifendes, fissurenför¬
miges Geschwür an einer links gelegenen Afterfalte, welches bis auf die
Rectalschleimhaut übergreift. Auch weiter oben an der Mastdarmschleim¬
haut lassen sich durch die Digitalunttrsuchung an der vorderen und hin¬
teren Wand mehrfache Geschwüre nachweisen. Aus der Analöffnung
entleert sich ziemlich reichlicher, dünner, schmutziggrauer Eiter. Die
makroskopische Diagnose w T äre mit Rücksicht auf die geschwür-
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artigen Veränderungen nicht leicht zu stellen, docli enthält der Eiter
Gonococcen in grösserer Menge und typischer Anordnung. Die in Rede
stehenden Geschwürs- und Fistelbildungen dürften nicht bloss in der
Analblennorrhoe, sondern zum Theile auch in Syphilis ihre Ursache haben.
Die Kranke befand sich vor 2 1 /* Jahren mit Papeln am Genitale und
den Afterfalten auf dar Klinik in Behandlung. Gerade bei lange bestehen¬
den breiten Condylomen am After pflegen in Folge einer auf den Sphincter
übergreifenden Myositis derartige Veränderungen aufzutreten. Es können
allerdings auch bei blosser Rectalblennorhoe, wie vor Kurzem Jullien
beschrieben hat („fissure ulcercuse“) und wie noch vor wenigen Wochen
ein solcher Fall an der Klinik beobachtet wurde, speckig belegte, schmerz¬
hafte Einrisse an den stark geschwellten und infiltrirten Afterfalten sich
ausbilden, die grosse Aehnlichkoit mit venerischen Geschwüren haben und
über deren Provenienz erst die mikroskopische Untersuchung des aus dem
Mastdarme auszudrückenden Eiters gleichwie die vorzunehmende Inocula-
tion mit dem Geschwürseiter Aufschluss gibt.
Kobel bemerkt, dass zur sicheren Diagnose einer gonorrhoischen
Erkrankung die blosse Färbung der Coccen nicht ausreicht, vielmehr auch
der Nachweis durch Züchtung derselben erbracht werden muss, da bereits
eine Reihe von Mikroorganismen bekannt ist, die sich tinctoriell und
morphologisch nicht von Gonococcen unterscheiden.
Kille bemerkt, dass er zum Theile der gleichen Ansicht sei, da
er selbst schon lange vor Mittheilung der eben erwähnten Befunde wieder¬
holt beispielsweise im Speichel bei diversen Mundatfectioneii den Gono¬
coccen morphologisch ganz entsprechende Diplococeen gefunden habe und
beziehe er hierauf die vordem und neuerdings wieder aufgetauchte An¬
nahme einer Blennorrhoe der Mundschleimhaut. Dass jedoch Falle wie
der von ihm vorgestellte als wirkliche Blennorrhoen aufzufassen seien,
dürfe wohl als feststehend angenommen werden.
Kille demonstrirt
III. den bereits von Hofrath Neu mann vorgestellten Kranken mit
p a p u 1 o - p u s t u 1 o s e m und t u b e r c u löse ra Syphilid ne b st s c o r b u-
tischen Erscheinungen. Am Mons Veneris eine schmutzigbraune,
dattclgrosso Narbe nach dem Primäratfcct, die ElVlorescenzen am Stamme
und den Extremitäten grösstentheils knotig olevirt, dunkel gefärbt, kupfer-
roth bis hämorrhagisch. An den Enterextremitäten sehmutziglividc und
schiefergraue, hin und wieder auch gesellwürig zerfallene schmerzhafte
Knotenctllorescenzen, beträchtlich grosse Knoten am Mundwinkel und in
der Kinnfuivhe, an deren Oberfläche miliare zu weichen, fettigen, leicht
ablösbaren Krusten vertrocknende Pusteln. Bei diesem Kranken wurde
ferner der \ ersuch gemacht, das bisher bloss intern in Pillenform ver¬
abreichte Jo d q u e ck s i 1 b e r h äm o 1 (K o her t. Ri 11 ej als intramusculäre
lnjection (PO : 10 0 Paraffin, liquid.) zu geben. Während diese Iujectionen
bei zwei anderen Kranken, vorausgesetzt dass die Substanz in feinster
Verreibung injicirt wurde, gut vertragen wurden, haben sich hier wahr"
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der Wiener dermatologischen Gesellschaft.
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scheinlich in Folge der hämorrhagischen Diathese Blutungen in der Glutäal-
musculatur und schmerzhafte Knoten und Infiltrate gebildet.
Kaposi demoustrirt anschliessend einen Fall von Lepra, der
differential-diagnostisch gegenüber von Lues interessant ist. Er be¬
trifft einen 30jährigen Patienten aus Salonicbi, dessen Geschwister und
Eltern gesund sind. Die Erkrankung begann vor acht Monaten an der
Dorsalfläche des linken Vorderarmes. Im Gesichte finden sich über dem
Jochbogen links erbsengrosse Knoten, vor dem Ohre linsengrosse mit
derb infiltrirtem Saume umgebene Knoten, einzelne tragen im Centrum
eine Kruste, ähnliche vor dem rechten Ohre und in der Halskieferfurche,
die durchwegs luetischen Efflorescenzen ähnlich sind. An der Innenfläche
des linken Vorderarms bietet sich jedoch ein für Lepra typisches Bild.
Von der Handwurzel bis zur Mitte des Vorderarms erstreckt sich eine
aus unregelmässigen Scheiben sich zusammensetzende bronzefarbene
Infiltration von unregelmässiger Begrenzung, stellenweise stärker vor¬
ragende Herde in derselben. Diese Partie ist vollständig anästhetisch. An
der rechten oberen Extremität finden sich 15—20 bis erbsengrosse flach¬
erhabene Efflorescenzen mit centraler Depression, während sie sonst bei
der Rückbildung in der Gänze einsinken. An der Aussenseite des rechten
Oberschenkels über dem Knie findet sich ein über flachhandgrosser Herd,
dessen Centrum dunkelbraunroth infiltrirt, stellenweise mit Krusten be¬
deckt ist, während ringsum ein weniger infiltrirter Hof zu sehen ist. Also
wieder eine an Lues erinnernde Efflorescenz. Aehnliche finden sich am
linken Oberschenkel an der Glans penis. Interessant ist, dass in so kurzer
Zeit die Knoten anästhetisch wurden, auch die ganz kleinen, und auch
die Nachbarschaft der Knoten bis auf die doppelte Breite derselben ist
ebenfalls hypästhetisch. Es wurde hochgradige Analgesie, Anästhesie,
Thermoanästhesie im Bereiche des linken Ulnaris constatirt, ferner be¬
ginnende Atrophie des Interosseus priraus. Der linke Ulnaris ist auch
schmerzhaft. Auch an der Flachhand finden sich einige Knötchen, was
wieder zu Verwechslung mit syphilitischer Psoriasis palmaris Anlass
geben könnte. Bacillen konnten nicht nachgewiesen werden. K. erinnert
auch an die 1887 gezeigte Patientin aus Reval, die Knötchen an Mund¬
winkeln, Nasenwinkeln, Flachhand, also gerade den Prädilectionsstellen
der Syphilis darbot.
Popper demonstrirt aus der Abtheilung des Professors Lang eine
Pat., welche nebst mehrfachen Lupusherden im Gesicht und am Halse
ein äusserst dicht gehäuftes kleinpapulös-pustulöses Exanthem
über den ganzen Stamm und Extremitäten zeigt. Ein Initialaffect war
nicht zu finden, eine Narbe an der hinteren Commissur wird wahrschein¬
lich einem solchen angehören.
Kaposi demonstrirt
1. zwei Fälle von Lupus ery them athodes, der eine von
der discoiden Form an der Nase, der andere betrifft den Schädel, von
dem nur ein geringer Theil frei geblieben ist. Nach dem Vorgänge von.
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Schütz in Frankfurt besteht die Behandlung in Pinselung mit vierfach
verdünnter Solutio Fowleri. Nach 10—14tägiger Pinselung entwickelt sich
eine Entzündung, mit deren Rückbildung auch die Affection zurückgeht.
Es ist also eine analoge Wirkung wie die durch Jodtiuctur oder Pyrogallus-
säure erzielte. Die Fälle, bei welchen die Infiltration in’s subcutane Binde¬
gewebe reicht, sind schwerer zu behandeln.
2. einen Fall von Lupus vulgaris verrucosus der linken
Glutäalgegend vom Steissbein zum Trochanter zum Theil auf den
Oberschenkel übergreifend, endet daselbst mit einer wulstigen, alten Narbe,
in welche Lupusknötchen eingesprengt sind.
3. fünf Fälle von Pemphigus die wieder beweisen, dass die
verschiedenen Formen von Pemphigus bei demselben Individuum beob¬
achtet werden können.
Die erste Patientin hat an schwerem Pemphigus foliaceus
gelitten, hat sich jedoch seitdem erholt, die Nachschübe sind selten und
wie bei Pemphigus vulgaris ohne Tendenz zu peripherem Fortschreiten,
nur hie und da frische Blasen, Pigmentscheiben deuten auf den lang¬
sameren Verlauf. Die Prognose ist also auch für den Pemphigus foliaceus
bei entsprechender Behandlung keine so schlechte.
Auch eine zweite Pat., die einen schweren Pemphigus serpi¬
ginosus hatte, erholt sich nun, die Eruptionen treten spärlicher auf,
der Ernährungszustand hebt sich.
Die dritte Pat. erkrankte vor zwei Monaten in acuter Weise, war
dann acht Tage gesund, plötzlich traten wieder Blasen auf und zwar
zunächst thalergrosse Erythemflecke, aus denen Blasen mit Tendenz zu
serpiginÖsem Fortschreiten entstanden.
Der vierte Fall ist interessant, da er anfangs für ein Erythema
bullös um gehalten wurde. Das Erythem ist eine Vorstufe des Pemphigus,
doch war die Diagnose aus der atypischen Localisation am Oberschenkel,
an der Brust zu stellen. Ueber dem Sprunggelenke entwickelte sich eine
Blase von ungewöhnlicher Grösse über den ganzen vorderen Umfang des
Beines. Die Grösse der Blasen bietet jedoch keine Gefahr, bloss deren
Weiterschreiten.
Der fünfte Fall zeigt das Verhalten des Pemphigus in einer
Re miss io ns per io de, wo sich keine eigentlichen Blasen bilden, sondern
flüchtige Erytheme, mit vorübergehender seröser Transsudation. Bei dem
Pat. traten zwischen den Scapulal, auf der Wange, Nase linsen- bis
kreuzergrosse Herde auf in Form von epidormislosen Scheiben, die nicht
überbauten wollten.
Rille demonstrirt
IV. eine 21jähr. Kranke, Prostituirte, mit syphilitischem Pri¬
mär affe ct an der Vaginal portion. Die Portio apfelgross, das Ori-
ficium queroval, neben demselben rechts ein kreuzergrosser, scharf ab¬
gesetzter, kreisförmiger Substanz Verlust mit 2 Mm. breitem, rothbraun
glänzendem, im Niveau der Geschwürsbasis befindlichem Rande. Im
Centrum des Geschwüres ein dichter, fest anhaftender, nicht abstreifbarer
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weisslichgelber Belag, von der Oberfläche wird seröse Flüssigkeit in grosser
Menge abgesondert. Da die Kranke noch nie geboren hat und keine Ero¬
sionen, Narben oder Einkerbungen bestehen, ist der Primäraffect scharf
umschrieben, vollkommen typisch und ohne Weiteres diagnosticirbar.
Die Leistendrüsen sind derzeit wallnussgross, bei Aufnahme am 13. d. M.
waren dieselben von normaler Grösse. Die Drüsenvergrösserung ist dem¬
nach der Ausdruck der sich allmälig ausbildenden allgemeinen Drüsen¬
schwellung, die bekanntlich bei alleinigem Bestehen des Primäraffectes
an der Vaginalportion ohne gleichzeitiges Vorhandensein eines solchen
an der Vulva oder sonst am äusseren Genitale nicht die tastbaren Ingui¬
naldrüsen es sind, welche anscbwellen, sondern die um das Collum uteri
in der Bauchhöhle gelegenen Lvmphdrüsen. Es besteht ferner Cubital-
drüsenschwellung und beträgt die Krankheitsdauer seit der Infection
sieben oder acht Wochen.
Die Localisation des syphilitischen Primäraffectes an der Vaginal¬
portion ist nicht nur nicht selten, sondern zählt zu den häufigeren des
weiblichen Genitales überhaupt. Auch Sklerosen in der Vagina sind nach
Ri Ile’s Erfahrung keineswegs exceptionell selten.
Zum Protokolle der Sitzung vom 10. Februar d. J. sind noch die
Details der vom Prof. Lang mitget-heilten Re infection nach Pix-
cision nachzutragen:
Am 28. Mai 1892 wurde ein Mediciner mit einer deutlich ent¬
wickelten exulcerirten Sclerose auf meiner Abtheilung aufgenommen,
wobei in der rechten Leiste erbsengrosse Drüsen zu tasten waren. Die
letzte Infectionsgelegenheit (Coitus) fand am 1. Mai statt. 10 Tage später
wurde ein rothes Knötchen in der Kranzfurche bemerkt, welches sich
allmälig vergrösserte und am 17. Mai geschwürig zu zerfallen begann.
Am 30. d. M. wurde die Sklerose in Bromaethylnarkose mit dem Paquelin
ausgiebig zerstört und die Ausheilung der Abstossung und Granulation
überlassen. Der Studiosus machte weifers keinerlei Wahrnehmungen an
sich, bis im November des Jahres 189G, etwa eine Woche nach einem
Coitus, ein rothes Knötchen an der Penishaut rechts (entfernt von der
nach Paquelinisirung im Jahre 1892 zurückgebliebene Narbe) zu Tage
trat, das im weiteren Verlaufe sich immer derber anfühlte. Am 15. Ja¬
nuar 1897 erschien ein deutlicher Ausschlag am Körper und am 22. d. M.
erfolgte die Aufnahme des Patienten in das Studentenspital wegen eines
maculo-papulösen Exanthems und Initialintiltraten am Penis.
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Hautkrankheiten.
(Redigirt von Prof. Kaposi in Wien.)
Anatomie, Physiologie, path. Anatomie, allg. und
exper. Pathologie und Therapie.
Rfiuke, Fr. Beiträge zur Histologie des Menschen. Mit
einer Tafel. Arch. f. mikroskopische Anatomie. 47. Band, 1896.
Reinke verfügt über vorzügliches, frisch conservirtes Materiale
vom Menschen, namentlich auch über solches von einem ‘J5jübrigen äusserst
kräftigen Hingerichteten. Die Untersuchung dieses Materiales förderte
eine Reihe von neuen Befunden zu Tage, zu welchen auch die in dem
vorliegenden Aufsätze beschriebenen „Krystalloidbildungen in den inter¬
stitiellen Zellen des menschlichen Hodens u gehören.
Die Weigert'sche Fibrinfärbung, Satlranin und namentlich die
M. Haidenhain'sche Ilämatoxvlinfürbung gestatten den Nachweis, dass
sich in den interstitiellen Zellen gesunder Hoden eine grosse Menge in¬
tensiv färbbarer Körper eingelagert findet.; die nähere Untersuchung der¬
selben ergibt, dass es sich um eiweissartige Ivrystalloide handelt. Die
Grösse dieser Krystalloide ist schwankend; die meisten übertreten die
Grösse der Kerne beträchtlich. „Weitaus die Mehrzahl ist länger als
breit, öfters zeigen sie Winkel, oft aber auch abgerundete Ecken, einige
sind keulenförmig an einer Seite breiter, oft in der Mitte verdünnt. Sehr
häutig sind es doppelte und mehrfache Bildungen, die entweder in ganzer
Länge getrennt oder nur durch eine Linie geschieden sind. Bemerkens¬
werth erscheint noch, dass dieselben sehr häufig krumm und gebogen
sind. a Ferner stellen Keinke's Krystalloide nicht nur Zelleinschlüsse
dar, sondern liegen, wo die Zellen zu zerfallen scheinen, auch ausserhalb
der Zelleiber im Bindegewebe und in der geronnenen Lymphe. Irgendwelche
Beziehungen zu den Charcot-Leyden’schen Krystallen oder den
Bö11cher’schen Sperminkrystallen lassen sich nicht erweisen. Reinke
traf diese Krystalloide in 8 gesunden Hoden kräftiger Männer mit reger
Spermatozoenbildung vergesellschaftet an; in Hoden, wo letztere noch
nicht eingesetzt oder bereits aufgehört hat, vermisste er sie. Merkwür¬
digerweise fand er sie in tubereu lösen Hoden unabhängig von der Sper¬
matozoenbildung oft in grossen Mengen. (Der Verfasser verweist dies-
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete der Dermatol. 249
bezüglich auf eine demnächst erscheinende Publieation von Lubarsch).
Schliesslich erwähnt Reinke, dass er bereits vor mehreren Jahren im
Pankreas weisser, gemästeter Mäuse ähnliche Bildungen fand. Zur Fest¬
stellung der Bedeutung dieser merkwürdigen Befunde Reinke’s sind
weitere Erfahrungen erforderlich. Prof. Hugo Rex (Prag).
Fischei, Alfred. Ueber Beeinflussung und Entwicklung
des Pigmentes. Mit einer Tafel. Archiv f. mikroskop Anatomie.
47. Band 1896.
Fis chel’s bedeutungsvolle Untersuchungen wurden an Herbstlarven
von Salamandra macul. ausgeführt. Er stellte zunächst fest, dass in
Wasser von Zimmertemperatur aufgezogene Larven eine bedeutende Ver¬
schiedenheit ihrer Färbung gegenüber solchen aufweisen, welche in viel
kälterem, fliessenden Wasser gehalten werden. In der weiteren Ver¬
folgung dieser Beobachtung kam er zu folgenden Ergebnissen. Dunkle
Salamanderlarven werden unter dem Einflüsse erhöhter Temperatur hell
und umgekehrt, helle durch Kälte dunkel. Je jünger die Larven sind,
desto höher ist ihre Reactionsfähigkeit auf äussere Reize, also hier auf
Wärme und Kälte. Die durch den Einfluss der Temperatur bediugte Pig-
mentirungsdifferenz ist keineswegs vorübergehend, sondern vermag sich
zu einer dauernden umzugestalten. Wärme und Kälte vermögen also
die Färbung dauernd zu beeinflussen. Die histologische Untersuchung
des Verhaltens der Pigmentzellen bei diesem Farbenwechsel lehrte Fol¬
gendes. Die epithelialen Pigmentzellen zeigen keine Fortsätze mehr, sie
sind jetzt kreisrunde oder eiförmige Gebilde; dem in der Mitte oder an
einem Pole gelegenen Zellkerne sitzt gleich einer Kappe eine tiefschwarze
Pigmentkugel auf. Auch das Netzwerk der Fortsätze der dunklen Pigraent-
zellen der Cutis ist bei hell gewordenen Larven geschwunden; diese
Zellen finden sich jetzt als schwarze, klumpige, fast sämratlich der Kreis¬
form sich nähernde Gebilde vor. Eine dritte Art von Pigmentzellen mit
hellgelbem Einschlüsse wird durch die Wärme nicht beeinflusst; sie tritt
jetzt schärfer als früher hervor, nachdem die Fortsätze der dunklen
Pigmentzellen, die sie früher verdeckten, geschwunden sind. Der Ein¬
fluss der Wärme erstreckt sich nicht nur auf die Pigmentzellen der Haut,
sondern auch auf die Pigmentzellen im Inneren des Körpers. Die Form¬
veränderung der Pigmentzellen lässt sich wohl hauptsächlich auf eine
Contraction der ganzen Zelle zurückführen, bei welcher sämmtliche Fort¬
sätze eingezogen werden und so das Pigment auf ein ganz kleines Gebiet
vertheilt wird. Es ist naheliegend, anzunehraen, dass die Kugelform der
Contrahirten Zellen der günstigste Endcffect der Zusamraenziehung ist,
da daun die Zelle bei kleinster Oberfläche die grösstmögliche Masse
fassen kann. Bezüglich der Entwicklung des Pigmentes kam Fisch 1
zu folgenden Resultaten. Er vermag sich nicht der Ansicht von Reinke
anzuschiiessen, welcher die bei demselben Untersuchungsobjecte im Peri¬
toneum vorkommenden Pigmentzellen mit hellgelbem und jene mit dunklem
Einschlüsse zu einander in Beziehung bringt und zwar in der Weise,
dass sich die ersteren in die letzteren durch Veränderung ihres Ein-
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
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Schlusses umwandeln. Fißchl hält im Gegentheile daran fest, dass, wie
dies bereits Flamming hervorhob, beide Zellarten selbständig sind,
eine Umwandlung der einen in die andere nicht statt hat. Dafür spricht
schon unter anderem die bereits oben hervorgehobene Eigenthümlichkeit,
dass die Pigmentzellen mit hellgelbem Inhalt einer Beeinflussung durch
Wärme nicht unterliegen. Nach unserem Autor geht die Entwicklung
des Pigmentes so vor sich, „dass sich innerhalb der (späteren) Pigment¬
zellen (mit dunklen Pigmentkörnchen [Ref.]) in immer reichlicherer Weise
Körnchen entwickeln, welche Anfangs lichter sind und erst später —
während gleichzeitig die Zelle grösser und reicher verzweigt wird — die
dunkle P'arbe annehmen. Diese helleren Körnchen könnte man als
„Pigmentbildner“ bezeichnen, durch deren specifische Umwandlung oder
durch deren Durchsetzung mit einem Farbstoffe erst die für die dunklen
Pigmentzellen charakteristischen Körnchen entstehen.“ Diese Entwicklungs¬
form, sowie die nicht selten verschiedene Ausbildung des Pigmentes in
den beiden sonst unter den gleichen Verhältnissen sich befindenden
Hälften einer und derselben Zelle spricht zu Gunsten der Annahme, dass
das Pigment vorwiegend durch eine specifische Zellthätigkeit,
also auf metabolischem Wege entsteht.
Sonst gleich entwickelte, namentlich epitheliale Pigmentzellen
variiren nicht selten bezüglich ihres Reichthumes an Pigmentkörnchen
und deren Färbung. Auch beim erwachsenen Tliiere findet man nicht
selten mitten unter schwarzen Pigmeutzellen gelegene, viel weniger pig-
mentirte Zellen. Diese Eigenthümlichkeit gestattet wohl den Schluss,
dass die Pigmentzellen ihren Pigmentgehalt zu ändern vermögen, also
eine wechselnde metabolische Thätigkeit entfalten.
Prof. Hugo Rex (Prag).
Ernfrt, Paul. Studien über normale Verhornung mit
Hilfe der Gram’sehen Methode. Mit 2 Tafeln. Archiv für mi¬
kroskopische Anatomie. 47 Band. 1S!)G.
Ernst’s Bestreben war ursprünglich darauf gerichtet, eine Methode
ausfindig zu machen, welche den sicheren Nachweis von Verhornungs¬
processen gestattet. Die mit der Gra urschen Methode angestellten
Versuche fielen äusserst gelungen aus; durch dieselbe werden in ungemein
scharfer und klarer Weise die Anfängsstadien der Verhornung hervor¬
gehoben. Der Autor hat diese Methode an zahlreichen Horngcbilden
ausgeprobt und überall das erwähnte Resultat in schönster Klarheit wieder¬
gefunden. Hiebei gewann er nebstbei eine hübsche Reihe von neuen, sehr
bemerkenswert!! histologischen Einzelbeobachtungen, welche er in dem vor¬
liegenden Inhalts- und gedankenreichen Aufsätze mittheilt. Referent
möchte sich hier auf eine kurze Besprechung jener Befunde beschränken,
welche Ernst durch die Gram’sche Färbung epidermoidalcr Gebilde
beim Menschen erzielte. Der Autor untersuchte zunächst Haare. Ein
Querschnitt durch ein Haar des Unterlippenrandes zeigte die Heule-
sche Schichte deutlich und scharf gefärbt-; dieselbe setzte sich aus
einzelnen violetten, schurirandigen Klecksen zusammen. Ein näheres
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Zusehen mit stärkerer Vergrösserung löst nun diese scheinbar glasigen,
durch und durch gleichmässigen Elemente der Henle’schen Schichte in
feinste, in ihrer Grösse etwas variirende Pünktchen auf. Mitunter ver¬
mag man auch in denselben eine rundliche Lücke aufzufinden, offenbar
jene Stelle, welche der Kern der Zelle ursprünglich einuahm. Daraus
lässt sich erscbliessen, dass jeder Pünktchenhaufen dem Querschnitte
einer Zelle entspricht und die Pünktchen und Körnchen, welche die
Gram’sche Färbung so scharf hervorhebt, im Protoplasma der Zelle
liegen. In Querschnitten, in welchen die Scheidung der beiden Schichten
der inneren Wurzelscheide noch nicht vollzogen ist (also in höher ge¬
führten Schnitten) färbt sich die ganze innere Wurzelscheide und zwar
nur diese. Man findet einen Ring aus einzelnen gefärbten Klecksen be¬
stehend, die sich wieder in Körnerhaufen auflösen lassen. Die äusserste
Reihe derselben ist dichter mit Körnern aiigefüllt: sie entspricht der
Henle’schen Schichte. Die Verschiedenheit des Auftretens der Körner
kündigt also bereits die künftige Trennung der inneren Wurzelscheide
in ihre zwei Schichten an. In jugendlichen Haaren färbt sich neben der
Henle’schen Schichte das IJaaroberhäutchen, es tritt eine Art Kittleisten¬
zeichnung auf zwischen deren Maschen spindelförmige, otfenbar den platten
Zellen des Oberhäutchens entsprechende Lücken ausgespart sind, mit noch
färbbarem Kerne in der Mitte. Zwischen den Zellen des noch nicht völlig
verhornten Haarschaftes tauchen unendlich feine, blaugefärbte Fäserchen
auf, welche je nach der Schnittrichtung als feinste Pünktchen oder
Strichelchen sichtbar werden. Dieselben entsprechen wohl den letzten
Formelementen der Rindensubstanz, W a ldeyer’s Hornfibrillen. Der fertige,
hornige Haarschaft ist der Färbung unzugänglich; da ja dieselbe nur die
Anfangsstadien der Hornbildung und nie fertiges Horn hervorhebt.
Die Untersuchung recht junger Haare — weder Haarrinde noch
Cuticula zeigen irgend eine Spur der Verhornung, nur die Zellen der
Henle’schen Schichte sind der Färbung nach Gram zugänglich —
lässt Ernst erschlossen, dass die ersten Elemente, welche die Verhornung
einleiten, in der Huxley’schen Schichte zu suchen sind, das erste Horn-
product aber in den hellen, durchsichtigen, scheinbar homogenen Zellen
der Huxley’schen Schichte zu vermuthen ist. Der Grund der allmä-
ligen Ditferenzirung der inneren Wurzelscheide in ihre zwei Schichten
wäre also auf das erste Auftreten von Verhornungserscheinungen zurück¬
zuführen. Daher findet sich also die innere Wurzelscheide ursprünglich
einheitlich angelegt, noch nicht in ihre zwei Schichten geschieden, so
lange die Verhornung nicht eingesetzt hat. Ernst untersuchte ferner
den Verhornungsprocess des Nagels. Die Gram’sche Methode lässt die
allerersten Verhornungsprocesse der Nagelanlage erkennen und gestattet
die Feststellung der Entwicklungsperioden, in welchen das Einrücken des
Nagels in seinen Falz vor sich geht. Die ersten Spuren der Verhornung
der Nagelanlage fanden sich bei einem Foetus aus dem Anfänge des vierten
Monates und zwar am vorderen Rande des Nagelfeldes nahe dem Nagel¬
saum. Die Methode deckte deutlich eine feine Granulirung der gefärbten
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Zellen auf. Ausserdem reagirte nur noch ein Häufchen Epidermiszellen
vor dem Nagelsaura: ein in morphologischer Beziehung sehr bedeutungs¬
voller Befund. Der Autor deutet denselben folgendermassen: „Es wäre
damit beginnende Verhornung nachgewiesen in einem Abschnitt der Epi¬
dermis, der ursprünglich morphologisch zur Nagelanlage gehört, dann
aber durch Ausbildung des Saumes, also hier der distalen Grenzfurche,
von ihr abgetrennt wurde und später jedenfalls nicht mehr zur Nagel-
platte gehört. Es ist dies eine Partie von Zellen, die dem beim Menschen
verkümmerten Sohlenhorn, dem volaren Theil der Nagelanlage homolog
ist. Morphologisch auf dem Rückgang begriffen, würde sie also durch
die Reaction, w r enn ich so sagen darf, chemisch noch ihre ursprüngliche
Bestimmung verrathen, die ihr freilich auf halbem Wege wieder verloren
geht.“ Das Einrücken des Nagels in seinen Falz untersuchte Ernst bei
einem Foetus aus dem 6. Monate. Die haarscharfe Färbung der Nagel¬
substanz gestattet die genaue Verfolgung der Nagelplatte; dieselbe reicht
in diesem Alter recht beträchtlich tief in den Falz hinein und endet
spitz zulaufend in demselben. Aus den Ergebnissen der Untersuchung der
Oberhaut sei hier das Verhalten der Schweissgänge in der Ilornschicht
hervorgehoben. Diese färben sich deutlich. Ebenso auch die den Gängen
unmittelbar benachbarten Abschnitte der Epidermisschuppen. Die Färbung
nach Gram zeigen auch die tieferen Abschnitte der Schweissgänge in
der Keimschichte. Die ersten verhornenden Zellen, die wir in der Keim¬
schichte in relativ grosser Tiefe antretfen, gehören also den Schweiss-
gängen an. Ernst hat seine Untersuchungen auch auf die Vcrhornungs-
processe, die uns in der Wirbelthierreihe entgegentreten, ausgedehnt
und so die Erfahrungen mit der GranUschen Methode auf breiter Basis
weit ausgebaut. Die von ihm untersuchten Gebilde seien hier nur an¬
geführt. Er untersuchte: Wiederkäuerhufe, Hornzähne der Cyclostornen,
Perlorgane der Fische, Haut der Amphibien und Reptilien, Feder und
Muskelmagen der Vögel, endlich auch die Hornplatten des Echidnamagens.
Prof. Hugo Rex (Prag).
Auburtin, Gaston. Das Vorkommen von Kolben haaren
und die Veränderungen derselben beim Haarwiederersat z.
Mit 2 Tafeln. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin.
Abtheilung von Prof. Dr. Fritsch.) Archiv für mikroskopische Ana¬
tomie und Entwicklungsgeschichte. 47. Band, 1M*6.
Auburtin’s Untersuchungen erstreckten sich vorwiegend auf die
Kopfhaut ; erkrankter Haarboden wurde vermieden. Zunächst versuchte
der Autor die Zahlenverhältnisse der Kolbenhaare festzustellen. Inter
normalen Verhältnissen findet sich bei Kindern ein sehr hoher Procent¬
satz von Kolbenhaaren. Derselbe betrug bei einem verunglückten drei¬
jährigen Knaben 53%» weitem kleiner ist derselbe bei Erwachsenen;
Auburtin fand bei zwei plötzlich verstorbenen Erwachsenen im Mittel
21% Kolbenhaare. Eine Steigerung erfährt der Procentsatz nach lang¬
wierigen, erschöpfenden Krankludten im Mittel bis zu 33%. Bei weitem
bedeutender ist die Steigerung nach Infectionskrankheiten: hier beträgt
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der Procentsatz durchschnittlich 44%• Die nicht unbeträchtlichen Schwan¬
kungen der Zahlen Verhältnisse, welche Auburtin hiebei auffand, er¬
scheinen zunächst bedingt durch den Einfluss des Geschlechtes. Bei
Männern kommen unter gleichen Verhältnissen mehr Kolbenhaare vor
als bei Frauen. Ganz besonders scheint aber auch die Haarfarbe von
Einfluss zu sein; bei blonden Individuen ist unter gleichen Verhältnissen
der Procentsatz der Kolbenhaare ein höherer als bei dunkelhaarigen. Der
Wiederersatz der Kopfhaare unter normalen Verhältnissen wird vom Ver¬
fasser folgendermassen geschildert. Kach der Ablösung des Haares von
seiner Papille bleiben Haarkolben und Papille durch einen kurzen Epithel¬
strang mit einander verbunden. Dieser Strang ist cylinderförmig; die
ihn aufbauenden Elemente sind regellos mit einander verbunden und ent¬
halten sowohl Reste der äusseren und inneren Wurzel.scheide, w T ie der
Keimschichte des Haares. Die Production neuer Zellelemente sistirt in diesem
Strange sehr bald. Bald wird nun der Haarkolben rascher emporgetrieben,
während die Papille ihren alten Standort nur wenig verändert. Der
Epithelstrang weist nun eine grössere Länge auf; seine Form ist un¬
regelmässig, die Oberfläche uneben. Im Inneren des Stranges macht
sich eine gewisse Anordnung seiner sonst noch immer ungeordneten
Zellen in Gestalt längsverlaufender Spindelzellen bemerkbar; ferner setzt
auch eine geringe, wenige Zellen betreffende Atrophie ein. Kun beginnt
auch die Papille emporzusteigen und im Anschluss hieran „tritt im
Strang eine Wiederbelebung und Regeneration dadurch ein, dass derselbe
an die Cylinderzellenschicht des Kolbenlagers [Haarbcet Unna’s (Ref.)]
sich anschliessend, eine Umkleidung mit Gylinderepithel erhält, die um
so tiefer reicht, je höher die Papille steht und zuletzt auch die Papille
überzieht“. Diese Regeneration im Strange betrifft zuletzt die Elemente
über der Papille und man muss wohl annehmen, dass dieser Boden des
Ersatzhaares, seine Keimschicht, neu geschallen wird, da kein Materiale
zu ihrer Bildung aus alten Elementen vorhanden ist. Die Anlage des
Ersatzhaares erfolgt bei dem höchsten, mindest einem sehr hohen Stande
der Papille, nachdem vorher durch Zellwucherung der Strang ein wenig
gegen das Kolbenlager verschoben und so dem wachsenden Ersatzhaare
der Weg geebnet war. Mit dem weiteren Wachsthume des letzteren wird
auch die Papille in ihre frühere Tiefe herabgedrängt.
Auburtin beschreibt weiter den Wiederersatz dünnerer Haare
und Ciiien. (Wiederersatz bei schnellem Haarwechsel.) Dünnere Haare
und Ciiien besitzen eine kürzere Lebensdauer als starke Kopfhaare. Dieser
Verkürzung der Lebensdauer entspricht auch eine solche des Kolbenhaar¬
stadiums und eine schnellere Entwicklung des Ersatzhaares. Wir finden
daher gegenüber den vorhin für die starken Kopfhaare festgestellten Ent¬
wicklungsverhältnissen folgende Unterschiede. An den Aufstieg des
Kolbens schliesst sich sehr bald jener der Papille an; der Epithelstrang
erreicht also nicht jene Länge, wie bei dem Wiederersatz starker Kopf¬
haare, er ist recht kurz und zeigt überdies schon recht frühzeitig in
seinem oberen Abschnitte Gylinderepithel. Der weitere Verlauf der Ent-
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Bericht, über die Leistungen auf dem Gebiete
wieklung bis zur Bildung des Ersatzhaares ist der gleiche, wie er oben
geschildert wurde, nur ist der Anstieg der Papille kein so beträchtlicher.
Der Haarwiederersatz in der Kopfhaut bei Schwächung des Haarwechsels
■wird von unserem Autor folgendermassen geschildert: Nach der Ablösung
des Haares von der Papille zeigt der Epithelstrang ausgesprochene Zeichen
von Atrophie, die noch schärfer werden, wenn auch die Papille empor¬
steigt. Erst bei einem sehr hohen Stande der Papille setzt die Regene¬
ration des Stranges ein und ist vollendet, wenn die Papille um den
vierten Theil ihrer ursprünglichen Tiefe von der Oberfläche entfernt ist.
Das nun entstehende Haar ist schwächer als sein Vorgänger.
Prof. Hugo Rex (Prag).
Brosch, Anton. Zur Frage der Entstehung der Riescn-
zeilen aus Endothelien. Virchow's Archiv, 1890, Band 144, Heft 2.
Seite 2S9.
Brosch studirte das Entstehen von Riesenzellen an einem Endo-
theliom der Pleura und kommt dabei zu folgenden Annahmen: 1. „Riesen-
zellen können nicht nur aus degenerirten Angioblasten, Endothelien,
weissen Blutkörperchen u. s. w., sondern in gewissen Fällen durch Ver¬
mittlung einer eigenartigen (vielleicht tuberculösen) Erkrankung der Ge-
fässwand und einer sich daran anschliessenden, noch nicht näher gekannten
regressiven Metamorphose auch aus neugebildeten Gelassen grosseren Ua-
libers hervorgehen. 2. Möglicherweise spielt auch die Obliteration der
(iefa>sbahn durch Wucherung erkrankter Intimazellen (Endothelzellen)
und die Bildung von Ektasien durch eine derartige Übliteration oder
durch (Jompression und Knickung von aussen (durch zellige Infiltration
und Knötchenbildung in der unmittelbaren Umgehung) als begünsti¬
gendes Moment für die Riesenzellenbildung aus neugebildeten Gelassen
grösseren Calibers eine wichtige ätiologische Rolle. 3. Da Binde¬
gewebe überall im ganzen Organismus vorkommt, und das Bindegewebe
endothelartigeii Charakter annehmen kann (Bizzozero und Bozzolo),
so erscheint es nicht ausgeschlossen, dass vielleicht alle Riesenzellen Ab¬
kömmlinge des Endothels oder endothelartiger Bindegewebszellen sind.
Diese Annahme würde mit dem weitverbreiteten, in den verschiedensten
Organgewebeu und bei den verschiedenartigsten physiologischen und patho¬
logischen Processen beobachteten Vorkommen der Riesenzellen in voll¬
stem Einklänge stehen, doch fehlen für diese letztere Annahme vorläufig
noch zwingende Beweise/ 4 Gustav Tandler (Prag).
Audry, Ch. (Toulouse). Sur les cellules i soplas t i q u es
(M a st z eilen). Annales de dermatologie et syphiligraphie. Tome. VII.
lhlMi, Nr. 1. p. 9.
Audry hat an 50 Fällen eontrolirende Untersuchungen über das
Vorkommen und die Bedeutung der von ihm als „cellules isoplastiques u
bezeiehneten Mastzellen gemacht und dieselben in 20 Fällen vermisst, in
30 Fällen gefunden. Wegen der Einzelheiten der untersuchten Falle müssen
wir auf das Original verweisen. Er kommt zum Schlüsse, dass das Vor¬
kommen dieser Elemente in keiner Weise irgendwelche pathogenetische
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der Dermatologie.
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Bedeutung bat. Nach Darlegung des morphologischen Verhaltens der
Mastzellen präcisirt Au dry seine Ansicht von der Bedeutung der Mast¬
zellen dahin, dass alle Zellen, die am Aufbau des Bindegewebes bethei¬
ligt sind, sow r ohl des normalen, wie des pathologischen, unter Umständeu
die gleichen Farbenreactionen darbieten können, wie die Mastzellen; also
fixe Bindegewebszellen, Lymphocyten, grosse mononucleäre Leukocyten,
Wanderzellen, Plasmazellen u. s. w. Die Farbenreaction ist lediglich der
Ausdruck eines bestimmten „etat chimique“ und hat keine sicheren Be¬
ziehungen zu einem bestimmten morphologischen Zustand. — Die Unter¬
suchungen Au dry’s kommen zu Resultaten, die mehrfach denjenigen
Unna’s und Me nahem Hodara’s direct widersprechen.
E. von Düring (Constantinopel).
Kotsovsky, M A. Etudes sur les modifications des
cellules dans leur mort lente, (Archiv des Sciences biologiques,
St Peter8bourg-Xome IV. Nr. 1. 1895.)
Die Veränderungen, welche die Zellen bei ihrem langsamen Unter¬
gänge eingehen, wurden an Meerschweinchen, Kaninchen und Salaman¬
dern, also Warm- und Kaltblütlern, studirt, welche Kotsovsky durch
eine bestimmte Zeit theils vollständig, theils bis auf W r asserzufuhr hun¬
gern liess. Die histologischen Untersuchungen bezogen sich auf exstir-
pirtes Leber- und Nierenparenchym dieser Tliiere. Verf. stellt die ge¬
wonnenen Eindrücke in folgenden Schlusssätzen zusammen:
1. In den Organen der so behandelten Tliiere isoliren sich die
einzelnen Zellen von einander; nur hie und da bleiben sie noch durch
feine Fortsätze mit einander vereinigt.
2. Die Zellgranulationen Altmann’s, welche normaler Weise eine
hohe Affinität zu dem Fuchsinfarbstoff zeigen, verlieren dieselbe.
3. Die nach Altmann’s Angaben behandelten Kerne der Zellen
färben sich roth und zeigen ihren Contour durch lange Zeit deutlich.
4. Allmälig wird das sonst fettarme Gewebe fettreich; das Fett tritt
sowohl im Körper und Kern der Zellen, als auch ausserhalb derselben
auf. Es bildet sich an Ort und Stelle, nicht etwa durch Einwanderung.
Auf diesen Fettzerfall der Zellen weist nun Verf. mit besonderem
Nachdruck hin. Altmann, Hauser, Kraus, Dann e hl u. A. m. haben
vor ihm diese Erscheinung verfolgt und dem Ursprung des Fetts nach¬
geforscht. Alt mann fand, dass seine fuchsinophiien Granulationen sich
in Fett um wandeln können, sowohl am Rande, wie auch in ihrer Gesammt-
masse. K. bestätigt diese Beobachtung, wenigstens für das Lebergewebe
des Salamanders, während es ihm bei den warmblütigen Thieren sehr
zweifelhaft erscheint, ob hier den fuchsinophiien Granulationen diese Fä¬
higkeit der Fettumwandiung eignet. Hier muss mau an das Vorhanden¬
sein noch anderer feinerer Zellgranula denken, welche sich zu den Farb¬
stoffen anders verhalten und zu dem obigen Phänomen der Fettmeta¬
morphose in causaler Beziehung stehen dürften. Doch diesen ist vor¬
läufig mit unsern jetzigen optischen Hilfsmitteln nicht beizukommen.
Ernst Liebitzky (Prag).
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
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Exner, S. Die Function der menschlichen Haare. (Vortrag,
gehalten in der Jahressitzung der k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien am
20. März 1896.) (Wr. Klin. Wochenschrift 1896. Nr. 14.)
Sowohl die Abstammungslehre, als die Ontogenese und die atavis¬
tischen Missbildungen sprechen dafür, dass die Ahnen des Menschenge¬
schlechtes ein Haarkleid getragen haben, das sich von dem der heutigen
anthropoiden Allen kaum wesentlich unterschieden haben wird. Man kann
daher mit Darwin die Anschauung vertreten, dass die Enthaarung des
Menschen ein erst durch Zuchtwahl entstandener secuiularer Geschlechts¬
charakter sei; ebenso erklärt sich die kräftige Entwickelung des Haar-
bestandes im Gesichte des Mannes und am Kopfe überhaupt. Auf Grund
morphol. I ntersuchungcn stellt Maurer die These auf, dass gewisse aus
Epithelion, cylindrisclien Zellen und Nervenfasern bestehende Gebilde
bei Fischen und Amphibien die Urform der Haare darstellen und als
Sinnesorgane aufgefasst werden müssen, die mit Aenderung der Lebens¬
bedingungen der hoher entwickelten Organismen auch ihre Function we¬
sentlich geändert haben.
Was die Function der Haare an verschiedenen Körperslellen be¬
trifft, so sei hervorgehoben: 1. Das Haar als Tastorgan. Besonders die Cilien
sind, wie bekaunt, sehr empfindlich auf die leichteste Berührung hin und
lösen retlectoriseh Blinzelbewegimgen aus. v. Mises fand, dass um jede
Uilie herum ein kerbförmiger King markhaltiger Nervenfasern gelegt sei.
Exner hat ein Stäubchen Eisenfeile an eine Uilie geklebt, und dem
Stiomschlusse eines Elektromagneten ausgesetzt und schon diese mini¬
malste Wirkung hat sieh als Berührungsempfindung kundgegeben. Immer
noch recht empfindlich, wenn auch etwas weniger als die Uilien sind die
Augenbrauen. Die um das Auge angeordneten Haare sind die empfind¬
lichsten des menschlichen Körpers und sind als Schutzapparat des Bulbus
aufzufassen, indem sie reflectorisch Lidschluss bewirken. Die Haare um das
Auge sind ferner Schutzvorrichtungen gegen den herabrieselnden Sehweiss,
gegen Staub und Kegen. Nächst den kleinen Haaren sind am wenigsten
erregbar die. Kopf- und Barthaare und am wenigsten Tasthaare sind die
der Urogenital- und Analgegend, sowie die der Aehselgegend. 2. Das
Haar als Walze. Ucberull wo zwei Haut Machen sich aneinander reihen,
sind Haare dazwischen gelagert, um die Bewegung zu erleichtern. Die
wirre Kräuselung der Haare durcheinander fordert die Bewegung nach
allen Kaumrichtungen. Die Haare der Srhamgcgend scheinen auch diesem
Zwecke zu dienen bei der geschlechtlichen Vereinigung. 3. Das Haar als
Temperaturregulator. Die Haarsubstanz als solche ist ein schlechter Wärme¬
leiter; gesteigert wird diese Eigenschaft durch die in die Hornsubstanz
eingelagerte Luft. Auch gegen strahlende Wärme bieten die Haare einen
sehr wichtigen Schutz, besonders gegen die Bestrahlung durch die Sonne.
Bei gut behaartem Kopfe treffen die Strahlen zunächst die Haare und
erwärmen dieselben, demzufolge ihre Temperatur steigt und ihre Aus¬
strahlung zuüimmt. Eine Berechnung zeigt, dass die behaarte Kopfhaut
45iual besser ausstrahlt, als eine gleich grosse nackte Knpftläche. Versuche
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der Dermatologie.
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an der Leickeukopfhaut zeigten, dass die Bestrahlung der nackten Kopf¬
hälfte die Temperatur im Inneren einer kohlen Glassckale rascher an-
steigen lässt, als die Bestrahlung der behaarten Kopfhälfte. Die zwischen
den Haaren befindliche, schwer bewegliche Luft wird bei der ;Rück¬
strahlung der Wärme aus den Haaren erwärmt und dieses Moment spielt
bei Entstehung des Sonnenstiches eine grosse Rolle. 4. Das Haar als
Schmuck. AI 9 Function betrachtet ist es Resultat der geschlechtlichen
Zuchtwahl. Horovitz (Wien).
Auburtin, Gaston. lieber physiologische und patholo¬
gische Verschiedenheiten des Haarbodens. Inaug.-Diss. Berlin
1895.
Auburtin untersuchte mit Hilfe von Serienschuitten an 43 Leichen
die Alters- und Geschlechtsverschiedenheiten des Haarbodens der Kopf¬
haare. Er fand 4 Formen von Haarkreisen nebeneinander. Die Stärke der
Haare war nach dem Alter verschieden: 49—G7°/ 0 schwache Haare im
Kindesalter, 25% im Alter von 20—50 J., 64—70% im Alter von 70—80 J.
Die Ursache glaubt er darin zu sehen, dass die schwachen Haare durch
eine Modification des Haarwechsels entstehen. Die Ersatzhaare werden
schwächer bis zum feinen Lanugokärcken, das dann endlich ausfällt. (?)
A. untersuchte noch andere Verschiedenheiten des Haarbodens; den Haar¬
balg mit seinen Erweiterungen, die Auswüchse der äusseren Wurzel¬
scheide, die Cystenbildung in den Scliweissdrüsen und zuletzt noch die
verschiedenen Vegetationsstufen der Haare. Die Differenzen, in der Zahl
der Kolbenhaare (20—46%) führt er auf die Verschiedenheit des Ge¬
schlechts, der Haarfarbe, auf vorausgegangene Infectiunskrankheiten und
Kachexien zurück, (vide oben Ref. 4.)
Ed. Oppenheimer (Strassburg i. E.).
Ziegelroth. Das specifische Gewicht des Blutes nach
starkem Schwitzen. Virchow’s Archiv, 1896, Band 146, Heft 3.
Durch ein Schwitzbad wird nach den Untersuchungen ZiegelrotlFs
das specifiscke Gewicht des Blutes nur ganz unmerklich geändert, auch
wenn grosse Quantitäten Schweiss abgegeben wurden. Die durch letzteren
abgesonderte Flüssigkeitsmenge entstammt somit nicht der Blutflüssigkeit,
sondern dem im Gewebe vorhandenen Wasser, das Gewebe wird daher
dabei specifisch schwerer und functionstüchtiger. Analoge Verhältnisse
finden sich auch nach eiuem Aderlass, den Z. bei anämischen Luetikern
mit gummösen Infiltraten und dergl. empfielt.
Gustav Tandler (Prag).
Sierig, Karl. Ueber die Beeinflussung der Körpertem¬
peratur durch einige auf die Haut gepinselte Arzneimittel.
Inaug.-Diss. Berlin 1895.
Durch Einpinselung von Lösungen oder Einreibung von Salben
verschiedener Arzneimittel (Guajacol, Cocain etc.) auf die unversehrte
Epidermis erzielte Sierig eine Temperatur-Herabsetzung bei Fieber¬
kranken, die nach einigen Stunden eintrat, kurze Zeit anhielt, um dann
wieder zu verschwinden resp. einer deutlichen Erhöhung der Temperatur,
Archiv f. Dermatol, u. Syphil. Band XXXIX. 1 7
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
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manchmal unter Schüttelfrost, Platz zu machen. S. glaubt dies nicht auf
eine Resorption des Medicaments, sondeni auf eine nervöse Wirkung
zurückführen zu müssen, die von der Haut refiectorisch auf die Wärme-
centren vermittelt wird. Denn einerseits liessen die bekannten Anti-
febrilia (Antipyrin u. Chinin) im Stiche, andererseits konnte er beobachten,
dass die Wirkung bei Guajacol-Einpinselungen ausblieb, wenn der N. isehia-
dicus des Beines, an welchem die Einpinselung stattgefunden, durch¬
schnitten war. Ed. Oppenheimer (Strassburg i. E.).
Schneider, Louis. Loretin als Wund verbandmittel.
Inaug.-Diss. Strassburg 1895.
Loretin, eines der in neuester Zeit so zahlreich aufgetauchten
Jodoform-Ersatzmittel, wurde von Schneider auch bei verschiedenen
Hautafieetionen (oberfl. Verbrennungen, Ekzemen, Erysipel, syphil. Ne-
crosen, Ulcus cruris etc.) angewandt, ohne besonderen Vortheil gegenüber
den alten bekannten Heilmitteln. Ed. Oppenheimer (Strassburg).
Breslauer, Eugen. Leber die antibakterielle Wirkung
d e r S a 1 b e n mit b e s o n d e r e r B e r ü c k s i c h t i g n n g des H i n f 1 u s s e s
der Con 8 ti tuen t i en auf den D es infec t i on s we r t h. Inaug.-Diss.
Breslau 1895.
Breslauer untersuchte verschiedene Snlbenconstitueiitien auf ihre
Desinfectionskraft. Er bestrich zu diesem Zwecke kleinste Objectträger
mit verschiedenen Mikroorganismen, brachte dieselben alsdann erst mit
den zu untersuchenden Salben für verschiedene Zeiten in Contact, ent¬
fernte die Salbe alsdann wieder mittelst Aether und untersuchte dann
die Mikroorganismen auf Nährböden auf ihre Wachsthumsfähigkeit. Er
kommt dabei auf Grund zahlreicher Versuche zu dem Schlüsse, dass La¬
nolin und Unguentum leniens in Verbindung mit Desinticientien den weit¬
aus grössten Desinfeetionswerth besitzen und dass Vaselin und Fett, in
noch höherem Grade Oel, als Oonstituentien die Desinfectionskraft einer
Salbe auf ein Minimum reduciren, d. h. sie abschwächen.
Ed. Oppenheimer (Strassburg).
51 eyer, Rudolf. Untersuchungen über die \V i r k u n g des
A r g e n t u m - C a s e i n im Vergleich zu der des Argentum n i t r i -
cum und des Aethylendi am in silberphosphat es. Inaug.-Diss.
Breslau 1S94.
Die von Meyer angeatellten Untersuchungen über die chemischen
und pharmakologischen Eigenschaften des Argonins (Argentum-Caseins)
im Vergleiche zu dem Argentum nitricum und Argentamin (Aethylen-
diamiusilberphosphat) ergeben für das Argonin, dass dasselbe ein Desin-
fectionsmittel von nicht unbeträchtlicher antiseptischer Kraft ist, welches
weder mit dem Eiweiss noch mit den Chloriden des Körpers einen Nieder¬
schlag gibt und in den antiseptisch wirksamen Concentrationcn weder
reizend noch ätzend wirkt. Ed. Oppenheimer (Strassburg).
Hochsinger, Karl. Gegen die Anwendung der Carbol-
säure und des Jodoform bei Neugeborenen. Der Kinderarzt.
VII. 1896. Heft 9—10.
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der Dermatologie.
259
Hoebsinger macht neuerdings darauf aufmerksam, dass Carbol-
säure und Jodoform, abgesehen von ihrer hochgradigen Toxicität für den Or¬
ganismus der Neugebornen und Säuglinge, auch ungemein leicht zu acuten
Dermatitiden bei diesen führen, welche für das Leben derselben ver-
1 ängnissvoll werden können. Die missbräuchliche Anwendung des Jodo¬
form erfolgt gewöhnlich seitens nichtärztlicher Pflegepersonen (Hebammen,
Wärterinen, Kinderpflegerinen) in Form von Streupulvern für die Nabel¬
wunde. Rituelle Beschneider pulvern die Circumcisionswunde mit Jodo¬
form ein oder verbinden dieselbe mit 20procentiger Jodoformgaze. H.
berichtet über einen Todesfall nach Jodoform-Nabelverband und drei
schwere Jodoform-Deruiatiden und Ekzeme bei Säuglingen in Folge der
angedeuteten Anwendung?weise des Jodoform, bezüglich welcher das
Originale nachzusehen wäre. Autoreferat.
Hasse, Oskar. Zur K r e b s h e i 1 u n g. V i r c h o w’s Archiv 1 SOG.
Band 146, Heft 2.
Nach Mittheilung dreier, selbst beobachteter Fälle von Spontan¬
heilung eines Magencarcinoms, beschreibt Hasse Fälle von Carciuomen,
bei welchen er durch fortgesetzte Injection von Alkohol in das Gewebe
um den Tumor herum Schwund des letzteren erzielte. Stets handelte es
sich um Brustkrebse, von welchen H. bisher 20 Fälle ohne Misserfolg nach
oben geschilderter Methode behandelt hat. Gustav Tandler (Prag).
Leredde. Essai d’une Classification pathogenique des
dermatoses. Annales de dermatologie et de syphiligraphie. Tome VII.,
N. 6. juin 1896, pag. 802.
Leredde schliesst diesen Artikel mit den Worten: „VYir wollen es
nicht unternehmen, die vorgeschlagene Classification weiter zu entwickeln;
der Zweck dieser Arbeit ist mehr ein neues System vorzuschlagen, das
allseitig zu studiren wäre, als die Losung dieser Aufgabe selbst zu geben.
Viel wichtiger scheint uns der Geist dieser Classification, als die Detail¬
ausführung, bei der leider noch so ausserordentlich viele Punkte dunkel
bleiben.“ Auf ungefähr 20 Seiten werden alle Probleme der heutigen
Dermatologie in geistreicher, aber nicht ergründender Weise gestreift.
Zn einem Referat eignet sich deshalb dieser Artikel nicht. Weshalb,
wenn man selbst bei der „Masse dunkler Punkte“ die Unmöglichkeit zu¬
geben muss, immer Versuche zu neuen Systemen, in die nicht zwei Be¬
obachter übereinstimmend die beobachteten Affectionen einzutragen ver¬
mögen? Gerade in dem gegenwärtigen Augenblick der allgemeinen Re¬
volution in der Dermatologie sind derartige Versuche wirklich verschwen¬
dete Mühe. L. will auf pathogenetischer Grundlage folgende allgemeine
Classification vorschlagen:
. .. tt. i i f traumatische.
Primäre Erkrankungen { parasltare>
nervösen t
hämog. (sanguinen) I ^ q
nervösen | £
hämogenen l S 4
Missbildungen, Neoplasmen. E. von Düring (Con?tantinopel).
17*
Secundäre P>krankungen
. runctionelle
* Störungen
2. Dermosen
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260
Bericht über die Leistungen auf dem Gebiet<•
Sensibilit&tsneurosen.
Arnstein. Deux cas de prurit tres opiniätre et pro-
longe gueri par l’emploi systematique de l 1 antipyrine. Gaz.
Lek. 1894, Nr. 48. lief, im Journal des mal. cut. et syph. 1896, p. 111.
Arnstein empfiehlt bei hartnäckigem Pruritus den systematischen,
längere Zeit fortgesetzten innerlichen Gebrauch von Antipyrin und be¬
richtet zwei diesbezügliche Krankengeschichten.
Paul N e i s s e r (Beuthen 0. S.).
Anomalien der Secretion und des Secretions-
apparates.
Heuaner, C. Beitrag zur Behandlung der Hyperidro sis.
Deutsche med. Wochenschr. 1895, Nr. 44.
Heusner bespricht, eingehend zahlreiche, innerlich und äusser-
lich empfohlene Mittel gegen llyperidrosis um als wirksamstes Anti-
hidroticum folgende Zusammensetzung zu empfehlen: Perubalsam 1%)
Acid. formieie. 5%. Chloralhydrat 5% in Alkohol gelöst. Bei örtlichen
Schweissen ist das Mittel mittelst Wattebausches, bei allgemeiner Flyperi-
drosis mittelst Zerstäubers anzuwenden. Bei hartnäckigen localen Schweissen
wird der Gehalt der einzelnen Bestandteile verdoppelt oder 1% Trichlor-
essigsäure hinzugefügt. 0. Rosenthal.
Rafin. Tumeurs sebacees multiples. Journal des mal. cut.
et syph. 1896, p. 460.
Der Soriete des Sciences medical es de Lyon stellt Rafin einen
42jährigen Patienten vor, dessen Mutter an denselben Tumoren der Kopf¬
haut leidet, der an seinem behaarten Kopf, an Rücken, Brust, linken
Vorderarm und Hoden zahlreiche erbsen- bis nussgrosse Tumoren zeigt.
Die ersten derselben entstanden am Hoden im Alter von 12 Jahren.
Die Haut darüber ist rosa gefärbt, dem Tumor adhärcnt, sonst unver¬
ändert, Vortragender rubricirt diesen Fall unter die von Poncet mul¬
tiple Cylindrome und Berard Epithelioma sebaccum genannten Tumoren.
Mikroskopisch war ein Plattcncpithcliom zu constatiren, ohne Gewissheit,
ob dasselbe von den Talg- oder Sehweissdrusen ausging.
Paul Nei88er (Beuthen o. S.).
Haan. Otite externe d’ origine seborrhci que. Journal
des mal. cut. et syph. 1896, p. 648.
Haan bespricht im Anschluss an zwei P'älle die Möglichkeit des
Auftretens seborrhoischer Processe des äusseren Gehörgangs (mit Bildung
von Ceruminalpfröpfen und dadurch eventuell verursachter Taubheit) ira
Anschluss an Seborrhoe der Kopf- und Gesichtshaut.
Paul N eisser (Beuthen 0. S.).
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der Dermatologie.
261
Acute und chronische Iufectionskrankheiten.
Michaelis, Adolf. Zum Incubationsstadium der Roth ein.
Der Kinderarzt VI. 1895, S. 65.
Michaelis ist in der Lage gewesen, an Beinen eigenen beiden
Kindern, welche von einem befreundeten Schulkinde mit Rubeolen in-
ficirt wurden, mit grösster Präcision eine 19tägige Incubationsdauer
der Röthelerkrankung festzustellen und meint, dass die nahezu doppelt
so lange Incubationsdauer der Rubeolen eines der wichtigsten Momente
zur Auffassung der Rubeolen als selbständige Erkrankung den Masern
gegenüber darstellt. Hochsinger (Wien).
Claus. Eine Masern- und Röthelnepidemie. Jahrb. für
Kinderh. XXXVIII, S. 37 ff.
Eine vom Winter 1892 bis Sommer 1893 in der Kinderheilanstalt
Dresden-Altstadt herrschende Masernepidermie, über welche Claus ein¬
gehend Bericht erstattet, verlief im Allgemeinen günstig; einen schlimmen
Ausgang nahmen nur jene Erkrankungen, bei welchen im Gefolge der
Morbillen secundäre Diphtherie oder Croup auftrat. Die Incubationszeit
der Morbillen, welche in mehreren Fällen mit grosser Wahrscheinlichkeit,
in einem Falle mit absoluter Sicherheit zu berechnen war, betrug 9—14
Tage, die Zeit von der Infection bis zum Ausbruche des Exanthems
13—15 Tage, die Zeit von der Infection bis zur vollen Entwicklung des
Ausschlags 14—16 Tage. Verf. konnte eine Uebertragung des Masern¬
giftes durch Mittelpersonen oder Gegenstände nicht nachweisen. Durch
hochgradige Infectiosität zeichneten sich besonders das Prodromalstadium
und das exanthematische Stadium der Masern während der Blüthe des
Exanthems aus. Bei fünf Kindern, welche Masern schon vorher einmal
durchgemacht hatten, entwickelte sich ohne Prodromalsymptome, unter
geringem Fieber, ohne wesentliche katarrhalische Erscheinungen neuer¬
dings ein Exanthem, welches sich nur aus wenigen scharf abgegrenzten,
massig erhabenen blassrothen Efflorescenzen zusammensetzte und in
kurzer Zeit wieder schwand. Verf. fasst diese Exanthemformen als eine
Masernrecidive auf. Interessant sind 12 Fälle von Doppelerkrankung an
Masern und Rötheln, bei welchen die Kinder dem Berichte zu Folge
zuerst an einem flüchtigen unter leichten Katarrhen und geringem Fieber
auftretenden Exanthem erkrankten, welchem kurze Zeit darnach ein ty¬
pisches Masernexanthem folgte. Das Charakteristische für die Rubeolen-
Diagnose erblickt Claus bei sporadischen Fällen in dem plötzlichen Auf¬
treten des Exanthems ohne Prodrome. Bei Epidemien bieten der durchwegs
leichte Verlauf (? Red.), das Fehlen von Complicationen und Nachkrank¬
heiten und das verschiedenartige Aussehen des Exanthems differential¬
diagnostische Anhaltspunkte den Masern gegenüber.
Hochsinger (Wien).
Hase, Theodor. Ein Beitrag zur Statistik derErkrankung
anScharlach mit besonderer Berü cksicht igung der Reci-
dive und Pseudorecidive. Jahrb. für Kinderheilk. XXXIX, p. 58 ff.
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2G2
IWirlit, über die Leistungen auf dem Gebiete
Von 2453 in den Jahren 1871 bis 1893 im Kinderhospital zu
St. Petersburg behandelten Scharlachkranken starben, wie dem Berichte
Theodor Hase’s zu entnehmen, 770 Kinder. Die höchste Zahl der Er¬
krankungen fiel a«jf das Alter über 6 Jahre, das Maximum der Mortalität
auf das Alter von 1—2 Jahren. Unter 1664 vom Jahre 1885 bis 1893 be¬
handelten Scharlachfallen beobachtete H. 6 Pseudorecidiven (d. h.
die Wiederkehr des bereits geschwundenen Exanthems bei Fortbestehen
der übrigen Scharlachsymptome). Eigentliche Scharlachrecidiven, d. h.
plötzliches Wiedereinsetzen sämmtlieher Scharlaclisymptome, nachdem
die primären bereits völlig geschwunden waren, beobachtete Yerf. in
dieser Zeit lomal und zwar brachte die Kecidive keine besonderen Com-
plicationen mit sich, sowie auch die primäre Erkrankung in diesen Fällen
meist nur leicht war. Das secundäre Exanthem war immer schwächer
ausgeprägt als das primäre und dauerte auch kürzere Zeit als jenes. Die
Temperatur war bald während der ersten, bald während der 2. Erkrankung
höher. Nephritiden traten oft in beiden Perioden auf. Die Pseudoreci-
diven setzten zu Ende der ersten oder Mitte der 2. Woche, die Reci-
diven in der 3—6. Woche ein. Anhangsweise theilt Yerf. 2 Fälle von
Masernrecidive mit. Hochsinger (W r ien).
Friedemann, J. H. Ueber den Verlauf der Schutzpocken¬
imp f u n g bei einer Reihe abnorm schwächlicher Säuglinge
und Kinder. Jahrbuch für Kinderh. XXXVIII, 324—353.
An 6 wegen drohender Blatterngefahr gleichzeitig geimpften ab¬
norm schwächlichen Säuglingen machte F ri e dem ann Studien über das
Vaccinefieber nnd schildert die vaccinale Fieberreaction folgendermassen:
Am 5—7. Tage steigt die Temperatur über die Norm, fällt am selben
oder folgenden Tage ein wenig, steigt hierauf rasch wieder an, erreicht
2—4 Tage nach der ersten Erhebung ihre höchste Höhe und zeigt nun
entweder einen remittirenden oder continuirlichen Charakter, Die Ent¬
fieberung erfolgte stets am 12. Tage nach stattgehabter Vaccination in
einer der Masernentfieberung sehr ähnlichen Weise. Das Vaccinefieber
stand in keinem Verhältniss zur localen Impfreaetion. Die interessante,
von Gast, Behm und Wolff genau studirte That.sache, dass die Im¬
pfung neugeborener Kinder niemals von Fieber gefolgt ist,
sucht F. damit zu erklären, dass das Blut Neugeborener eine bedeutend
grössere Menge bakterieller Blutzöllen (? Red.) enthielt, als das älterer
Kinder. II och singe r (Wien).
Wolffberg, Tilsit. Ueber die Schutz wirkungderlmpfung,
sowie über die Erfolge des deutschen Impfgesetzes vom
8. April 1874. (Centralbl. für allgem. Gesundheitspflege 1896. Heft 5,
S. 151.)
Die Arbeit Wolffberg*» ist aus Anlass des Jenner-Jubiläums
entstanden; der auf dem Gebiete der Impffrage so sehr verdiente Forscher
gibt an der Hand amtlicher Quellen sowie eigener Studien eine historische
Uebersicht über den Einfluss der Impfung auf den Verlauf der Pocken¬
epidemien, sowie des einzelnen Krankheitsfalles. Bezüglich der interes-
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der Dermatologie.
2(>3
santen Details müssen wir auf die Arbeit selbst verweisen und greifen
nur das Wichtigste aus der Arbeit Wolffberg ’9 heraus, dass nämlich
in Deutschland im Vergleich zu den Nachbarstaaten insbesondere seit
dem Jahre 1875, seit der Einführung des deutschen Impfgesetzes, welches
die Erstimpfung vor Ablauf des auf die Geburt folgenden Kalender¬
jahres, die Revaccination aber für Schulkinder in dem Jahre vorschreibt,
in welchem sie das 12. Lebensjahr vollenden, die Erkrankungen an Va¬
riola in eclatanter Weise bis auf ein Minimum zurückgegangen sind.
Nach Ansicht Wolffberg’s müssen wir immer daran festhalten, dass
nicht erwartet werden kann, dass alle Geimpften einen absoluten Schutz
gegen die Pocken besitzen; die Impfung vermag immer nur einen bald
grösseren bald geringeren Antheil der Empfänglichkeit zu löschen. Jede
neue Impfung wird ab^r voraussichtlich den bereits vorhandenen Schutz¬
grad erhöhen. Besonders sollten in der Zeit der Gefahr die Erwachsenen
die Wiederimpfung nicht versäumen; denn die Erwachsenen sind durch
die Pocken vermöge ihrer hohen natürlichen Empfänglichkeit fast immer
besonders heftig bedroht, und je älter wir werden, um so dringender ist
dies zu beherzigen. Joh. Fabry (Dortmund).
Steiner, A. ZurCasuistik derSecundärinfection bei
Varicellen. Centralbl. f. Kdblkde. I. 1896. Nr. 3, p. 81.
Unter Bezugnahme auf einen von Brunner (Deutsch. Medicinal-
zeitung 1896. Nr. 1) veröffentlichten Fall von allgemeiner Staphyloeoceen-
infeetion nach Varicellen theilt A. Steiner (Karlsruhe) eine Kranken¬
geschichte mit, ein 9 Monate altes Kind betreffend, welches während des
Decrustationsstadiums der Varicellen plötzlich von hohem Fieber er¬
griffen wurde. Es entwickelt sich eine acute Osteomyelitis des
rechten Oberschenkels, welche innerhalb dreier Tage zum tödtlichen Aus¬
gange führte. Die Sectionsdiagnose lautete: Osteomyelitis et Periostitis
femoris dextri acuta iufectiosa et septicopyaemia. Varicellae in stadio
decrustationis. Hochsinger (Wien).
Levaschew, M. S. Les microorganismes du typhus exan-
thematique et leur röle etiologique. (Arehives des Sciences
biologiques, St. Petersbourg 1895, Tome IV, Nr. 4.)
Die Untersuchungen, welche Levaschew gelegentlich der im
Jahre 1891 in Kasan herrschenden Epidemie (500 Erkrankungen) auge¬
stellt hat, bedeuten einen grossen Fortschritt in der Kenntniss der Aetio-
logie dieser Krankheit und lassen an der spcciiisehen Natur der von ihm
entdeckten Mikroorganismen kaum einen Zweifel aufkomraen. Früher
schon war es Hlava, sowie Moreau und Gochez gelungen, beim exan-
thematischen Typhus zu constanten Bacillenbefunden zu gelangen, deren
Specifität jedoch nicht einmal ihre Entdecker gerade heraus betont hatten.
L. ist es gelungen, bei an Typhus exanth. erkrankten Menschen in dem
der Fingerhaut, oder direct den Oubitalvenen ja selbst der Milz entnom¬
menen Blute unter dem Mikroskope, besonders bei sehr fein aufgetragener
Blutschicht und bei Verwendung einer Apochromatlinse von 1000—2000-
faeher Vergrösserung, zwischen den rothen Blutkörperchen corpusculäre
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Elemente zu entdecken. Es sind dies vollkommen runde, reguläre Coccen von
0*2—0*5 n Durchmesser, einzeln, als Diplococcen oder in kurzen Ketten
angeordnet, oft in lebhafter Eigenbewegung (sie zeigen manchmal äusserst
feine 6—lOmal so lange Fortsätze an einem Pole, mit welchen sie sich
unter einander und an die rothen Blutkörperchen anheften). Unter allen
Farbstoffen erwiesen sich diese Elemente für saturirte, wässerige Fuchsin¬
lösung und alkalisches Methylenblau am zugänglichsten. Reinculturen
auf den üblichen Nährböden gelangen nicht, aber vielleicht liess sich
dieser Mikrococcus exanthematicus auf menschlichen albuminoiden Sub¬
stanzen reinzüchten. L. impfte also auf Ascitesflüssigkeit und pleuri-
tisches Serum und erhielt jedesmal positive Resultate. Der Mikrococcus
exanthematicus Levaschew’s kreist im Blute der Kranken, findet sich
ferner im Secrete der so häufig ergriffenen Bindehaut, des Respirations-
tractes und ist am sichersten und zahlreichsten während der Acme der
Krankheit zu constatiren; in den Hautefflorescenzenliess ersieh
nicht nachweisen. Er ist von allen bisher bekannten Schizomyceten
gut zu unterscheiden und darf auch nicht mit den Hämatoblasten Bi z zo-
zero’s identificirt werden. Die Ergebnisse seiner Thierexperimente will
Yerf. in einer zweiten Arbeit mittheilen. Ernst Liebitzky (Prag).
Tartacovsky, R. Contribution a l’etiologie de la peste
bovine. (Archives des Sciences biologiques, St. Petersbourg 1895.
Tome IV, Nr. 3.)
Von all den vielen Mikroorganismen, welche von verschiedenen
Autoren bei der Rinderpest gefunden und für die Erreger derselben er¬
klärt worden sind, ist kein einziger anzuerkennen; die meisten derselben
sind auch in den Organen gesunder Thiere nachzuweisen. Im Blute und den
innern Organen fand Tartacovsky keine Bakterien; nichts destoweniger
gelang die Uebertragung der Krankheit durch Ueberimpfung von Rinder¬
pest blut. Wahrscheinlich ist die Krankheit durch Sporozoen verursacht.
Ernst L i e b i t z k y (Prag).
Wezler, Wilhelm. Zur Statistik und Klinik des Ery si¬
pelas faciei. Inaug.-Diss. Erlangen 1895.
Nichts Neues. Ed. Oppenheimer (Strassburg).
Kurth, H. Ueber das Vorkommen von Streptococcen
bei Impetigo contagiosa. (Arbeiten aus dem kais. Gesundheitsamt,
Bd. VIII, 1893. Heft 2, p. 294—310) ref. nach liaumgarten’s
Jahresbericht. Bd. IX, p. 25.
In einer Reihe von aus den verschiedensten Gegenden stammenden
Fällen von Impetigo contagiosa hat Kurth stetig entweder allein oder
in Gemeinschaft mit dem Staphvlococcus pyogenes einen und denselben
Streptococcus gefunden, wohl clnirakterisirt und unterschieden von den
bekannten Streptococcen-Arten. Bei Impfung auf weisse Mäuse führt die
Reincultur örtliche Eiterung und nachher durch Allgemeininfection den
Tod der Thiere herbei; werden hingegen zur Impfung ältere Culturen
verwendet, so ist das Resultat ein anderes, indem die Virulenz der Cul¬
turen abnimmt; es tritt dann später nur ausnahmsweise der Tod ein*
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der Dermatologie.
265
K. ist geneigt, den von ihm beschriebenen Streptococcus für dio alleinige
Ursache der Impetigo zu halten, er halt jedoch vorläufig noch mit seinem
Urtheil zurück, da ein ausreichender bakteriologischer Beweis im Sinne
Koch’s doch noch nicht erbracht ist. Der vom Autor eingeschla¬
gene Weg ist jedenfalls der richtige, um die Frage der Infectiosität der
Impetigo contagiosa, die klinisch so lange feststebt, auch bakteriologisch
zu lösen. Joh. Fabry (Dortmund).
Audry. Sur une tuberculose cutanee ä forme ecthyraa-
teuse. Journal des mal. cut. et syph. 1806 p. 469.
Zu den von Gau eher, Hai lopeau und Anderen publicirten impeti-
ginösen oder besser pustulösen Formen von Hauttuberculose berichtet
Audry einen neuen Beitrag. Bei einem 11jährigen Mädchen bestand seit
längerer Zeit auf der linken Wange eine bräunlichröthliche, trockene,
etwa 1 Francstück grosse Borke, unter der sich etwas Eiter befand. Die
Haut darunter war roth, zerklüftet, etwas eingesunken, die Bänder nicht
indurirt, die umgebende Haut normal, wenig Drüsen vorhanden. Eine
zweite, ähnlich, nur grössere Stelle fand sich an der Innenfläche des
rechten Beines. Die Diagnose wurde zunächst auf durch Infection verur¬
sachte Impetigo gestellt und eine antiseptische Behandlung angeordnet.
Nachdem diese absolut keinen Erfolg zeigte, und auch auf Jodkali keine
Besserung eintrat, wurden die beiden Stellen excidirt und ein typischer
Lupus verrucosus unter dem Mikroskop diagnosticirt. Bei genauer Unter¬
suchung des Kindes fanden sich noch an 2 anderen Stellen des Körpers
2 bräunliche, durch einige Lupusknötchen verursachte Plaques, die eben¬
falls excidirt wurden. Paul Ne iss er (Beuthen O.-S.)
Hoffm&nn, K. vou. Ein Fall von I rnpftuber c ul ose. Wr.
klin. Wochenschrift 1806. Nr. 14.
Eine 47 Jahre alte Frau pflegte eine Zeit lang ihr an Lungen-
tuberculose leidendes Kind und verletzte sich mit einer Nähnadel den
Zeigefinger gelegentlich der Ausbesserung der Wäsche dieses kranken
Kindes. Die Stichwunde blutete nicht, ihre Umgebung schwoll einige
Stunden nach der Verletzung an; am nächsten Tage war der ganze Fiuger
diffus geschwellt, roth und schmerzhaft. Es kam zu einem Panaritum, zur
chronischen Geschwürsbildung und zur Entwickelung tuberculöser Knöt¬
chen in der Nähe des Panaritum. Eine oberflächliche Lympligefassent-
zündung verbreitete den Process gegen die Axillardrüsen. Eingreifende
chirurgische Operationen brachten Heilung. Horowitz (Wien).
Derville. Trai tement du lupus. Journal des Sc. medicales
de Lille. Referirt im Journal des mal. cut. et syph. 1806, p. 444.
Derville empfiehlt bei kleinen isolirten Lupusknötchen, wie sich
solche entweder in der Peripherie grösserer Heerde oder in alten Narben
finden, folgende Therapie. Zuerst geht er mit einem möglichst spitzen,
langen Scarificator (dem Vidalschen Scarificator; in das Knötchen ein,
dreht das Instrument in demselben um und gibt dann in das so gesetzte
Loch ein Stückchen reines Chlorzink. Es bildet sich sofort ein Schorf,
der circa 14 Tage anhaftet und unter dem das Knötchen ausheilt. Even-
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
tuell ist die Proeedur nach 14 Tagen nochmals zu wiederholen. Während
die Vortheile, geringe Schmerzhaftigkeit, Nichtbehinderung der Pati¬
enten durch einen Verband, sehr sichere Wirkung, in die Augen fallend
«ind, bestehen die einzigen Nachtheile in einer eventuellen Hässlichkeit
der Narbe, die sich jedoch auch verbessern lässt, und in Narbenretraction
bei Anwendung in der Nähe des Mundes oder der Nase.
Paul N ei ss er (Beuthen O.-S.)
Moty. Traitement du lupus. Bullentin medical du Nord. Re-
ferirt im Journal des mal. cut. et syph. 1896, p. 447.
Moty empfiehlt in den Fällen von Lupus, die nicht exulcerirt sind,
sondern die nur aus einzelne Knötchen bestehen, alle vier bis acht Tage
zu wiederholende Injectionen mit Naphtholkampheröl in das Centrum
der einzelnen Knötchen. Gleich nach der lnjeetion (etwa '/, Tropfen)
bildet sich bei den grösseren ein Schorf, unter dem sich eine gute Narbe
bildet, bei den kleineren nur eine Entzündung, unter der die Knötchen ver¬
schwinden. Verf. hat diese Therapie bisher in 10—12 Fällen angewendet
und ist mit ihr zufrieden; selbstverständlich beobachtet er die Patienten
nach ihrer Entlassung noch circa 1 Jahr wegen eventueller Recidive. Der
einzige Nachtheil dieser Therapie sind eventuell eintretende Erysipele,
den sie jedoch mit anderen operativen Methoden theilen.
Paul Neisser (Beuthen O.-S.)
Spire. Du lupus de la langue. Areh. clin. de Bordeaux, Dec.
1895. Referirt im Journal des maladies cutanees et svphilitiques 1896,
p. 183.
Zu den bisher in der Literatur spärlich vertretenen Fällen von
Zungenlupus fügt Spire drei neue, von ihm beobachtete hinzu. Bei
allen drei Fällen zeigte sich der Lupus als eine warzige, grauröthlich
verfärbte, erhabene Plaque von ziemlich harter Consistenz und absoluter
Schmerzlosigkeit. In allen bisher publicirten Füllen sei er mit Lupus
des Pharynx oder Larvnx combinirt gewesen und zwar sei er von diesen
Organen auf die Hintertläche und später eventuell, der Raphe folgend, auf
die Vorderfläche der Zunge gekrochen. Alle Fälle seien bei ihrer abso¬
luten Schmerzlosigkeit zufällig constatirt worden. Als Therapie empfiehlt
Verfasser die Ignipunetur als wirksamstes und, nach Cocainisirung, schmerz¬
loses Mittel. Paul Neisser (Beuthen O.-S.j.
Schultze. Duisburg. Vortrag „über die chirurgische Be¬
handlung des Lupus“, gehalten im Verein der Aerzte des Regie¬
rungsbezirks Düsseldorf. Mai 1895. Correspondenzblatt der ärztlichen
Vereine in Rheinland und Westfalen 1895, Nr. 56, p. 6.
Schnitze ist der Ueberzeugung, dass die bisherige Behandlung
des Lupus mit Aetzrnitteln, Salben und Paquelin, desgleichen die ur¬
sprünglich so enthusiastisch aufgenommenen Tuberculin-Injectionen sehr
w T enig zufriedenstellende Resultate ergeben hätten, dass dagegen die von
Thierse h empfohlene Behandlung, nach Art der bösartigen Geschwülste,
die kranken Stellen total zu exstirpiren und den Defect durch Trans¬
plantation zu decken, sowohl curativ wie kosmetisch sich sehr bewähre.
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der Dermatologie.
267
Etwa vorhandene Reizzustände werden vor Vornahme der Operation
durch Bleiwasserumschläge entfernt. Redner stellt eine Reihe derartig
behandelter und geheilter Patienten vor mit zum Theil sehr ausgedehntem
Gesichtslupus. In der Discussion spricht sich Ehrenberg auf Grund
eigener Erfahrungen in der Klinik von Thiersch durchaus überein¬
stimmend aus. Beide Redner heben hervor, dass sich für die Methode
mehr die Fälle von oberflächlichem Lupus eignen. Hierbei bleibt nach
Ansicht des Referenten zu bedenken, dass es sich oft erst bei der Ope¬
ration herausstellt, ob der Lupus tiefer greift oder nicht; selbst aber
auch tiefer greifende Lupusfälle eignen sich für die Transplantation.
Joh. Fabry (Dortmund).
Fabry, Johann, Dortmund. UeberdieBehandlungdesLupus
mit besonderer Berücksichtigung der Transplantationen
nach Thiersch. Sitzung des Vereins der Aerzte im Reg. Bezirk Arns¬
berg. 12. Mai 1896.
Fabry bespricht zunächst kurz die pathologische Anatomie und
die klinische Diagnose des Lupus speciell der verschiedenen Lupus¬
formen; er lenkt die Aufmerksamkeit auf die Formen des Lupus, die mit
tuberculöser Erkrankung tiefer gelegener Gewebe complicirt sind, auf
den sogenannten chirurgischen Lupus. Indem der Redner dann die ver¬
schiedenen älteren und neueren Behandlungsweisen einer Besprechung
unterzieht, betont er besonders die Wichtigkeit einer Frühdiagnose beim
Lupus. Grade im Frühstadium ist der schönste Erfolg zu erzielen, vor¬
ausgesetzt, dass die Behandlung eine gründliche und eingreifende ist und
nicht die schönste Zeit zum operativen Handeln mit der Anwendung von
Aetzsalben und Aetzpflastern verloren geht. Von den chirurgischen Me¬
thoden bevorzugt Vortragender seit Jahren die Thiersehe Transplan¬
tation nach vorhergegangener Excision bei Auswahl der Fälle als die¬
jenige, welche hinsichtlich der Vermeidung von Recidiven Vorzügliches
leistet. Zur Erläuterung seines Vortrages stellt F. mehrere Patienten vor,
die eine ganze Reihe von Jahren post operationein recidivfrei geblieben
sind mit recht gutem kosmetischem Resultat, ferner mehrere Patienten, bei
denen kurze Zeit vorher sehr ausgedehnte Excisionen der Gesichtshaut
ausgeführt wurden und bei denen schon nach wenigen Wochen schöne
glatte und feste Ueberhäutung eingetreten war. An der recht lebhaften
Discussion betheiligt sich in erster Linie Professor Löbker, Bochum,
der in allen wesentlichen Punkten mit dem Vortragenden übereinstimmt.
Joh. Fabry (Dortmund;.
Rille. Lupusb ehandiung. Demonstr. in der k. k. Gesellschaft
der Arzte in Wien, 22. Febr. 1896. (Wr. lvlin. Wochenschft. 1896. 9.)
Rille exstirpirte einen Lupus vulgaris, der vom Ohre bis an den
Mundwinkel und vom Kieferwinkel bis an den Augenhöhlenrand sich
etablirt hatte, durch Umschneidung in einer Sitzung und transplantirte
auf die wenig blutende Fläche etwa 8 Lamellen aus dem Oberschenkel.
Beim ersten Verbandwechsel waren die Lamellen angeheilt.
Horowitz (Wien).
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
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Schneider, Richard. Ein Beitrag zur Differentialdiag¬
nose zwischen Lupus und Lues hereditaria tarda.
Im ersten von Schneider beschriebenen Falle wird die schon
klinisch sichere Diagnose auf Lupus durch die Section, bei der zahlreiche
tuberculüse Herde gefunden werden, bestätigt. Der zweite Fall ist
anamnestisch wie klinisch ein unzweifelhafter Fall von Lues hered.
tarda. Neue differentialdiagnostische Merkmale werden nicht beigebracht.
Ed. Oppenheimer (Strassburg).
Steinhäuser, P. Ueber Lupus - Carcinom. Inaug. - Diss.
Tübingen 1894.
Als Lupus-Carcinom bezeichnet Steinhäuser eine eigenthümliche
Form von Carcinom, welche sich von dem gewöhnlichen Haut-Carcinom
wesentlich unterscheidet, besonders durch das Auftreten im jugendlichen
und ersten Mannesalter, als auch durch die ganz auffallende. Malignität
der Geschwulstbildung. St. unterscheidet nach Lang zwischen lupösem
Narbencarcinom und eigentlichem Lupus-Carcinom, je nachdem das Car¬
cinom in der Narbe eines längst geheilten Lupus auftrat, oder ob das¬
selbe an einen bestehenden Lupus sich anschloss. Bei der grossen
Häufigkeit der Affection — 8t. stellt aus der Literatur 78 Fälle zusammen
und theilt noch 5 neue Fälle mit — erkennt 8t. in der Combination von
Lupus und Carcinom nicht ein zufälliges Zusammentreffen, sondern er
betrachtet den lupüsen Process als ein prädisponirendcs Moment für die
Carciuom Entwicklung. Ed. Oppenheimer (8trassburg.)
Audry. Sur les degenerescences cellulaires danales
parois de l’absces actinomycosique sous-cutane. Journal des
maladies cutanees et svphilitiques, 1896, p. 147.
Audry fand in der Wand eines aktinomykotischen Abscesses zwei
verschiedene Sorten von Zellen; die einen waren gross und rund mit
granulirtem Protoplasma und rundem oder ovalem, gut färbbaren Kern;
diese Zellen vergrüsscrten sich allmalig, wobei der Kern an die Seite
gedrückt wurde und allmälig ganz verschwand, während die Zellen
ebenfalls in dem umliegendem Gewebe untergingeu. Audry weiss selbst
nicht anzugeben, was das für Zellen seien, hält sie aber vielleicht für
mononucleäre Leukocyten. Die zweiten, nach der Granfschen Färbung
sichtbar werdenden Zellen waren grösser, mit groben blauen Granulationen
vollgestopft, und resultirten von einer besonderen Art von protoplasma-
tischer Degeneration, die, aber nach des Verf. Ansicht, Nichts mit dem
eigentlichen aktinomykotischen Process zu thun hat.
Paul Neisser (Beuthen 0.-8.).
Habel, A. U eher Akt inomy kos e. Yirchow's Archiv, 1896,
Band 146, Heft 1.
Habel bespricht fünf Fälle von Aktinoinykose sanunt Sections-
befund ; in allen Fällen handelte es sich um Erkrankung visceraler Organe.
Die Krankheit verlauft bald unter dem Bilde einer Lungentubereulose,
bald unter dem einer Peritonitis oder Perityphlitis. Unzweifelhafte klinische
Symptome für Aktiuomykose sind nach der Meinung 1J. nicht vorhanden,
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der Dermatologie.
269
die Diagnose lässt sich nur durch den Nachweis von Aktinomyces-Körn-
chen im Sputum oder Eiter stellen. Gustav Tandler (Prag).
Gemy. La lepre en Algerie. Journal des mal. cut. et syph.
1896, p. 243.
Gemy macht in dem Bulletin medical de V Algerie auf die Lepra
in Algier, die besonders in einem Quartier (la Carriere genannt) haust,
aufmerksam. Ein eifriger Anhänger der Contagiositätslehre glaubt er,
dass man bei genauer Untersuchung der mohamedanischen und jüdischen
Bevölkerung noch viel mehr Leprafalle constatiren würde, und macht be¬
sonders auf die Gefahr der Einschleppung durch die aus den verseuchten
Provinzen Spaniens (Valencia und Alicante) Einwandernden aufmerksam,
die bei ihrem Eintritt in’s Land genau untersucht werden sollten. Er
plaidirt für Hospitalisirung, wenigstens für möglichste Verbesserung des
Gesundheitszustandes der Leprösen und Desinfection ihrer Umgebung.
Paul Neisser (Beuthen O.-S.)
Arnaud. Quelques observations surlalepreenTunisie.
Un cas de cette affection traite par les injections de tuberculine. Annales
de dermatologie et syphiligraphie. Tome. VII. Nr. 3. März 1896. p. 293.
Lepra scheint nach Arnaud in Tunis nicht sehr verbreitet zu
sein, obwohl Verf. meint, dass eine eingehende Enquete zahlreichere Fälle
sowohl unter den Italo-Maltesern wie unter den Muselmanen zeigen
werde. Er selbst hat 5 Fälle gesehen. Auf Grund eines näher beschrie¬
benen und beobachteten Falles kommt A. zu folgenden Schlüssen: 1. Die
Lepra ist nicht hereditär. Der Patient, um den es sich handelt, hat drei
gesunde Kinder. 2. Die Contagiosität ist nicht sehr ausgesprochen („lente“);
denn es leben viele Personen mit diesem Kranken in naher Berührung
ohne angesteckt zu sein. 3. Tuberculininjectionen scheinen nicht unwirk¬
sam zu sein; vorläufig, bis zu etwas besserem, sind sie das beste Mittel
und haben bei A’s. Patienten einen entschiedenen Stillstand der Krank¬
heit und Zurückgehen der Symptome zur Folge gehabt. Jedoch sollen
4. die Dosen 2—3 Millig. nicht überschreiten, da die Reaction sehr
heftig ist. E. von Düring (Constantinopel).
Brocq, L. Note pour servir ä l’histoire des eruptions
d’origine palustre. Eruption eczematiforme circonscrite persistante
du nez de nature palustre. Annales de dermatologie et de s} 7 philigraphie.
Tome VII. 1896. Nr. 1.
Der von Brocq mitgetheilte Fall interessirt weniger der Affection
wegen, als wegen der Erklärung, die Verf. demselben gibt. Bei einer 40j.
verheirateten Dame, die von B. schon früher an einem Ekzem der Hände
mit Erfolg behandelt war, zeigte sich links peripher auf der Nase eine
etwas unregelmässig begrenzte, im ganzen ovale Eruption, etwa 1 Cm. hoch
und 1 y a Cm. breit, mit gerötheter Basis. Es bestand etwas Schwellung
und Röthung; auf der Oberfläche sah man ca. 2 Millimeter Durchmesser
haltende „Papulo-Vesikeln“, 7—8 an der Zahl, von grau - gelblicher
Farbe, ohne Krüstchen, leicht nässend. Subjectiv empfand Pat. Morgens
früh Brennen und Stechen, nicht gerade eigentliches Jucken. Nachmittags
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270 Bericht über die Leistungen auf dein Gebiete
pflegten diese Beschwerden zu verschwinden. Die Afiection hatte sich in
einem Monat aus 2—3 dicht neben einander stehenden Knötchen ent¬
wickelt. — B. stellte zunächst die Diagnose auf Ekzem — die Therapie
erwies sich aber vollständig machtlos. Die Beobachtung nun, dass die
Afiection in regelmässigem Typus alle 2 Tage sich verschlimmerte, dass
dann am nächsten Tage eine weniger heftige Attaque uud darauf ein
Tag ohne Verschlimmerung folgte, brachte B. auf den Gedanken, ob es
sich hier vielleicht um eine Hautafiection auf Grund von Malaria han¬
delte. Die Anfälle traten Früh gegen 4 oder 5 Uhr ein, steigerten sich
bis 8 Uhr, Hessen dann nach, um Nachmittags ganz aufzuhören. Zu dieser
Zeit waren Schwellung, Röthung und Nässen, sowie die subjectiven
Symptome scharf ausgesprochen, um nachher zu verschwinden. Die Dar¬
reichung von Chinin führte in zwei Tagen eine Besserung herbei, die
Monate fortgesetzte locale Behandlung nicht zu erreichen vermocht, hatte.
B. erörtert kurz die Frage der Ilautaffectionen bei Paludismus und
spricht die Ansicht aus, dass man im vorliegenden Falle die einem
nummulären Ekzem ähnelnde Aflection direct als eine Acusserung des Pa¬
ludismus und nicht als eine, den Fieberanfall begleitende (berpesähnliche)
Hautcomplication anzusehen habe. Er schliesst mit diesen Folgerungen:
1. Der angeführte Fall muss unter die noch wenig bekannten Derma¬
tosen eingereiht, welche die reinen und echten cutanea Formen der lar-
virten Malaria bilden. 2. Dass gegenüber einer hartnäckigen Hautafiection
mit etwas ungewöhnlichen Symptomen immer an die Möglichkeit der
Malaria gedacht werden muss. 3. Dass Chinin und Arsenik in diesen
Fällen wahre Specifiea sind, während die locale Therapie vollständig
machtlos ist.. 4. Dass man die von V er neu i 1 und M e rc k 1 on zaghaft vor¬
geschlagene Classe der „Paludiden“ — für die vorstehender Fall ein
Beispiel ist — als zu Hecht bestehend anerkennen muss.
E. von Düring (Constantinopel).
Erythematöse, ekzematöse, parenchymatöse
Entzündungsprocesse.
Mayer, Albert. Ueber einen Fall von infectiösem Ery¬
them Der Kinderarzt VII. 1806. H. 6. p. 97.
Albert Mayer berichtet über einen dreijährigen Knaben, welcher
im Anschlüsse an eine Kopfwunde unter gleichzeitig auftretender Nacken-
drüsenschwellung von einem Erythema papula tu in morbilliform e
mit typisch pyämischem Fieberverlaut ergriffen wurde. Das Erythem
persistirte 14 Tage lang. Auf der Acmo des Processes erreichte die Abend¬
temperatur die enorme Höhe von 42°, die Morgentemperatur desselben
Tages betrug nur 35Drei Wochen nach Heilung der Aflection neuerliche
Drüsenschwellung wieder mit pyämischem Fiebertypus und neuerlichem
Erythem-Ausbruch. Abermalige Genesung nach 8 Tagen. Gegen die Auf-
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der Dermatologie.
271
fa9sung dieses recidivirenden Erythems als eines septico-pyämisehen kann
wohl kein Zweifel erhoben werden. Hochsinger (Wien).
Coulon et Verny. Eruption antipyrinique. Bulletin me-
dicale du Nord 8. Mai 1896. Referirt im Journal des mal. cut. et syph.
1896 p. 310.
Zu der schon grossen Zahl von berichteten Antipyrinintoxicationeii
bringen Coulon und Verny einen neuen Beitrag. Ein junger Mann
erkrankte 8 Stunden nach Einnehinen von 10 Antipyrin unter heftigem
Jucken und Auftreten grosser rother Flecke auf dem Körper, im Mund,
Gaumen, Penis und Präputium. Aus diesen Flecken entstanden 3 Tage
später Blasen, die mit Hinterlassung von pigmentirten Stellen abheilten.
14 Tage später nahm Patient, der diesen Ausschlag nicht dem genom¬
menen Antipyrin, sondern vorher genossenen Austern zuschrieb, wieder
Antipyrin, und es zeigte sich bald darauf dieselbe Erscheinung, nur in
noch erhöhtem Masse, in Verbindung mit einer heftigen Conjunctivitis.
Die Heilung dauerte in diesem 2. Falle über 11 Tage.
Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Ruyssen. Erytheme quinique. Bull. med. du Nord. 24.juillet.
1896. Referirt im Journal des mal. cut. et syph. 1896 p. 574.
Der an Malaria leidende Patient Ruyssen’s bekam jedes Mal
nach Einnehmen von 1*0 Chinin einen aus verschieden grossen, rothen,
erhabenen, erythematösen Plaques und kleineren maculo-papulösen Effio-
rescenzen bestehenden stark juckenden Ausschlag an den Streckseiten
der Arme und an einzelnen anderen Stellen des Körpers.
Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Räumer, Eduard. Beiträge zur Histologie der Urticaria
simplex und pigmentosa. Inaug.-Diss. Berlin 1895.
Im Archiv f. Dermat. u. Syph. Bd. XXXIV in extenso veröffentlicht.
Ed. Oppenheimer (Strassburg).
Spek, van der. L’urticaire infantile. Journal des mal. cut.
et syph. 1896, p. 325.
Van der Spek bespricht in einer ausführlichen Arbeit die
Ansichten der verschiedenen Autoren und die seinen über Auftreten,
Aetiologie, Prognose, Complicationen und Therapie der Urticaria
der kleinen Kinder. Gleich den meisten neueren Autoren hält er die
Mehrzahl der F'älle durch Autointoxication vom Magen-Darmcanal aus
bedingt, lässt jedoch für die Minderzahl auch andere Erklärungen, Den¬
tition, Veränderung des Hautgefässsystems u. 8. w. zu.
Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Lutaud. Sur une Variete d’herpes pouvant donner lieu
ä des erreurs de diagnostic: l'herpes puerperal. Journal dea
mal. cut. et syph. 1896, p. 36.
Die 5 Patieutinen Lutaud’s erkrankten im 3. oder 4. Tage ihres.
Puerperiums unter heftigen Fiebererscheinungen und am folgenden Tage
auftretendem Herpes labialis, womit da9 Fieber sofort abfiel. Die Dis-
cussion dreht sich nun darum, ob man einen eigenen Herpes puerperalia
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
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vor sich habe, der auch die Veranlassung des vorausgegangenen Fieberß
gewesen sei, oder ob beides, Fieber und Herpes, durch eine bei der
Geburt gesetzte Infection bedingt sei, analog dem Herpes bei Pneumonie,
Meningitis. Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Comby. Desquamation dans la fievre typhoide chez
es enfants. Societe medicale des hopitaux. Journal des mal. cut. et
syph. 1896, p. 213.
Comby hat die schon von Weill behauptete Thatsache des Auf¬
tretens mehr oder weniger intensiver Hautschälungen nach typhösen
Fiebern bei Kindern nachgeprüft und bestätigt gefunden. Diese Abschup¬
pung ist bald kleienförraig, bald scarlatiniform mit grösseren oder kleineren
Hautlamellen. Comby hat nun weiter gefunden, dass diese Abschuppung
bedingt ist durch die im Stadium der Dcfervescenz auftretenden Sudamina,
dass beide Erscheinungen ein günstiges prognostisches Zeichen bilden,
dass sie jedoch keineswegs nur dem typhösen Fieber eigen sind, sondern
auch bei und nach allen acuten, fieberhaften Krankheiten bei Kindern
auftreten können. Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Barbary. Suruncasde maladie de Werlhof. — Forme activ.
— De l’influence bcureuse de Tal cool dans le traitement. — Duree, 3 se-
maines. — Guerison. Journal des mal. cut. et syph. 1896, p. 553.
Barbary berichtet über einen ohne Prodromalstadium eingetrete¬
nen Fall von schwerem Morbus maculosus Werlhofii mit profusen Blutun¬
gen aus Nase, Mund und Darm, der unter grossen Alkoholdosen innerhalb
3 Wochen geheilt wurde. Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Troquart. L v m p h a n g i t e s e p t i q u e. Societe de medecine et de
Chirurgie de Bordeaux. Journal des mal. cut. et syph. 1896, p. 481.
Die Patientin Troquart 1 «, ein junges Mädchen, war vor 5 Tagen
von einer Fliege auf die rechte Hand gestochen worden. Im Verlaufe
kurzer Zeit entwickelte sich ein bis auf den Vorderarm reichendes Oedem
mit Lymphangitis. Das Interessante an dem Fall ist der Umstand, dass
Patientin vor 2 Jahren schon einmal durch einen Fliegenstich an der
linken Hand in noch höherem Grade, als diesmal, ein Oedem der Hand
und eine bis in die Achselhöhle sich erstreckende Lymphangitis mit
Fieber durchgemacht hatte. Paul Neisser (Beuthen 0, S.).
♦ 'hristlieb, Otto. U e b e r Stomatitis und Vulvitis aphthosa.
Inaug-Diss. Würzburg 1893.
Christlieb beschreibt einen seltenen Fall von Geschwüren an der
Vulva, die weder in das klinische Bild der Ulcera mollia noch luetischer
Geschwüre hineinpassen und wegen gleichzeitig bestehender Stomatitis
aphthosa mit dieser in Verbindung gebracht wurden. Daneben bestand
noch ein Erythema nodosum des Unterschenkels. Der weitere Verlauf
der Geschwüre an der Vulva wie im Rachen und Kehlkopf bestätigte die
Diagnose der so seltenen, von Neu mann zuerst beschriebenen Erkran¬
kung. Als besonders wichtig für die Differentialdiagnose dürfte gegenüber
luetischen Geschwüren die ausserordentliche Schmerzhaftigkeit bei leisester
Berührung, das Fehlen von Induration und die leichte Unterminirung
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der Dermatologie.
273
der Ränder, gegenüber dem Ulcus molle vor Allem die Nicht-Uebertrag-
barkeit durch Impfung hervorzuheben sein. Das Erythem ist wohl als
septisches aufzufassen. (Die Differentialdiagnose ist jedenfalls eine sehr
schwierige und mit Sicherheit wohl nur bei gleichzeitiger epidemischer
Aphthosis zu stellen. Ref.) Ed. Oppenheimer (Strassburg).
Gobert. Furonculose traitee par la levure de biere
ä l’interieur. Journal des Sc. Med. de Lille, 22. Febr. 1896. Referirt
im Journal des maladies cutanees et syphilitiques 1896 p. 187.
Gobert berichtet über einen Fall von hartnäckiger multipler
Furunkulose, welche durch den innerlichen Gebrauch von frischer Bierhefe
innerhalb 12 Tagen völlig geheilt wurde.
Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Brocq, L. Nouvelles notes cliniques sur les licheni-
fications et les nevrodermites. Annales de dermatologie et de
syphiligraphie. Tome. VII. Nr. 6 juin 1896. p. 779. Nr. 7 juillet 1896 p. 924.
Brocq gibt eine zusammenfassende, kritische Uebersicht seiner
eigenen, in den Jahren 1891—1892 veröffentlichten Anschauungen über
das oben angegebene Thema, mit neuen klinischen Beobachtungen belegt.
Anlass hiezu geben ihm die seither erschienenen Arbeiten von Neisser,
Toramassoli, Pringle, besonders aber Touton’s Arbeit. Die Arbeit
zerfällt in zwei Theile: die Nevrodermiten und die secundären Lichen-
inficationen. Zunächst spricht B. über die Pathogenese des Lichen simplex
circumscriptus Vidal’s, oder nach B.’s. Nomenclatur nevrodermite chronique
circonscrite. Für Referenten, der im wesentlichen durchaus auf dem
Brocq’schen Standpunkt steht — sicher soweit es den klinischen Theil
angeht — bilden die mitgetheilten Beobachtungen eine Bestätigung zahl¬
reicher eigener Erfahrungen. Es bandelt sich, um B’s. eigene Worte zu
gebrauchen, um einen „circumscripten Pruritus, der sich mit liclieni-
fication pure allmälig complieirt. B. zieht die Bezeichnung licheni-
tication pure der früher von ihm gebrauchten lichenitication primaire vor.
In die Details dieses Capitols, besonders die Erörterung, weshalb Läsionen
der peripheren Nerven vielleicht gar nicht gefunden werden und inwie¬
weit Form und Anordnung der Affectionen auf nervösen Ursprung sehliesseri
lassen, können wir hier nicht eingehen; sie stehen mit den klinischen
Beobachtungen nicht auf gleicher Höhe. — Sodann geht Brocq zu den
„nevrodermites diffuses ä type objectif de liclienification pure u über. Die
Existenz dieses Typus ist mehr bestritten; die diffusen Fälle sind schwerer
zu analysiren und kommen seltener vor. B. theilt zwei sehr gut beob¬
achtete Krankengeschichten mit, geht dann sehr eingehend auf die Diffe¬
rentialdiagnose ein, bei der er Eezem, Lichen ruber planus, Chronische
Urticaria, den „prurigo diathesique“ Besnier’s ausschliesst. Mit einer
kleinen Abschweifung geht B. zu einer Nobeneinanderstellung seiner
Nevrodermiten und der B e sn i c Eschen „prurigo diathesiques“ über. Es
würde den Rahmen des Referats überschreiten, wenn wir auf diese inter¬
essante Frage näher eingehen wollten. — Das wesentliche für die in Rede
stehende Affoction ist stets, dass zunächst ein primärer, diffuser Pruritus
Archiv f. Dermatol, u. Syphil. Band XXXIX.
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
besteht, der von einer diffusen, reinen, wenig hervortretenden Licheni-
fication gefolgt ist. Die Nevrodermite diffuse wird beobachtet bei Neuro-
pathen, bei denen sie unter irgend welchen secundären Momenten —
Uebermüdung, Gemüthsbewegung, Schrecken, Excesse unter Jucken zum
Ausbruch kommt; die Folge des Kratzens ist dann die LicheniHcation.
Selten ist der ganze Körper von Beginn an befallen, meist sind es zu¬
nächst die Extremitäten, später Thorax und Bauch, seltener Gesicht und
Stirn, die befallen werden; die Afleet.ion ist beinahe immer symmetrisch.
Das Jucken kann continuirlich sein, oft aber tritt das Jucken anfallsweise
auf, bis zu förmlichen Nervenkrisen, meist Abends. Unter dem Einfluss
des Juckens tritt manchmal rasch, manchmal erst nach Wochen Licheni-
tication ein. Allmälig werden die Pseudo-Papeln zahlreicher, confluirender,
die Haut rüthet sich oder wird pigmentirt, sie wird runzelig, chagrinirt,
sammtähnlich, sie ist rauh und trockener, die Huutt’äitchen werden ge¬
drängter und flacher, wenn, was meist der Fall ist, die Infiltration zu
Beginn unbedeutend ist, vertiefen sich und werden von einander entfernt,
wenn später die Infiltration bedeutender wird. MeDt sind die Läsionen
in Plaques von grösserer oder geriugcr Ausdehnung verstreut, ohne scharfe
Grenzen. Nachdem die Aflection einige Wochen bis Monate bestanden
hat, tritt spontane Heilung: Aufhören des Juckens, Rückbildung der durch
das Kratzen hervorgerufenen Lichenilicationen ein — aber Recidive sind
häutig. — In einem weiteren, durchaus theoretischen Capitel bespricht
B. dann „le graphique des nevrodermites“ — die Beziehungen der circum-
scripten und chronischen Neurodermiten zu den Neurudoriuien, Pru¬
ritus senilis (diilus) und den eireumscripten Neurodermien; weiter zu der
Lichen ruber Gruppe. Eine Verwandtschaft nimmt B. hier nicht an, denn
beim Lichen ist die Papel das Ursprüngliche; nur den „Liehen ruber
obtusus corne“ nähert er den Neurodermiten. Weiter werden dann die
Beziehungen zur Ilebra’sehen Prurigo, mit der Zwischenstation der
Prurigo diathesique eczeniato-licheiiienne, der chronischen Urticaria, den
recidivireuden chronischen und den papulösen Eczcmen besprochen;
nebenbei erwähnt wird auch — anscheinend doch sehr fraglich — My-
cosis fungoides. — Es ist nicht möglich, diese z. Th. sehr beachtens-
werthen, z. Th. discutablcn, z. Th. entschieden zu spitzfindigen Raisonne-
ments im Referat wiederzugeben. — In einem zweiten Theil — bedeutend
kürzer, als der erste -— bespricht Brocq dann die sogenannten seeuu-
dären Licheniticationen. „Studium einiger der Veränderungen, welche die
Licheniheationen gewissen Dermatosen aufdrücken“ überschreibt er
diesen Abschnitt. Zunächst spricht er von dem Eczema seborrhoicum
psoriatiforme der behaarten Kopfhaut, das sich mit Lichenilicationen
cuinplieirt. Es sind dies die Fälle, wo festanhaftende, graue Schuppen
eine stark infiltrirte Haut bedecken, jene Fälle, die fast jeder noch so
energischen Therapie spotten. — Circumscripte Licheniticationen beob¬
achtet B. auch bei dem trockenen Eczema seborrhoic. capitis — der
Pvtirasis capitis. Die befallenen Individuen sind meist Arthritiker. Zum
Beschluss bespricht B. dann noch das Auftreten der LicheniHcation beim
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der Dermatologie.
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Lichen ruber planus selbst. Hier scheint ß. gar zu speculativ! _ Es ist
aber zweifellos, dass wir klinisch in der von ß. eingeschlagenen Richtung
noch viel zu arbeiten haben und grossen Vortheil daraus ziehen werden.
In das Capitel des Eczems ist damit entschieden Bresche gelegt!
E. von Düring (Constantinopel).
(So weit der Herr Referent! Wir glauben jedoch darauf hinweisen
zu dürfen, dass Ferdinand Hebra es war, der in seiner grundlegen¬
den Arbeit über Scabies im Jahre 1 8 44 aut Grund von Experiment und
klinischer Beobachtung die Lehre aufgestellt und durch alle Phasen
seines Lehrens wiederholt hat, dass durch Kratzen allein, also bei
jeder Art von Jucken, das zu Kratzen Anlass gibt, Eczem aller mög¬
lichen Formen hervorgerufen wird und dass Hebra damit auch die
richtige Bresche gebrochen hatte in die früheren Anschauungen über
Eczem, d. i. in die Krasenlehre. Freilich ist der Ausdruck: „Kratzen
ruft Eczem hervor“ viel simpler als „Lichenifieation“ und „Eczema-
tisation“ und Alle die von Broeq aufgestellten. Jedenfalls muss im
Interesse historischer Wahrheit dagegen Einspruch erhoben werden, als
hätte Broeq es entdeckt, dass Kratzen Eczem erzeugt. Ford. Hebra
hat dies gethan u. zw. schon im Jahre 1844. Kaposi.)
Schanzenbacli, Otto. U e b e r e i n e n F a 11 vonEc zematu ber¬
eut osum. Inaug.-Diss. Berlin 1895.
Schanzenb ach hat auf S c h wen inger’s Klinik eine Patientin,
die an einem Recidiv eines Eczems litt, das klinisch sich wohl als Eczema
madid. et crustos. faciei et capillitii ebarakterisirte, mit Tuberculin-Injec-
tionen von 1—100 Mg. behandelt, bei gleichzeitiger örtlicher Behandlung
mit ThiolumschUigeü. Pinselungen mit 5% Argent. nitr. etc. Weil die
Patientin nach der 3. und 4. Injection mit je 5 Mg. mit örtlichen und
allgemeinen Erscheinungen reagirte, und alsdann — bei gleichzeitig fort¬
gesetzter Localbehandlung und unter Recidiven — nach 6 Monaten endlich
Heilung eingetreten war, glaubt Sch. den Fall als Eczema tubercul. be¬
zeichnen zu dürfen. Tuberkelbacillen sind dabei in der erkrankten Haut
nicht nachgewiesen worden. Ed. Oppenheimer (Strassburg i. E.).
Haushälter. Presentation d’un cas d’eczema sebor-
rbeique generalise psoriasiforme. Societe de medecine de Nancy.
Journal de9 mal. cut. et syph. 1895 p. 476.
Haushälter stellt einen 9jährigen Knaben mit einem „universellen
seborrhoischen Eczem“ vor, das durch seine grossen schuppenden Plaques
einer Psoriasis ähnelt. Nur die Hohlhände und Fusssohlen sind frei ge¬
blieben; das Bett des Patienten mit Schuppen besät. In einer Anmerkung
berichtet H., dass nach 14 Tagen schon eine enorme Besserung unter
täglichen Seifenbädern und Einreibungen mit 5% Resorcinglycerin ein¬
getreten sei. Paul Neisser (Beuthen 0. S.j.
Ruyssen. Eczema professionel. Bull. med. du Nord. 1896 ,
p. 440. Referirt im Journal des mal. cut. et syph. 1896, p. 573.
18 *
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Ruyssen berichtet über ein Ekzem der linken Kniekehle, dem
kurz vorher ein solches der rechten Kniekehle vorausgegangen war, bei
einem jungen Manne, der schon früher Ekzeme der unteren Extremitäten
durchgemacht hatte. Patient ist Velocipedist und Vortragender will
nun in der fortwährenden Reibung der Wade am Oberschenkel und da¬
durch bedingter Heizung der Kniekehle einen Grund für ein artilicielles
Ekzem bei einem allerdings dazu disponirten Individuen sehen.
Paul Xeisser (Beuthen 0. S.).
Dünges. Zur Behandlung des Ekzems im K i n d e s a 11 e r.
Centralbl. f. Kindhlkde I. 189(5. Nr. 6, p. 182.
Dünges behandelt das intertriginöse Ekzem an den Hinterbacken
und Oberschenkeln der Säuglinge in folgender Weise. Das Kind wird
zunächst einmal gebadet, hierauf werden die erythematbsen Partien mit
einem indifferenten Streupulver bestreut, sodann wird Guttaperchapapier
direct auf die angepuderten Partien applicirt und mittelst der Windeln
an denselben festgebunden. Hiedurch wird die Haut vor dem schädi¬
genden Einflüsse der Excrete geschützt und dies allein genügt schon die
Heilung zu bewerkstelligen. In fünf Fällen von Intetrigo der Säuglinge
hat sich diese Methode dein Verf. glänzend bewährt.
H o c h s i n g e r (Wien).
Freche. Des eruptions cutanees chez les hvsteriques.
Journal des maladies cutanees et syphilitiques 1896, p. 4.
Nach einer Besprechung der bei Hysterischen vorkommenden Ilaut-
erscheinungen, des Dermographismus, der Erytheme, der Urticaria, des
hysterischen Pemphigus und »1er Gangrän, berichtet Freche- die Kranken¬
geschichte eines 2Sjührigen hysterischen Mädchens, welche ausser anderen
hysterischen Symptomen eine ekzematöse Erkrankung des linken Vorder¬
arms und Handrücken zeigte. Die Ilaut war überall geschwellt, ode-
iuatös, des Epithels beraubt, nässend. Im Verlauf der Behandlung,
welche meist in feuchten Einwieklungen bestand, stellte sich ein schnell
vorübergehender Pemphigus des linken Fussriickens und der linken Ilohl-
hand ein. Paul Ne iss er (Beuthen 0. S.}.
Etienue. Eruption cutanee hybride. Journal des mal. cut.
et syph. 1890, p. 210.
Etienne denionstrirt der Socieie de nied. de Nancy einen Patienten,
welcher nach vorausgegangenen lieftigeu Diarrhoen, unter plötzlicher
Stuhlverstopfung von einzelnen Psorinsisplaques, von einem veritahlen
Ekzem am rechten Oberschenkel und von einigen acuten Lichenknötchen
an der Brust befallen wurde. Vortragemh*r hält die Aff-ction für eine
durch die plötzliche Verstopfung eingetretene Autointoxication.
Paul Neisser (lh uthen O. S.).
Walsehe, Emil de. Psoriasis p r a cp u t i a 1 i s. La Ciinique de
Bruxelles, 13. Februar 1896. Referirt im Journal des mal. cut. et syph.
1806, p. 806.
Der Patient \Y alsche’s bemerkte 8 'läge nach einem verdächtigen
Coitus einige erodirte Stellen an seinem Präputium, wählend sich an
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der Dermatologie.
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Penis und Hoden mehrere serpiginöse, rötbliche, theilweise leicht schup¬
pende Aftectionen zeigten. Die genaue Untersuchung ergab eine Psori¬
asis, zumal sich auch an den Ellbogen einige typische Stellen befanden.
Als einige Tage später sich einige neue Stellen am Präputium, mit Schwellung
desselben und der Leistendrüsen zeigten, verordnete ein zweiter consul-
tirter Arzt eine Inunctiouscur, indem er eine Lues diagnosticirte. Unter
oder vielmehr durch diese Einreibungen entstand, um das Bild noch
mehr zu verwirren, ein roseolaähnliches Exanthem, das jedoch nach
Aussetzen der Einreibungen bald abblasste, ebenso wie die Psoriasisstellen
nach geeigneter Therapie nach 3 Monaten völlig verschwenden.
Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Möneau. Un cas de eontagion apparente de psoriasis.
Journal des maladies cutanees et syphilitiques 1896, p. 32.
Mene au berichtet über eine seit 6 Monaten bestehende Psoriasis
des behaarten Kopfes bei einem 5jährigen Mädchen, die möglicherweise
durch eine Uebertragung vermittelst des gemeinsamen Kammes von einer
3 Jahr älteren, an Psoriasis universalis leidenden Schwester entstanden ist.
Paul Neisser (Beuthen o. S.).
Luton. Traitement du psoriasis par la noix vomique.
Union medicale du Nord-Est 1896, Nr. 7. Referirt im Journal des mal.
cut. et syph. 1896, p. 439.
Luton berichtet über die Heilung zweier hartnäckiger Fälle von
Psoriasis mit Extr. nucis vomicae, von dem er täglich eine Pille ä 0*05 gab
und empfiehlt weitere Versuche bei schweren Fällen damit zu machen.
Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Daverac. Vaste psoriasis cliez une femme sypliili-
tique avantageusement traitee par le cerat. Journal des mal.
cut. et syph. 1896, p. 33.
Daverac demonstrirt eine an einer alten Syphilis leidende Pat.,
welche von einer sehr ausgedehnten Psoriasis vulgaris durch die An¬
wendung einer einfachen Wachssalbe geheilt wurde.
Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Jocqs. Guerison d’une „plaque lisse“ de la langue
(psoriasis lingual) par le bleu de methyle. Journal des mal.
cut. et syph. 1896, p. 308.
Jocqs berichtet über die Heilung einer Leukoplakie, die den
Träger derselben beim Rauchen und Trinken scharfer Getränke sehr
schmerzte und die schon mehrfach ohne Erfolg antisyphilitisch behandelt
worden war, durch fortgesetzte Pinselungen mit 20°/ 0 Methylenblau.
Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Filaretopoulo. Sur un pemphigus aigu grave. Mort par
septicemie. Journal des mal. cut. et syph. 1896, p. 556.
Filaretopoulo berichtet über einen binnen 8 Tagen zum Exitus
führenden Fall von Pemphigus acutus bei einer 32jährigen, bis dahin
gesunden Frau. Die Anfänge der Erkrankung zeigten sich auf dem
Rücken, den Genitalien und den Gaumen; in zwei Tagen war fast die
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
ganze Körperoberfläche befallen und unter hohem Fieber, Delirien, Diar¬
rhoen trat, wie schon oben gesagt, nach 8 Tagen der Exitus ein.
Paul Ne iss er (Beutben 0. S.).
Barmeyer, Paul. U eher einen Fall von Pemphigus chro¬
nicus. Inaug.-Diss. München 1895.
Bei dem von Barmeyer mitgethoilten Falle von Pemphigus vul¬
garis chronicus bei einem 21 jährigen Soldaten war 3 Wochen vorher
Scharlach aufgetreten gewesen, so dass sieh die Blasen gleichsam als
Nachkrankheit des Scharlachs entwickelten. Daher dürfte auch die Schwere
des Verlaufs zu erklären sein. Die Krankheit war mit heftigen Allgemein¬
symptomen verbunden, häutig reeidivirend und mit Bildung grosser, z. Th.
pustulosen Blasen einhergehend. Auch die Schleimhaut des Mundes war
affieirt und es bestand auch Pemphigus conjunctivae et corneae, der auf
der linken Seite zur fast völligen Erblindung führte.
Ed. Oppenheimer (Strassburgj.
Broelemann, Max. Beitrag zur Lehre des Pemphigus.
Inaug.-Diss. Berlin 1895.
Nach einigen einleitenden Bemerkungen über den heutigen Stand
der Pemphigusfrage, beschreibt Broelemann einen Fall von Pemph., den
er auf der Lewin’sehen Klinik zu beobachten Gelegenheit hatte. Er be¬
traf eine 18jährige, hereditär nicht belastete, luetische Virgo, die mit
starker Stomatitis auf die Klinik aufgenommen, nach einer Woche an
typischem Pemph. erkrankte. Jodkali brachte Stillstand der Eruptionen, die
nach Aussetzen des Mittels sieh erneuerten, bei Wiedergebrauch sistirten.
An intercurrinder Influenza ging die Pat. nach 3 Monaten zu
Grunde, ohne dass die Section etwas besonders für Pemph. ergeben konnte.
B. ist geneigt Pemphigus svphil. adultor. aiizunehinen, da kein anderes
ätiolog. Moment aufzulinden und auf Jodkali regelmässig Besserung
resp. Stillstand eingetreten war.
Ed. Oppenheimer (Strassburg i. E.).
Sohloemanil, Rudolf. Beitrag zur Lehre von der Pity¬
riasis rubra pilaris Devergie. Inaug.-Diss. Strassburg 1895.
S cb loe mann beschreibt einen typischen Fall von Pityriasis rubra
pilaris Devergie bei einem 48jährigen Kellner, bei welchem nach circa
300 Iiijectionen von Arsen in verschiedener Verdünnung und gleich¬
zeitiger Behandlung mit Bädern vollständige Restitutio ad integrum des
ganzen Körpers eingetreten war. Ed. Oppenheimer i Strassburg).
Coffin. T r a i t e ra e n t des ulcures variqueux p a r 1 a t e i n -
ture d’Aloes. Journal des maladies cutanees et syphilitiques 1896, p. 1.
Coffin empfiehlt hei kleineren bis etwa ömarkstückgrossen Flcera
cruris die Application von Tinctura Aloes, darüber einen impermeablen
Stoff und Verband, nach 4 J agen eventuell Wiederholung der Proeedur.
Der bei der Einpinselung eintretende Schmerz sei nur von kurzer Dauer.
Verf. hat sehr gute Resultate von dieser Therapie gesehen,
Paul X eisser (Beutben O. S.).
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der Dermatologie.
Freche. Engelures papuleuses. Journal des mal. cut. et syph.
1896, p. 180.
Freche demonstrirt der Societe de medecine et de Chirurgie de
Bordeaux eine besondere Art von Erfrierung. Beide Hände sind mit
kleinen, rothen, derben Papeln und hirsekorngrossen Bläschen bedeckt.
Diese Art der Erkrankung ist bei dem 13jährigen Patienten, der all¬
jährlich erfrorene Hände hat, dies Jahr zum erstenmal aufgetreten.
Taul Neisser (Beutken 0. S.).
Ury Hans. Ein Fall von Mal perforant du pied. Inaug.-
Diss. Berlin 1895.
Ein seit 6 Jahren bestehendes Mal perforant beider Füsse mit
häufigen Recidiven, mit Sensibilitätsstörungen und trophischen Verände¬
rungen in der Umgebung der Geschwüre. Als ätiologisches Moment
hebt Ury besonders hervor eine wahrscheinlich vorausgegangene Syphilis,
in deren Folge sich einerseits eine Rüekenmarksatfection, andererseits
eine Endarteriitis obliterans syphil. entwickelt hat.
Ed. Oppenheimer (Strassburg).
Bildungsanomalien.
Meneau. Un cas de maladie de Paget. Journal des maladies
outanees. et syphilitiques 1896, p. 31.
Me ne au demonstrirt einen typischen Fall von seit 4 Jahren be¬
stehender Paget disease. Die typische Farbe, das Beschränktsein auf die
Brustwarze und ihre Umgebung, die Einziehung der Warze charakterisiren
den Fall auf das Genaueste. In der Discussion sind alle sich an dieser
Betheiligenden derselben Meinung, dass zur eventuellen Heilung die Ex¬
stirpation der Mamma mit allen dazu gehörigen Drüsen vorzunehmen sei.
Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Delore. Epithelioma primitif sebace de la fesse. Jour¬
nal des mal. cut et syph. 1896 p. 431.
Delore stellt eine 50jährigc Patientin mit seit einem Jahre be¬
stehenden Epithelioma sebaceum der rechten Glutealgegend und einen
zweiten der Inguinalgegend vor. In der Discussion wird die Gutartigkeit
dieser Aflection, aber ihr häufiges Recidiviren betont.
Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Selberg, F. Ein Fall von Cancroid der Haut bei einem
6 Monate alten Kinde. Vircliow’s Archiv, 1896, Band 145, Heft 1.
Bei einem l / 2 Jahr alten Kinde fand sich an der rechten Schulter
■oberhalb der Scapula ein wallnussgrosser, knolliger, an mehreren Stellen
exulcerirter Tumor, dessen Entstehen vier Wochen post partum bemerkt
worden war. Excision des Tumors, Naht, Heilung per primarn; 4 Monate
post operationem war das Kind vollkommen gesund. Histologisch erwies
sich der Tumor als ein zweifelloses Cancroid der Haut.
Gustav Tandler (Prag)
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Cordes, H. Ein casuistisch er Beitrag zur Multiplicität
der primären Carcinome. Yirchow’s Archiv, 1896, Band 145, Heft 2.
Bei der Section einer 77jährigen an Marasmus verstorbenen Frau
fand sich ein primäres Adenocarcinom des Magens mit Metastasen im
Magen, Netz, Peritoneum und retroperitonealen Lymphdrüsen, ferner ein
gleichfalls primäres Plattenepithelcarcinom am Fusse mit secundärer Be¬
theiligung der inguinalen Drüsen derselben Seite, demnach bei einem
Individuum zwei primäre Krebstumoren. Gustav Tandler (Prag).
Bohm, H. Tra umatische Epithelcvste und Fremd¬
körper-Riesenzellen in der Haut. Virchow's Archiv 1896, Band
144, Heft 2, Seite 276.
Bohm beschreibt drei Fälle von traumatischen Epithelcysten ander
Hand, dadurch entstanden, dass durch irgend ein Trauma ein Stückchen
Oberhaut aus seinem Zusammenhänge gelöst und in die Tiefe der Cutis oder
des Unterhautzellgewebes verpflanzt wurde. Indem nun dort die Zellen
des losgelösten Stückchens ihre Thätigkeit fortsetzen, entsteht so langsam
eine gewöhnlich bohnengrosse Epithelcyste, während sich unterdessen
der Substanzverlust der Ilaut schon lange darüber geschlossen. Für die
traumatische Natur dieser Cysten spricht das regelmässige Vorhanden¬
sein einer feinen Narbe der Haut über der Cyste. In einem Falle zog
von der Oberhaut zur Cyste ein zarter Narbenstrang, in welchem sich
zahlreiche Riesenzellen um Epidermisschollen gelagert vorfanden, welche
Zellen als Fremdkörper-Riesenzellen gedeutet werden müssen.
Gustav Tandler (Prag).
Hallopeau, H. No uv eile Etüde sur le dermatitebulleuse
congenitale avec kvstes epidermiques. Annales de dermatologie
et de syphiligraphie, Tome VI., Nr. 4. Avril 1896, p. 453.
Hallopeau theilt einen weiteren P'all der von Vidal als „lesions
trophiques d’origine congenital ä ruarche progressive“, von Besnier
als Ichthyosis congenita bullosa bezeichnet.cn Aff»»ction, von der auch
Referent vor einigen Jahren einen Fall in den Monatsheften für prakt.
Dermatologie mitgetheilt hat. H. stellt folgende Schlusssätze auf.
1. Diese congenitale, bullöse Ilautaflection, mit bleibenden Narben
und Epidenniscysten ist unbedingt eine Krankheit sui gcneris.
2. Das Hauptcharacteristikura ist die Bildung gelb-seröser oder
sero-sanguinolenter Bullae.
3. Ganz leichte Berührungen genügen, um das Auftreten dieser
Bullae hervorzurufen.
4. Ihr Sitz ist mit Vorliebe Streckseite der Gelenke der Extremi¬
täten, aber sie treten auch auf der Continuität derselben und am Stamme auf.
5. Meist sind sie schmerzlos, können aber während der acuten
Nachschübe von lebhaftem Jucken begleitet sein; manchmal geht das
Jucken voraus.
6. Die Bullae hinterlassen manchmal einfache anfangs pigmentirte,
später entfärbte Maculae, manchmal meist ganz oberflächliche, unregel¬
mässig runde oder ovale, isolirte oder coniluirende, leicht deprimirte
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der Dermatologie.
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oder wenig vorspringende Narben; meist sitzen dieselben an den Prae-
dilectionsstellen, finden sieb aber auch am Stamm. An den am meisten
befallenen Stellen besteht gleichzeitig eine ausgesprochene Atrophie
der Haut.
7. In den Maculae sieht man miliare Knötchen, von weisser oder
gelblicher Farbe. Es sind Epidermiscvsten, veranlasst wahrscheinlich
durch die Obliteration eines Drüsenausführungsganges bei der Regene¬
ration der Epidermis nach der Rückbildung der Bullae.
8. Die IiJemente entsprechen in ihrer Vertheilung manchmal dem
Lauf der Nervenstämrae.
9. Es handelt sich wahrscheinlich nicht, wie Vidal meinte, um
eine angeborene Ernährungsstörung, noch um eine Intoxication, w T ie es
Hallopeau früher annahm, sondern um eine Trophoneurose.
10. Die Krankheit kann erblich sein; sie überträgt sich meist,
jedoch nicht ausschliesslich, mütterlicherseits.
11. Von der angeborenen Anlage zum Auftreten der Bullae unter¬
scheidet sich diese Afiection durch ihren entzündlichen Charakter, durch
die Localisationen, die Narben, die Atrophien, die Epidermiscystchen und
durch die, der Nervenvertheilung folgenden, acuten Nachschübo.
E. von Düring (Constantinopel).
Fflrstenheim, F. Kiemengangshautaus wüchse mit knor¬
peligem Gerüste. Jahrb. f. Kinderh. XL., p. 248—251.
Die im Titel angeführte Missbildungsform, welche von Virchow,
Weinlechner und Grimm bisher immer nur hemilateral gesehen
wurde, fand Fürstenheim in 3 Fällen gleichzeitig über beiden Kopf¬
nickern ohne nachweisbare Fistelöflhungen ausgeprägt. Es waren zitzen¬
förmige, % — 1 V, Cm. lange häutige Fortsätze mit festem Gerüste, welche
in verschiedener Höhe über der Artic. sterno-clav. ihren Sitz hatten und
in die Tiefe des Zellgewebes vordrangen, ohne eine Verbindung mit einem
knöchernen oder knorpeligen Gebilde des Halses einzugehen.
Hochsinger (Wien).
Tenueson, Leredde et Martinet. Sur un granulome inno¬
mine. Annales de dermatologie et de syphiligraphie Tome VII, Nr. 7.
juillet 1896, p. 913.
Tenneson, gemeinschaftlich mit Leredde und Martinet, gibt
eine klinische und anatomische Beschreibung einer in den letzten Jahren
häufiger discutirten Affection. Es handelt sich um die von Brocq als
Folliculites disseminees symetriques des parties glabres; von Barthe-
lemy als Acnitis und Folliclis; von Pollitzer als Hydradenitis de-
struens suppurativa; von Dubreuilh als Idrosadenite suppurative dis-
seminee; von Unna als Spirdenitis disseminata suppurativa beschriebene
Affection. Tenneson hat zwei Fälle klinisch beobachtet und bei beiden
Biopsien gemacht. Klinisch handelt es sich um eine, bei jungen, lympha¬
tischen Individuen auftretende Bildung schmerzloser Knötchen, die un¬
regelmässig verstreut überall, besonders aber auf den Fingerrücken, in
der Handfläche und am freien Rande der Ohrmuschel auftreten; die grössten
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
sind erbsengross, die meisten kleiner. Die Knötchen entwickeln sich
langsam in den tiefen Ilautschichten, dringen langsam zur Oberfläche vor,
machen subjectiv keine Beschwerden. Ein Theil der Knötchen wird spontan
resorbirt, einige erweichen, zeugen nach Aufbruch eine kraterförmige,
häutig durch ein Krüstchen verschlossene Oeflnung; daher die Aehnlichkeit
mit einer Folliculitis. Bei Druck wird ein Tröpfchen Eiter entleert.
Nach der Heilung bleibt eine weisse, strahlige, häufig mit einem Pig¬
mentrand umgebene Narbe zurück. Die Affection schliesst sich häufig an
Eczeme an. — Das wichtigste an T’s. Arbeit ist wohl der Nachweis, dass
die Affection weder mit den Schweiss- noch mit den Talgdrüsen noch
mit den Follikeln etwas zu tliun hat, dass dieselbe sich vielmehr an der
Grenze von Derma und Hypodonna entwickelt, besonders in der Umgebung
der (jefasse, die häufig thrombosirt gefunden werden; dass weiter die im
Cent rum verkästen Knötchen alle Charaktere einer infectiösen Granula¬
tionsgeschwulst an sich tragen. Die Betheiligung der Drüsen der Haut
ist eine eecundäre.
Interessant sind auch die kurzen pathogenetischen Bemerkungen.
Mikrobon sind von keinem Autor gefunden. Aber alle Publicationen er¬
wähnen direct oder indirect die Scrophulose. T. sagt: Wenn man von Oer
Srophulose, sowie sie Lugol und Bazin verstanden, das ablöst, was zur
hereditären Syphilis und zur Tuberculose gehört, so bleibt doch noch
etwas übrig, wofür \vir weder ätiologische noch anatomische Kriterien
haben — und doch wissen alle Kliniker, was sie unter „Srophulösen“
verstehen! Die gedunsene, schlecht ernährte Haut solcher r Seropliulösen“
bietet den unbekannten Mikroben (Tuberkelbacillen oder anderen) ein
günstiges Feld zur Entwickelung der erwähnten Granulome.
E. von Düring (Constantinopel)
Brandt, A. Eine Virago, mit B en ii t z u n g d er v o n W. Favr
ermittelten gynäkologischen Daten. Virchuw’s Archiv, ISffö,
Band 146, Heft fl.
Brandt beschreibt eine fl9 jährige Virago, bei welcher bloss Stirn,
W angen, Hals, die von den herabhängenden Brüsten verdeckten Stellen
des Thorax, ferner die Seiten flächen desselben, sowie die des Unterleibes
mit Lanugo bedeckt sind. Alle übrigen Stellen sind dicht behaart, während
die Extremitäten einzeln stehende, bis I Cm. lange, schwarze Haare auf¬
weisen. Backen-, Schnurr- und Kinnhart bestehen aus straffen, schlichten,
kastanienbraunen, roth mehrten Haaren; der Backenbart ist bis 20 Cm.,
der Schnurrbart 4—5 Cm. lang, die Haare des Kumpfes schwarz, bis
4 Cm. lang. Die Hypertrichose, gegen welche die verschiedensten Mittel
ohne Erfolg angewendet wurden, soll im 2b. Jahre der betreffenden
Person während einer schweren puerperalen Pelvioperitonitis, die ira
Anschluss an eine Frühgeburt auf getreten war, entstanden sein.
Gustav Tandler (Prag).
Ramirez, B. del Yielar. Heber die Verruga peruana. Inaug.-
Diss. Berlin 1S95.
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der Dermatologie.
283
Vi 11 ar gibt eine sehr interessante monographische Darstellung dieser
ausschliesslich in einigen tropisch gelegenen Hochthälern der peruani¬
schen Anden vorkommenden Infectionskrankheit, die besonders für die
weisse Race sehr gefährlich zu sein scheint. Auf die Einzelheiten der
Aetiologie, Symptomatologie etc. hier einzugehen, dürfte für den Rahmen
eines Referates zu weit gehen. Hervorzuheben sei nur, dass sich auf der
Höhe der sehr schmerzhaften Krankheit ein juckendes Exanthem über
den ganzen Körper entwickelt, aus welchem dann zahlreiche (100—200)
kleinere und grössere in der Haut gelegene Tumoren hervorgehen können.
Diese sind keine echten Verrugas (Warzen), sondern im papillären oder
subcutanen Bindegewebe gelegene bindegewebige Tumoren.
Ed. Oppenheimer (Strassburg i. E.).
Fuchs, E. Ueber Blepharochalasis (Erschlaffung der Lidhaut).
Krankenvorstellung in der Sitzung der Gesellschaft der Aerzte in Wien
vom 6. December 1895. (Wiener klin. Wochenschrift 1890. Nr. 7.)
Nach Fuchs besteht das Wesen der Krankheit in einer Atrophie
der Lidhaut mit Verdünnung und Elasticitätsverlust und in Folge dessen
Ausdehnung derselben; ferner in einer Atrophie oder wenigstens Er¬
schlaffung des Unterhautzellgewebes. Die hiebei auftrende Erweiterung
der feinen Hautvenen wärd als secundäre Erscheinung gedeutet, ebenso
der leichte Grad von Ptosis. Die Krankheit befällt ausschliesslich die
oberen Lider, tritt beiderseitig auf und betrifft vorzüglich die Lid-Haut.
Zu Folge der Verdünnung und des Elasticitätsverlustes ist die Haut in
unzählige, feine, nach allen Richtungen sich durchkreuzende Falten ge¬
legt und wird nicht unpassend mit zerknittertem Cigarettenpapier ver¬
glichen. Die Empfindlichkeit der Haut gegen Tast- und Temperaturein¬
drücke ist normal. Horovitz (Wien).
Kaposi, M. Mycosis fungoides und Sarcomatosis cutis.
Demonstration in der k. k. Gesellschaft der Aerzte 28. Februar 1896.
(Wiener klin. Wochenschrift 1896, Nr. 10.)
Diese 2 Fälle wurden 3 Monate zuvor mit folgenden Bemerkungen
vorgestellt: Während Mycosis fung. in Anschluss an ein Erythem und
Ekzem sich entwickelt, ging hier eine Pemphiguseruption voraus und
daneben; die Therapie ist gegen das Uebcl ohnmächtig, obschon einzelne
Knoten sich auch spontan zurückbildcn können; gewöhnlich letaler Aus¬
gang. Die Sarcomatosis cutis hat viel Aehnliehkeit mit Mycosis fun¬
goides; auch sie führt zum Tod, doch ist auf Arseniktherapie auch voll¬
ständige Genesung möglich. Die Sarcomatosis wurde innerlich mit Arsen
behandelt, doch musste wegen Fieber und Diarrhoen diese Therapie unter¬
brochen werden; und dennoch ist ein vielfaches Schwänden der Geschwülste
zu constatiren. Auch bei der Mycosis fung. musste die Arsenmedication
wegen hohen Fiebers unterbrochen w r erden. Aber jetzt trat Abflachung
der Knoten auf, die Blaseneruption wurde geringer und nach Ablauf einer
inzwischen aufgetretenen acuten Nephritis, eines Hydrops und allgemeiner
Hinfälligkeit schwanden die Knoten, es trat eine allgemeine seröse Aus¬
schwitzung auf und die Kranke erholte sich. Horovitz (Wien).
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284
Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
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Hennig, Karl. Hirsuties congenita cum hemiatrophia:
melanosarcoma. Jahrb. für Kinderh. XL., p. 107—120.
Ein 3 3 / 4 Jahre altes Mädchen, dessen Krankengeschichte K. Hennig
mittheilt, wies an der rechten Wange, dem ganzen Rücken und stellen¬
weise am rechten Oberarme dichten Haarwuchs nebst dunkel pigmentirten
Flecken und Ringen auf. Die behaarte rechte Wange und der rechte
Oberarm waren atrophisch, die Eckzähne dieser Seite länger als normal.
Ueberdies wurden am Nacken und Rücken Geschwülste beobachtet, welche
sich bei der mikroskopischen Untersuchung als Mela nosarcome er¬
wiesen.
An die Beschreibung dieses Falles knüpft H. eine ausführliche
Besprechung der Hirsuties congenita, welche in übersichtlicher Form
das bisher über diese Hautanomalie Bekannte an führt und zum Gegen¬
stände interessanter Erörterungen vom vergleichend-anatomischen Stand¬
punkte aus macht, welche ira Originale nachgesehen werden mögen.
Karl Hochsinger (Wien).
Perrin. Xeroderma pigmentosum. Journal des maladies
cutanees et syphilitiques 1896. p. lf>4.
Perrin demonstrirt ein 6jähriges Mädchen mit einem typischen
Xeroderma pigmentosum. Auf den unbedeckten Kürpertheilen, dem Ge¬
sicht, Ohre, Hals, Nacken, Vorderarmen und Händen sind alle Stadien
dieser Erkrankung zu coustatiren; mehr oder weniger pigmentirte rothe
Flecke, Trockenheit, Abschuppung und Atrophie der Haut, impetigo¬
ähnliche Pusteln, mit Krusten bedeckte Exulcerationen, von diesen her¬
rührende, mit Teleangiektasien durchzogene Narben, verrucöse und
papillomatöse mit Krusten bedeckte, leicht blutende EiHorescenzen.
Vortragender bespricht sodann die unbekannte Aetiologie dieser Krank¬
heit, ihr häutiges Vorkommen in derselben Familie, ihre Therapie, die
eine möglichst milde sein und nur bei dem Entstehen der Epitheliome
in Aetzung oder Kauterisirung bestehen soll.
Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Vladimirov. Le vitiligo chez uneufant de six ans. Med.
Obozr. 1895, Nr. 22, Referirt im Journal des mal. cut. et syph. 1896,
pag. 110.
Der kleine 6jährige Patient Vladimirow’s zeigte seit 9 Monaten
mehrere Anfangs isolirte, später wachsende und contluirende Vitiligo¬
stellen im Gesicht mit Betheiligung der Wimpern. Unter ömonatlicher
Arseniktherapie (2 Gtts. Sol. Fowieri pro die) verschwanden die Stellen
völlig und nur die Entfärbung der Cilien blieb zurück.
Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Malherbe, A. et Malherbe, H. (de Nantes). Note sur un cas
curieux de lymphangieetasio cutanee avec ly mpliorr agi e
vegetante et elephantiasis (1 Tafel). Annales de dermatologie et
syphiligraphie. Tome VH. Nr. 3. März 1896, p. 278.
Es handelt sich um einen klinisch nicht uninteressanten Fall von
Lymphorragie, Lymphectasie und chronischen Oedem — nicht eigentlicher
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2S5
der Dermatologie.
Elephantiasis — bei einem jungen Mädchen. Afficirt waren das linke Bein,
d e Labien, besonders das rechte, Mons veneris und Inguinalgegend. Zu¬
rückgeführt wird die Krankheit auf eine im Jahre 1891 durch das Corset
verursachte Abschürfung. Der Status Mitte 1893 wird folgendermassen
beschrieben: Am besten zu beobachten ist sie in der Inguinalfalte und
am Bauche oberhalb des Mons veneris. Bei aufmerksamer Betrachtung
sieht man geschlingelte, halb-transparente Vorwölbungen, ähnlich Fluss¬
läufen auf Landkarten; im Verlauf dieser oberflächlichen erweiterten
Lymphgefässe sieht man sudaminaähnelnde Bläschen, von kaum sicht¬
barer bis zu llanikorngrösse. Bei weiterer Entwickelung sieht man, dass diese
Bläschen multiloculär sind, sie werden bis erbsengross, Hiessen zusammen und
bilden warzenähnliche Wucherungen. Die unterliegende Haut ist ödematos,
röthlich, chagrinirt, wie Orangenschale. Angestoelieu entleeren diese
Bläschen oder Vegetationen klare oder röthliehe Lymphe, die unausge¬
setzt fliesst, wie bei der Stichelung ödematöser Extremitäten. Sie werden
aber auch spontan eröffnet, nässen und maceriren die Haut. — Alle
Cautherisationen waren machtlos. Von Erfolg war schliesslich nach
3 Jahren nur systematische Compression durch Bindeneinwickelung der
linken Extremität. — Die anatomischen und bakteriologischen Enter-
suclningen bieten kaum etwas Bemerkenswerthes. Verf. halten eine Infection
für die z weiffei lose Ursache der Atfection. Sie haben einen unbekannten
speciellen Baciilus, dann Streptococcen und den B. tetragenes aus der
Lymphe gezüchtet; damit haben sie negative Thierversuche angestellt
und sprechen sich selbst sehr reservirt aus über die pathogenetische
Bedeutung derselben. (Ein gleicher Fall ist kürzlich von Hafer körn,
Deutsches Archiv f. klin. Medicin. Bd. ob, Heft 5 u. G beschrieben.)
E. von Düring (Constantinopel).
Zwillinger, II. Leber das V erhält n iss der Pachydermia
laryngis zu den Leukokeratoseu (Leukoplakien). Wiener klin.
Wochenschrift. 189G, Nr. 8.
Z. kommt auf Grund seiner Beobachtungen zu dem Schlüsse, dass
die Pachydermia laryngis identisch ist mit dem Krankheitsprocesse, der
mit Leukoplakii oris belegt wird; auch soweit die Aetiologie in dieser
Erage einiges Licht verbreitet, fallen die beiden Proeesse mit einander
zusammen. H o r o v i 1 z (Wien i.
Giehrl, Josef. Leber Elephantiasis. Inaug.-Diss. München. 1894.
Giehrl beschreibt 2 Fälle von Elephantiasis, von denen der erste
wahrscheinlich nach einem Trauma entstanden ist. Er betrifft einen
22jälirigen Knecht, der im G. Lebensjahre einen Sturz vom Heuboden
erlitt und seit dieser Zeit eine Zunahme seines linken Oberschenkels und
Hüfte bemerkte, die zur Zeit der Beobachtung zu zwei grossen Geschwulst¬
massen sich entwickelt hatte. Patient wurde operativ geheilt.
Der zweite Fall, von dem eine Abbildung beigegeben ist, betrifft
eine gleichmäs>ige elephantiastische Verdickung beider unteren Extremi¬
täten mit Ausnahme der Zehen und der vorderen Theile des Metatarsus
bei einer 70jährigen Frau. Ed. Oppenheimer (Strassburg).
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286 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Rothschild, Otto. Elephantiasis scroti et penis. Inaug.-Diss.
Bonn. 1895.
In einer Zusammenstellung von 53 Fällen von sporadischer Elephan¬
tiasis scroti et penis bringt Rothschild 3 neue Fälle aus der Bonner
med. Klinik. Während der 2. Fall (Fall 31) eine Folge eines häufig recidi-
virenden Erysipels bei einem Tubereulösen war, verdankten die beiden
anderen Fälle (27 und 32) ihre Entstehung einer bestellenden Harnfistel.
Diese ist überhaupt eine häufige Ursache des Leidens, und dies wohl
dadurch zu erklären, dass durch die Stauung der Cireulation in Folge
von Narben, die Ilarnstauung, das Aussickern des Urins durch die Fisteln
und die Infiltration der benachbarten Gewebe diese in einen chronischen Reiz¬
zustand versetzt werden, den sie mit einer Lymphangoitis und Binde¬
gewebswucherung beantworten. Ed. Oppenheimer (Strassbürg).
Joppich, Julius. Ein Fall von S c 1 er od ermi e. Inaug.-Diss.
Würz bürg 1894.
Bei dem von Joppich beschriebenen und mikroskopisch unter¬
suchten Falle von Sclerodcrmia circumscripta ist besonders bemerkens-
werth, dass die Bindegewebshyperplasie sich ausser in der Haut noch an
mehreren inneren Organen, vor allem der Leber und der Milz vorfindet,
so dass die Sclerosirung der Haut nur als ein Theil des Gesammtbildes
des selerotischen Broeesses erscheint.
Ed. 0 p p e n h e i m e r (Strassburg).
Haushälter. Lichen scrofulosorum. Societe de medeeine
de Nancy 27. Mai 1896. Journal des mal. cut. et sy])h. 1896 p. 473.
Hau sh alter demonstrirt 2 Fälle von Liehen serophulosum; bei
dem zweiten war die Atlection, die ausser auf dem Körper auch auf den
Gesicht zu constatiren war, mit einer multiplen Tuberculosis verrucosa
cutis combinirt. Ein Meerschweinchen, in dessen Peritoneum einige Liehen-
knötchen vom Gesicht der Pat. inoculirt worden war, starb nach 3 Mona¬
ten an Tubereulose. Paul Neisser (Beutlien 0. S.).
Hamburger, Robert. Die Therapie des Lichen ruber.
Inaug.-Diss. Strassburg 1895.
Hamburger empfiehlt als beste Methode zur Heilung des Lichen
ruber die subcutane Anwendung des Arsens; die Fnna'sche Karbol-
sublimatsclimiercur bezeichnet er als ebenfalls sehr wirksam. Die Involu¬
tion der Etllorescenzen wird bei der Arsencur beschleunigt durch Appli¬
cation reizmildernder Salben. Schädliche nervöse Einflüsse sind vom
Patienten fernzuhalten. Eduard Oppenheimer (Strassburg i. E.).
Fere. L a p e lade p o s t - e p i 1 e p t i q u e. Nouvclle Iconographie
de la Salpetriere. Referirt im Journal des mal. cut. et syph. 1896, p. 51.
Eure berichtet zwei Fälle von Alopecia areata nach epileptischen
Anfällen, bei denen nach wenigen Wochen oder Monaten ohne jede Be¬
handlung die Haare wieder wuchsen. In dem einen Falle hatte Patient
liacu wocheulunger Pause 4 epileptische Anfalle in einer Nacht; am
folgenden Tage begannen die Haare auszufallen und nach 2 Tagen zeigte
sich auf dem Kopfe des Patienten 50 etwa Francstüek grosse, jeglichen
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Haares beraubte Stellen, die sich in den nächsten Tage theihveisen noch vor-
grösserten; die Sensibilität war auf diesen Stellen unverändert, schmerz¬
hafte Empfindungen nicht vorhanden. Ira Verlaufe mehrerer Wochen und
Monate begannen zuerst die kleineren, später die grösseren Stellen sich
wieder mit normalem Haar zu bedecken. Paul Ne iss er (Beuthen 0. S.).
Sabouraud, R. Sur les origines de la pelade. Etüde clini-
que et experimentale. Annales de dermatologie et de syphiligraphie.
Tome VII. Nr. 3, 4, 5 et 6. Mars, avril, mai et juin et 189G. (Mit 6 Taf.)
Sab ouraud’s Arbeit ist eine Monographie, über die Alopecia areata.
Nach einer Uebersicht über die früheren Arbeiten, deren keine das Ziel, die
Ursache der Pelade zu finden, erreicht hat, geht Sabouraud zunächst
zum klinischen Theil seiner Arbeit. Zunächst besteht S. darauf, dass die
Alopecia areata contagiös sei. Dass diese Thatsache im Auslande noch
bestritten sei, hänge davon ab, dass die Krankheit 1. dort weniger häufig
sei als in Frankreich; dass 2. die Feststellung der directen Filiation häufig
schwer sei; und dass 3. die Art der Uebertragung — besonders durch die
Friseure — häufiger zu sporadischen l allen, als zu Epidemien Anlass
gibt. Ist die Krankheit aber contagiös, so müssen wir einen Parasi¬
ten suchen.
Für die Untersuchung, anatomisch-histologisch, sowie bacteriologisch,
ist es wichtig zunächst in die klinischen Erscheinungen und Stadien
der Krankheit einigen Einblick zu gewinnen.
Vor dem Ausfall der Haare, vor der Bildung der kahlen Stelle,
kann man an den Haaren schon Veränderungen constatiren: das erkrankte
Haar ist der Stumpf eines noch an seinem Platz verbliebenen Haares;
es ist ganz genau keulenförmig, oder besser noch, es hat die Form eines
Ausrufungszeichen. Bei schnell verlaufenden Peladen, besonders bei der
von Besnier als Pelade trichophytoide oder Pelade ä cheveux fragiles
bezeichneten Form, findet man diese Haare häufig auf dem erkrankten
Fleck oder in seiner Umgebung.
Wenn man Gelegenheit hat, Alopecia während der Ausbreitung zu
beobachten, so sieht man im Centrum eine vollständig kahle Stelle, man
erkennt die leeren Ausführungsgänge, die mit Sebum gefüllt sind; schon
mit blossem Auge oder mit. der Lupe ähneln sie den erweiterten Poren,
wie sie bei Acne der Nase zu sehen sind. Um diese leeren Follikel sind
die andern, schon erkrankten Haare kreisförmig geordnet.
Die histologische Untersuchung des erkrankten Haares ergibt, dass:
1. das Pigment, welches im oberen Theile ganz normal vorhanden
ist, im basalen Theile fehlt;
2. der im oberen Theile normale Durchmesser des Haares, vom
oberen Drittel ab bis zur Wurzel sich verjüngt ;
3. der im oberen Theile vorhandene Markraum in dem mittleren
Theile starke Veränderungen zeigt, um im centralen Theile ganz zu ver¬
schwinden ;
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4. die Wurzel nicht hemispherisch ist, keinen Bulbus bildet, und
keine, der Papille entsprechende Höhlung zeigt; sie ähnelt einer Pfahl¬
wurzel, einer Kohlrübe. Histologisch gesprochen stellt das erkrankte Haar die
regressive Metamorphose dar eines ausgebildeten Haares in ein Wollhaar.
Diese Veränderungen können unmöglich durch einen Mikroben
veranlasst werden, der seinen Sitz im Ilaare hat; die Störung muss von
der Papille ausgehen; wir können den Zustand der Rückbildung, das
Absterben der Papille in allen Stadien beobachten; und nach den Dimen¬
sionen des Haares kann man sagen, dass dieser Proeess des langsamen
Absterbens der Papille mindestens l 4 Tage, längstens zwei Monate dauert.
Das, was dem Pelade-Haar specihsek, eigcnthüralich ist. ist seine
Spaltbarkeit ; es ist sowohl transversal, als ganz besonders vertical sehr
leicht zu spalten.
Sabouraud gesteht, dass er, wie alle Untersucher (? Red.) vor ihm,
nicht genügend auf die Bedeutung der Papi 11 enerkrankung geachtet und,
der Contagiosität wegen, den Parasiten an der Oberfläche gesucht. So
haben seine ersten Untersuchungen ihn 15 Arten von Mikroben finden
lassen, 6 besonders häutig, unter ihnen 2, auf die er naher eingeht : den
von ihm sogenannten Micrococeus communis und den V nna’schen Flaschen¬
bacillus. Wegen dieses Tlieiles müssen wir auf das Original verweisen —
genug, nach einjährigem Studium überzeugte er sich, dass keiner dieser
Mikroben als Ursache der Pflade anzusenen ist, sondern dass sie häutig
vorkommende Bewohner des nicht erkrankten Kopfes sind.
5. wandte sich dann zur histologischen Untersuchung der Kopfhaut,
um vielleicht hier den Mikroben zu linden. Man muss suchen, die Haut
in drei Phasen zu untersuchen;
1. zu Beginn des Kahl Werdens, 2. bei völliger Kahlheit und 3. zur
Zeit des Wieder.vachsens der Ilaare. Kr begann seine Untersuchungen
mit dem dritten Stadium. Kr eonsfatirte in diesem Stadium:
1. Viele Haarfollikel sind vollständig verschwunden.
2. Um die übriggebliebenen Follikel ist das eutane Bindegewebe
in Verticalbiiinleln verdickt, dicht, gedrängt., mit Bindegewebszellen
durchsetzt, von denen einige fetthaltig sind.
3. An der Basis dieser „Bindegewebspfeiler“ findet man weiter
zahlreiche abgeplattete, degenerirte, die leicht als Mastzellen zu er¬
kennen sind.
4. Sehr viele Ilaare sind im BegriiVe, sich neu zu bilden (auch aus
den „verschwundenen“ Follikeln? Red.) und dieser Nachschub findet
ganz in der normalen Weise statt, sowie man es bei allen nicht durch
JSarbenbildung veranlassen Alopecicn sieht.
5. Die zugehörigen Talgdrüsen sind immer sehr gross, manchmal
auffallend gross und reichlappig.
0. Die Pigmentbildung ist und )»leibt aufgehoben, nicht nur in den
neuen Ilaarpapillen, woraus die Canifics der nach wachsenden Haare (er¬
scheinen ja doch meist später wieder pigmentirt. Red.) zu erklären,
sondern auch in den Basalzellen der Kpidermis.
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Zwei Punkte sind auffallend: Einmal die über die ganze erkrankte
Hautpartie ausgedehnte, nicht auf die Follikel beschränkte Störung der
Pigmentbildung; und weiter die Anwesenheit der Mastzellen in den tiefen
Cutislagen, ein Beweis dafür, dass die Wirkung der Krankheitsursache
sich auch auf andere Theile der Bedeckung, nicht nur auf die Follikel,
erstreckt.
Die weiteren Untersuchungen erstreckten sich auf das Höhestadium
der Affection, vom Eintritt der Kahlheit, bis zum Beginn (exclusive) des
Wiederwachsena des Wollhaares. Zwei Punkte sind zur Constatirung
dieser Periode wesentlich: In der Umgebung der kahlen Stelle findet man
keine brüchigen, pigmentirten Haare mehr; d. h. der Haarausfall ist zum
Stillstand gekommen. Ebensowenig aber findet man nachwachsende Woll-
baare; d. h. das letzte Stadium des Nachwachsens der Haare ist noch
nicht erreicht. Die histologische Untersuchung dieses Stadiums zeigt die
Follikel geradezu eingeschachtelt in Wanderzellen — es handelt sich
um eine chronische, atrophisirende, das Haar gleichsam aus dem Follikel
heraustreibende Folliculitis. An Stelle der erkrankten Follikel und um
dieselben findet sich eine vollständige Scheide reifen, dichten, sclerotischen
Bindegewebes; aber auch das periphere Gewebe beweist die Theilnahme
am Entzündungsprocesse durch die Anwesenheit der eben geschilderten
Veränderungen. Man constatirt Störungen der Pigmentbildung in der
Malpighi8chen Schicht, die S. auf eine „Fern Wirkung“ zurückführt,
und kleinzellige Infiltration um die Gefässe — entzündliche Diapedese.
Ein Drittel der kleinzelligen Infiltration sind Mastzellen; dieselben
finden sich in allen Theilen der Cutis. S. weist besonders auf den Punkt
hin, dass den Mastzelleu keine phagocytären Eigenschaften zukommen,
dass ihre Anwesenheit in keiner Weise auf die Anwesenheit von Mikroben
deutet. Ihre Anwesenheit deutet, nach Westphal lediglich auf das
Bestehen localer nutritiver Störungen hin. Es handelt sich also bei der
Pelade um eine specitische, auf die peladische Stelle localisirte, aber auch
die ganze Ausdehnung derselben diffus betreffende nutritive Störung.
Daraus wird die vorher ausgesprochene Annahme bewiesen, dass im
Gegensatz zu den „Teignes“ die Pelade keine Haarerkrankung,
sondern eine Erkrankung des Tegu m ents der behaarten
Theile ist. Weiter ist festzuhalten, dass man die Mastzellen in grösster
Masse findet zu einer Zeit, wo die Enthaarung schon einige Zeit besteht.
An weiteren Zellen findet man mononucleäre Leukocyten; alle Gelasse
des Teguments, seien sie perilolliculär oder nicht, sind gleichmässig ein-
gescheidet in eine Schicht von Mastzellen und mononucleären Leukocyten ;
jedoch ist die Infiltration ausgesprochener in den tieferen Schichten,
weniger ausgesprochen in dem sub M a 1 p i gh i’schen (V! lled.) und papillären
Gef assnetz. Diese Thatsache ist bemerkenswert h besonders wegen des
Fehlens der polynucleären Leukocyten, die in der Umgebung von Mikroben¬
herden niemals fehlen und weil die Vertheilung der Zellen eine so absolut
gleichmässige ist. Sabouraud betont, dass ähnliche Bilder sich bei Brom-
und Jodintoxicationen finden, dass demgemäss auch der Befund bei der
Archiv f. Dermat. u. Syphil. Ban*! XXXIX. jf)
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Pelade auf eine chemische Wirkung hindeutet. So viel steht fest, dass in
dieser Periode, ausser auf der Haut und in der Follikelmündung, sich in
tieferen Schichten absolut keine irgendwie nachweisbaren Mikroben finden
lassen. — Die folgenden anatomisch-physiologischen Auseinandersetzungen
S.’b müssen im Original eingesehen werden. S. kommt zu folgenden
Schlüssen: Das ganze Bild der Pelade im Stadium der vollendeten Kahl¬
heit lässt sich so definiren: 1. keine der histologischen Veränderungen
spricht irgendwie für eine gegenwärtig bestehende Mikrobenaffection;
im Gegentheil 2. deuten alle Befunde auf das Fehlen eines solchen hin.
3. Alle Befunde bezeugen übereinstimmend, dass es sich um eine tiefe
locale Intoxication handelt; und zwar 4. um eine Intoxication, deren
Ursache in der Vergangenheit liegt.
Im 3. und 4. Memoire gibt S. dann die Untersuchung der aller¬
frühesten Perioden und die Beschreibung eines regelmässig gefundenen
Bacillus. Zunächst constatirt er die höchst wichtige Thatsache, dass im
oberen Drittel zwischen der Einmündung der Talgdrüse und der Follikel¬
mündung auf der Haut, eine gleichmässige, ampiillenartige Dilatation
besteht, von ungefähr a /, 0 Millimeter Breite, bei % Millimeter Höhe.
Untersucht man eine noch mit brüchigen Haaren besetzte Pelade-Plaque
zu Beginn, so findet man, dass alle Follikel diese Ampulle haben, welche
S. als „Utricule“ und als pathognoraiseh bezeichnet. Diese Utricules sind
vollgestopft mit einem feinen Bacillus. — Es ist unmöglich auf die De¬
tails der Untersuchungen weiter im Referat einzugehen. S. kommt in
Bezug auf den Mikroben zu folgenden Conclusionen:
1. Nur das Anfangsstadium der Pelade zeigt Mikroben.
2. Soweit die kahle Stelle gebildet ist, kann man nirgend den
Tilz finden, weder im Ilaar, noch im Follikel, noch im Gewebe, noch auf
der Haut.
3. Dagegen sind im Aniängstadium, wenn der Haarausfall beginnt,
alle Follikel mit unzähligen Mikrobeneolouien inficirt, die überall die¬
selben und stets in Keincultur vorhanden sind. Diese Mikrobeninfection
geht allen histologischen Veränderungen voraus; sie macht auch alle
späteren histologischen Veränderungen verständlich, denn dieselben sind
ßämmtlich nicht als Folgen einer directen Mikrobmieinwirkung aufzu¬
fassen, sondern als durch Fernwirkung von Toxinen hervorgerufene ein¬
fache Läsionen.
4. In den benignen Beladen ist die Follikelinfection vorübergehend;
in der chronischen oder mit vollständiger Alopecie einhergehenden Fällen,
in denen die unbegrenzte Dauer auf die gleichzeitige Dauer der krank¬
machenden Ursache hinweist, findet man mit gleicher Localisation stets
denselben Bacillus, meist in ausserordentlicher Menge.
5. Da dieser Bacillus sich stets, in allen Fällen, findet, wo die
histologischen Befunde auf den Beginn oder ein Fortbestehen der Erkran¬
kung hin weisen, so muss er andere Rolle spielen, als eine beliebige, zu¬
fällige secundäre Infection.
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der Dermatologie.
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6. Der Mikro-Bacillus des Utricule kann, trotz gewisser Form-
verschiedenheiten, nicht absolut von dem Mikroben differencirt werden,
den Hodara als Acne-Bacillus beschrieben hat.
Der Hodara’sche Acne-Bacillus ist aber nicht der Acne-Bacillus,
denn man findet ihn nicht nur im Coraedo, sondern auch in allen Formen
der Seborrhoea sebacea oleosa, bei denen der Befund des Bacillus nur
auf einen Zufall, auf eine locale Symbiose hinzudeuten scheint. Letztere
Affection ist sehr häufig: Obwohl der Mikrobacillus des „Utricule pela-
dique“ eich massenhaft auf den in Ausbreitung begriffenen Plaques findet,
auch ohne jede ölige Seborrhoe, so müssen doch noch entscheidende
experimentelle Beweise beigebracht werden, ehe man sich über die patho¬
gene Bedeutung des Mikrobacillus aussprechen kann.
7. Entweder dieser Mikrobacillus und der Hodara’sche Comedo-
Mikrobe sind identisch. Dann muss man nachweisen, weshalb im Beginn
jeder Pelade diese Secundärinfection sich findet, und welche Rolle
sie spielt.
8. Oder es handelt sich um zwei verschiedene Pilze. Dann muss
man sie experimentell differenciren. Da die Utricule peladique das An¬
fangssymptom jeder Pelade ist, so muss die Rolle als Erreger der Pelade
für den in der Utricule gefundenen Bacillus erst erbracht werden.
9. Oder vielleicht sondert dieser Bacillus, je nach den verschiedenen
Existenzbedingungen, ein peladogenes Toxin ab oder nicht. Daun muss
man dieses Toxin isoliren.
10. Welche Hypothese man auch aufstellt, das Studium dieser
Mikrobenart ist nothwendig. Sei er nun speoifisch oder nicht, jedenfalls
findet er sich stets und allein an den bestimmten Punkten und gerade
zu der Zeit, zu der Klinik und Histologie die Entwicklung der Krankheit
beweisen. E. von Düring (Constantinopelj.
Parasiten und parasitäre Affectione».
Haan. Tricophytie transmise ä Thomme. Tribüne metli-
cale, 22. Juli 1890. Referirt im Journal des mal. cut. et syph. 1896, p. 442.
Haan berichtet über 3 Fälle von Uebcrtragung von Herpes ton-
surans von Kühen auf Menschen. In dem ersten Fall handelte es sich
um einen Kuhhirten, in dem zweiten um eine Pächterin, welche beide
an der rechten Hand inficirt wurden. Letztere inficirte noch ihre kleine
Tochter, die sie täglich anzog, am Kinn.
Paul N e i s s e r (Beuthen 0. S.).
Warminski. U n mot sur le favus ä Toccasion d’un cas
rare de cette affection. Nowiny Lekarskie 1894, Nr. 12. Referirt
im Journal des mal. cut. et syph. 1890, p. 111.
Der seit 15 Jahren an Favus des Kopfes leidende Patient War-
minski’s hat vor 2 Jahren Lues acquirirt und zeigt seit einem halben
Jahre einen Favus der unteren Extremitäten. Aus der langen Dauer, die
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
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zwischen dem Befallensein de9 Kopfes und dem Auftreten auf den Extre¬
mitäten verging, aus der vor 2 Jahren überstandenen Lues, aus einzelnen
braunpigmentirten, nicht schuppenden, keine Pilze enthaltenden Stellen
an den Beinen schliesst W. auf einen Zusammenhang der Lue9 mit dem
Favus der Extremitäten derart, dass die Favuspilze sich auf einen dort
localisirten Exanthem angcsiedelt haben. Er hält diese braunpigmentirten
Stellen für Reste dieses Exanthem, umsomehr, als sie nach antiluetischer
Cur fast unsichtbar wurden, während eine antibacterielle Cur sie vorher
nicht verändert hatte. Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Will, Theophil. Ueber Favusbehandlung. Inaug. - Diss.
Strassburg 1895.
Will kommt nach einer Uebersicht über die in der Literatur
niedergelegten Methoden der Favusbehandlung zu dem Schlüsse, dass alle
Behandlungsarten längere Zeit mit Consequenz fortgesetzt werden müssen,
wenn das Wiederkeimen der Pilzelemente in der Haut und den Haaren
verhindert werden soll. Er empfiehlt das Wolf fache Verfahren aus der
Strassburger dermatol. Klinik. Erweichen der Favusmassen mittels Kata-
plasraen und Kautschukhaube oder Guttapercha und Entfernung der
erweichten Massen mittels Spatel, Schmierseife oder Spirit, saponat.
Dann energische Einreibung von 10% Chrysarobin in kleinen Mengen.
Bei Reizzuständen Aussetzen und Sublimatsalbe (1% 0 j.
Ed. Oppenheimer (Strassburg i. E.).
Porak. Observation d’u ne 1 e s i o n parasitair e non d e c r i t e
de la langue chez le nouveau-ne. Journal des mal. eut. et sypb.
1896, p. 20.
Porak berichtet über eine merkwürdige parasitäre Zungenaffection
bei einem Neugeborenen. Auf der Zunge des 4 Tage alten Kindes zeigten
sich plötzlich circa 10 weibliche, erhabene unregelmässig ovalare Flecke,
die sich schwer abkratzen Hessen, aber nach ihrer Entfernung nicht mehr
auftraten. Das Zungenepithel war unter ihnen unversehrt. Die mikro¬
skopische und culturelle Untersuchung ergab eine Art seltenen Hefepilzes.
Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Gciliy et Vincent (II.). Sur un nouveau cas de „P i cd de
M ad ura w . Annales de dermatologie et de syphiligraphie. Tome VII.
Nr. 11. novembre 1896, p. 1253.
Gcrnv und Vincent haben in einem Fall von Madurafuss einen
Pilz nachgewiesen, von 1 — 1*5 u Breite, mit langem, starkverzweigtem
Mycel. Cultur in Peptonbouillon ungünstig, gedeiht besser in Heu- oder
Strohaufguss. Auf Kartoffeln gedeiht der Pilz gut und gibt nach einem
Monat eine rosa oder hochrot he Cultur, die langsam tiefrot h werden und
metallischen Glanz zeigen kann. In Heu- oder Kartoffelinfus bildet er
kleine, zu Boden sinkende Kugeln; einige bleiben an der Wandung der
Reagenzgläschen haften, nahe an der Oberfläche; im Contact mit der
Luft färben sich diese Kügelchen rosa oder roth. Die Entwicklung ist in
allen Medien eine langsame; sie beginnt erst am 6.—12. Tage. Die weiss¬
gelblichen Körnchen, welche mit dem Fisteleiter entleert werden, bestehen
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durchaus aus Mycelien. Der Parasit des Madurafusses ist durchaus ver¬
schieden von dem Pilz der Aktinomykose. Es ist pyogen. Wichtig ist die
Bestätigung der von Beranger-Feraud geäusserten Ansicht, dass der
Madurafuss auf dem ganzen orientalischen Continente, vom atlantischen
Ocean bis zura Rothen Meer und bis zur Ostküste heimisch ist.
E. von Düring (Constantinopel).
Perrin, L. (De Marseille.) Des nevrodermies parasitop
hobiques. Annales de dermatologie et de syphiligraphie. Tome VII.
1896. Nr. 2, p. 129.
Perrin theilt drei Fälle mit von entschieden auf tiefer liegender
Degeneration beruhender „Parasitophobie“; alle drei Kranken glaubten
Läuse zu haben, hatten subjectiv alle Symptome, die das Vorhandensein
dieses Ungeziefers begleiten, ohne dass objectiv der geringste Grund
vorlag. Ref. meint, dass derartige Fälle in den Irrenhäusern wohl recht
häufig sind. Es lohnt nicht der Mühe, auf die etwas weitschweifigen
theoretischen Erörterungen des Verf. über die Nevrodermies parasito-
phobiques primaires et secondaires hier einzugehen.
E. von Düring (Constantinopel).
Sabouraud. Ueber die Seltenheit des Microsporon-
Audouini in Italien. Soc. de derra. et de syph. Annal. 1895,
pag. 400.
Bisher sind die Angaben Sabouraud’s über das Vorkommen
und die Eigenschaften des Microsporon Audonini von anderen Forschern,
namentlich den Italienern Marrianelli und Mi belli in Zweifel gezogen
worden. Auf die durch Sabouraud erfolgte Zusendung von erkrankten
Haaren hat nun Mibelli an Sabouraud einen Bericht geschickt, der
im wesentlichen die Angaben Sabouraud’s bestätigt. Mibelli findet,
dass die Haare bei Microsporon Audouini viel widerstandsfähiger gegen¬
über Kalilauge sind als die Haare von Trichophytie. Sie sind eingescheidet,
nicht durchwachsen von den Sporen. Letztere sind bedeutend kleiner als
die des Trichophyton. Auch die Culturen unterscheiden sich von allen
jenen, die von Kopf-, Barthaaren und Nägeln trichophytisch Erkrankter
angelegt worden waren. Auf Grund dieser Befunde glaubt Mibelli, dass
er bisher nie einen Fall dieser beim Menschen vorkommenden Mycose
gesehen habe. Winternitz (Prag).
Rossi, Giovanni. Deila tricofitiasi (Erpete tonsu-
rante) e sue varietä. Osservazioni cliniche ed anatomiche. II Mor¬
gagni XXXVII. I. Nr. 7.
Rossi beschreibt nach einer sehr unvollständigen Uebersicht
über die historische Entwicklung der Lehre vom Herpes tonsurans die
bekannten verschiedenen Formen dieser Erkrankung, ohne dabei etwas
neues zu bringen. In den Schlüssen, die er zu Ende der ziemlich langen
Arbeit bringt, behauptet er, dass der Pilz die Epidermis nicht nur in
allen ihren Schichten durchdringen, sondern dass er auch die Drüsen der
Haut, das Bindegewebe, das Derma und selbst andere tiefere Theile be¬
fallen könne. (!Ref.) Theodor Spietschka (Prag).
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294 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete der Dermatologie.
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Pellizzari, Celso. Del polimorfisrao tricofitico ed
in parti colare di una forma clinica non descritta.
— Lo 8perimentale XLIX. Nr. 14, p. 266.
Pellizzari stellte in einer klinischen Vorlesung mehrere Fälle
von Herpes tonsurans vor; dieselben betrafen eine Mutter mit 3 Töchtern
und eine Cousine derselben. Die Mutter, zwei Töchter und die Cousine
zeigten die Erkrankung einestlieils in der Form des Kerion, anderentbeiles
glichen die Erkrankungsherde vollkommen einem chronischen schuppenden
Eczeme; letztere Form war nur an Stamm und Extremitäten vorhanden;
so dass die Stellung der Diagnose grosse Schwierigkeiten bereitete. Ganz
abnormale Charaktere jedoch zeigte die Erkrankung bei der dritten
Tochter, welche später als die übrigen zur Klinik kam, so dass man an¬
fangs von den verwandtschaftlichen Verhältnissen nichts wusste. Hier
glichen die Efflorcscenzen vollkommen denen eines Lichen scrophulo-
sorum, so dass P., bevor er den Zusammenhang mit den übrigen Familien¬
mitgliedern erkannt hatte, an alles andere eher als an einen Herpes ton.
gedacht hatte. Hier bot die Diagnose unendliche Schwierigkeiten. Der
Allgemeinzustand der Patientin Hess einen Lichen scroph. ausschliessen;
desgleichen konnte Syphilis ausgeschlossen werden. An eine durch ge¬
wöhnliche Eitercoccen bervorgerufene Erkrankung konnte gleichfalls nicht
gedacht werden. Erst nachdem der genannte Zusammenhang erkannt
worden war, wurde auch bei diesem Mädchen nach wiederholtem Suchen
der Hyphoravcet in den Krankheitsproducten gefunden.. Diese kleine Haus¬
epidemie von H. t. bot also nicht nur sehr schwer zu diagnostieirende
Formen, sondern auch ein bisher noch ganz unbekanntes Krankheitsbild
desselben. Theodor Spietschka (Prag).
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Venerische Krankheiten.
(Ledigirt von Prof. Neisser und Dr. Scliäffer in Breslau.)
Gonorrhoe und deren Complicationen.
Abramovicht. Traiteraent de la blenorrhagie par des
medicaments internes, Pextrait fluide de Kawa-Kawa en particulier
(Piper methysticum poivrier des lies de la mer du Sud). — Ref. in La
Medecine moderne. 1896. Nr. 33.
Abramovicht fand das Fluidextract Kawa-Kawa (von dem
Pfefferbaum auf den Südseeinseln) in einigen Fällen wirksam gegen
Gonorrhoe in acutem und subacutem Stadium, in den meisten musste zu
der internen Behandlung noch eine locale treten. Definitive Heilungen —
lediglich durch die innere Medication — sind selten. Kawa-Kawa leistet
ebensoviel wie die anderen Balsamica, ohne irgend welche unangenehme
Nebenerscheinungen zu machen (selbst bei 3mal täglich 40 gtt.). Es
wird durch die Nieren ausgeschieden. Pinn er (Breslau).
Achard. Radiographie des arthrites deformantes blen-
norrhagiques. Soc. med. des höpitaux Seanc. du 10 juillet. Ref. in
La France med. Nr. 29. 1896.
An der Hand von Photographien, die vermittelst Röntgenstrahlen
von dem Fusäe eines an Arthritis blennorrhagica leidenden Patienten her-
gestellt worden waren, versucht Achard nachzuweisen, dass im Verlaufe
blennorrhagisch arthritischer Aflectionen auch das Periost und der Knochen
der Umgebung in Mitleidenschaft gezogen werden können, die dann durch
Bildung von Osteophyten auf den chronischen Reiz reagiren.
Ferdinand Epstein (Breslau).
Appert. Diagnosi e cura delle metriti blenorragiche.
La semaine gynecologique. Mars 1896. Ref. in 11 Morgagni. Nr. 45, 1896.
Appert bespricht das klinische Bild und die Diagnose der Cervi¬
citis bezw. Metritis gonorrhoica acuta und chronica, ohne Neues zu bringen ;
die NothWendigkeit, auf Gonococcen zu untersuchen, wird nicht erwähnt,
dagegen betont A., dass der alte chronische Cervixkatarrh gonorrhoischer
Natur mehr Tendenz hat zur Atrophie und Sclerosirung als zur Hyper¬
trophie. Was die Therapie anlangt, so wird vor der Auskratzung des
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Uterus gewarnt, wegen der Gefahr der Propagirung des Proce9ses und
der Möglichkeit der Entstehung von Gelenkmetastasen. Bei der acuten Cervix¬
gonorrhoe werden Ruhe und Spulungen mit Hypermang. Kali (1:2000 , 0) em¬
pfohlen, nach Abklingen der acuten Erscheinungen: Pinselungen mit Me¬
thylenblau und Cervixausspülungen (!) mit schwachen Kal. hyp.-lösnngen
unter leichtem Druck. Bei der acuten Metritis gonorrhoica, absolute Ruhe und
sehr vorsichtige antiseptische Scheidenausspülungen. Beim chronischen
Cervixcatarrh. Vaginaltampons und Cervixbehandlung mit Kal. hyp. oder
Argent. nitric. Bei chronischer Metritis gonorrhoica: Dilatation und Tampo¬
nade des Uterus mit Creosot-glycerin- oder Camphor-naphthol-Gaze.
Schliesslich wird bei ganz veraltetem Cervixkatarrh die Excision der be¬
fallenen Schleimhaut nach Bo ul ly empfohlen.
Ferdinand Epstein (Breslau).
Arnaud, Lucien. Les grands lavages de Pure th re. Journal
des mal. cut. et syph. 1896, p. 344.
Arnaud empfiehlt in diesem Artikel die jetzt wohl Gemeingut
aller Urologen gewordenen Janet'schen Spülungen mit Kalium permang.
bei Gonorrhoen und gibt eine genaue Beschreibung ihrer Anwendung.
Nur in der Anpreisung des abortiven Charakters derselben bei ganz
frischen Gonorrhoen ist Verf. wohl etwas zu optimistisch. In dem End¬
stadium, wo nur Secretion ohne Gonococcen zu constatiren ist, wendet
er an Stelle des Kalium permang. lieber Sublimat 1 : 20000 oder Resorcin an.
Als Contraindicationen dieser Behandlungsmethode nennt er: 1. Epididy-
mitis, Prostatitis und Funiculitis, 2. periurethrale Infiltrate und Abscesse
und 3, alte Stricturen, die erst zu erweitern seien.
Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Baer. Beiträge zur Lehre von der weiblichen Rectal¬
gonorrhoe. Arbeiten aus dem städtischen Krankenhause zu Frankfurt
a. M. Festschrift der 68. Naturforscherversammlung. Frankfurt a. M. 1896.
Baer fügt seiner bereits (D. M. W. 1896 Nr. 8) veröffentlichten
Arbeit über die Rectalgonorrhoe der Weiberweitere Beobachtungen hinzu.
Er hat neuerdings weitere 129 venerische Patientinen untersucht und bei
ihnen in 32*5% aller Gonorrhoischen und in 21*7% aller überhaupt Rectal¬
gonorrhoe festgestellt. (Bei den 296 zuerst veröffentlichten stellten sich
die Zahlen auf 35*1 und 22*6%-)
Die neu gewonnenen klinischen Erfahrungen decken sich so ziemlich
mit den früheren: nur ist es Baer gelungen auch in Fällen, in denen
der als charakteristisch geschilderte Eiterpfropf („la goutte w Jullien’s)
fehlte, durch Abkratzen der Rectalschleimhaut ein ISecret mit typischen
Gonococcen zu gewinnen. Im Folgenden behandelt B. das „Ulcus recti“,
welches er im Gegensätze zu Jullien nur als postgonorrhoischen Process
aufl'asst. Es ist dies die bereits in der ersten Publication beschriebene
Afiection, welche der „fissure ulcereuse“ Jullien’s entspricht, und ferner
jene auf der Unterseite einer überhängenden Analfalte sich findenden
Ulcera, denen Herxheim er den Namen „Verendafnrmiges Ulcus“ geben
möchte (Condylome Jullien’sJ. Bei 3 solcher Fälle, bei denen gleich-
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der Syphilis.
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zeitig Rectalgonorrhoe bestand, hat B. Excisionen gemacht und eine
mikroskopische Untersuchung vorgenommen, ohne Gonococcen nachweisen
zu können. Auf der Rectalsehleimhaut selbst hat er immer nur ober¬
flächliche, sich durch ihre dunklere Farbe von der hochrothen Farbe der
Ma8tdarmschleimkaut sich deutlich abhebende, leicht blutende Erosionen
beobachtet, deren Aetiologie wohl hauptsächlich in gestörten Circulationsver-
hältnissen zu suchen ist, nie primäre Ulcera.
Unter seinen 450 Fällen hat B. niemals das von Jullien ange¬
nommene „ulcere mixte blenno-chancrelleuse“ oder „ulcera mixte blenno-
syphilitique“ beobachtet.
Ferner beschreibt B. noch einen Fall von Mastdarmfistel (Histo¬
logische Untersuchung mit positivem Gonococeenbefund), und einen
paraanalen Gang (?) mit Gonococcen im Secrete, aber negativem Er¬
gebnisse der histologischen Untersuchung.
DieRectalstrictur ist offenbar sehr selten bei Rectalgonorrhoe, denn bei
450 rectal untersuchten Patientinen fand sich nur ein Fall. Bei letzterem
— es handelte sich um eine Luetica mit Rectalgonorrhoe (coitus per anum
in der Anamnese) — konnte zwar die Lues als ätiologisches Moment
durch die Therapie ausgeschlossen werden, jedoch lag der Fall bezüglich
der positiven Seite auch nicht ganz klar, da eine Excision nicht vorge¬
nommen werden konnte.
Bezüglich der Therapie unterscheidet Baer zwischen:
1. unkomplicirter \
2. complicirter (Fissuren, Ulcera) / Rectalgonorrhoe.
ad 1. Intensive mechanische Rectalbehandlung mit Speculum (gut
vertragen). Auswischen mit 2—5% Argeut. nitricum oder Argentarainlösung.
Darauf reichliche Ausspülungen mit erwärmten Flüssigkeiten (Argent.
nitr. und Argentamin 1 : 4000—2000, Argonin 7’5 : 3000 -2000; Kali hyp.
1 : 5000 - 3000)
ad 2) Möglichst seltene Speculumeinfübrung. Vor allem Behandlung
des Rectaleinganges mit möglichst milden Mitteln (Jodoform, Aethvlen-
diamincresol 1 : 5000—1000, Argent. nitr. Salbe 1% und TraumatoP.
Eventuell Excision der Ulcera in Narkose daneben Rectalbehand¬
lung ohne Speculum mit grossen (Oliren)Spritzen.
Paul Oppler (Breslau).
Beckett, James. Reportofacaseillustrating thedangers
of forcible and rapid dilatation in the treatment of Ure¬
thral Stricture. Medical News. July 25., 1896.
In Beck ett’s Fall handelt es sich um die Folgen einer in der
Narcose vorgenommenen rapiden Stricturdilatation (von filiformer Bougie
bis Stahlsonde Nr. 18 englisch in einer Sitzung). Nach 5 Tagen Blasen-
tenesmus, tropfenweises Urinieren, Schmerzen und Auftreibung des Leibes.
14 Cm. hinter dem Orificium externum urethrae unpassirbare Strictur.
Unter Schüttelfrost und nächtlichen Delirien dauerte der Zustand einige
Tage unverändert an, bis sich 4 Cm. unter dem Nabel ein fluctuirender
Tumor bildete. Eine Incision wurde gemacht; aus der Wunde kam reich-
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
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lieh Urin, danach stinkender Eiter und nekrotische Gewebsfetzen. Von da
an hatte Patient Ruhe. Nachdem er sich etwas erholt hatte, wurde vom
Perineum her die Urethra eröffnet und nach einiger Mühe mit dem
Katheter die Blase erreicht. Allmälige Heilung.
Verf. fuhrt die Erkrankung auf die rapide Dilatation zurück, bei
der die Sonde entweder unmittelbar durch Zerreissung der vorderen
Urethralwand die Urininfiltration des abdominalen Zellgewebes erzeugte
oder wenigstens den Reiz verursachte, welcher Eiterung und Perforation
nebst Urinaustritt herbeiführte. Pinkus (Breslau).
Bender. Das Argonin (Argentum Casein) ein neues Anti-
gonorrboicum. Aerztlicher Praktiker. 1696, Nr. 1.
Bender empfiehlt das von Jadassohn in die Praxis eingeführte
Argonin für die GoDorrhoebehaudlung, da auch seine Resultate (bei
54 Patienten) sehr befriedigende waren. Pinn er (Breslau).
Bennati, Angelo. Considerazioni sopra un casodible-
norragia da contagio estra genitale. Accadernia Medico-Chi-
rurgica. Seduta di 23 ottobre 1896. lief, in Gazzetta degli ospedali
e delle cliuicbe. Nr. 137, 1896.
Bennati erzählt von einem Patienten, bei dem wenige Tage nach
einem Coitus per os mit einer Puella publica ein mikroskopisch be¬
stätigter Hamröhrentripper auftrat; bei der Untersuchung der Mundhöhle
der betreffenden Frostituirten konnte eine Blennorrhöa oralis nicht nachge¬
wiesen werden, doch wurde eruirt, dass das Mädchen ganz kurz vor dem Ver¬
kehr mit dem Patienten Bennati 1 » mit einer anderen Person ebenfalls
per os coitirt hatte, so dass die Mundhöhle der Dirne als der Ort be¬
trachtet werden musste, wo der erste Besucher infectiöses Material
deponirte, mit welchem der zweite Besucher sich ansteckte. — Im An¬
schluss hieran bespricht B. die Folgen der Gonorrhoe beim Manne und
der Frau und betont, dass auch durch diese Krankheit ein schädigender
Einfluss auf die Nachkommenschaft ausgeübt werden könne; und zwar
namentlich in Folge chemischer und dynamischer Läsionen der Prostata,
der Testes, des Uterus und der Ovarien, die im Verlaufe einer chroni-
nischen Gonorrhoe sich geltend machen können. Von diesem Gesichts¬
punkte aus stellt B. den Tripper in Analogie mit der Lues, und spricht,
von parablennorrhagischen Affeetioncn im V ergleiche zu den parasyphili¬
tischen Affectionen Fourniers. Ferdinand Epstein (Breslau).
Bocci. A r g e n t a in i n in der A ugenpraxis. Ref. Centralblatt
f. Augenheilkunde. 1896, April.
Bocci hat mit gutem Erfolge Argentamin-Lösungen von V 2000 bis
V 400 o bei Blennorrhoen und bei acutem Conjuncf ivulkatarrli solche von */j°
verwendet.
Boyd. S e p t i e c m i a F o 11 o w i n g Gonorrhoea. The Boston
Medical and Surgical Journal. 1896, Nr. 9,
Boyd berichtet über einen Fall von Gonorrhoe bei einem lSjährigen
Menschen, welche alsbald die Gelenke ergriff und zu Fiebersteigerungen
führte. Im weiteren Verlauf traten häufig Schüttelfröste und Temperatur-
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der Syphilis.
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exacerbationen auf, welche durch Chinin nicht zu beeinflussen waren.
Nach wenigen Wochen erfolgte der Tod. Ausfluss bestand in den letzten
drei Wochen vor dem Exitus nicht mehr.
Sectionsbefund gibt nichts Wesentliches. Mikroskopisch wurde nie
auf Gonococcen untersucht, da hievon nichts erwähnt wird, auch fanden
scheinbar die Genitalorgane bei der Section keine genügende Beachtung.
Verf. deutet den Fall als Septicaemie. Pinn er.
Barr, H. Albert. Gonorrhea in the puerperium. The Journ.
öf the american medical association. August Ith. 1896.
Burr schuldigt die Gonorrhoe an, in einer Anzahl von Fällen die
Ursache schwerer puerperaler Erkrankung zu sein. Er gibt 6 Fälle, von
denen 8 rapid tödtlich verliefen, und in denen (bis auf einen) der Nach¬
weis gonorrhoischer Erkrankung der Frau vor der Entbindung geführt
ist (in den 3 mit Genesung endenden Fällen Gonococcennachweis aus
Cervix und dem blennorrhoisch inficirten Auge des Kindes). Beigefügt
sind einige charakteristische Photogramme von Gonococcen in Eiter¬
körperchen, welche von diesen Fällen stammen. Verf. ersehnt eine ge¬
setzliche Einrichtung, die nur denjenigen Personen zu heiraten gestattet,
welche ein ärztliches Zeugniss über ihr Freisein von ansteckenden und
vererbbaren Krankheiten beibringen. Piukus (Breslau).
Bykhovski. Cephalee et affections genitales chez la
fern me. Societe medicale de Kief. ref. in Gazette hebdomadaire de
medecine et de Chirurgie 1896 Nr. 79.
Bykhovski stellt, auf 3 eigene Beobachtungen gestützt, die Be¬
hauptung auf, dass der hartnäckige, jeder Behandlung spottende Kopf¬
schmerz bei Frauen sehr häufig auf gleichzeitig bestehende Genitalaffection
zu beziehen und durch Behandlung der letzteren zu heilen sei. In der
Discussion hebt Wosskrescensky hervor, dass besonders häufig Kopf¬
schmerz vorkommt bei Frauen, die an Salpingitis leiden.
Doye (Breslau).
C&lderini. La gonorrea in relazione colla ginecologia
e colla ostetricia secondo i piu recenti studi. Gazzetta degli
ospedali e delle cliniche. 9 maggio 1896.
Nach einer weitausholenden Einleitung bespricht Calderini de-
taillirt die Aetiologie, Gelegenheitsursachen, Frequenz, Prophylaxe und
Prognose der Gonorrhoe des Weibes und die Folgen dieser Erkrankung,
ohne etwas Neues zu bringen. Therapeutisch verwendet er a) in der
geburtshilflichen Praxis: während der Gravidität: Urethral- und Vaginal¬
spülungen mit hypermangansaurer Kalilösung; intra partum: Sublimat¬
spülungen; im Puerperium mit hohen Temperaturen: Spülungen mit
reinem Wasser. 6) in der gynäkologischen Praxis: Urethral- und Vesical-
spülungen mit hypermangansaurer Kalilösung; Vaginal-, Cervical- und
Endouterinspülungen mit Wasser oder hypermangansaurem Kali; eventuell
locale Aetzungen mit Argentum nitricum bezw. Chlorzink. Bei gonorrhoi¬
schen Adnexerkrankungen zunächst Ruhe, Opium, Eis, Umschläge, später
Ichthyol, Jodtinctur, Jodkali. In veralteten Fällen und bei Verwachsungen
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300
Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
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der Adnexe mit dem Peritoneum: ira Nothfalle Exstirpation auf dem
abdominalen Wege. Ferdinand Epstein (Breslau).
Callari. Sulla presenza di un bacillo non patogeno
nella vagina di una donna affetta da vulvo-vaginite ble-
norragica. Gazzetta degli ospedali e delle cliniche Nr. 101. 1896.
Callari fand in dem Eiter eines an Vulvo-vaginitis blennorrhoica
erkrankten 15jährigen Mädchens, ausser zahlreichen Gonococcen, einen
ihm bisher noch unbekannten Bacillus, den er nicht nur mikroskopisch
und culturell, sondern auch durch das Thierexperiment auf seine Patho¬
genität untersuchte. Er gibt eine genaue Beschreibung dieses „Strepto¬
bacillus vaginae“ und hebt hervor, dass er der Form nach dem Wurzel¬
bacillus ähnelte, während die Lagerung (Kettenform etc.) an den Bacillus
des malignen Oedems erinnere. Pathogen ist der Mikroorganismus nicht.
Es handelt sich wahrscheinlich (Ref.) um einen Kettenbacillus, den man
nicht so selten in den Präparaten anzutreffen pflegt, wenn man statt
isolirtem Urethral- bezw. Cervicalsecret gleichzeitig etwas Vaginalschleim
auf den Objectträger bringt. Ferdinand Epstein (Breslau).
Campbell, Highet. Nevro-retinite causee par lagonor-
rhoe. Annales d’oculistique. Januar 1896 Ref. La Medecine moderne.
7. Jahrgang Nr. 13, den 12. Februar 1896.
Der 30 Jahre alte Patient C. H’s aquirirte 3 Wochen nach dem
Auftreten einer Gonorrhoe, in deren Verlauf Inguinaldrüsenschwellung
auftrat, eine typische einseitige Neuroretinitis. Da alle anderen ätiologi¬
schen Momente auszuschliessen waren, musste die Gonorrhoe als die
Ursache angesehen werden. Paul Oppler (Breslau).
Mc. Cann, F. J. Gonorrhoeal Peritonitis. The british me¬
dical Journal, Nr. 1877, December 19, 1896.
Mc. Cann glaubt, dass es bei Eiterungen im Gefolge von gonor¬
rhoischer Erkrankung im weiblichen Genitaltractus (Tube) und im Peri¬
toneum stets um Mischinfection mit Eitererregern handelt. Den Beweis
des Vorhandenseins von Gonococcen glaubt er durch die Cultur (auf
erstarrtem Ovarialkysteninhalt) erbringen zu müssen.
Pinkus (Breslau).
Cassine. Trattamento della blennorragia acuta ne 11’
uomo. Revue int. de med. et de chir. gennaio 1896. ref in 11 Morgagni.
9. Maggio 1896.
Nach einer kurzen Einleitung über den Tripper des Mannes, in
welcher Cassine hervorhebt, dass die Gonorrhoe keineswegs eine so
harmlose Erkrankung ist, wie viele Menschen glauben, bespricht er die
Therapie, die er in die „alte - und „neue“ scheidet. Unter der „neuen -
Therapie versteht er Spülungen mit grossen Quantitäten hypermangan-
saurer Kalilosung (1 :6000*0 zi 2000*0); die Applicationsweise wird ein¬
gehend beschrieben, der Name Jan et ist nicht erwähnt. Fast stets (?)
tritt schnelle Heilung bei den subacuten Fällen ein. Wo nicht, so ist
nach 12—15 Tagen das hvpermangansaure Kali mit Argentum nitricum
(1*0:1000*0) oder mit Sublimat (1*0:20iN)0*0) zu vertauschen. Betreffs der
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der Syphilis.
301
„alten“ Therapie, die in die locale und innerliche getrennt wird, bringt
C. nicht viel Neues. Bemerkenswerth ist nur die Behauptung, dass am
Ende der ersten Woche einer Gonorrhoe stets die Pars posterior mit¬
erkrankt ist. Ausser zahlreichen anderen Injectionsflüssigkeiten(Ri cord’sche
Lösung etc.) empfiehlt C. das sogenannte „Dreisulfatgemisch“ (Aqu. dest.
400 0 Zinc sulf. Ferr. sulf. und Cupr. sulf. aa 1*0. Mucil. g. arab. 20*0 M.).
Den Schluss bildet die Aufzählung der Kriterien der Heilung, wobei der
Hauptwerth auf den negativen Gonococcenbefund nach Instillation einer
1% Argentumlösung gelegt wird. Die Crippa’sche Methode ist nicht
erwähnt. Ferdinand Epstein (Breslau).
Du Castel. Chancres du canal et blennorhagie. Revue
generale de clinique et de therapeutique. 9 fevr. 1895. Ref. im Journal
des maladies cutanees et syphilitiques 1895, p. 244.
Bei der Besprechung der Differentialdiagnosc zwischen Urethral-
schankern und Gonorrhoe erwähnt du Castel den serösen Ausfluss, die
Induration der Glans und der Urethra bei Sclerosen, den reichlicheren,
öfters blutigen, öfters chocoladenbraunen Ausfluss, das häufige Perforirt-
werden der Urethra bei Ulcera raollia. Zum Schluss erwähnt Verf. die
häufig nach Urethralschankern zurückbleibenden Stricturen. Als Therapie
bei Ulcera mollia gibt er Aetzungen mit 10% Carbolsäure und Einblasen
von Jodoform oder Salol an. (Warum erwähnt Verf. nicht das sicherste
Unterscheidungsmerkmal zwischen Gonorrhoe und Urethralschankern, die
Gonococcenuntersuchung?) Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Chaix. Traitement de l’urethrite blennorrhagique chez
la femme par les tiges d’ichthyol. Theses de Paris 1895—96. Ref.
in Gazette hebdomadaire de Medecine et de Chirurgie 1896. Nr. 80.
Chaix empfiehlt warm die Behandlung mit Ichthyolstäbchen bei
der Gonorrhoe der weiblichen Urethra, da hierdurch eine innige lang-
andauernde Berührung des Mittels mit der ganzen erkrankten Schleim¬
haut möglich sei. Gleichzeitig rühmt er die schmerzstillende Eigenschaft
des Medicaments im acuten Stadium der Gonorrhoe. Doye (Breslau).
Charalambieff et son maitre Balzer. Traitement de la cys-
tite blennorrhagique chez l’homme. Gazette hebdomadaire de
medecine et de Chirurgie Nr. 72. 1896.
Bei der acuten Cystitis im Anschluss an die Gonorrhoe beim Mann
empfehlen Charalambieff und sein Lehrer Balzer in erster Linie
die interne Behandlung. Dieselbe besteht ausser in absoluter Bettruhe,
Enthaltung aller Alkoholica, Kaffee’s, Thee’s und scharf gewürzter Speisen
in strenger Milchdiät verbunden mit innerlichen Gaben von Alkalien
(doppelkohlensaurem Natron, Borax) und Antisepticis (bes. Salicyl). Die
Balsamica möchten die Verfasser für die Cystitiden im Anschluss an alte
Gonorrhoen aufgehoben wissen. Symptomatisch thuen ferner gute Dienste
(heisse) Leinbreiumschläge mit etwas Opium oder Bilsenkraut auf’s Ab¬
domen; ausserdem Suppositorien mit Narcoticis (Bilsenkraut, Belladonna,
Opium, Kokain, Ichthyol u. s. w.). Auch Kälteapplicationen auf den Damm
nützen oft. Bei ganz heftigen Fällen sogar Einführen von Eisstückchen
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
in’s Rectum. Unter dieser Behandlung sieht man die meisten gonorrhoi¬
schen %stitiden zurückgehen resp. heilen. Die locale Behandlung erscheint
erst dann angebracht, wenn die Cystitis anfangt chronisch zu werden.
Und zwar kommt dann zunächst in Betracht die mechanische Entfornung
der stagnirenden Secrete durch Ausspülung mit abgekochtem Wasser.
Will man zugleich auf die Schleimhaut direct einwirken, so nimmt man
dafür 4% Borsäurelösung. Erst in letzter Reihe kommen Auswaschungen
von Arg. nitric. 1/500*0, Ichthyol 0*6—1/100*0, Antipyrini 4/100*0, Creolin
10—15 Gr./250*0 und als allerletrtes Refugium die Guyon’echen In¬
stillationen von Arg. nitric. 1—5/100 oder Sublimat 1/5000*0.
S p i e g e 1 h a u e r (Breslau).
Cbauinier, Edraond. La blennorrhagie chez le petit
gar^on; etude pathologique et medicolegale. Journal de Clinique et
de Therapeutique infantiles. 95 Nr. 28 u. 29. Iieferirt im Journal des mal.
cut. et syph. 1895, p. 688.
Der Artikel Chaumier’s über die Gonorrhoe kleiner Knaben bringt
nichts Neues; er betont, dass im Gegensatz zu der Vulvovaginitis der
Mädchen, die häufiger durch Instrumente, Waschgeräth u. 8. w., als auf
geschlechtlichem Wege übertragen werde, die Gonorrhoe der Knaben stets
durch Connex mit einem weiblichen, gonorrhoisch inficirten Wesen ent¬
stehe. Incubation, Verlauf, Complicationen und Therapie unterscheide sich
in Nichts von der Gonorrhoe Erwachsener.
Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Chetwood. The Treatment, of FollicularAbscess of the
fossaNavicularis with Attenclant Fistula. Medical News 1896,
Nr. 21.
Chetwood theilt die Fälle von folliculärcr Abscessbildung in
der Fossa navicularis mit Entwickelung von Fistelgängen in 8 Gruppen:
incomplete innere, incomplcte äussere und complete Fistelgänge. Für
alle diese Formen hält er die Spaltung der Urethra von innen nach
aussen für nothwendig, unter gleichzeitiger Behandlung der Wundflächen
mit starken Wasserstotfsuperoxydlösungen (25%)- Pinner (Breslau).
Christian, H. M. Die Dauer der acuten Gonorrhoe. Ame¬
rican Association of genito-urinary surgeons. Sitzung am 23. Juni 1896.
Journal of cutan. and genito-urin. diseases. August 1896.
Nach Christian ist die Gonorrhoe eine langdauernde Erkrankung
und ernster, als gemeinhin angenommen wird. In Vs aller uncomplieirten
Fälle dauert die Heilung 6—10 Wochen; in einer kleineren Zahl von
Fällen, in welchen nicht die ganze Urethra atficirt ist und sich die
Erkrankung nur auf die Urethra anterior beschränkt, ist eine vollstän¬
dige Heilung schon in 4 Wochen zu erwarten. Es ist wichtig, bevor man
eine Gonorrhoe für geheilt erklärt, stets eine sorgfältige Untersuchung
vorzunehmen. — White, Bryson und Judkins stimmen in der Dis-
eussion dem Vortrage bei. Ledermann (Berlin).
Cipriani Mielite da infezione b len n or ragica. Iiivista
clinica e terapeutiea. Marzo 1896, Nr. 3.
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der Syphilis.
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Im Anschluss an die Krankengeschichte eines 14jährigen Mädchens,
welches im Verlaufe einer Gonorrhoe eine Myelitis bekam, die nach Be¬
seitigung der Gonorrhoe in 6 Mon. heilte, bespricht Cipriani den gegen¬
wärtigen Stand der infectiosen Myelitis und bringt eine Casuistik derje¬
nigen Fälle, in denen eine Beziehung der Gonorrhoe zu Entzündungen
entfernter Organe, speciell des Rückenmarkes, sei es durch echte Meta¬
stasen, sei es durch Toxinwirkung — angenommen wurde.
Ferdinand Epstein (Breslau).
Cognetti de Martiie. Pazzia blennorragica. Annali di
medicina na vale fase. I. 1896. ref. in Gazzetta degli ospedali e delle
cliniche 29. Febraio 1896.
Cognetti berichtet von einem 21jährigen Matrosen, bei welchem
gleich nach der Acquisition eines acuten Harnröhrentrippers eine Psy¬
chose auftrat, die im Wesentlichen den Charakter einer Manie zeigte. C.
glaubt, dass die psychische Affection sicher durch die Gonorrhoe bedingt
sei, ebenso denkt der Referent der Gazzetta, welcher diesen Fall in
Parallele stellt mit den 12 von Venturi publicirten Fällen von Hebe-
phrenia blennorrhagica. Ferdinand Epstein (Breslau).
Colombini. Reazione del pus blenorragico e la vita del
gonococco. Giornale delle scienze mediche (cardarelli) 15 luglio 1896
ref. in Gazzetta degli ospedali e delle cliniche. Nr. 95. 1896. 9. agosto.
Colombini hat den Eiter von 235 männlichen Tripperkranken,
bei welchen Gonococcen sicher nachgewiesen waren, auf seine Reaction
untersucht und in 223 Fällen deutlich alkalische Reaction (im Gegensatz
zuMartineau, Pajot und Castellan) gefunden, die übrigen 12 Fälle
zeigten neutrale Reaction. Er tritt der schon mehrfach aufgeworfenen
Frage wiederum näher, ob nicht der mehr oder minder saure Urin im
Stande ist, bei seinem Durchströmen bezw. bei seinem Verweilen in der
Harnröhre eine Art Gonococcendesinfection zu bewirken. Seine Befunde
überdas constante Alkalischbleiben des Harnröhrenlumens auch unmittel¬
bar nach der Miction decken sich mit denen Jadassohn’s, dessen diesbe¬
zügliche Arbeit („Die Reaction im Lumen der Harnröhre“: dieses Archiv
Bd. XXIV, Heft 3) noch nicht erwähnt ist. Auch C. kommt zu dem
Schlüsse, dass unsere Kenntnisse über die Harnröhrenlumenreaction und
über die Lebensbedingungen der Gonococcen zur Zeit noch keinen Finger¬
zeig für die Beurtheilung des Verlaules oder für die Behandlung der
Gonorrhoe geben. Ferdinand Epstein (Breslau).
Combemale, M. F. Un cas de pvohemie blennorrhagique.
Bullet med. du Nord, 26. juin. La medecine moderne Nr. 54, 1896,
4 Julliet.
Combemale berichtet einen Fall von gonorrhoischer Pyaemie
bei einem 35 J. alten Mann, im Anschluss an einen zwei Monate alten,
vernachlässigten oder falsch behandelten Tripper, der mit polyarticulärem
Rheumatismus und einer Nierenentzündung verbunden war. Unter den Er¬
scheinungen einer purulenten Bronchitis und Parotitis trat der Tod ein.
Section verweigert. Spiegelhauer (Breslau).
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Comby. Heraorrhagies compliquant la vu1vovagini te
des petites fi lies. Societe medicale des höpitaux. Gazette hebdoma-
daire de Medecine et de Chirurgie. 29. Octobre 1896.
Comby berichtet über 3 kleine Mädchen, die an Blutungen aus
der Scheide litten und als mit Metrorrhagie (resp. Menstruatio praecox)
behaftet in das Hospital gebracht wurden. Bei allen dreien bestand eine
durch Gonocoecen erzeugte Vulvovaginitis. Die Blutung kam aus leicht
blutenden Granulationsknöpfen am Orificium externum urethrae.
Pinkus (Breslau).
Cosh, Mc. Peritonitis in the Male as a Complication of
Gonorrhoea. Annales of Surgery 1895. Febr.
Mc. Cosh hat in einem Falle, nachdem Schmerzen bei der Defae-
cation vorangegangen waren, nach einer Bougirung Schmerzen im Darm,
Dysurie, Schwellung der Sarnenstränge, Sainenblasen und Prostata, Blutung
und eitrigen Ausfluss aus der Urethra, Peritonitis eintreten sehen. Bei der
Laparotomie wurden 3 Quart Eiter entleert, um die Prostata war ein
förmlicher Eitersack vorhanden; 36 Stunden post operationem trat der
Exitus ein. Von den 30 Fällen von Peritonitis gonorrhoica beim Manne,
die Mc. Cosh in der Literatur gefunden hat, sind 9 zur Section gekommen.
Jadassohn (Breslau).
Cumston, C. G. Die Therapie der Gonorrhoe d e s W e i b e s.
Med. St. Frauenarzt. März 1896. lief, in Medico 1896, pag. 173.
Cumston empfiehlt bei Gonorrhoe des Weibes: 1. bei Infeetion
der Urethra: Irrigationen der Urethra und der Blase mit Kal. permang.-
lösung (I : 1O0O—2000.0) pro die eine Irrigation mit 1 Liter; zur Nach¬
behandlung bei Fluor ohne (Jonococcen Injectionen mit 1 °/ 0 Ichthyol¬
lösung. 2. bei Bartholinitis gonorrhoica: Injectionen von 1% hyperraang.
Kalilösung, in besonders hartnäckigen Fällen elektrolytische Zerstörung
der Drüse. 3. bei Uteringonorrhnc im acuten Stadium: Buhe und Mer-
curial-Belladonnusalbe auf den Leib: gleichzeitig Vaginalspülungen mit
Sublimat (1 : 10.000). Zur Nachbehandlung: Auswischen des Uteruscavum
mit 10% Ichthyollösung, eventuell Curetteinent.
Ferdinand Epstein (Breslau).
Del bet. C i n q c a s d’o r c h i t e blennorrhagiquetraites p a r
les la vages au permanganate de potasse. Ann. gen.-ur. 1896,
pag. 922.
Del bet hat zum Theil schon länger bestehende, zum Theil frische
Gonorrhoe mit acuter Epididyinitis den Janet'schen Porraanganatspü-
lungcn unterzogen und glaubt nicht nur nicht geschadet zu haben, son¬
dern sogar, abgesehen von dem Erfolge bei der Gonorrhoe, bei der Epi-
didvmitis genützt zu haben. Besserung machte sich nach der 3. oder 4.
Spülung schon geltend. Auch bei älteren Nebenhodenentzündungen
schwand das Infiltrat, so dass I). bei einem der von ihm behandelten
Patienten mit doppelseitiger alter Epididyinitis den späteren Sperma-
tozoenbcfimd auf Rechnung der Behandlung zu setzen geneigt ist.
B a r 1 o w (M ii n chen).
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der Syphilis.
305
Dezanneau. Du rhumatisme blennorrhagique et de son
traitement. Theses de Paris 1895/96. Ref. in Gazette hebdomadaire
de Medecine et de Chirurgie 1896, Nr. 80.
Dezanneau empfiehlt bei dem gonorrhoischen Rheumatismus
gleichzeitig eine Allgemeinbehandlung mit Balsamicis, interner Dar¬
reichung von salicylsaurem Natron und prolongirten urethralen Ausspü¬
lungen mit übermangansaurem Kali und eine Localbehandlung der be¬
fallenen Gelenke mit den allbekannten bewährten Mitteln. Bei der akuten
Arthritis befürwortet der Autor besonders allgemein oder locale heisse
Terpentinölbäder und will die Immobilisirung nur auf ein paar Tage der
acutesten Erscheinungen beschränkt wissen, um eine Ankylose zu ver¬
meiden, wie ihm dies auch in 110 Fällen gelungen ist. Einen chirurgischen
Eingriff verwirft er. Doye (Breslau).
Dominä, fl tu de eritique sur les progres realises dans
le traitement de la blennorrhagie urethrale chez l’homme.
Theses de Paris 1895/96. Ref. in Gazette hebdomadaire de Medecine
et de Chirurgie 1896, Nr. 80.
Dom ine kommt am Schlüsse seiner Arbeit zu dem Resultat, dass
es keine specifische Behandlung der Gonorrhoe, kein specifisches Anti-
septicum gegen den Gonococcus gebe; alle angewandten Antiseptika
seien wirksam, wofern sie nur auf den Gonococcus einwirken könnten. Er
empfiehlt als bestes Mittel langandauernde Ausspülungen mit Antisepticis
in dem klinischen Verlaufe entsprechenden Lösungen. Von der Urethro-
skopie verspricht er sich nur in chronischen Fällen Erfolg.
Während der Incubationszeit hält er die Abortivbehandlung für
möglich. In der acuten Periode redet er der antiphlogistischen Methode
als der besten das Wort. Als eigentliche heilende Behandlung empfiehlt
er in der subacuten und chronischen Periode eine oder mehrere Serien
von Massenausspülungen. Trotzdem blieben viele Fälle insofern unheilbar^
als eine nicht gonorrhoische Secretion bestehen bleibe.
Doye (Breslau).
Dunil, H. Percy. Reraarks on gonorrhoeal iritis. The Brit.
Med. Journ. 14. Decbr. 1895.
Dünn bemerkt, dass sich aus den Aussprüchen der verschiedensten
Autoren die Thatsache entnehmen lässt, dass eine gonorrhoische Iritis
niemals beobachtet wurde, ohne dass ihr Gelenkerscheinungen voraus¬
gingen. Er beschreibt einen Fall gonorrhoischer Iritis, bei dem die In-
fection mit Gonorrhoe 12—15 Monate vor der Augenerkrankung erfolgt
war, und der Monate lang an doppelseitiger Kniegelenkentzündung und
Entzündung des Unterkiefergelenkes gelitten hatte.
Alfred Sternthal (Braunschweig).
Elirmann, S. Beiträge zur Therapie der Urethral-
blennorrhoe und ihrer Complicationen. Zur Therapie der
periurethralen Abscesse und der Prostatitis blennorrhagiea. Wiener
medic. Presse Nr. 48 und 49, 1895.
Archir f. Dermatol, u. Syphil. Bund XXXIX. 20
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
300
Ehr mann gibt zunächst kurz die nach seiner Erfahrung am
häutigsten vorhandenen Ursachen für Periurethritis und Prostatis bei
acuten Blennorrhuen an. Läsionen der Mueosa im Bulbus uretbrae, Epi¬
thelrisse in der Eossa navicularis nach zu starken Injectionen nach Coitus
haben oft die Einwanderung von Gunoeoccen oder anderen ^Mikroorga¬
nismen zur Folge. — Die Therapie der Periurethritis soll symptomatisch
und auch direct gegen die pathogenen Organismen gerichtet sein; dem¬
nach Bromnatron gegen die schmerzhaften Erectionen. Ichthyol in Form
von Cacaobutter suppositorien (0.02 Ichth. pro bacillo.) oder auch Irriga¬
tionen mit schwachen Ichthyol-Lösungen gegen die Eiterung. Bei dro¬
hendem Durchbruch der Abscesse durch die Haut Ichthyolpimelungen oder
Salben und Incision mit nachherigem Iclithyolverband. E. zieht das Ich¬
thyol hier deshalb dem Jodoform vor, weil ersteres leicht mit Ol. Eu¬
calypti und Ol. Citronellae aus 2.5% auf Ichth\ol berechnet geruchlos
gemacht werden kann. — Bei parenchymatöser Prostatitis: Absolute
Bettruhe, Mastdarmkühler, Ichthyolsuppositorien, die besser als Jodsuppo-
sitorien wirken und niemals zu Intuxicationen Veranlassung g»d)en. —
Bei eingetretener Suppuration Eröifnung vom Perinäum aus und zwar
nach Ablösung der Mastdarmschleimhaut nach v. Ditter. Eiiifache Spal¬
tung per rectum hält E. für lebensgefährlich. — Kef. hat 0 Fälle schwerer
Prostataabscesse Vom Mastdarme aus operirt, ohne jede Coinplication des
Wundverlaufes, allerdings jedoch bei vorheriger Entleerung und Tam-
j)onirung des Kectums mit Jodoformgaze und völliger Huhigstellung des
Darmes durch die ersten d—4 Tage. Uli mann (Wien).
Fressei, B. Eudocarditis gonorrhoica; Inaugural.-Disser¬
tation. Leipzig L S !H.
Nach Aufzählung der aus der Literatur bekannten mehr oder
minder sicheren Fällen von Eudocarditis gonorrhoica, die z. Th. sehr
ausführlich angeführt werden, berichtet Fressei über einen Fall eigener
Beobachtung aus dem pathologischen Institut zu Leipzig. Es handelt sich
um ein 2(i J. altes Dienstmädchen, das moribund dem Krankenhause
überliefert wurde. Die klinische Diagnose lautete: Oedema pulmonum,
Kheumarthritis pedis acuta, die anatomische Hauptdiagnose: Eudocar¬
ditis ulcerosa, Perioration des Aortensegels der Mitralis; Gonorrhoe.
Die Diagnose „Gonorrhoe“ gründete sich auf Böthung der Schleimhaut
von Urethra und Vagina. Eine mikroskopische Untersuchung des eitrigen
Seeretes, das spärlich in der Harnblase enthalten war, reichlich die Va-
ginalschleimliaut bedeckte und das sich aus einer kirschgrossen Pro¬
minenz an der linken Seite der Vagina nahe dem Eingänge entleerte,
wurde nicht vorgenommen. Die Eudocarditis war hauptsächlich auf die
Aortenklappen localisirt. Mikroskopisch bestanden die ca. huntkorngrossen
v.eissen Ablagerungen aus Eibringerinnsel und Blutinseln. In Schnitten
landen sich in denselben bei b ärbung mit wässriger Meth\ lenblaulösung
grosse Hasen von Diplococcen, „die den N eisserschen sehr ähnlich
waren“. Die Semmcllorm war nicht deutlich ausgeprägt; sie lagen z. Th.
innerhalb der Zellen, nach der Gralirschen Färbung waren sie nicht
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der Syphilis.
307
sichtbar. Andere Bakterien fanden sich nicht; Züchtungsversuche wurden
nicht vorgenommen. Dreysel (Leipzig).
Gigii. Un excellent moyen de faciliter l’introductiou
de la sonde urethrale Gazette medicale de Strasbourg. Ref.
in la raedicine moderne Kr. 57. 15. Juiliet 1896.
Gigii ist in drei Fällen, in welchen alle vorher gegangenen Kathe-
terisirungsversuche vergeblich gewesen waren, durch ein Verfahren zum
Ziel gekommen, welches sich dem Guyon’s anlehnt. (Guyon: Erwei¬
terung der Harnröhre vor der Katheterisirung durch unter Druck einge¬
spritzte Flüssigkeit.) Gigli’s Verfahren ist kurz Folgendes: Ein dünnes
Glasrohr, auf welches der Schlauch eines, 1 M. hoch aufgehängten, mit
warmem Salicylwasser gefüllten Irrigators gestülpt ist, wird in die Harn¬
röhre eingeführt. Die Eichel wird fest an die Glasröhre angedrückt,
damit die unter Druck einströmende Flüssigkeit nicht herauslaufen kann.
Dann wird unterhalb der Glasröhre die Harnrührensonde (Katheter?)
eingeführt, welche dann leicht das Hinderniss, die Verengerung (Strictur V
Hypertrophie der Prostata? oder nur SphinkterkrampfV) überwinden soll
in Folge der günstigen Einwirkung der Wärme und des Druckes der ein¬
strömenden Flüssigkeit. Spiegelhauer (Breslau).
Grandcl^ment. Necessite de reviser le traitement des
ophthalmies du nouveau-nc. Soc. des Sciences medicales de Lyon.
20. II. 1895 La Provinc^ medicale. 1895. Kr. 8, p. 93.
Grandclement betont die Notlnvendigkeit bei jeder Ophthalmie
der Neugeborenen das Secret zu untersuchen, da es sehr viele Fälle ohne
Gonococcen gibt. Diese heilen sehr gut durch häutige Waschungen mit
antiseptischen aber nicht faustischen Flüssigkeiten; man soll Argentum
nitricum uud Sublimat hierbei geradezu vermeiden, da diese Mittel oft
und mehrere Wochen hindurch angewendet, unheilbare Trübungen der
Cornea hervorrufen. Auch die wirklichen Gonorrhoen in der Conjunctiva
sind meist benigne, und heilen durch dieselbe längere Zeit angewendete
Behandlungsmethode. Nur in besonders schweren Fällen muss man neben
der antiseptischen nicht faustischen Behandlung auch Argent. nitricum
in starker Lösung vorsichtig und nicht zu oft — anwenden. Als nicht
ätzendes Antisepticura wird neben Borsäure und hypermangansaurem
Kali (1 :5000) besonders Argentum nitricum 1—2: 1000 empfohlen.
Jadassohn (Bern).
Gravagna. Süll’ isotoniadel sangue nei blennorragici.
Gazzclta degli ospedali e delle cliniche. Nr. 90. 1896.
Gravagna hat an Tripperkranken im acuten Stadium und bald
nach Beendigung der Krankheit Blutuntersuchungen angestellt [a) Iso-
toniebestimmungen nach Hamburger-Mosso, b) Blutkörperchenzählung
(Färbung mit T o i s o n) M a 1 a s s o z’scher Apparat, c) Hämoglobinbestimmung
nach Fl eis cli 1] und kommt zu folgenden Schlüssen:
1. Während der acuten Periode der Infection ist die
mittlere und minimale (n. b. die maximale wurde nicht bestimmt) Re¬
sistenz vermindert, 2. während der Dauer der Krankheit sind die rothen
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308
Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Blutkörperchen beträchtlich vermindert, die weissen vermehrt. 3. Am
Schluss der Krankheit ist die mittlere Isotonie nur 1—2 Grad ver¬
mehrt, während die minimale Resistenz eine ziemlich deutliche Vermehrung
zeigt.. 4. Zu dieser Zeit erreichen die rotlien Blutkörperchen nahezu die
normale Zahl, ebenso wie die weissen. Ferdinand Epstein (Breslau).
H&enlein. L eber Gonorrhoe der paraurethralen Gänge.
I.-D. Boün 1894.
Haenlein veröffentlicht ausser einer kurzen das ganze Gebiet der
gonorrhoischen Erkrankungen umfassenden Uebersicht, die Kranken¬
geschichte und den Befund eines Falles von gonorrhoisch erkranktem para¬
urethralen Gange.
Eine Excision ermöglichte die histologische Untersuchung des¬
selben. Auffällig an dem Befunde ist, dass H. als Auskleidung des Ganges
nur Pflasterepithel feststellen konnte, dessen Zellen allerdings in der Tiefe
etwas länglich wurden.
Gonococeen fanden sich in den Schnitten (Unna’sche Methylen¬
blaufärbung) in grosser Zahl frei im Lumen des Ganges, auf den Epi-
thelicn, in den Spalten zwischen denselben, sowie innerhalb der Epithelien.
Paul 0ppler (Breslau).
Hawkins, A. New l : rethroscope. Medical News. Vol. LXVI1I,
Nr. 21, d. 23. Mai 189(3.
Hawkins hat sich ein Urethroskop nach dem Princine des Oph¬
thalmoskopes coiistruirt.
Es besteht aus einem Tubus (gleich dem des Klotz’scheu Endo-
scopes), welcher an einem L-förmigen Gestelle befestigt ist; andern gegen¬
überliegenden Schenkel dieses Gestelles ist durch ein Kugelgelenk ver¬
bunden ein central durchbohrter Retleetur angebracht. Die Lichtquelle,
ein kleines Glühlämpchen, befindet sieh in der Mitte zwischen beiden am
Ende des Handgriffes mit welchem das Instrument gehalten wird.
Das Instrument zeichnet sieh durch geringes Gewicht aus, sowie
durch die Möglichkeit die Lichtquelle vollkommen auszunützen, da sieh
das Auge in der optischen Axe des Objectes befindet. Endlich gewährt
es weiten Spielraum für therapeutische Eingriffe.
Eine beigegebene Abbildung macht die Art der Anwendung ver¬
ständlich. Mit passenden Speculis armirt ist dasselbe Instrument auch
zur Untersuchung von Ohren und anderen Höhlen geeignet.
Paul 0 pp ler (Breslau).
ItawkiliN. Death Front Gonorrheal Rheumatism. Medical
News Vol. LXYI1I, Nr. 24. den 13. Juni 1893.
Hawkins 22 Jahre alter Patient kam zu ihm wegen einer acuten
Gonorrhoe, entzog sieh jedoch leichtsinniger Weise der regelrechten Be¬
handlung und kam erst nach ca. 10 Tagen wieder mit der Klage über
»Schmerzen an verschiedenen Körpert heilen.
Den nächsten Tag wurde II. zu ihm gerufen und fand ihn deli-
rirend uud hoch fiebernd. Er klagte jetzt über Schmerzen in beiden
Handgelenken, welche auch eine geringe Schwellung aufwiesen.
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der Syphilis.
309
Am dritten Tage Hessen die Delirien nach, die Gelenkschmerzen
besserten sich etwas auf Jodkali, Morphium, Ichthyolsalbe, heisse Bäder etc.,
das Fieber hielt an. Der Urethralausfluss war seit dem ersten Fieber¬
tage verschwunden. Ara 9. Tage begann die Herzthätigkeit schlecht
zu werden, leichtes Coraa trat auf und unfreiwillige Mictionen und Defae-
cationen. Bewegungen des rechten Armes waren schmerzhaft; das Ellen¬
bogengelenk dieser Seite war etwas geschwollen und schmerzempfindlich.
An diesem Zustaude änderte sich nichts, das Coma wurde tiefer, am
19. Tage erfolgte der Tod. (Leider fehlen die Angaben über einen even¬
tuellen Sectiousbefund. Ref.) Paul Oppler (Breslau).
V. Hibler. Ueber das constante Vorkommen von Spalt¬
pilzeinschlüssen in den Zellen bei Eiterungsprocessen des Menschen,
nebst experimentellen Beiträgen zur Kenntniss und diagnostischen Be¬
deutung solcher Befunde. Centralblatt für Bakteriologie u. s. w. XIX. Bd.,
Nr. 2/3 und 4/5 d. 23. Januar 1896.
Behufs Feststellung der Umstände, unter denen sich Mikrobenein¬
schlüsse in Zellen finden und der Ausdehnung, in welcher sie sich finden,
hat v. Hibler Untersuchungen angestellt an
1. Eiterungsprocessen beim Menschen (Osteomyelitis, Hautfurunkel,
Abscesse, Drüseneiterung, eitrige Parotitis, Gonorrhoe des Mannes, Proc-
raastoideuseiterung, Phlegmone, eitrige Meningitis, Thrombophlebitis).
2. experimentellen Impfungen mit 20 verschiedenen Reinculturen,
von denen 10 aus obigen Fällen gezüchtet waren. Mit diesen wurden
weisse Mäuse, Kaninchen, Meerschweinchen oder Hunde intraperitoneal
geimpft und zwar a) mit lebensirischen, b) durch Formalin abgetödteten
Culturen.
In sämmtlichen Fällen der ersten und zweiten Gruppe wurden die
betreffenden Spaltpilze in reichem Masse in Zellen eingeschlossen gefunden.
Hauptsächlich waren die betroffenen Zellen polynucleäre Leuko-
cyten, in geringerer Zahl mononucleäre, im gonorrhoischen Eiter auch
Epithelien, in dem einen Osteomyelitisfalle auch grosse Markzellen, und
in den Thierversuchen bei Entnahme des Exsudates in vorgerückter Zeit
nach der Infection auch stets Bauchfellepithelien. Stets war das Proto¬
plasma, nie der Kern betroffen.
Es ist nicht angängig hier all’ die Einzelbeobachtungen H’s. zu
referiren; sie sind im Originale, dessen Verständniss durch 2färbige Tafeln
sehr erleichtert wird, nachzulesen. Zu folgenden Schlüssen gelangt H.:
Es ist eine bei den verschiedensten Eiterungsprocessen zu constatirende
Thatsache, dass die betreffenden Eitererreger in die Leukocyten aufge¬
nommen werden.
Dieser Thatsache gegenüber muss von vornherein Befunden von
Spaltpilzeinschlüssen in Zellen, der Werth eines bei der diagnostischen
Bestimmung gewisser Spaltpilzarten entscheidenden Criteriums, abge¬
sprochen werden.
Diese Auffassung ist auch bei den 2 Arten von Kokken berechtigt,
bei deren Diagnose man bisher ein mehr oder minder grosses, ja ent-
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310
Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
scheidendes Gewicht auf ihr Vorkommen innerhalb der Zellen zu legen
gewohnt war, nämlich dem Gonocoecus (Neisser) und dem Diplococeus
intracellularis (Weichseibauin).
Es seien nur kurz H’s. Ergebnisse betreffend den Gonocoecus
angeführt.
a) Morphologie: II. hat sicher festgestellt, dass Staphylococcen
sich innerhalb der Zellen vorwiegend in Form von paarigen und auch
von höheren Verbünden finden, welche zum Verwechseln ähnlich sind
den Bildern, wie sie für die Gonococcen als charakteristisch bezeichnet
werden.
b) Tinctoriell es Verhalten: Die G ram’schc Methode liefert
bei Gonococcen, welche durch alle Cultureigensohaften sicher gestellt
sind, unter gewissen Umständen ein wechselndes Ergebniss. Lässt man
Ausstrichprüparate von frischem Trippereiter 10—20 Std. im Harn oder
physiologischer Kochsalzlösung i behufs Feuchterhaltung) stehen, so fällt
die G ram'selie Färbung ungleichmassig aus; es finden sich dann in- und
extracellulär gefärbte und entfärbte Individuen neben einander. Andere
Mikroorganismen verhalten sich aber ganz ähnlich. Als Grund hierfür
sieht II. secundär nach dem Absterben eintretende Veränderungen an.
Andrerseits wieder entfärben sich Stapliylococous aureus- Üulturen, wenn
sie von Culturen stammen, die schon längere Zeit auf künstlichem Nähr¬
boden (Zuckeragar) fortgeimpft und aufbewahrt waren, bei der G ram¬
schen Behandlung gleichzeitig oder wenig später, als die Gonococcen
eines frischen Trippereiters.
c) Localisation: Die Localisation in der Zelle hat nach H\s.
Befunden durchaus keine für die Diagnose des Gonocoecus speeifisek zu
verwertende Bedeutung. Ebenso wie die bisher für die Gonocoecen-Dia-
gnose verwerteten rein morphologischen oder tinctoriellen Merkmale und
ihr intracelluläres Vorkommen nicht Stich halten, so reicht auch ihre
Vereinigung nicht aus. Die den Beschluss bildenden Ausführungen zur
Frage der Phagocytose sind im Originale nachzulesen.
Paul Oppler (Breslau).
Iiotaling. The Use of Permanganate of Zinc in the
Treatment of Gonorrhea, with a Report of Fifty Gases. — Medical
News Novbr. 7. 189ib
Iiotaling ordinirt nach Ablauf der acut entzündlichen Urethritis
(3 Wochen) Injectionen von Zinc-perraanganat (()■ 1—0-3%) 4—5 Mal pro
die. Er erzielte damit bei acuter Urethritis schnelle Heilung (9 Tage)
und war auch bei der chronischen Entzündung der Urethra mit seinen
Erfolgen zufrieden. Nur in wenigen complicirten Fällen versagte die
Heilung. P inner (Breslau).
Ilowald. Behandlung der Gonorrhoe mit Airol. Corres-
pondenzblatt für schweizer Aerzte. Nr. 21, 189(1.
Howald berichtet über die Resultate, welche in der Berner
Hautklinik mit Airol bei Tripperkranken gemacht wurden. Die Form, in
welcher das Airol aiigewendet wurde, war die von Leg neu und Levy
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der Syphilis.
311
angegebene Glycerinenmlsion (Airol 2.0, Aqu. destill. 5.0, Glycerin 15.0);
hievon wurde wöchentlich 2 Mal je 10 Ccm. eingespritzt. Von 20 acuten
Gonorrhoen wurden 12 in kurzer Zeit (nach 3—5 Injectionen) ohne Secret
und Fäden entlassen; 6 hatten bei der Entlassung noch Fäden ohne
GC. im 1. Urin. Weniger günstig fielen die Resultate bei 11 Patienten
mit chronischem Tripper aus, jedoch immer noch so, dass Howald „das
Airol wegen seiner exquisit secretionsbehindernden Wirkung“ zur Behand¬
lung der Gonorrhoe warm empfiehlt. — Eine Controle auf Gonococcen-
freiheit durch Provocation scheint in keinem Falle gemacht worden zu
sein. (Ref.) Ferdinand E p stein (Breslau,).
Jahn, lieber die Complicationcn der Gonorrhoe, ins¬
besondere einen Fall von geheilter acuter eitriger, metastatischer Irido-
Chorioiditis. (Inaug.-Diss. Berlin 1803.) Ref. nach Baumgartens Jahres¬
bericht. IX. Jahrg., S. 92.
lieber einen Fall von metastatischer gonorrhoischer Irido-Chorio-
iditis berichtet Jahn; es ist dies der 7., der überhaupt beobachtet ist.
Es fand sieh zwar in dem betreffenden Fall keine Arthritis gonorrhoica,
nichts destoweniger glaubt der Autor das Zustandekommen einer gonor¬
rhoischen Metastase erklären zu müssen durch das Vorhandensein einer
wenn auch geringgradigen Endocarditis ulcerosa: nach Ansicht des Ver¬
fassers — natürlich handelt es sich nur um Vermuthungen — können
beim Zustandekommen einer Metastase auch die von den Gonococcen
gebildeten Ptomaine eine gewisse Bedeutung haben. Eine mikroskopische
Untersuchung des Augeninhaltes bei Iridochorioiditis auf Gonococcen
wurde leider noch in keinem der rnitgetheilten Fälle vorgenommen. Nur
wenn diese Bedingung erfüllt, lässt sich diese hochinteressante und wichtige
Frage entscheiden. Joh. Fabry (Dortmund).
Janet. 11 trattamento abortivo della blennorragia.
Gazzetta degli ospedali e delle cliniche. Nr. 136, 1896.
In der Association francaise d’urologie fand eine Discussion über
„die Abortivbehandlung der Gonorrhoe“ statt. An derselben nahmen
theil: Janet, Nogues, Eraud, Guiard und Desnos. Die Discussion,
deren Einzelheiten sich zur Wiedergabe in einem kurzen Referat nicht
eignen, betraf im Wesentlichen die Frage der Berechtigung der Be¬
zeichnung: „Abortivbehandlung“ und die Definition dieses Ausdrucks;
ferner: die Art der Ausführung dieser Therapie.
Ferdinand Epstein (Breslau).
Jean§elm e. Troubles t r o p h i q u e s d a n s 1 a b 1 e n n o r r h a g i e.
Presse medicale 2S. December 1895. Ref. Gazette hebd. de Sied, et de
Chir. 43. Jahrg. Nr. 18, d. 1. März 1896.
Der Fall Jeanselms bekam 1 Woche nach seiner gonorrhoischen
Infection eine Polyarthritis; 3 Wochen später an den Füssen symmetrisch
auftretend eine Eruption bestehend aus Hornbildungen verschiedener
Grösse. Arzneiwirkung oder Lues waren auszuschliessen. J. nimmt die
Gonorrhoe als Ursache an, und zwar glaubt er an tropliische, von einer
Rückenmarkerkrankung ausgehende Störungen. Paul O p p le r (Breslau).
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312
Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
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Iliinsky. D u traitement de la blennorrhagie par l’ich-
tyol et l’ongucnt mercuriel. Ref. La Semaine Medicale 16. Jahrg.
Nr. 12, d. 4. März 1896.
Iliinsky behandelt acute Gonorrhoeen mit Injectionen einer
2—8°/ 0 wässrigen Ichthyollösung, steigt eventuell bis zu einer 5 und 6° <0
Lösung und erzielt bei gleichzeitiger Beobachtung hygienischer Vor¬
schriften (Ruhe, Abstinenz in Baccho et Venere etc.) gewöhnlich inner¬
halb von 8—10 Wochen Heilung. Immer versagt diese Therapie, wenn
coraplicatorisch Prostatitis vorhanden war. In diesen Fällen bewährt sich
ausgezeichnet — Heilung manchmal schon in 14 Tagen — die tägliche
Application von 8uppositorien, w r elche 0.6 unguent. cinereum enthalten.
Therapie der chronischen Gonorrhoe: 5—G Tage hindurch Injectionen
von Lanolin 10.0 auf Aqu. Destillat. 300,0, dann von 2°/ 0 Ichthyollösung,
ausserdem alle 2 Tage Blasenspülungen mit 2 ü / 0 Borsäurelösung. Genügt
dies nicht, so führt I. alle 2 l äge ausserdem elastische Gummibougies
ein, welche mit
Unguent. ein. dupl. 15*0
Lanolin
Vaselin aa 8*0
bestrichen sind, und 30—40 Minuten jedesmal liegen bleiben. Diese Be¬
handlung soll zu einer rapiden Beschränkung des Ausflusses, allerdings
mitunter auch zu Stomatitis führen. Bei Prostatitis ausserdem noch in¬
nerliche Jodkalidarreichung. Bei gonorrhoischen Stricturen Dilatation
mit Metallsonden, die mit obiger Salbe bestrichen sind und für die
Nacht dann Application von Urethralstäbchen folgender Zusammensetzung:
Ichthyol 0*5
Butyr. Cacao.
Olei Olivar.
Lanolin pur. aa qu. s. ut. f. bacilli VIII. 8 Cm. lang.
Paul Oppler (Breslau).
Jullien. Bl ennorrhagie ano-rectale. X. Congres fran<;ais de
Chirurgie. Gazette hebdomadaire de medecine et de Chirurgie. 29. Oc-
tobre 1896.
Jullien hat 10 Fälle von Anal- und Mastdarmgonorrhoe beobachtet.
Als Grund wurde in einer Anzahl die Infection durch Coitus per anuru
festgestellt, in den übrigen wurde das Herabrinnen des Vaginalsecrets ange-
schuldigt. Subjective Beschwerden fehlen fast vollkommen. Objectiv findet
man Condylome von eigentümlich charakteristischem Aussehen, Fissuren
und gonococcenhaltigen Ausfluss. Einmal wurde das Entstehen eines In¬
filtrats in der Mastdarmmucosa beobachtet. Jullien weist auf die Mög¬
lichkeit hin, hier die Aetiologie der (bei Frauen häutigeren) Mastdarm-
stricturen zu finden. Die Behandlung ist fast machtlos, 5—6 monatliche
Behandlung führte zu keinem Heilerfolg. Pinkus (Breslau).
Jullien. Note sur Pulceration b lennorrhagique. Societe
de Medecine. Sitzung v. 21. Mai 1896. Ref. La Medecine moderne. 7. Jahr¬
gang. Nr 42, d. 23. Mai lb96.
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der Syphilis.
313
Nach Jullien vermag der Gonocoecus auf den Schleimhäuten,
in deren Secrct er sich findet, resp. über welche er hinwegfliesst, Ulcera-
tionen zu setzen. Die Erosionen können schankriform aussehen und die
Grösse eines 20 Centimesstück erreichen. Auf der Analschleimhaut können
sie unter dem Bilde einer Fissur auftreten.
Solche Excoriationen und Fissuren zeigen keine Tendenz zur Heilung;
man kann auf ihrer Oberfläche leicht den Gonocoecus nachweisen.
Nach Leloir sind es richtige Pyodermitiden, durch den Urethral¬
eiter verursacht.
Dass sich in ihnen ausserdem Ulcera mollia etabliren können ist
selbstverständlich, ebenso auch luetische; wir können daher beide Misch¬
formen finden. Paul 0ppler (Breslau).
Rast. Ueber einen Fall von Stomatitis gonorrhoica
eines Neugeborenen. Inaug.-Diss. Bonn 1894.
Rast bespricht im Anschluss an einen in der Bonner Frauen¬
klinik beobachteten Fall von Stomatitis gonorrhoica eines Neugeborenen
eingehend die Aetiologic, das klinische Bild, die Diagnose, Prognose und
Therapie dieser Erkrankung und bringt die bisher über diese Krankheit
publicirte Literatur. Ferdiuand Epstein (Breslau).
Keersmaecker. Le röle des glandes de Littre dansl’ure-
thrite chronique. Ann. gen.-ur. 1896, pag. 728.
Keersmaecker bringt eine allgemeine Besprechung über die
Wichtigkeit der Diagnose besonders der chronischen Gonorrhoe. Er weist
darauf hin, dass Ausfluss und Fadenbildung im Urin eine Zeit lang ganz
fehlen können, ohne dass der Process deshalb erloschen sein müsse, da
manchmal die erkrankten Drüsen zeitweise verschlossen seien, für ihn gibt
sichere Diagnose in solchen Fällen nur das Endoscop und zwar unter¬
scheidet er 2 Formen chronischer ^Drüsenerkraukung: eine solche, bei
der der Drüsenausgang mit der Harnröhre communicirt und eine solche,
bei der der Drüsenausführungsgang geschlossen ist, Heilung erfolgt am
besten durch Dilatation, unterstützt durch Adstringentien und Caustica.
Immer aber muss die Endoscopie die Richtschnur für die Diagnose und
Therapie angeben. Barlow (München).
Kiefer, F. Zur Differentialdiagnose des Erregers der
epidemisch en Cerebrospinalmeningi tis und der Gonorrhoe.
(Berl. klin. Wochenschr. 1896 Nr. 28).
Ein Fall Fürbringer’s, der gleichzeitig Cerebrospinalmeningitis
und Gonorrhoe darbot, gab K. Gelegenheit, vergleichende Untersuchungen
zwischen den Erregern dieser Krankheiten anzustellen.
Als wesentlichste histologische Unterscheidungsmerkmale sind fest¬
zuhalten die Variabilität der Grösse der Meningococcen und deren enorme
Anzahl, zwei Eigenschaften, die den Gonococcen nicht in gleichem Masse
zukommen. Dagegen können beide Coccenarten in den Kernen Vorkom¬
men und haben keine Kapseln, wie Jäger behauptet. Der Hof um den
Meningoooccus wird vielmehr von K. als schleimige Secretionsschicht der
Stoffwechselproducte der Coccen angesehen.
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314
Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
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Marcanter sind die Unterschiede in cultureller Beziehung. Der
Meningococcus zeigt erhebliche Neigung zur Coniluenz und wächst
auf Glycerinagar.
Nach den Resultaten Iv's. wird man in zweifelhaften Fällen nicht
umhin können, sich dieser letzteren Culturmethode zu bedienen, zumal
die angegebenen histologischen Merkmale sich für die DitTerentialdiagnose
voraussichtlich nicht immer verwerthen lassen.
K. Hcrxheimer (Frankfurt a. M.).
Kob, Johannes. 1) i e Bedeutung des Gonococcenna c h-
weises für die gerichtliche Med i ein. Inaugural-Diss. zur Er¬
langung der Doctorwürde am 5. Juni 1894 an der Friedrich-Wilhelm
Universität zu Berlin.
Kob schildert in grossen Zügen, welchen Umschwung die Go¬
norrhoefrage seit Nöggerath : die latente Gonorrhoe des weiblichen Ge¬
schlechtes (1872) und seit Neisser: Entdeckung des Gonococcus (1879.
erfahren; wie beiden Autoren mancherlei Anfechtung (La wson - T w i k.
Diseases of Woman and abdominal Surgery 1889) zu Theil geworden;
wie dann Wert he im, Bumrn, Wel ander, Steinschneider und
Andere mehr die Lösung der Frage gefördert, durch Nachweis der
Gonococcen auch bei chronischer Gonorrhoe und durch Cultivirung der¬
selben. Vor der N e i s s e Eschen Entdeckung hatte man die Vulvo-vagi-
nitis der kleinen Mädchen als eine Folge von Dvskrasie, Lues, Tuberculose
u. s. w. aufgefasst; als man nun jetzt auch bei dieser Erkrankung Gonococcen
fand, eröflhete sich für die forensische Medicin eine neue Perspective,
besonders bei der Frage des Stuprum, der bekanntlicherweisc noch oft
in dom Wahn begangen wird: ein Tripper heile durch Berührung eines
unschuldigen Mädchens. Der Verfasser berichtet nun einen ihm von
Strass mann zur Verfügung gestellten Fall, in dem ein Arbeiter,
der (unbewusster Weise) an chronischer Gonorrhoe litt, an einem 8jährigen
Mädchen ein Sittlichkeitsverbrechen begangen hatte. Interessant ist in
diesem Fall, dass die Uebertragung des Contagium durch die Finger des
Mannes stattgefunden haben soll und dass schon vier Tage nach dem
Verbrechen sieh reichlicher Ausfluss gefunden, weswegen vom Gericht
auch nur auf Sittlichkeitsverbrechen erkannt und für die Gonorrhoeerkran¬
kung dem Attentäter nicht die Schuld gegeben wurde. Kob kommt dagegen
mit Hinweis auf eint* Beobachtung Casperhs zu dem Schluss, dass sehr
wohl die Vulvo-vaginitis des Kindes 4 Tage post Infectionem einen
reichlichen Ausfluss zeigen könne, da beim Kind doch entschieden die
Nährbodenverhältnisse u. s. w. andere sind als beim Erwachsenen.
Spiegelbauer (Breslau).
Kopytowski. De la frequence des gonocoques et aut res
b a c t e r i e s d a n s 1Y* c o u 1 e m e n t du c o 1 eher 1 e s p r o s t i t u e e s d e-
clarees saines. Krön. Lek. 1895, Nr. 3. Keferirt im Journal des mal.
cut. et ßyph. 18;KL pag. 115.
Kopytowski untersuchte 193 bei der Controle für gesund er¬
klärte und keinerlei Anzeichen von Gonorrhoe habende Prostiluirte auf
Gck igle
Original frum
THE OHIO STATE UNIVERSITY
der Syphilis.
315
den Bakteriengehalt des Uterussecrets und fand bei 15 (also in 8%)
Gonococcen und bei 68 (also in 41%) andere unbestimmte Bakterien.
Paul Neisser (Beuthen 0- S.)
Kroum Kambrusseff. De l’arthrite blennorrhagique chez
le Nouveau-ne. These Nancy 1895—1896.
Kambrusseff beweist, dass die gonorrhoische Arthritis beim
Neugeborenen so häufig ist wie in der zweiten Kindheit; sie ist mono-,
seltener oligo-articulär, betrifft (nach K.) fast immer das Knie, nie die
kleinen Gelenke; sie dauert 15—20 Tage und involvirt sich vollständig.
Die Prognose ist gut, die Therapie exspectativ. Die Arthritis wird durch
den Gonococcus direct erzeugt. Jadassohn (Bern).
Laborde, Jean. Contribution ä l’ötude de la vulvo-vagi-
nite despetites filles. Recherches personnelies de bacteriologie cli-
nique. Nr. 346 (Steinheil). (These de la faculte de Paris.) Gazette heb-
domadaire de medecine et de Chirurgie. Nr. 56. 12. Juillet 1896.
Ausser dem verschiedenen secundären (im Anschluss an andere
Krankheiten) Vulvovaginitiden und der traumatischen (Stuprum) Vulvo¬
vaginitis gibt es noch zwei Arten von Vulvovaginitis:
1. eine von Laborde als einfache, katarrhalische Vulvovaginitis
bezeichnete Krankheit, hervorgerufen durch normalerweise in der Vagina
vorhandene Saproplivten und 2. eine specifische Vulvovaginitis, hervor¬
gerufen durch den Gonococcus Neisser. Letztere erfordert eine sofortige,
energische Behandlung, da sonst alle bei Gonorrhoe bekannten Complica-
tionen ein treten können. Spiegelhauer (Breslau).
Lanz. Ueber den diagnostischen Werth der mikrosko¬
pischen Untersuchung der weiblichen Genitalsecrete.
Allg. Medic. Ctrl.-Ztg. 1896. Nr. 68.
Lanz hat auf der ihm unterstehenden Weiber-Abtheilung des
Mjassnitzky-Hospitals in Moskau bei 200 Prostituirten methodische Unter¬
suchungen auf Gonococcen durchgeführt und kam hierbei zu dem nach
Neisser’s Vorgang von verschiedenen Untersuchern gezeitigten Resultat:
dass das makroskopische Aussehen des Secretes durchaus nicht immer
seinem mikroskopischen Charakter entspricht und dass eine richtige
Diagnose und somit auch Behandlung des gonorrhoischen l’rocesses bei
Frauen ohne genaue und mehrfache Untersuchung der Genitalsecrete
unmöglich ist. Stein.
Larrien. Un traitement simple et efficace de la blen-
norrhagie aigue Paris. Librairie Lefrangois 1896.
Nach einem Ueberblick über die bisherige Therapie des männlichen
Trippers hebt Larrien die Unzulänglichkeit aller diesbezüglich em¬
pfohlenen Mittel hervor, und empfiehlt eine von ihm selbst erfundene
Methode der Gonorrhoebehandlung, die speciell im acuten Stadium die
besten Erfolge haben soll.
d) Abortivbehandlung: 2—3mal täglich Injection einer lauwarmen
gesättigten (20%) Borsäureglycerinlösung (mit Zusatz von 0*5—1 # 0% Cocain)
in die Pars anterior, nb.: dabei blande Diät und körperliche Ruhe.
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Original frum
THE OHIO STATE UNIVERSITY
316 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete der Dermatologie.
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b) In der acuten Periode :
1. 2—5 Injectionen täglich in die Pars anterior bezw. auch in die
Pars posterior der oben angegebenen Borsäureglycerinlösung.
2. 2mal täglich 2 Eucalyptol- bezw. Terpentin-Kapseln bei den
Mahlzeiten. Diät, Ruhe.
In der nicht mehr entzündlichen Periode:
1. cfr. B. 1 und 2,
2. dazu täglich 5 Tropfen Solutio Fowleri 1 Monat lang zu nehmen.
Im Anfangsstadium will L. mit der Abortivbehandlung (o) in 2 bis
6 Tagen Heilung erzielen. Ferdinand Epstein (Breslau).
Lewiu, A. Zur Argoninbehandlung der Gonorrhoe.
(Berl. klin. Wochenschr. 181)6 Nr. 7.)
L. veröffentlicht aus der Poliklinik Posner’s die Resultate der
Argoninbehandlung der acuten Gonorrhoe der Männer, zu denen er bei
12 Fällen gelangte (ein nicht allzu reichliches Versuchsmaterial. Ref.).
In Uebereinstimmung mit Jadassohn, der das Mittel in die Praxis ein¬
führte, fand er, dass es hervorragende Gonococcen tödtende Eigenschaften
besitzt, ohne Reizerscheinungen zu verursachen. Bei den 12 Fällen ver¬
schwanden die Gonococcen in 9 Fällen innerhalb 2—6 Tagen.
Karl Herxheimer (Frankfurt a. M.).
Lindemaun, S. Arthritis blennorrhoi ca. (Beiträge zur
Augenheilkunde. 1892, Heft 5.) Ref. nacli Baum gar ten’s Jahresbericht.
Bd. IX., pag. 89.
In einer nach Blenorrhoea neonatorum entstandenen Gelenk-Meta¬
stase gelang es Linde mann Diplococcen nachzuweisen, die nach ihrer
intracellulären Lage, nach ihrem Aussehen sowie nach ihrem Verhalten
gegen Färbeflüssigkeiten als echte Gonococcen auszusprechen waren. Beim
Versuch, die Gonococcen rein zu züchten, bediente sich der Verfasser
W e rthe i m’scher Nährböden, jedoch gelang es ihm nicht einwandfreie
Gonococcen-Reinculturen zu erzielen. Trotzdem ist der Fall für die heute
nicht mehr zweifelhafte Thatsache echter Gonococcen-Metastasen verwerth-
bar zu machen, wie wir ja später in dieser Hinsicht völlig einwandfreie
Mittheilungen in der Literatur vorfinden. Joh. Fabry (Dortmund).
Buehanzeigen und Besprechungen.
Neisser, A., Frof. in Breslau. Stereoskopischer medicinischer
Atlas. Th. G. Fisher & Co., Cassel.
Angezeigt von Prof. F. J. Pick in Prag.
Am o. Congresse der Deutschen Dermatologischen Gesell¬
schaft in Breslau hatten die Congressmitglieder reichlich Gelegen-
Gck igle
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Buchanzeigen und Besprechungen.
317
heit, die instrnctiven Stereoskopien zu bewundern, welche in dem
vortrefflich eingerichteten photographischen Atelier der Breslauer
Klinik hergestellt wurden. Die allgemeine Anerkennung, welche
diese Anwendung der Stereoskopie für die Illustration von Haut¬
krankheiten daselbst gefunden hat und der Wunsch diesen didac-
tischen Behelf anderen Kliniken und weiteren Kreisen zugänglich
zu machen, haben den Anlass zur Herausgabe des vorliegenden
Bilderwerkes gegeben. Dasselbe beschränkt sich aber nicht auf
die Dermatologie, es soll eine Sammlung photographischer Bilder
aus dem Gesammtgebiete der klinischen Medicin, der Anatomie,
der pathologischen Anatomie etc. bieten und das ist sehr begreif¬
lich, weil die anderen medicinischen Disciplinen, insbesondere die
Chirurgie, von der mit der Stereoskopie erreichten Plastik, der
Natur der darzustellenden Objecte entsprechend, verhältnissmässig
noch mehr Nutzen ziehen können als die Dermatologie.
Vorerst kommt jedoch der Atlas vorwiegend der uns beson¬
ders interessirenden Abtheilung flir Dermatologie und Syphilido-
logie zugute. Von den 15 Lieferungen der bisher ausgegebenen
Sammlung sind ihr 8 Lieferungen gewidmet.
Man kennt unsere Ansicht Uber den Werth von Bilderwerken
für Forschung und Unterricht in Hautkrankheiten. Wir haben
uns darüber mehrfach in diesem Archiv ausgesprochen und haben
keine Ursache, auch diesem ßilderwerke gegenüber unsere Ansicht
zu ändern. Ihrer Brauchbarkeit sind enge Grenzen gesteckt, sie
sind insgesammt Nothbehelfe und machen in dem Grade aus der
Noth eine Tugend, als sie die Einzelnheiten in Form und Farbe
genauer und im Gesammteindruck lebendiger darstellen. Das Erstere
kann die Photographie ohne Colorirung nicht bieten, dagegen kann
das photogr. stereoskopische Bild durch seine Plastik den
Gesammteindruck sehr lebendig gestalten und schon dadurch be¬
lehrend wirken. Das ist an den vorliegenden Abbildungen klar
ersichtlich.
Der Herausgeber hat nach dieser Richtung eine vorzügliche
Auswahl getroffen und so ist es gekommen, dass nur wenige Bilder
nicht vollkommen entsprechen. Sehr löblich und nützlich finden wir
auch das Bestreben des Herausgebers, den Atlas den Fachgenossen zur
kurzen Publication interessanter, in dieser oder jener Beziehung
bemerkenswerther Fälle zugänglich zu machen. Der Atlas gewinnt
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Gck igle
Original from
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318
Bucbanzeigen und Besprechungen.
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dadurch wesentlich an Verwendbarkeit beim Unterrichte, weil durch
die Mannigfaltigkeit der Bilder nicht bloss das Gewordene, sondern
das Werdende, also der Kranklieitsprocess zur Darstellung gelangt.
Eine der Hauptschwierigkeiten bei der Herausgabe von Bilder¬
werken, das Streben innerhalb eines begrenzten Umfanges, mög¬
lichste Vollständigkeit zu erzielen, ist bei diesem Atlas durch den
Umstand behoben, dass bei den geringen Herstellungskosten der
Preis sehr niedrig gestellt werden konnte und dass eine enge Be¬
grenzung des Umfanges deshalb nicht nothwendig war und ist.
Die Kliniker sollten, wie ich es thue, den Studenten empfehlen,
sich den Atlas anzuschaffcn, damit sie nach Absolvirung eines
dermatologischen Curses an der Hand der Bilder das Gesehene in
Erinnerung bringen und ergänzen.
Schliesslich sprechen wir den Wunsch aus, dass nach einiger
Zeit, wenn das Material genügend angewachsen sein wird, eine be¬
sondere Schul-Ausgabe veranstaltet werde, in welcher die Bilder,
nach Krankheiten geordnet, in einzelnen Heften erhältlich wären.
Der Herausgeber wie die rührige Verlagshandlung würden sich
dadurch noch erhöhteren Dank erwerben.
Prof. Stukowenkow *{•.
Unser geschätzter Mitarbeiter Prof. Stukowenkow in Kiew
ist am 14. März, gerade in dem Augenblicke, in dem er die erste Sitzung
der neu begründeten physikuliseh-mediciniseheii Gesellschaft in Kiew als
Präsident inaugurirte, einem Schlaganfalle erlegen.
Der hochgeschätzte College, von dessen trefflichen Arbeiten über
Syphilis, Mycosis fangendes, lthinoselerom u. A. dieses Archiv reichliches
Zeugniss ablegt, hinterlässt unter den hervorragenden Fachgenossou
Russlands eine breite Lücke. AVir sprechen ihnen hiermit unser herz¬
liches Beileid aus. Pick.
Gck igle
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Varia
69. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. Die
Unterzeichneten Mitglieder des Vorstandes der Abtheilung für Derma¬
tologie und Syphilis beehren sich, die Herren Fachgenossen zu der
vom 20.—25. September in Bra u n s c h w e ig statt findenden Jahresver¬
sammlung ergebenst einzuladen.
Wir bitten, Vorträge und Demonstrationen spätestens bis Mitte
Mai bei einem der Unterzeichneten anmelden zu wollen, da den allge¬
meinen Einladungen, welche von den Geschäftsführern Anfangs Juli zur
Versendung gebracht werden, bereits ein vorläufiges Programm der Ver¬
sammlung beigegeben werden soll. '
Für Mittwoch, den 22. September, ist von Seiten der naturwissen¬
schaftlichen Hauptgruppe des wissenschaftlichen Ausschusses eine ge¬
meinsam ' Sitzung aller sich mit der Photographie wissenschaftlich be¬
schäftigenden oder dieselbe als Hilfsmittel der Forschung benutzenden
naturwissenschaftlichen und medicinischen Abtheilungen in Aussicht ge¬
nommen. für die Herr Prof. II. W. Vogel in Charlottenburg den einlei¬
tenden Vortrag über den heutigen Stand der wissenschaftlichen Photo¬
graphie zugesagt hat. An denselben sollen sich Berichte über die von
anderen Seiten gemachten Erfahrungen anschliessen; auch soll eine Aus¬
stellung wissenschaftlicher Photographien damit verbunden werden, deren
Organisation Herr Prof. Max Müller liieselbst übernommen liat. Die
Anmeldung von Mittheilungen für diese Sitzung und von auszustellonden
Photographien erbitten wir gleichfalls spätestens bis Mitte Mai.
Zugleich ersuchen wir, uns etwaige Wünsche in Betreff weiterer
gemeinsamer Sitzungen mit einzelnen anderen Abteilungen kundgeben
und Berathungsgegenstönde für diese Sitzungen nennen zu wollen.
Der Einführende: Die Schriftführer:
Dr. med. Alfred Sternthal, Dr. med. Hermann Heller,
Wolfenbüttlerstrasse 58—II. Sand weg 3—I.
Dr. med. Max Ziehm,
Steinweg 26.
XII™ Pongres international de mideoine ä Moscou. Liste
des questions du comite d’organisation de la VlllEi* section.
Dermatologie. 1 . Actinomycose. 2. Tuberculose primitive de la peau.
3. Sarcomatose cutanee. 4. Aeanthosis nigricans. 5. Pathogenie de Parea
Celsi (alopecie en aires, pelade). 6. Eruptions blennorrhagiqties. 7. Erup-
tions d’origine paludeenne. 8. Eruptions hydrargyriques. 9. Traitement
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320
Varia.
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de la sclerodermie. 10. Traitement du rhinosclerome. V6n4r6ologie. 1. Quand
doit-on commeneer le traitement de la syphilis par lemercure? Pendant
conibien de temps le traitement de la sypbilis doit-il etre continue?
Faut-il traiter la sypbilis au moment de l’apparition des accidents de
cette maladie oubien faire le traitement provisoire en deliors de ces
accidents? 2. Modification des elements figures du sang chez les syphi-
litiques dans la periode condylomateuse. 3. Metbodes de traitement de
la sypbilis par les injections mercurielles solubles et insolubles.
Wissenschaftliche Privat-Bibliotheken. Der Herausgeber des
„Verzeichnisses von Privat-Bibliotheken“, G. Hedeler in
Leipzig, wird dem kürzlich erschienenen I. Band (Amerika) demnächst
den III. Band (Deutschland) folgen lassen. Um diesen wichtigen
Theil möglichst vollständig zu gestalten, besonders hinsichtlich wissen¬
schaftlicher und technischer Sammlungen, richtet derselbe an alle Be¬
sitzer hervorragender Bibliotheken die Bitte, ihm, soweit nicht schon ge¬
schehen, Angaben über Bändezahl, Sonderrichtung etc. ihrer
Bücherbestände zur unentgeltlichen Benutzung zu senden.
Bei den im I. Band kurz beschriebenen (501 amerikanischen Privatbiblio¬
theken fanden Sammlungen unter 3000 Bänden nur dann Aufnahme,
wenn hoher "Werth, Seltenheit etc. dies rechtfertigten oder wenn es sich
lim bedeutendere Specialsainmhingen bandelte. Line ähnliche Begrenzung
ist auch für die übrigen Bände nöthig. Neben Büchersammlungeii lite¬
rarischer oder allgemeiner Dichtung werden wissenschaftliche und tech¬
nische Fachbibliotheken gerade im III. Band ganz besonders berück¬
sichtigt. Für die Allgemeinheit dürfte das „Verzeichnis*“, dessen Be¬
nutzung ein jedem Band beigegebenes Sachregister erleichtert, auch in¬
sofern Interesse bieten, als dasselbe dazu beitragen kann, dass manche
wichtige, im Privatbesitz befindliche und daher gegenwärtig meist nur
"Wenigen bekannte Bücherschätze bei wissenschaftlichen und literarischen
Forschungen mehr als bisher zu Käthe gezogen werden. Wer sich
des Besitzes einer geeigneten Fach- oder Hausbibliothek
erfreut, sollte die Mühe einer kurzen M i 11 h c i 1 u n g nicht
scheue n.
Berichtigung. In meiner Arbeit über das Eczema marginatum
habe ich gelegentlich der Nennung der Autoren bei der Aetiologie dieses
Processes durch einen Lapsus den Namen Ko ebner’s zu nennen unter¬
lassen, was ich hiemit, aufseine diesbezügliche Keclamation hin, nachtrage.
Dr. Eduard Spiegler.
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Originalabhandlungen
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Archiv f. Dermatol, u. Svpliil. Band XXXIX.
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Ans Prof. Welander’s Klinik im Krankenhaus© St. Göran
zn Stockholm.
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Zur Frage yon der gonorrhoischen Allge-
meininfection.')
Yon
Dr. G. Ahman,
Assistenzarzt am Krankenhause St. Gfirau.
Wenn ich in dieser Mittheilung den Ausdruck, gonorrho¬
ische Allgemeininfection, anwende, so geschieht dieses, wie ich
gleich zeigen werde, in einer besonderen Tendenz.
Wir wissen alle, was wir mit Tripperrheumatismus meinen.
Gewöhnlich denken wir uns darunter die gonorrhoische Arthri¬
tis, doch sind zum Tripperrheumatismus füglich auch die oft
gleichzeitig vorkommende Tendovaginitis, die Myositis u. s. w.
zuzurechnen.
Schon seit langer Zeit hat man die monoarticuläre Form als
die für den Tripperrheumatismus typische angesehen. Diese
Form kommt ohne Zweifel oft vor, in der Mehrzahl der Fälle
dürfte aber, wie Jullien (1886) statistisch dargethan hat,
mehr als ein Gelenk angegriffen sein. Auf alle Fälle handelt
es sich hier zumeist um eine geringe Zahl Gelenke, doch tritt
der Tripperrheumatismus zuweilen im höchsten Grade multipel
auf. Die Gelenkaffectionen treten indessen in solchen Fällen
nicht gleichzeitig oder, wie bei dem acuten rheumatischen
Fieber, in rascher Folge nach einander, sondern mehr unter
der Form von hartnäckig wiederkehrenden Recidiven auf, die
aus neuen Gelenkaffectionen bestehen, während die früheren
zurückgehen.
*) Vortrag, gehalten in der Gesellschaft schwedischer Aerzte am
22. December 1896.
21 *
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Original frorn
THE OHIO STATE UNIVERSITY
Ä li m an.
324
Wenn man dieses Krankheitsbild sieht und weiss, dass
Gouococcen sich zuweilen in den Exsudaten der gonorrhoischen
Arthritiden etc. nachweisen lassen, so kann man sich schwer¬
lich des Gedankens erwehren, dass es sich hier um eine all¬
gemeine Gonococceninfection der ganzen Blutmasse handelt,
die sich in dieser Weise durch locale Symptome manifestirt.
Diese Ansicht verfocht z. B. Souplet schon 1893 in seiner
Abhandlung „Blennorrhagie, maladie generale“, und sie hat
später durch eine Serie von vortrefflichen Untersuchungen von
Hock, Finger, Ghon und Schlagenliaufer, Neisser,
Bordoni-Uffreduzzi, R e s p i g h i und Burci, Colom-
b i n i a, M a c a i g n e und F i n e t u. A. eine mehr positive Stütze
gewonnen.
In der Absicht, für die Richtigkeit dieser Ansicht einen
sicheren Beweis zu erbringen, mache ich hier folgende Mit¬
theilung, wobei ich erst die untenstehenden beiden kurz-
gefassten Kraukheitsgeschichten anführen will.
Fall I. A. T. A., 22 Jahre, Comptoirist aus Finland.
Der Patient, wurde in das Krankenhaus St. GÖran am 25. September
1S06 aufgenommen. Kr hatte den ganzen Sommer über an einem Tripper
gelitten. Bei seiner Aufnahme in das Krankenhaus hatte er einen reich-
lidien purulenten, Gouococcen in Menge enthaltenden Ausfluss aus der
Harnröhre. Der Harn war bei der zwei Gläser Probe in beiden Gläsern
trübe. Keine Beschwerden beim Harnen. In Betreff der Prostata war
nichts zu bemerken.
Diese Gonorrhöe wurde mittelst Irrigationen der Urethra mit über¬
mangansauren Kalilösungen nach Jan et s Methode behandelt, ohne
dass sieh anfangs der Zustand veränderte.
Den 12. October 1806 bekam der Patient, häufiges Drängen zum
Harnen. Der Harn war jetzt etwas blutig. Die Behandlung wurde auf¬
gesetzt.
Den 13./10. Der Patient batte am Abend Fieberschauer. Die Tempe¬
ratur ö7*2 u C.
Den 14./10. Sehmerzen und Empfindlichkeit im rechten Schulter¬
gelenk; beginnende Schmerzen im rechten Carpus und in den proximalen
Interphalangealgelenken des rechten Zeige- und des rechten Mittelfingers,
Uebelkeit, Erbrechen, Schmerzen im Kücken, Alhumen im Harn. Temperatur
am Morgen 40*o°, am Abend 40*6° C.
Den lo./lO. Schmerzen und Empfindlichkeit in den Interphalangeal-
gelenkon des Zeige- und des Mittelfingers der rechten Hand. Der Harn
enthält Eiweiss. Die Temperatur am Morgen 38*4° und am Abend 39\V‘ C.
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Original frnm
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Zur Frage von der gonorrhoischen Allgemeininfection. 305
Den 16./10. Der Harn dunkel, blutig; enthält 0*05% Albumen
und Blutcylinder in geringer Menge. Temperatur am Morgen 37*5°, am
Abend 38*1 0 C.
Den 17./10. Die Albumin* und Cylindermenge unverändert. Erguss
in der Scheide der Sehne des linken Musculus tibialis anticus. Das
Metacarpalgelenk des kleinen Fingers der rechten Hand empfindlich.
Die Temperatur am Morgen 37-2°, am Abend 38*1° C. Die Harnmenge
am letzten Tage 1‘100 Gr.
Den 18./10. Die Albumin- und Cylindermenge unverändert. Der
Erguss in der Scheide der Sehne des linken Musculus tibialis anticus
etwas vermehrt. Die Haut über dieser Sehnenscheide geröthet und
empfindlich. Bei Punction mit steriler Spritze wurde ein mucopurulentes
Exsudat erhalten, in dessen Zellen bei der mikroskopischen Untersuchung
Gonococcen in typischen Gruppen nachgewiesen wurden. Dieselben wurden
schnell nach Gram entfärbt.
Culturen wurden auf Ascitesagar nach Kiefer’s Me¬
thode angelegt, und in 24 Stunden war die Platte mit typi¬
schen Gonococcencolonien übersäet, die dann in mehreren
Generationen cultivirt und in Bezug auf ihr Verhalten zu den verschiedenen
Farbenreactionen und Nährböden geprüft wurden. Die Temperatur des
Patienten war an diesem Tage subfebril. An den Brust- und Bauch¬
organen war nichts Krankhaftes zu bemerken. Die Harnmenge am letzten
Tage 1*100 Gr.
Den 19./10. Albumin (0*05%) und Cylinder in unveränderter Menge ;
die tägliche Harnmenge 1*300 Gr. Die Haut über der Tendovaginitis
empfindlich und geröthet. Die Temperatur subfebril.
Den 23./10. Die Albuminmenge etwas vermindert (0*02%), Cylinder
spärlich, der Harn von normaler Farbe, die Menge desselben 1*600 Gr.
per Tag. Der allgemeine Zustand gut. Die Tendovaginitis ist etwas zurück¬
gegangen. Von den Brust- und Bauchorganen war nichts zu bemerken.
Die Temperatur afebril.
Den 25./10. Die Tendovaginitis ist nun beinahe zurückgegangen.
Am Abend bekam der Patient einen Fieberschauer, und gleichzeitig
fingen Schmerzen an, sich in der rechten Hüfte einzustellen. Die Tem¬
peratur am Abend 38*9° C.
Den 26./10. Die Temperatur am Morgen 36*8°, am Abend 37*8° C.
Die Schmerzen in der Hüfte bestehen fort.
Den 28./10. Der Patient ist jetzt afebril. Im Harn, der von nor¬
maler Farbe ist, Spuren von Albumin und einzelne Cylinder.
Den 5./11. Der Patient, der sich während der letzten Woche wohl
befunden hat, bekam am Vormittag einen Fieberschauer sowie Schmerzen
und eine Geschwulst in dem Metocarpophalangealgelenke des rechten
Mittelfingers. Die Temperatur am Morgen 39*1°, am Abend 38*6° C. Der
Harn etwas mit Blut tingirt. Albumin 0*02%; einzelne Pigmentcylinder.
Ich hatte schon früher während der Krankheit des Patienten ein
paar Mal versucht, durch Cultivirung auf Ascitesagar Gonococcen im
Gck igle
Original frum
THE OHIO STATE UNIVERSITY
326
Äh man.
Blute des Patienten nachzuweisen, doch ohne dass mir dieses gelang.
Heute erneute ich diesen Versuch, und dieses Mal mit positivem Resultat.
Siehe hierüber weiter unten.
Ich gehe indessen zu der betreffenden Krankheitsgeschichte zurück.
Den 16./11. Seit dem Fieberanfall am 4. dieses Monats ist die
Temperatur afebril gewesen und der Patient hat sich wohl befunden.
Heute ist die rechte Epididymis stark angeschwollen und empfindlich.
Die Temperatur war am Morgen 39*8° und am Abend 39*3° C.
Den 17./11. Die Temperatur afebril. Die Epididymis wie gestern.
Den 25./11. Die Temperatur ist während der vorhergegangenen
Tage afebril gewesen. Heute bat der Patient heftige Schmerzen in dem
linken oberen Theil der Vorderseite des Brustkorbes. Keine deutlichen
Reibungsgeräusche Empfindlichkeit für Druck. Ob eine Reizung in der
Pleura oder eine Affeetion in der Brustwand vorliegt, kann nicht ent¬
schieden werden. Die Temperatur am Morgen und am Abend 38-7° C.
Den 28./11. Hat fortwährend Schmerzen an der genannten Stelle
der Brustwand. Die Temperatur subfebril.
Den 8./12. Die Schmerzen in der Brustwand geringer. Die Epidi¬
dymis ist abgeschwollen.
Den 4-/12. Die Schmerzen in der Brustwand noch gross. Kopf¬
schmerzen. Temperatur am Morgen 37*9 Ü , am Abend SS’U 0 C.
Den 5. 12. Die Temperatur afebril. Der Patient befindet sich wohl.
Nichts deutet in der Urethra auf eine Gonorrhöe hin.
Seit dieser Zeit hat sich die Gesundheit des Patienten immer
mehr verbessert. Den 19. December hatte er kein anderes Symptom von
seinem Leiden, als unbedeutende Spuren von Albumin im Harn.
Bei der oben erwähnten Reinziiclitung von Gonococcen
aus dem Blute des Patienten beim Fieberanfall am 5./10. be¬
nutzte ich folgendes Verfahren.
In eine Vene in der Falte des rechten Ellenbogens, die
durch eine um den Oberarm gelegte, fest angezogene Binde
zum Anschwellen gebracht worden war, wurde, nach sorgfältiger
Desinlicirung der Haut, in gewöhnlicher chirurgischer Weise
die Spitze einer sterilisirten Pravaz’schen Spritze gestochen,
mit welcher sich solchergestalt leicht ein Gramm Blut aspiriren
Hess. Von diesem Blute wurde der grösste Theil unter asep¬
tischen Cautelen in ziemlich dicken Lagen auf vier Platten
Ascitesagar in PetrPschen Schalen gegossen. Von einigen noch
übrigen Tropfen Blut wurden Deekglaspriipnrate gemacht, in
denen ich mittelst Färbung mit Methylenblau und nach
Gram Bakterien nachzuweisen suchte, was jedoch nicht ge¬
lang. Die vier Platten zeigten, nachdem sie zwei Tage im
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Gck igle
Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
Zur Frage von der gonorrhoischen Allgemeininfection. 327
Thermostaten,, wo die Temperatur 36° C. betrug, gestanden, zu¬
sammen etwas über 30 Colonien, die Gonococcencolonien recht
ähnlich waren. Da diese Colonien zum Theil im Blute wuchsen,
boten sie nicht ganz das Aussehen dar, welches ich bei Gono¬
coccencolonien zu sehen gewohnt war. Ich machte deshalb
von diesen Colonien eine Aussaat auf Ascitesagar, wo ich nach
einem Tage eine zweite Generation jetzt leicht erkennbarer
Gonococcencolonien bekam. Gleichzeitig waren die Colonien
auf den Originalplatten mehr gewachsen, und wo sie sich am
Rande der Blutstreifen fanden, hatten sie auf den von dem
Blute nicht bedeckten Theilen der Platten vegetirt, an welchen
Stellen sie ein mehr charakteristisches Aussehen darboten. Sie
wurden hierauf in mehreren Generationen cultivirt und sowohl
mikroskopisch (mit Gram’s Färbung etc.), wie durch Cultur-
versuche auf anderen Nährböden geprüft und dabei in ihrem
Verhalten als echte Gonococcen befunden.')
Da dieser Fund alleinstehend und, so viel mir bekannt,
der erste sichere derartige Fall in der Literatur ist, beschloss
ich, nachdem ich mich mit dem Chef der Klinik, Herrn Prof.
W eiander, berathen, eine Inoculation an einem Menschen aus¬
zuführen, um allen Einwendungen und Zweifeln begegnen und
unwiderleglich das Factum feststellen zu können, dass Gono¬
coccen bei dem fraglichen Patienten wirklich in der Blutmasse
circulirt haben.
Bei einem jungen Manne, welcher gewillt war, sich dem
Risico einer Gonorrhoe zu unterwerfen, und bei dem sich keine
Zeichen gefunden hatten und auch damals keine fanden, die
auf eine vorhandene oder abgelaufene Gonorrhoe hindeuteten,
wurde am 13. November 189H im Krankenhause St. Göran
eine Inoculation in die Urethra mit der fünften Generation der
obengenannten Gonococcenculturen gemacht. Diese Inoculation
gelang leider allzu gut, und der unglückliche Verlauf des Falles
bildet ein ernstes Memento für alle, welche sich geneigt fühlen
') Das Gelingen dieser Culturversuche schreibe ich hauptsächlich
dem Umstande zu, dass ich eine so grosse Menge Blut auf die Platten
goss. Da ich aus dieser grossen Menge Blut nur dreissig Colonien erhielt,
würde ich wahrscheinlich gar keine erhalten haben, wenn ich, wie ver-
muthlich viele andere gethan haben, mit einem Platindraht nur einen
Tropfen Blut auf die Platten ausgestrichen hätte.
Digitizeit by
Gck gle
Original frorn
THE OHIO STATE UNIVERS1TY
328
Ä h m a n.
sollten, den Versuch zu erneuern. Es ist ja nämlich nicht
undenkbar, dass die Virulenz dieser im Blute circulirenden
Gonococcen über das Normale gesteigert war. Der Fall bot
indessen viel Interesse dar und war auf alle Fälle als das
letzte und entscheidende Glied in dem Beweise, den ich dafür
erbringen wollte, dass echte Gonococcen wirklich im Blute
circulirten und dass es sich hier also um eine allgemeine
Gonococceninfection handelte, von Bedeutung.
Fall II. Iv. J. S. B., 25 Jahre, Arbeiter.
Der Patient, der seit dem 19./10. 181*6 im Krankenhause St. Göran
wegen Uleus molle und Bubo inguinalis behandelt wird, hat nie an einem
Tripper gelitten; in Betreff seiner Urethra ist nichts zu bemerken. Mit
seiner Einwilligung wurde heute (den 13./11.) in die Urethra dieses
Mannes eine fünfte Generation der vorerwähnten, aus dem Blute des
vorigen Patienten cultivirten Gonococcen inoculirt.
Den 14. 11. Schleimiger Ausfluss mit freien Gonococcen.
Den 15.|11. Spärlicher, schleimiger Ausfluss mit Gonococeen-
gruppen.
Den 16./11. Mucopurulenter Ausfluss mit zahlreichen Gonococcen,
sowohl frei, wie in Gruppen. Es wird die Behandlung des Patienten mit
Irrigation der Urethra anterior mit Permanganatlösung von 0*1 % ä 45° C.
begonnen.
Den 10. 11. Das Präputium ödematös; starke Reizung; Ausfluss
mit Gonococcen. Die Behandlung wird ausgesetzt.
Den 22. 11. Das Präputium noch etwas ödematös; die Reizung
etwas vermindert. Spärlicher, mucopurulenter Ausfluss mit Gonococcen.
Culturen auf Ascitesagar. Es wird die Behandlung mit Irrigation
der ganzen Urethra mit übermangansaurer Kalilösung nach Jan et
begonnen.
Den 25./11. Der Patient hat diese Nacht schwere Fieberschauer
gehabt. Die Temperatur war am Morgen 40° C. Ueber der rechten
Lunge unten in der vorderen Axillarlinie geschwächte, entfernte, bron¬
chiale Athmungsgeräusehe mit zahlreichem feinem Knisterrasseln und
unbedeutender .Dämpfung. Daselbst Stiche und Schmerzen heim Athmen.
Der Harn in beiden Gläsern trübe. In Betreff der Prostata nichts zu be¬
merken, ebenso auch nichts vom Herzen. Die Temperatur am Abend 37'4° C.
Den 27/11. Der Patient ist gestern und heute afebril gewesen. An
der oben angegebenen Stelle sind die Athmungsgeräusehe jetzt vesiculär.
Keine Rasselgeräusche. Dagegen wird ein deutliches Reibungsgeräusch
gehört. Der Patient expectorirt jetzt reichliche schleimig-eiterige Massen
mit einigen eingemischten Blutstreifen.
Den 20./11. Der Patient ist fortwährend afebril gewesen, hat eine
Morgentemperatur von )H*S° C. Fühlt Sclmier/eu an der vorderen Seite
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Zur Frage von der gonorrhoischen Allgemeininfection.
329
des linken Fussgelenkes und ist unbedeutend empfindlich an der Radial*
seite des rechten Handgelenkes. Die Symptome von der Brust sind bis
auf eine gewisse Empfindlichkeit und geringe Schmerzen bei tiefen Athem-
zügen verschwunden. Die Temperatur am Abend 37 6° C.
Den 4./12. Die Temperatur ist während der 4 letzten Tage subfebril
gewesen. Der Schmerz im Fussgelenk ist auf die Sehnen des Extensor
digitorum communis und im Handgelenk auf die Sehnen der Extensoren
des Daumens am Processus styloideus radii beschränkt. Am Abend Schmer¬
zen in der Museulatur an der vorderen Seite des rechten Unterarmes
und an der inneren Seite des rechten Oberarmes. Eine Drüse in der
Axilla angesehwollen und empfindlich. Kleine Lymphangoitis war deutlich
zu palpiren. Temperatur am Abend 38*5° C.
Den 5./12. Die Temperatur am Morgen 37-8°, am Abend 38 6° C.
Den 9./12. Ist die vorhergehenden Tage afebril gewesen. Die
Tendovaginitis am linken Fusse noch vorhanden.
Den 18./12. Die letzte Woche ist die Temperatur subfebril gewesen.
Deutlicher Erguss in die Sehnenscheide des Extensor dig. com. ped.
sin. Die Haut darüber sehr empfindlich und entzündet. Heftige Schmerzen
daselbst. Temperatur am Abend 38*8° C.
Den 19./12. Hat während der Nacht schwere Schmerzen gehabt.
Die Entzündung scheint mehr localisirt zu sein. Bei Punction wurde ein
eiteriges Exsudat erhalten, in dem bei mikroskopischer Untersuchung
Gonococcen in charakteristischen Haufen in den Zellen gefunden wurden.
Culturen wurden auf Ascitesagar nach Kiefer angelegt und nach ein paar
Tagen zahlreiche Gonococcencolonien erhalten.
Den 24./12. Hat heute Harndrang, febrile Temperatur, die Prostata
angeschwollen.
Den 26. 12. Der Tendovaginitis-Abscess wurde incidirt. Im Eiter Hessen
sich sowohl mikroskopisch, wie durch Cultur Gonococcen nachweisen.
Den 31./12. Die Tendovaginitis in Heilung; die Anschwellung der
Prostata vermindert. Funiculus spermaticus angeschwollen. Temperatur
am Morgen 37 u , am Abend 38-5° C.
Den 3./1. 1897. Epididymis dext. heute leicht angeschwollen. Tem¬
peratur am Abend 38*4° C.
Seitdem hat sich der Zustand des Patienten mehr und mehr ver¬
bessert, obschon er noch nicht (den 9. Januar 1897) vollkommen her¬
gestellt ist.
Es ist wohl klar, dass wir es hier mit zwei Fällen von
gonorrhoischer Allgemeininfection zu thun haben. Die An¬
wesenheit von Gonococcen konnte ich bei beiden Patienten in
je einer Metastase nachweisen. Dass sie bei dem ersten im
Blute circulirten, dürfte wohl durch die eben angeführten
Untersuchungen klar bewiesen sein. Die Kette der Beweise
ist ja so vollständig wie möglich. Ich werde gleich ein paar
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o
330 Ahm an.
Fall i.
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Zur Frage von der gonorrhoischen Allgemeininfection. 331
Fall II.
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332
Ä hm a n.
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Untersuchungen anführen, die neulich gemacht worden sind
und die in derselben Richtung gehen, will aber erst ein paar
Umstände in dem Verlauf der soeben beschriebenen Fälle her¬
vorheben. Im Allgemeinen kann man sagen, dass sie für die
Gonorrhoe vollkommen typisch gewesen sind. Die verschiedenen
Atfectionen begannen stets mit heftigen Entzündungssymptomen
und plötzlich auftretendem Fieber, um dann in einer milderen
Form fortzufahren, bis eine neue Affection mit Fieber kam,
was sich mehrere Male wiederholte.') Einige dieser Affectionen
waren weniger gewöhnlich, wie z. B. die Nephritis in dem
ersten Falle. Die Fälle, welche in der Literatur beschrieben
sind, gleichen indessen diesem in hohem Grade. Sie haben alle
mit hohem Fieber und heftigen Allgemeiusymptomen begonnen,
um nachher einen günstigen Verlauf zu nehmen. Ob die Ne¬
phritis durch die locale Gegenwart der Gonococcen, oder durch
Toxinwirkung hervorgerufen war, ist schwer zu entscheiden.
Eine andere bemerkenswertlie Complication war die Lungen-
atfection im zweiten Falle. Die Symptome: plötzlich auftretende
1 K’spnoe, hohes Fieber, Seitenstechen, Bronchialathmen, Knister¬
rasseln, Dämpfung u. s. w. sprachen anfangs für eine Pneumonie.
Der für die Gonorrhoe typische Verlauf des Falles zeigte in¬
dessen bald, dass wir es hier mit einer gonorrhoischen Lungen-
atfection, vermuthlich einem Infarct mit Reizung der Pleura,
zu thun hatten. Bei einem ähnlichen Fall (Thayer und
Blumer, 1895), auf den ich später zurückkommen werde,
fand man bei der Section einen haemorrhagischeu Infarct und
mehrere bronchopneuraonische Herde. Dass die Gonorrhoe eine
Pleuritis mit Gonococcen in dem pleuritischen Exsudate ver¬
ursachen kann, ist von Mazza und Bordoni-Uffreduzzi
(ls94) gezeigt worden. Ob die Epididymitis in dem ersten Falle
metastatischer Natur war oder nicht, will ich dahingestellt sein
lassen.
Es ist, wie ich oben gesagt habe, durch eine lange Serie
vortrefflicher Untersuchungen dargethan, dass Gonococcen bei
gonorrhoischer Arthritis, Tendovaginitis, Pleuritis u. s. w. in
den Exsudaten Vorkommen, und ich habe nun zu diesen Unter¬
suchungen zwei neue Fälle hinzugefügt.') Es ist offenbar, dass
Siehe die beigefügten Temperatnrcurven.
Gck igle
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Zur Frage von der gonorrhoischen Allgemeininfection. 333
die Gonococcen in die neuen Inflammationsherde schwerlich
auf anderen Wegen als durch die Blutcirculation gelangen
konnten; dies ist bisher aber nur ein pathologisches Postulat
gewesen, das erst durch die oben beschriebenen Beobachtungen
klar bewiesen werden konnte.
Indessen sind in der letzten Zeit ein paar Untersuchun¬
gen ausgeführt worden, die in derselben Richtung gehen.
W erth e im legte auf dem 6. deutschen Gynäkologen-
congress in Wien (im Juni 1895) eine sehr interessante Unter¬
suchung über einen Fall von gonorrhoischer Cystitis dar.
Dieser Fall wurde bei einem neunjährigen Mädchen be¬
obachtet, das an gonorrhoischer Vulvovaginitis, acuter Cystitis
und gonorrhoischen Arthritiden der beiden Ellenbogenge¬
lenke litt. Wertheim hatte Gelegenheit, ein kleines Frag¬
ment von der Blasenwand zu excidiren und dieses mikrosko¬
pisch zu untersuchen. Er fand zahlreiche Gonococcen im
Epithel und im Bindegewebe und in den venösen Capillaren
zahlreiche Thrombophlebitiden, welche echte Gonococcen ent¬
hielten. Dies gibt uns sichere Andeutungen, wie die Gonococcen
von diesen gonococcenhaltigen Thromben in den capillaren Venen,
in die Blutcirculation hineinkommen können.
l ) Bekanntlich hat man auch bei der gonorrhoischen Arthritis oft
andere Bakterien: Staphylococcen, Streptococcen, Pneumococcen etc. ge¬
funden. Von 11 Exsudaten von gonorrhoischen Arthritiden, die ich selbst
im Krankenbause St. Göran bakteriologisch untersucht habe, fand ich in
einem Streptococcen und in zweien Pneumococcen; acht Exsudate waren
steril. (Die Sterilität dieser 8 Exsudate beweist durchaus nicht, dass die
Arthritis nicht durch Mikroorganismen hervorgerufen war, denn solche
können sich in der inflammirten serösen Haut finden, ohne in das Ex¬
sudat überzugehen.) Der Umstand, dass man oft andere Mikroorganismen
in den gonorrhoischen Gelenkergüssen gefunden hat, spricht nicht im
geringsten gegen die oben angeführte Ansicht von der Natur der gonor¬
rhoischen Allgemeininfection. Die Gonorrhoe verhält sich hierbei völlig
analog mit anderen notorischen Allgemeininfectionen, z. B. dem Abdomi¬
naltyphus. In den typhösen Abscessen etc. findet man oft Eberth’ä
Bacillus, doch hat man in ihnen auch andere Bakterien gefunden, die
offenbar als Misch- oder Secundärinfectionen zu betrachten sind. Das¬
selbe ist der Fall mit anderen Infectionskrankheiten, woraus aber nicht
folgt, dass man die Bedeutung des speciellen Virus verneinen kaun. Was
die Gonorrhoe betrifft, so kann man dieses um so viel weniger, als die
gonorrhoischen Gelenkaffeetionen oft einen ziemlich charakteristischen
Verlauf zeigen.
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334
Ähman.
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Die andere Untersuchung ist von den Amerikanern
Thayer und Blumer (1895) an einem Fall von gonorrhoi¬
scher Endocarditis mit Allgemeininfection ausgeführt worden.
Dieses ist derselbe Fall, den ich vorhin erwähnt habe. Thayer
und Blumer konnten hier an Schnitten von den Herzklappen
Diplococcen nachweisen, die höchst wahrscheinlich Gonococcen
waren. Sie machten indessen, während der Patient noch lebte,
Versuche, Gonococcen im Blute nachzuweisen. Leider waren sie
mit den für die Gonococcenzüchtung geeigneten Substraten nicht
versehen. Sie halfen sich in der Weise, dass sie Blut aus einer
Vene aspirirten und es mit ungefähr doppelt so viel Agar
mischten. Sie bekamen Colonien von Diplococcen, die vollständig
Gonococcen glichen, und ein jeder, der sich mit der Züchtung
von Gonococcen beschäftigt hat, weiss, dass man die Gono¬
coccen wirklich in dieser Weise zum Wachsen bringen kann.
Die genannten Coccen konnten auf den gewöhnlichen Nähr¬
böden nicht zum Wachsen gebracht werden. Eine Woche
nachher bekamen die Autoren Serum- und Harnagar zu ihrer
Disposition, da aber waren die Colonien schon abgestorben,
sie wuchsen nicht mehr; dieses ist indessen für die Gono¬
coccen vollkommen charakteristisch. Wenn Thayer und
Blumer’s Culturversuche auch zum Theil misslangen, so er¬
scheint es mir doch als sehr wahrscheinlich, dass die Coccen,
welche sie aus dem Blute züchteten, wirklich Gonococcen
waren.
Durch diese Untersuchungen wissen wir also, dass die
Gonococcen in das Bindegewebe eindringen und capilläre
Thrombophlebitiden hervorzurufen vermögen, von welchen sie
leicht in die Blutcirculatiou hineinkommen können, um in den
entferntesten Theilen des Körpers neue inflammatorische Pro-
cesse hervorzurufen.
Durch meinen Nachweis der Gonococcen im circuliremlen
Blute ist in unserer Kenntniss der Pathogenese der gonorrhoischen
Complicationen eine wesentliche Lücke ausgefüllt worden;
wir sind nun vollkommen berechtigt, von einer
allgemeinen G onococceninfe ction zu sprechen.
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Ans Dr. Max Joseph’s Poliklinik für Hautkrankheiten in Berlin.
Ueber Porokeratosis.
Von
Dr. Max Joseph.')
(Hierzu Taf. XIII u. XIV.)
Unsere Kenntnisse über die Pathologie der Schweiss-
drüsen, insbesondere über die Betheiligung der Schweissdrüsen-
ausführungsgänge an keratotiscben Processen rühren erst aus
der jüngsten Zeit her. Mibelli 2 ) gebührt das Verdienst, als
der erste darauf hingewiesen zu haben, dass zuweilen von dem
Ausführungsgange der Schweissdrüsen aus ein Verhornungs¬
vorgang ausgeht, welcher über die Oberfläche der Epidermis
warzenförmig hervorragt und sich von hier aus excentrisch aus¬
dehnt. Hierfür schlug er die Bezeichnung „Porokeratosis“ vor.
Das klinische Bild, welches Mi belli in seiner ersten
Arbeit bereits sehr prägnant hinstellte und welches wir nach
meinen Beobachtungen in der That als ein Novum hinnehmen
müssen, war etwa Folgendes:
Auf scheinbar gesunder Haut, ohne dass eine Spur eines
Entzündungsprocesses vorangegangen wäre, treten umschriebene
hyperkeratotische Herde auf, die zu ihrer Entwicklung Monate
ja Jahre gebrauchen, ohne dabei Jucken oder bedeutende
Desquamation hervorzurufen und die auch später wieder ohne
jede Spur von Pigmentation verschwinden. Die Initialform zeigt
sich als eine kleine, schmutzig braune Erhabenheit in Gestalt
eines cylindro-konischen trockenen harten Stachels, der in die
J ) Nach einem auf der 68. Naturforscherversammlung zu Frankfurt
a. M. Sept. 1896 gehaltenen Vortrage.
*) Mon. f. prakt. Dermat. XVII. 1893. XX. 1895 und Internat. Atlas
seltener Hautkrankheiten. Nr. IX. 1893.
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Gck igle
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Joseph.
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3 3 6
Haut hineiugesteekt ist oder aus derselben hervorragt. Nach
der Entfernung dieser kleinen hornigen Erhabenheit bleibt eine
trichterförmige Oeffuuug zurück, welche den Anschein erweckt,
als ob die Prominenz viel eher in einen Drüsenausführungsgang
als in eine Follikelmündung eingekeilt wäre. Allmälig verhornen
dann die Ränder, welche den centralen Pfropf begrenzen, und
es entwickelt sich nun allmälig durch Erweiterung der ersten
Oeffnung und durch vermehrtes Wachsthum der Ränder eine
scheibenförmige Plaque. Nach einer gewissen Zeit des Wachs¬
thums fällt der centrale Pfropf dann gewöhnlich von selbst
aus oder wird zufällig abgestreift. Das centrifugale Wachsthum
der Effiorescenzen bleibt gewöhnlich ziemlich beschränkt, und
die Effiorescenzen bleiben, wenn sie einen Durchmesser von
10—1-5 Cm. erreicht haben, Jahre lang unverändert. Gerade
in diesem Stadium ist das Bild, wie es Mibelli beschreibt,
sehr charakteristisch: die warzenähnlichen gelbbraun gefärbten,
linsen- bis markstückgrossen Flecke von unregelmässiger Form
heben sich mit ihrem flachen nur von einigen spitzen harten
Höckerchen unterbrochenen Centrum scharf von dem erhabenen,
geschlängelten, trockenen, fast scharfen Rande ab und fühlen
sich bei der Berührung wie ein Reibeisen an.
Das hiervon Mibelli scharf gezeichnete Krankheitsbild
mit seinem im wesentlichen abgeflachten und muldenartig ein¬
gesunkenen Centrum im Gegensatz zu dem wallartigen Rande
ist so prägnant, dass man es nicht leicht übersehen kann. Ich
hatte das Bild nicht nur durch das Studium der sehr gut ge¬
lungenen Zeichnung in dem internationalen Atlas seltener Haut¬
krankheiten, sondern vor allem auch durch die auf dem Lon¬
doner internationalen Dermatologeu-Congress im August 18%
ausgestellte vortreffliche Moulage so gut meinem Gedächtnisse
eingeprägt, dass ich zwei in meiner Poliklinik vor Kurzem
zur Behandlung gelangende Krankheitsfälle sehr bald als „Poro-
keratosis“ erkannte.
In meiner ersten Beobachtung handelte es sich um den 14jährigen
Otto B., Sohn eines hiesigen Töpfers. Derselbe soll seine Hauterkrankung
angeblich seit dem dritten Lebensjahre haben, und da in der letzten Zeit
eine Ausbreitung des Processes bemerkt wurde, so suchte er ärztliche
Hilfe auf. Von ähnlichen Erkrankungen in der Familie ist nichts
bekannt.
Gck igle
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lieber Porokeratosis.
337
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Die Hauterkrankung besteht nur an der rechten Hand. Hier ist
sie hauptsächlich auf den zweiten und dritten Finger beschränkt, während
sich ein eben beginnender kleiner Herd auf dem Handrücken in der
Furche der Interossei zwischen dem zweiten und dritten Finger befindet.
Dieser letztere Erkrankungsherd soll jetzt sogar unter der von mir
durchgeführten Behandlung mit 10% Chrysarobin-Traumaticin schon etwas
abgenommen haben, während in letzter Zeit ein Fortschreiten der ein¬
zelnen Krankheitsherde aber nur an isolirten kleinen Punkten, welche
sich dem Gefühle als Rauhigkeiten präsentirten, bis zum Handgelenke
zu constatiren ist.
Die genauere Inspektion ergab an dem r. Zeigefinger folgenden
Befund: An der Dorsalfläche der ersten Phalanx von dem Metacarpo-
phalangealgelenke an bis zur zweiten Phalanx sieht man etwa 15 bis
20 kleine stecknadelkopfgrosse schwarze Pünktchen. Diese scheinen bei
makroskopischer Besichtigung, ähnlich wie es Mi belli beschreibt, „aus
dem Centrum einer der rautenförmigen Figuren, die aus der Kreuzung der
normal in jener Region besonders ausgebildeten Hautfurchen entstehen“ her¬
vorgegangen zu sein. Kratzt man diese kleinen Erhöhungen ab, so sieht man
eine Vertiefung, welche in einen Schweissdrüsen-Ausführungsgang zu
münden scheint. Ausser diesen isolirten Efflorescenzen besteht in der
Mitte der Dorsalfläche der ersten Phalanx eine grössere erkrankte Fläche,
welche etwa 2 Cm. in der Länge und ungefähr % Cm. in der Breite
misst. Diese Plaque zeigt vor Allem einen in die Augen fallenden peri¬
pheren, ausgezackten hornartigen Wall, während das Centrum glatt, fast
normal aussieht und nur hin und wieder kleine spitze, harte Erhaben¬
heiten zeigt. Hierdurch wird zunächst der Eindruck hervorgerufen, als
ob man es nur mit gewöhnlichen Warzen zu thun hätte, aber bei ge¬
nauerem Zusehen erkennt man, dass der gleichmässig über die Oberfläche
sich erhebende Wall zwischen den Erhöhungen auch einzelne Vertiefungen
zeigt. Die Erhabenheiten entsprechen im Wesentlichen den keratotischen
Stellen an den Schweissdrüsen-Ausführungsgängen, die Vertiefungen den
dazwischen befindlichen Theilen. Besonders deutlich tritt diese Hyper-
keratose der Schweissdrüsen-Ausführungsgänge hervor, wenn man mit
einem Objectträger auf die Stelle drückt und sie auf diese Weise blut¬
leer macht. Um diesen Plaque befindet sich, ihn wie ein Kranz umgebend,
eine grössere Anzahl ähnlicher kleiner keratotischer Stellen. Einige iso-
lirte oder zu 4—5 zusammenstehende tief schwarz gefärbte keratotische
Stellen sieht man dann noch in geringerem Grade an der ersten und
zweiten Phalanx. An der zweiten Phalanx des Mittelfingers befinden sich
nur zwei keratotische Punkte, an der dritten Phalanx eine etwa hirse¬
korngrosse erkrankte Partie. An der oben bezeichneten Stelle des Hand¬
rückens zeigen sich ebenfalls ungefähr 20 bis 25 einzelne keratotische,
wie es scheint an den Schweissdrüsen- Ausführungsgängen befindliche
schwarze Punkte. An der Austrittsstelle der kleineu Flaumhärchen be¬
merkt man nichts Abnormes.
Archiv f. Dermatol, u. Syphil. Band XXXIX. 22
Gck igle
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o38
Joseph.
Während in Italien nach den Mittheilungen Mibelli's
und Respighi’s 1 ) die Erkrankung nicht gar so selten zu sein
scheint, ist aus Deutschland bisher noch kein Fall veröffent¬
licht, trotzdem Mibelli’s erste Mittheilung bereits aus dem
Jahre 1893 datirt; daher wird es interessiren, dass ich vor
kurzem noch einen zweiten hieher gehörigen Fall beobachtet
habe, dessen Abbildung ich auf Taf. XIII, Fig. 1 gebe.
Erkrankt war der 12jährige Max S. Sein Leiden soll angeblich
seit 8 Jahren bestehen und ist hauptsächlich auf die rechte Hand be¬
schränkt. Zuerst soll die Hauterkrankiing nur auf den gegen einander
liegenden Seiten des Zeige- und Mittelfingers der rechten Hand vorhanden
gewesen sein. Ungefähr 6 Monate später erschien die Aflection auch über
dem Gelenk zwischen 1. und 2. Phalanx des rechten Ringfingers, und
alle Bemühungen der bisher behandelnden Aerzte führten zu keinem
Resultate. Der Zustand änderte sich gar nicht, nur zeigten sich seit etwa
einem halben Jahre einige wenn auch geringe Erscheinungen im Gesichte.
Die genauere Besichtigung ergab, wie aus der Abbildung hervor¬
geht, dass sich der Hauptherd der Erkrankung in der That auf dem
Zeige- und Mittelfinger befindet. Die Affection erstreckte sich von dem
Dorsum der Grundphalange des Zeigefingers über die Interdigitalfalle
auf die Rückeniläche der Grundphalanx des Mittelfingers in etwa huf¬
eisenförmiger Gestalt. Der Zeigefinger ist auf der ulnaren Seite vom
ersten luterphalangealgelenk bis zum Metakarpophalangealgelenk befallen,
der Mittelfinger an der dem Zeigefinger zugewandten Seite vom Meta*
karpophalangealgelenk bis zur Mitte der Grundphalanx. Die proximale
Grenze der Affection liegt in der Höhe der Metakarpophalangculgelenke.
Die erkrankten Stellen sind scharf gegen die gesunde Haut abg< -
grenzt mit einem wallartig absteigenden Rande, welcher trocken, rauh,
hart ist und eine bräunliche Färbung zeigt. Die von dieser wallartigen
Peripherie eingeschlossene Hauttläche zeigt keine Spur von Entzündung
und macht einen normalen Eindruck. Nur an einigen wenigen punkt¬
förmigen Stellen sieht man eine kleine stachelige, warzige Erhabenheit,
nach deren Abheben eine Vertiefung zu J age liegt, welche einem Schweiss-
drüsenausführungsgange zu entsprechen scheint. Ebenso lassen die wall¬
artigen Prominenzen an der Peripherie der Plaques am Zeige- und Mittel¬
finger die Annahme zu, dass sie grossentheils mit den Schweissdriisen-
Ausführungsgängen Zusammenhängen, denn nach Abkratzen derselben
gelangt man in eine Vertiefung, welche gerade dem Schweissdrüsenporus
zu entsprechen scheint. Doch kommt an einigen, wenn auch wenigen
Stellen solch eine warzige Erhabenheit auch an einem Follikel vor. Die
zwischen den wallartigen Rändern gelegene Haut macht einen atrophischen
und dadurch viel zarteren Eindruck als an den anderen Stellen, im
') Mon. f. prakt. Dermat. Bd. XVJII. 1804 p. 70.
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Ueher Porokeratosis.
ooO
Uebrigen aber befinden sich hier weder Krusten noch sonstige /eichen
einer oberflächlichen Entzündung, wie auch Patient über keine subjeetiven
Beschwerden an diesen Stellen zu klagen hat.
An der radialen Seite des Mittelfingers befindet sich ein etwa den
Umfang einer Erbse einnehmender Plaque mit erhabenem warzenförmigem
trockenem Rande und einem atrophischen Ceutrum. I)er ganze Plaque
wurde zur mikroskopischen Untersuchung excidirt und ist daher auf der
Photographie (Taf. XIII, Fig. 1) nicht sichtbar. Schliesslich befindet sich
noch ein Erkrankungsherd, der auf der Abbildung deutlich sichtbar ist,
an dem vierten Finger und hatte hier etwa die Ausdehnung einer Bohne.
Sein Hauptherd sass an dem ersten Interphalangealgelenk mit denselben
Charakteren wie wir sie oben beschrieben haben. Von hier aus zweigte
sich ein wallartiger Streifen in fast gerader Richtung nach den Nägeln
zu ab mit den gleichen oben beschriebenen Charakteren, an denen he.
sonders wieder der Zusammenhang der stacheligen, warzigen Excrescenzen
mit den Schweissdrüsen-Ausführungsgängon deutlich zu demonstriren war.
An der rechten Seite des Unterkiefers haben sich neuerdings etwa
sechs linsengrosse rundliche, mit kleinen warzigen Excrescenzen bedeckte
Krankheitsherde gebildet. Dieselben sind ebenfalls über die Oberfläche
etwas erhaben und ungefähr kreisförmig ungeordnet, so dass sie einen
zackigen Wall in der Peripherie und in der Mitte eine atrophisch ein¬
gesunkene Stelle bilden.
Nach der hier gegebenen Beschreibung und der auf Tat’. XIII,
Fig. 1 befindlichen Abbildung wird die Aelmlichkeit der ein¬
zelnen Eruptionsformeu mit den von Mibelli und Respighi
gegebenen Abbildungen sofort in die Augen fallen. Nicht nur
die Localisation, sondern auch die Art der warzigen Efflores-
cenzen stimmt mit dem von diesen Autoren gezeichneten Bilde.
Allerdings stellen unsere beiden Falle noch Frühstadien des
Processes dar und daher ist es bei ihnen noch nicht zu der
hochgradigen Ausdehnung gekommen, wie sie von den beiden
genannten Autoren in Wort und Bild mitgetheilt ist. Wir haben
es in unseren beiden Fällen mit Frühformen dieser Krankheit
zu thuu, und dieses wurde auch durch die mikroskopische
Untersuchung 1 ) bestätigt.
Dieselbe ergab in beiden Fällen einen vollkommen iden¬
tischen Befund und die Veränderungen waren die gleichen
an den isolirten stacheligen Hervorragungen wie an den grossen
Plaques. Es bestand eine ausserordentliche Zunahme des Bete
') Die hier zugehörigen Präparate wurden
Herl. denn. Ges. demonstrirt.
in der Märzsitzung der
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340
Joseph.
Malpighii, welches sich hoch hinauf erstreckte und hier bis
weit in die hyperkeratotischen Partien durch seinen Zellen¬
charakter erkenntlich war. Ebenso hatte aber diese Hyper-
keratose zu einer Erweiterung der Interpapillarzapfen geführt,
welche auf diese Weise 4—6 Mal so breit als normal waren
und sehr stark .in die Tiefe des Coriums wucherten. Die da¬
zwischen befindlichen Papillen waren etwas verschmälert und
von einem dichten Zellinfiltrat ausgefüllt. Das letztere schliesst
sich enge, wie aus Taf. XIV, Fig. 3. ersichtlich ist, an die lang
ausgezogenen und stark erweiterten Capillaren an. Das Infiltrat
selbst besteht aus zahlreichen mononucleären Leukocyten und
Spindelzellen, während Mastzellen in dieser Gegend nur sehr
spärlich anzutreffen waren. Dagegen wurden die Mastzellen
zahlreich in der Tiefe des Coriums gefunden, wo sie sich zu¬
sammen mit den zahlreich vorhandenen mononucleären Leuko-
cyten den stark erweiterten Gefässen anschliessen. Auch zwi¬
schen den Schweissdrüsenglomeruli waren zahlreiche Mastzellen
zu finden. Die nach der Orceinmethode dargestellten elastischen
Fasern boten nichts abnormes dar.
Besondere Beachtung verdienen aber die hyperkeratotischen
Stellen. Denn hier zeigten sich einige Merkwürdigkeiten, welche
für diese Erkrankung specifisch sind, und welche ich noch bei
keiner anderen Aftection wiedergefunden habe. Es gehen näm¬
lich von den Schweissdrüsenausführungsgängen Hornkegel aus,
welche nicht nur wie aus Taf. XIV, Fig. 2 ersichtlich in den
Ausführungsgang eingekeilt sind, sondern auch (Taf. XIV, Fig. 4 s.)
über die Oberfläche hervorragen. An einzelnen Stellen ist diese
Prominenz schon ausgefallen, während sie an anderen noch
deutlich sichtbar ist und hier wie ein Büschel über die Ober¬
fläche hervorragt. Verfolgt man den Process weiter, so sieht
man nur, wie zunächst zu beiden Seiten solcher hyperkerato¬
tischen Schweissdrüsenausführungsgänge sich ähnlich wie in
Taf. XIV, Fig. 1 warzenförmige Erhabenheiten bilden, welche
allmälig sich excentrisch weiter ausbreiten und von den klein¬
sten Anfängen (Taf. XIV, Fig. 1) allmälig ziemlich grosse Dimen¬
sionen annehmen, ähnlich wie es auf Taf. XIV, Fig. 2 und 3
dargestellt ist. Manchmal sind sogar mehrere dieser hyper¬
keratotischen warzenartigen Gebilde in der Nähe eines Schweiss-
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lieber Porokeratosis.
341
drüsenausiuhrungsganges zu finden (Taf.XIII, Fig. 3) und zeichnen
sich durch ihr Höhenwachsthum aus, während an anderen
Stellen wiederum die warzenförmigen Gebilde durch ihr ex¬
centrisches Wachsthum auffallen und grosse Dimensionen an-
nehmen (Taf. XIH, Fig. 4 und 5). Dieselben zeichnen sich stets
dadurch aus und heben sich von ihrer Umgebung scharf ab,
indem in ihnen im Gegensatz zu der Umgebung eine grosse
Menge färbbarer Kerne in der Epidermis noch zu finden ist.
Dies geht am besten aus den vier ersten Zeichnungen der
Tafel XIV hervor. In Mitten solcher warzenförmiger Hervor-
ragungen sieht man dann oftmals einen theils geradlinig, theils
geschlängelten, korkzieherförmig verlaufenden Scliweissdrüsen-
ausführungsgang, welcher aber meist ganz normal ist und nur
an wenigen Stellen eine bereits beginnende Verhornung zeigt.
In diesen Partien ist auch gerade wie sich aus den Präparaten
ergibt, welche nach den von Dreysel und Oppler 1 ) empfoh¬
lenen Methoden gefärbt sind, das Keratohyalin deutlich vor¬
handen, während es an den nicht hyperkeratotischen Stellen
fehlt. An diesen letzteren ist wiederum ein deutliches Stratum
lucidum vorhanden. Es zeigen sich Eleidinkörnchen, und das
Stratum granulosum ist an manchen Stellen gar nicht deutlich
sichtbar, an anderen nur sehr gering, in ein bis zwei Zellagen
entwickelt. Ich kann hiernach bestätigen, was Dreysel und
Opple r als allgemeine Thatsache gefunden haben, dass bei
Krankheiten, welche wesentlich mit Verhornungsanomalien ein¬
hergehen, den Parakeratosen, niemals Eleidin gefunden wird
an den Stellen, wo die Kerne im Stratum corneum noch ihre
Färbbarkeit bewahrt haben, selbst wenn Keratohyalin an sol¬
chen Stellen noch nachweisbar ist.
An einzelnen Stellen sieht man deutliche Flaumhärchen
(Taf. XIII, Fig. 6) und etwas erweiterte Follikel, aus welchen
ebenfalls ein horniger Pfropf hervorragt und inmitten eines
hyperkeratotischen warzenartigen Gebildes liegt, genau so wie
wir es vorhin bei den excentrischen Hyperkeratosen der Schweiss-
drüsen beschrieben haben. Allerdings muss ich bemerken, dass
man solcher Stellen nur äusserst wenige findet. Indessen ist
*) Dieses Archiv Bd. XXX.
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M2
Joseph.
das Vorkommen derartiger Stellen doch aus der photographi¬
schen Aufnahme in Taf. XIII, Fig. 6 sicher klargestellt.
Auffällig war der grosse Reichthum an Schweissdrüsen,
welche sich in jedem Schnitte in vielfacher Zahl vorfanden
und hier sehr viel zahlreicher anzutreffeu waren als in der
Gegend des Fingerrückens der normalen Haut. Taf. XIV, Fig. 5
zeigt diese abnormen Verhältnisse. Zwischen den Scliweiss-
drüsenglomeruli fand ich zwar eine grosse Menge von Mast¬
zellen, aber sonst keine Infiltration. Die Schweissdrüsen selbst
zeigten zunächst nichts Abnormes und vor allen Dingen keine
solchen cystischen Erweiterungen, wie sie Mi belli beschrieben
hat und wie sie mir aus meinen Untersuchungen über den
Lichen ruber (dieses Archiv Band XXXVIII, Heft 1. 1807) sehr
genau bekannt waren. Indessen war es auffällig, dass man mit
bestimmten Färbungen, vor allem der Gram’schen Methode
eine ziemlich beträchtliche Menge von lverntheilungstiguren
erkennen konnte. Auf Taf. XIV, Fig. fi sind einige derselben
abgebildet.
Vergleichen wir die von mir an den beiden Patienten
beobachteten klinischen und histologischen Bilder mit den von
M i b e 11 i und It e sp i g h i herrührenden Schilderungen, so haben
wir es in allen diesen Fällen zweifellos mit einem gleichartigen
Krankheitsprocesse zu thun. Allerdings bestehen kleine Diffe¬
renzen, welche sich aber wohl hauptsächlich durch die ver¬
schieden lange Dauer des Leidens in den einzelnen Fällen
erklären lassen.
Diese Dermatose setzt gewöhnlich schon im frühesten
Lebensalter ein. Meine beiden Patienten hatten ebenso wie die
von Mibelli und Re sp igln zuerst beschriebenen ihre Poro-
keratosis schon seit der frühesten Kindheit. Auch Dubreuilh ')
berichtet über einen achtjährigen Knaben, welcher die Affection
seit seinem ersten und Hut ch ins 2 ) über einen ;52jährigen
Patienten, der die Affection seit seinem 2. Lebensjahr hatte.
Dagegen begann die Erkrankung bei den von Iieisner 3 ) aus
Prof. Wolff’s Klinik in Strassburg berichteten Falle erst im 1
') Intern, dertuat-. Congress zu London. lsOii.
V) Journal of cutan. and in*nito-urin. dis. Ort. Is9f5.
3 ) Inaug.-Dissert. Strasslmn; lMMi.
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Heber Porokeratosis.
343
bei einem der von Iiespighi 1 ) beschriebenen Falle etwa im
25. Lebensjahre und bei einem Patienten Mibelli's sogar erst
im Alter von 55 Jahren. Meist localisirt sich die Affection nur
an den Händen, den Unterarmen und dem Gesicht. Doch war
in den von Reisner und Respighi mitgetheilten Beob¬
achtungen 2 ) das Exanthem sogar über einen grossen Theil des
Körpers verbreitet.
Die Frage, ob es sich hier um eine besondere Form der
Keratosenbildung handle, glaube ich mit Ja beantworten zu
müssen. Dafür scheint mir vor Allem das klinische Aussehen
der Affection zu sprechen, welche mit keiner ähnlichen Derma¬
tose meiner Ansicht nach verwechselt werden kann. Diese scharf
umschriebenen Erkrankungsherde mit ihrem sich deutlich von
der gesunden Umgebung abhebenden hyperkeratotischen Walle,
welcher die Neigung hat sich excentrisch auszubreiten, während
in der Mitte dieser Scheiben eine Atrophie der Haut eintritt,
machen das klinische Bild unverkennbar.
Die Aehnlichkeit dieser Affection mit einem Lichen ruber
planus scheint mir nur eine geringe zu sein und wenn nicht
schon das klinische Aussehen und der Verlauf des Lichen,
welcher mit der Porokeratose gar keine Gemeinschaft hat,
gegen eine Vermengung beider Krankheitsbilder spräche, so
sollte es der histologische Befund thun, welcher beim Lichen
ruber (conf. meine anatomischen Untersuchungen, dieses Archiv
Band XXXVIII) vollkommen different von der uns hier be¬
schäftigenden Krankheit ist. Eine Aehnlichkeit der Porokera-
tosis mit gewöhnlichen Warzen liegt entschieden vor, auch
Mi belli beschreibt die Eftiorescenzen als warzenförmige Ge¬
bilde und bemerkt bei seinem zweiten Patienten sogar (p. 425
Mon. f. prakt. Derm. Band XVII 1893), dass sie auf den
ersten Blick das Bild gewöhnlicher harter Warzen der Iland
darboten. Auffälliger Weise sassen die meisten dieser Gebilde
ebenso wie bei meinem Patienten auf den Streckseiten der
■) (.iiorn. ital. doll. Malatt. Ven. e dell. Pelle. Fase. I. 1805.
5 ) Ausser diesen bisher in der Literatur mitgetheilten Beobach¬
tungen über Porakeratosis dürfte wohl auch ein von Rudojawzew als
Keratosis linearis in der russ. derm. Ges. v. 28. Jau. 1895 (Mon. f. prakt,
Derm. Bd. XXII. 189li p. 181) vorgestellter Fall hierhin zu rechnen sein.
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344
Joseph.
Extremitäten. Indessen weisen sowohl Mibelli wie Respighi
(p. 83 Monat, f. prakt. Dermat. Band XVIII 1894) sehr
eingehend auf die Unterschiede dieser beiden Affectionen hin.
Eine Verwechselung mit Tuberculosis verucosa cutis kann wohl
nur auf den ersten Blick erfolgen, aber nicht nur der weitere
Verlauf, sondern vor Allem auch die histologische Untersuchung
wird hier marcante Unterschiede ergeben. Schliesslich bleibt
nur noch eine Verwechslung dieser Erkrankung mit der Ich¬
thyosis übrig, und in der That haben sowohl Tornasoli
(citirt bei Mibelli) wie Majocchi (Monat, f. prakt.
Dermat. p. 77 Band XXII 1896) die Forokeratosis für eine
Varietät der Ichthyosis erklärt. Auch Mibelli betont die
Aehnlichkeit der Affection mit der Ichthyosis hystrix. Indessen
hat er sowohl wie Respighi schon auf die Differenzpunkte
dieser beiden Affectionen hingewiesen, so dass ich es mir ver¬
sagen kann, hier ausführlicher darauf einzugehen. Die bei der
Forokeratosis beobachtete Localisation des Erkrankungsprocesses
würde allerdings nicht gegen Ichthyosis sprechen, da wir wissen,
dass hier mannigfache Varietäten Vorkommen. Ich habe mir
erlaubt, schon früher (Verhandlungen der deutschen dermato¬
logischen Gesellschaft, IV. Congress Seite 407) an der Hand
eines einschlägigen Palles 1 ) darauf hinzuweisen, dass die Ich-
') Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweiscn, dass mir
Jarisch (Verhandl. d. deutschen dermat. Ges. V. Congress 1896 p. 103)
nicht Recht zu haben scheint, wenn er meinen Krankheitsfall vielleicht
zu der Psorospermosis follicularis (Darier’sche Dermatose) zurechnen
will. Ich hatte ja selbst darauf hingewiesen, wie gross klinisch die Aehn¬
lichkeit ist und der einzige, welcher aus Berlin einen derartigen Fall be¬
schrieben hat, Buzzi, stimmte mit mir in dieser grossen Aehnlichkeit
überein. Aber es fehlten die sogeuannten Psorospermien! Wenn nun
Jarisch meint, dass auch diese nicht einmal mehr als typisch für das
Bestehen der Darier’schen Dermatose angesehen werden, so liegt wie
mir scheint überhaupt kein Grund vor an der klinischen Eigenart dieser
Erkrankung festzuhalten. Es würde sich vielleicht verlohnen, alle in der
Literatur niedergelegten Krankheitsfälle sogenannter Darier’scher Der¬
matose daraufhin zu revidiren, ob sie 1. einen einheitlichen Typus dar¬
stellen und 2. nicht vielleicht unter andere uns bereits sehr gut bekannte
Kategorien von Hautkrankheiten wie z. B. die Ichthyosis unterzubringen
sind. Bis dahin halte ich aber auch daran fest, dass der von mir auf dem
Breslauer Congress berichtete Krankheitsfall zu den atypischen Formen
der Ichthyosis gehört.
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Ueber Porokeratosis.
345
thyosis auch einmal atypisch verlaufen kann, indem sie nur an
den sonst von dieser Erkrankung verschonten Stellen z. B. den
Gelenkbeugen, Achselfalten etc. auftritt. Indessen sprechen
ausser den schon von Mibelli und Respighi angeführten
Gründen besonders der Verlauf der Porokeratose und der
histologische Befund gegen ein Zusammenwerfen dieses Krank¬
heitsbildes mit der Ichthyosis. Unter Anderen ist das Stratum
granulosum bei der Porokeratosis nur sehr gering ausgebildet,
während es bei den gewöhnlichen Warzen sowohl, als vor Allem
bei der Ichthyosis hochgradig entwickelt ist. Selbst ein so eigen¬
artiger Fall von Ichthyosis, wie ihn Giovannini 1 ) beobachtet
hat zeigt, doch wesentliche histologische Differenzen von der
Porokeratosis. Allerdings fanden sich auch dort Prominenzen
der Schweissporen, die Schweissdrüsengänge zeigten cysten¬
artige Erweiterungen, während die Knäuel normal -waren, es
fanden sich auch zahlreiche Mitosen im Epithel der Schweiss¬
drüsengänge, aber das wesentliche, was der Porokeratosis das
charakteristische Gepräge verleiht, die von den Schweissdrüsen-
mündungen ausgehende excentrische Hyperkeratose, diese fehlte
in der Beobachtung Giovannini’s.
Viel wesentlicher aber als alle klinischen Gründe ist für
die eigenartige Stellung dieser Dermatose das histologische 2 )
‘) Dieses Archiv Band XXVII 1894.
*) Bedauerlicherweise fehlt in dem von Hallopeau (Annales de
Dermatol, et de Syphil. 1895 p. 480) vorgestellten Falle von einer auf
die Palmar- und Plantarflächen beschränkten und an den Sehweissdrüsen¬
mündungen localisirten Hyperkeratose die mikroskopische Untersuchung.
Ohne diese ist es schwer zu sagen, ob nicht vielleicht jene Beobachtung
ebenfalls mit zur Porokeratosis zu zählen wäre. Das Gleiche gilt für die
schon früher von Besnier und H a 11 o p e a u mitgetheilten Beobach tungen,
die bereits Mibelli in seiner ersten Arbeit kritisch erwähnt. Hallo¬
peau glaubt zwar, seine Beobachtung unterscheide sich von der Poro¬
keratose vor Allem durch die Localisation, da bei der letzteren Hand¬
teller und Fusssohlen freiblieben. Indessen scheint mir das kein genü¬
gendes Unterscheidungsmerkmal zu sein, da wir vielleicht bei weiteren
Beobachtungen, welche aber vor Allem auch histologisch untersucht sein
müssen, diese Stellen ebenfalls als Sitz der Porokeratosis kennen lernen
werden. So zeigt besonders auch der neuerdings von Hutchins (1. c.)
publicirte Fall die Localisation der Erkrankung ausser an anderen Stellen
hauptsächlich auf den Palmarflächen der Hände. Wenn zwar an diesem
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34<> Joseph.
Bild. Ein dem Aehnliches ist bisher bei keiner anderen Affec-
tion beschrieben worden. Ich kann allerdings nicht ganz genau
das histologische Bild, welches Mi belli so ausgezeichnet be¬
schrieben hat und von dem auch Respighi nur in unwesent¬
lichen Punkten abweicht, in meinen Präparaten wiederfinden.
Das liegt aber vielleicht daran, dass sich meine beiden Patien¬
ten in dem Anfangsstadium ihrer Erkrankung befanden. Ich
habe hier höchst wahrscheinlich auch histologisch das frühe
Stadium der Affection zur Untersuchung bekommen, und in¬
sofern glaube ich, dass meine anatomische Untersuchung eine
geeignete Ergänzung der von Mibelli erhobenen Befunde
darstellt. Das lässt sich daraus schliessen, dass ich in den
byperkeratotischen oder vielmehr nach U n n a parakeratotischen
Partien noch Hornzellen mit deutlich färbbaren Kernen vor¬
finde. Dies prägt sich besonders deutlich in den mit Tbionin
gefärbten Präparaten aus. Doch kann ich hierin mit Mibelli
ii herein stimmen, dass es sich um eine hochgradige gerade in
der Gegend der Schweissdrüsenausführungsgänge gelegene
Hyperkeratose handelt, welche nicht nur die Ausführungsgänge
der Knäueldrüsen, sondern auch die angrenzenden Partien in
hohem Masse beeinflusst. Ob diese Hyperkeratose freilich stets
von den Schweissdrüsenausführungsgängeu ausgeht, wie es
Mibelli will, oder die Hornsubstanz erst durch den kerato-
tischen Process in die Knäueldrüsenausführungsgänge hinein¬
gelangt, wie Majocchi (1. c.) annimmt, wageich nach meinen
eigenen Untersuchungen nicht zu entscheiden.
Trotzdem bleibt aber noch immer die eigenthümliche Art
von Hyperkeratose mit ihrem excentrischen Wachsthum und
der centralen Betheiligung der Schweissdrüsen übrig, welche
ich von keinem anderen ähnlichen pathologischen Objecte der
Haut weder aus eigener Anschauung, noch aus der Literatur
kenne. Denn weder bei meinen Studien des Lichen ruber planus
(1. c.) noch bei gewöhnlichen Hautwarzen, mit welchen ja die
Porokeratosis bei oberflächlicher Betrachtung noch die grösste
Aehnlichkeit hat, konnte ich ein gleiches histologisches Bild
letzteren Falle die histologische Untersuchung leider ebenfalls fehlt, so
knnn man doch aus der gesammten klinischen Beschreibung wohl sagen,
dass hier ein sicherer Fall von Porokeratosis Vorgelegen hat.
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347
lieber Purokerato'is.
finden. Unter anderem sind bei der Porokeratosis die Verände¬
rungen im Corium gegenüber den Verrucae hervortretend. Den
von M i b e 11 i beschriebenen Hornpropf, welcher aus den Schweiss-
drüsenausfuhrungsgängen hervorragt, konnte ich nur andeutungs¬
weise in Taf. XIV, Fig. 4 wiederfinden. Dagegen sah ich viel
häufiger das Bild, wie es in Taf. XIV, Fig. 1 und Taf. XIII, Fig. 2
und 3 abgebildet ist, nämlich den Schweissdrüsenausführungs-
gang von einer Hornlamelle verschlossen, während sich zu bei¬
den Seiten hyperkeratotische Wälle erheben. Diese letzteren
dehnen sich nach den Seiten hin mächtig aus (Taf. XIII, Fig. 5
und Taf. XIV, Fig. 2), während die Mitte einsinkt. Möglich dass
hierbei der aus dem Schweissdriisenporus herausragende feder¬
buschartige Hornpfropf bereits ausgefallen ist, wie es M i b e 11 i
auch als ein zuweilen eintretendes Vorkommniss beschreibt.
Merkwürdig sind aber in meinen Präparaten die in den
hyperkeratotischen Erhebungen befindlichen, lang ausgezogenen
Schweissdrüsenausführungsgänge, welche theilweise sogar eine
gelb verfärbte, wie es scheint hornige Masse enthalten. Meine
Präparate umfassen nicht warzenförmige Bildungen, ähnlich
wie sie Mibelli in einem Theile seiner Präparate (1 c) ge¬
funden hat, wo die intraepidermidalen Abschnitte der Knäuel¬
drüsengänge grossentheils noch durchgängig blieben, trotzdem
sie in den Verhornungsprocess hineingezogen waren. Ein we¬
sentlicher Unterschied zwischen Mibelli’s Beobachtungen
und meinen liegt aber in dem Verhalten der Schweissdrüsen-
knäuel und der Ausführungsgänge. Zur Erklärung dieser Diffe¬
renzen vermuthe ich, wie schon früher gesagt, dass ich in
meinen beiden Beobachtungen ein Frühstadium dieses Processes
vor mir gehabt habe. Meine Patienten waren jugendliche Indi¬
viduen, welche die Affection nicht so lange gehabt hatten, wie
der Patient Mibelli’s (Bolzani). Zu dieser Ansicht werde ich
durch die Veränderung der Schweissdrüsen geführt, welche in
meinen Präparaten nichts von dem nachwiesen, was Mibelli
als charakteristisch beschrieben hat, und wovon ich mich auch
an den Präparaten überzeugen konnte, welche Mibelli so
liebenswürdig war, mir zu übersenden. Mibelli beschreibt
vor allem die in der That auffälligen cystischen Erweiterungen
der Schweissdrüsen, die mir von meinen Untersuchungen über
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348
Joseph.
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den Lichen ruber sehr bekannt waren. Solche cystischen Er¬
weiterungen konnte ich bei meinen beiden Patienten mit Poro-
keratosis nicht bemerken.
Dagegen traf ich in den Schweissdrüsen eine mir höchst
auffällige Erscheinung, nämlich eine grosse Menge von Karyoki-
nesen. Im Gegensätze zu den Talgdrüsen, wo wir ja sehr häufig
Kerntheilungsfiguren finden, ist es immer überraschend, aber
leicht erklärlich, dass wir in den Schweissdrüsen fast nie oder
nur ausnahmsweise karyokinetische Figuren constatiren können.
Ich habe in einer früheren Arbeit 1 ) bei meinen experimentellen
Versuchen an Katzen hierauf sehr viel geachtet, aber in Ueber-
einstimmung mitBizzozero und Vasale 2 ) habeich niemals
daselbst, selbst nicht nach vorhergehender Pilocarpininjection
Kerntheilungsfiguren finden können. Auch beim Menschen habe
ich bei zahlreichen daraufhin gerichteten Untersuchungen nie¬
mals derartige Verhältnisse angetroffen. Dagegen war ich über¬
rascht, in meinen Präparaten von Porokeratosis eine grosse
Zahl von Karyokinesen zu finden, wie sie auf Taf. XIV, Fig. 6
dargestellt sind.
Ich denke mir den Vorgang unabhängig davon, ob die
Hyperkeratose von den Schweissdrüsenausführungsgängen aus¬
geht oder nicht, so, dass nachdem die Schweissdrüsenausfüh-
rungsgänge jedenfalls durch die hyperkeratotischen Massen
verlegt sind, nun das Bestreben der secernirenden Theile der
Schweissdrüsen hervortritt, jeden Widerstand zu überwinden.
Dieser vermehrten Anspannung von Kräften, dem Verbrauch
von parenchymatösen Zellen in den Schweissdrüsen, entspräche
das vermehrte Auftreten von Kerntheilungsfiguren, und die
hyperplastische Zunahme der Schweissdrüsen selbst, 3 ) auf
') lieber Schweiss- und Talgdriisensecretion. Archiv f. Anat. und
Physiol. Physiol. Abth. 1891 p. 81.
7 ) Med. Centralbl. 1S84 p. 77 u. 179. Virchow’s Archiv 1887 p. 110.
# ) Uebrigens will ich nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass
nach Petersen (dieses Archiv 1893 Band XXY p. 442) die einfache
Hypertrophie der Schweissdrüsen auch bei weichen Warzen, Ichthyosis,
acuten und chronischen Ekzemen, sowie bei Prurigo beschrieben ist,
ebenso wie Beier (dieses Archiv 1895 Band XXXI p. 337) eine hoch¬
gradige Hyperplasie der Knäueldrüsen bei einem Naevus subcutaneus
(Virchow) beschreibt.
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Ueber Porokeratosis.
349
welche wir oben ebenfalls hingewiesen haben und welche wir
in allen unseren Präparaten bestätigen konnten. Erst später
lässt die Thätigkeit der Schweissdrüsen nach, und es findet nun
eine Erweiterung der Knäuel statt, wie sie Mibelli in seinen
wahrscheinlich vorgeschrittenen Stadien vor sich gehabt hat.
Auch durch die übrigen histologischen Befunde werde
ich in meiner Annahme bestärkt, dass Mibelli einen viel
weiter vorgeschrittenen Process vor sich gehabt hat, als ich
ihn in meinen Präparaten finden konnte. Bestätigen kann ich,
dass der Process mit einer starken Wucherung des Rete Mal-
pighii beginnt. Es handelt sich hier also um keine reine Hy-
perkeratose, sondern es geht ihr eine Hyperakanthose voran.
Aber es fehll in meinen Präparaten im Gegensatz zu Mibelli
der Stillstand der Wucherung des Rete Malpighi und das
Weichen der Zellen der Stachelschicht gegenüber den sich in
die Zapfen einsenkenden Hornzellen. Auch verfallen sie nicht,
wie Mibelli sah, bereits in den untersten Schichten einem
frühzeitigen Verhomungsprocesse, im Gegentheil, die Zellen mit
gut färbbaren Kernen lassen sich sehr weit bis in die oberen
Schichten der warzenförmigen Bildungen hineinverfolgen. In
meinen Präparaten sah man fast überall nur eine starke Hy¬
pertrophie des Rete Malpighii, aber noch keine Atrophie des¬
selben. Dieses fasse ich als Zeichen der Frühstadien des Pro-
cesses auf, und auch Mibelli sah einzelne solche Stellen, wo
das Rete Malpighii zahlreiche, zum Theil sehr lange und ver¬
ästelte Fortsätze aussandte und deutlich gewuchert war. Da¬
gegen sah ich das folgende von Mibelli beschriebene Stadium,
in welchem diese Wucherung stille gestanden und darauf das
Rete in seiner Gesammtheit in Folge der Compression durch die
daraufgelagerte Hornschichte atrophisch geworden war, nur an
äusserst wenigen Stellen. Ebenso sah ich zwar an vielen Stellen
stark in die Länge und Breite gewucherte Fortsätze des Rete,
welche von einem Schweissdrüsengang durchzogen waren, aber
es kam noch nicht dazu, wie es Mibelli beschreibt, dass
die hypertrophische Schicht bis auf die tiefsten Partien
herunterstieg.
Schliesslich kann ich auch nach meinen Untersuchungen
nicht mit Mibelli übereinstimmen, dass bei diesem Krank-
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350
Jose p k.
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heitsvorgauge die Haarfollikel zu Grunde gehen. Im Gegentheil
muss ich hierin Respighi vollkommen Recht geben, dass an
einigen Stellen die Haarfollikel ebenfalls an dem hyperkera-
totischen Processe betheiligt sind. Es geht dies am besten aus
Taf. XIII, Fig. 2 und 6 hervor. Indess stellt dieser Vorgang nur
die Ausnahme dar, in der Regel geht der krankhafte Process
von dem Schweissdrüsenausführungsgang aus.
Auf den Einwand, als ob die hier beschriebene Hyper-
keratose nichts Eigenartiges bedeute, sondern bei vielen ande¬
ren Krankheiten, wenn auch vielleicht in vermindertem Masse
vorkomme, brauche ich hier nicht einzugehen. Mibelli hat
eingehend und überzeugend nachgewiesen, dass man zwar auch
mitunter bei anderen Dermatosen ausnahmsweise einmal einen
Hornkegel aus den Knäueldrüsencanälen hervorgehen sieht.
Aber dieses findet dabei doch nur immer ausnahmsweise statt,
und ausserdem kann das klinische Bild jener Krankheiten zu
keiner Verwechslung mit der Porokeratosis Veranlassung
geben. Man findet zwar auch beim Lichen ruber mit¬
unter Anhäufungen von Hornschicht au den Schweissdrüsen-
ausführungsgängen. Auch Mourek weist in seiner Arbeit
über Pityriasis rubra pilaris auf Seite 88 darauf hin, dass er
Anhäufungen mächtiger Hornschichten über den Ausführungs¬
gängen der Schweissdrüsen gefunden habe, aber das ganze
anatomische Bild ist. doch bei der Porokeratosis ein anderes
als beim Lichen ruber etc. Es bleibt also die Specifität der
hier beschriebenen Hyperkeratose an den Schweissdrüsenporen
bestehen, und Mibelli gebührt das Verdienst, die Selbst¬
ständigkeit und Eigenart dieser Affection als Erster erkanut
und genauer beschrieben zu haben. Ich halte es auch für
richtig, den kurzen und prägnanten Namen, welchen Mibelli
dieser Affection gegeben hat, Porokeratosis, beizubehalten, wenn
er auch nicht alle klinischen und histologischen Charaktere
dieser Erkrankung umfasst. Ich sehe aber keinen Vortheil
davon, wenn wir Respighi 1 ) folgend, statt dessen die Be¬
zeichnung Hyperkeratosis oder Keratodermia excentrica ein¬
führen wollten. Die kleinen Unterschiede, welche Respighi
*) Giorii. itnl. delle iuahittie venereo e della pelle 18U5. I. lief, in
Mon. f. prakt. Dermat. 1SD5 Bd. XXI p. 4M.
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Telier Porokerulosis.
351
in diesem letztbeobacliteten Falle gegenüber seinen früheren
fand, sind vielleicht ähnlich, wie ich es schon oben in meinen
beiden Beobachtungen ausführte, auf die verschiedenen Stadien
desselben Processes zurückzuführen.
Auf die Theorie Mibelli’s von einer rein functioneilen
Störung der Sclmeissdrüsenporen, d. h. einer Störung der
Schweisssecretion, welche in abnormer Weise wirkend eine
Hyperkeratose erzeugen würde, wollen wir nicht eingehen, da
sie nichts weiter als eine Hypothese zu sein beansprucht. Wie
dem auch sein mag, meine Arbeit soll nur e^nen kleinen Bei¬
trag zu den thatsächlichen Befunden bei dieser, wie es scheint,
seltenen und interessanten Dermatose geben. Haben sich der¬
artige Angaben gemehrt, dann ist es Zeit, sich an eine Hypo¬
these heranzuwagen. An der Eigenartigkeit des klinischen
Processes kann meiner Ansicht nach kein Zweifel bestehen,
trotzdem noch nicht volle Uebereinstimmung über den ursäch¬
lichen Vorgang der Hyperkeratose und die Betheiligung der
Schweissdrüsen besteht. Aufgabe weiterer Untersuchungen wird
es nun sein, die fehlenden Tkeile in diesem Bilde zu er¬
gänzen.
Was die Therapie betrill't, so will ich schliesslich noch
hinzufügen, dass mir alle bisher angewandten Mittel kein defi¬
nitives Resultat gaben. W T eder die Salicylsäure noch eine Reihe
anderer keratolytischer Mittel erwiesen sich als dauernd erfolg¬
reich. Bei kleinen umschriebenen Stellen trat nach der Excision
der erkrankten Stellen kein Reeidiv ein.
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Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIII u. XIV.
Taf. XIII. Fig. 1. Die rechte Hand des zweiten Patienten. Fig. 2
bis Fig. 6. Tubus eingeschoben. Vergröss. etwa 1/40. Erklärung der Fi¬
guren 2—6 aus dem Texte ersichtlich.
Taf. XIV. Fig. 1. Vergröss. 36/1. Färbung mit Thionin-Eosin. a Hy¬
pertrophische Hornschicht mit färbbaren Kernen, bei von einem Schweiss-
drüsen-Ausführungsgang durchsetzt, b Rete Malpighii mit Verbreiterung
der interpapillären Zapfen, bei * ein Schweissdrüsengang. c Cutis mit
Gefässen und kleinzelliger Infiltration.
Fig. 2. Vergr. 36/1. Färbung mit Thionin. a Hypertrophische Horn¬
schicht, die Färbbarkeit der Kerne erhalten. Schweissdrüsen-Ausfüh-
rungsgang mit verhornter gelblich gefärbter Wandung, b Rete Malpighii.
c Cutis mit Infiltrat, t Talgdrüsen.
Fig. 3. Vergr. 36/1. Färbung mit Thionin. Partie von mehr verru-
cösem Charakter, o Hypertrophische Hornschicht mit Kernen, bei von
einem Schweissdrüsengang durchsetzt, b Rete Malpighii mit verbreiterten
und stark verlängerten interpapillären Zapfen. / Haarfollikel, p Stark
verlängerte Cutispapillen, cp Langgestreckte Capillaren. i Dichtes klein¬
zelliges Infiltrat der subpapillären Cutisschicht, s Schweissdrüsengang
zu s t gehörig.
Fig. 4. Vergr. 36/1. Färbung mit Thionin-Eosin. Bei Mündung
einer Schweissdrüse mit herausragenden, gelblich gefärbten Hornmassen.
Fig. 5. Vergr. 36/1. Färbung mit Thionin. s Ausführungsgang.
Drüsenknäuel, fg Fettgewebe, mz Mastzellen.
Fig. 6. Schweissdrüsen mit Kerntheilungen der Epithelien, k, Fär¬
bung nach Gram. Vergröss. 330/1.
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Ein seltener Fall regionärer Atherora-
cystenbildung (Molluscum atheromatosum
Kaposi) an der Scrotalhaut.
Von
Dr. Nicolaus Ostermayer in Budapest.
Vom Titel verleitet, könnte in so manchem Leser der
Glaube erweckt werden, dass ich in dieser Mittheilung höchst¬
wahrscheinlich einen Fall von Molluscum contagiosum Bate-
man (Molluscum sebaceum Hebra, Epithelioma molluscum
Virchow, Acne varioliformis B a z i n etc.), eine ziemlich häu¬
fige Hautaffection beschreiben will, bei welcher es sich meist
um ein gruppenweises, regionäres Auftreten von warzigen,
stecknadelkopf- bis erbsengrossen, flachkugeligen, constant mit
einer Delle versehenen, weisslich durchschimmernden Bildungen
der Haut des Scrotum, Penis, der grossen Labien, des Mons
veneris und Gesichtshaut, seltener des Halses, des Stammes
und der Extremitäten handelt. Diese letzteren sind zwar,
gleich den Atheromcysten, Retentionsgeschwülste der Talg¬
drüsen, zeigen jedoch in formeller Beziehung Unterschiede
gegenüber den Atheromen, weshalb auch Kaposi 1 ) zum Zweck
klinischer Differenzirung die ersteren, die warzenförmigen Bil¬
dungen als Molluscum verrucosum, die letzteren cystenartigen,
Molluscum atheromatosum benannt wissen will. Um dieser
eventuell vorausgefassten unrichtigen Meinung keinen weiteren
Spielraum zu geben, muss ich betonen, dass sich meine Be¬
obachtung auf einen Fall bezieht, in welchem die ganze Scro¬
talhaut von typischen Atheromcysten, von Follikelcysten der
Haarbalgdrüsen, also Molluscum atheromatosum nach Kaposi
in grosser Zahl und verschiedener Grösse besetzt war, was
jedenfalls zu den grösseren Seltenheiten gehört, warum ich
den Fall auch mittheilenswerth halte und ihn hiemit der
Oeffentliclikeit übergebe.
Zolt&n D., 31jähriger lediger Telegraphenbeamter wurde am 3. Oct.
1893 auf die Chirurg. Abtheilung des allg. Krankenhauses St. Johann in
Budapest aufgenommen. Der Kranke gibt an, schon seit circa 6 Jahren
at» Geschwulstbildungen am Hodensack zu leiden. Beschwerden irgend-
‘) Pathologie und Therapie der Hautkrankheiten. 1887.
Archiv f. Derinat. u. Syphil. Band XXXIX. 23
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welcher Art haben ihm jene nicht verursacht. Die Scrotalhant war früher
immer gesund; weder entzündliche noch andere Erkrankungen derselben
sind vorausgegangen. Vor 4 Jahren wurde er derentwegen in einem
Militärspitale antisyphilitisch behandelt, weil man sie für syphilitische
Neubildungen hielt, trotzdem Kranker angeblich nie venerisch inficirt war.
Stat. praesens: Die gesammte Hodensackhaut von zahlreichen,
dicht wie die Beeren einer Traube angeordneten, von haselnuss- bis
stecknadelkopfgrossen, kugligen, weisslichgelb, fettartig durchschimmem-
den, derb elastisch sich anfühlenden Geschwülsten vorgebuchtet. Der An¬
blick war ein so fremdartiger, so eigentümlicher, dass ich es noch heute
bedauere, das Object nicht abbilden gelassen zu haben. Die schon an
und für sich dünne Scrotalhaut war über den Geschwülsten äusserst
verdünnt, gespannt und so durchsichtig, dass die gelbe Farbe des Inhalts
der cystösen Neubildungen ganz saturirt hervorstach. Die grössten Ge¬
schwülste sassen an der Vorder- und Unterseite beiläufig in parallelen
Linien neben der Kaphe beiderseitig angeordnet. An den Seitenflächen
und in der Nähe der Crena ani nimmt die Grösse der Geschwülste
stufenweise ab.
Um der dringenden Bitte des Kranken — die Geschwülste zu be¬
seitigen — naehzukornmen, wurde folgendes Verfahren eingeleitet: In
Chloroformnarkose wird am 6. October 1893 zunächst zu beiden beiten
der I!ai>he scroti beiläufig in der Mitte der Hodensackhälften je ein von
oben vorn nach unten hinten das Scrotum umkreisender Schnitt vorsichtig
angelegt und von diesen aus die Auslösung der grössten und grösseren
Geschwülste bewerkstelligt. Wegen der Dünnheit des Balges bersten
einige, entleeren ihren breiigen Inhalt, wonach der Balg auspräparirt,
ausgeschält wird. Einige grössere, die ausser dem Bereiche des Schnittes
liegend von diesen aus nicht erreicht werden konnten, werden mittelst
separat angelegter Schnitte blossgelegt und enucleirt. Die hanfkorn-
grossen und noch kleineren Knötchen werden mit dem glühenden Spitz¬
brenner des Paquelin’schen Thermocauter zerstört, damit ein weiteres
Wachsen, eine Zunahme der Geschwülste verhindert wird und eine Re-
cidive nicht eintritt. Zum Schluss werden die zwei langen Schnitte
genäht und ein Jodoformgazewattaverband angelegt.
Die Heilung verlief anstandslos, so dass der Kranke am 21. Oct.
vollkommen geheilt entlassen werden konnte. Nach einem Monate stellte
er sich vor und fand ich schon zu dieser Zeit einige hirsekorngrosse,
weissliche, neueutstandene Knötchen. Sie wurden so wie bei der ersten
Gelegenheit mit dem Paquelin zerstört.
Die anatomische Untersuchung der exstirpirten Tumoren
ergab eine vollkommene Identität dieser mit den gewöhnlichen
\theromcysten, sowohl bezüglich der Structur des Balges als
auch des Charakters des Inhalts.
Durch Zufall bekam ich den Kranken Mitte März 1897
zu Gesicht, wobei die Untersuchung des Scrotums wohl weiss¬
liche Narben, jedoch keine Kecidive aufwies.
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Ueber die Behandlung des Lupus vulg. mit
besond. Berücksichtigung der Thiersck-
schen Transplantationsmethode.
Von
l)r. J. Fabry in Dortmund.
Die folgenden Zeilen sollen eine Fortsetzung sein des in
der Festschrift des Arnsberger Vereins veröffentlichten
Aufsatzes über die tuberculösen Erkrankungen der Haut. 2 ) Dort
konnte die Behandlung nur kurz gestreift werden und wurde
in erster Linie Werth darauf gelegt, an der Hand eigenen Be-
obachtungsmaterials die Hauptformen der Hauttuberculose zu
besprechen, deren strenge Scheidung vorwiegend durch die
Arbeiten von Friedländ er, Koch, Doutrelepont, Leloir.
Chiari, Riehl, Lang u. A. nicht mehr anzufechtende That-
sachen geworden sind.
Ein Blick in die modernen Lehrbücher lehrt uns denn
auch, dass die Trennung der Hauttuberculose in die drei we¬
sentlichsten Repräsentanten: Lupus, Scrofuloderma und Tuber-
culose der Haut im engeren Sinne resp. tuberculöses Geschwür
heute allgemein anerkannt ist als eine in dem pathologisch¬
anatomischen wie klinischen Befund hinreichend sich begrün¬
dende wissenschaftliche Wahrheit.
') Nach einem im Verein der Aerzte des Regierungsbezirks Arns¬
berg gehaltenen Vor trage.
*) Fabry. Ueber die tnberculösen Affectionen der Haut. Festschr.
des ärztl. Vereines des Reg.-Bez. Arnsberg. 1893.
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35G
Fabry.
Auch hier hat sich einmal wieder das gezeigt, was in
allen Zweigen der Wissenschaft Erfahrung ist, dass anerkannte
Wahrheiten jedem so einfach und plausibel erscheinen, dass
man schon kurze Zeit nachher nicht mehr verstehen kann,
Avie die Ansichten hierüber so sehr getheilt waren; und doch
sollte noch vor nicht vielen Jahren der Lupus überhaupt kein
Anrecht darauf haben, als Tuberculose der Haut mitgezählt
zu werden.
In meiner bereits citirten Arbeit war die Literatur über
die Tuberculose der Haut im Allgemeinen und den Lupus
im Speciellen zusammengestellt vom Jahre 1869 bis zum
Jahre 1889 (es lag ursprünglich in unserer Absicht, in dieser
Publication die Literatur bis zum Jahre 1895 nachzutragen,
jedoch fanden wir diese schön übersichtlich zusammengestellt
bei von Win i wart er, chirurgische Erkrankungen der Haut
und des Zellgewebes, ferner bei Leloir, Traite pratique,
theorique et therapeutique de la Scrofulotuberculose. Paris
189*2); diesen Zeitraum muss ja auch derjenige eingehender
würdigen, der es unternimmt, über Lupusbehandlung zu
schreiben.
Zuvor sei nun ein kleiner Excurs gestattet in frühere
Zeiten; dieser kann natürlich keinen Anspruch auf Vollstän¬
digkeit machen; dazu stehen mir weder Zeit noch Mittel zur
Verfügung.
Es ist ja bekannt, dass die Bezeichnung Lupus von Willan und
Bäte man herrührt; die Erkrankung ist natürlich viel älter; erwähnt
doch schon Ilippokrates fressende Flechten, ebenso Celsus und die
Uebersetzer der arabischen Schriften; aber wer leistet uns Gewähr dafür,
dass nicht alle möglichen ulcerösen Processe, seien dieselben Folgen von
Lepra, Lues oder Carcinom confundirt wurden?
Bäte man (1835) kann kein Arzneimittel nennen, welches von
irgend einem wesentlichen Nutzen bei der Heilung gewesen wäre; er führt
an Messer und Kaustik, Argentum nitricum, Calomel mit Arsenpulver
und Arsen innerlich.
Aehnlich Alibert (1838), der neben einer übergrossen Schaar
von internen Mitteln doch die äusseren Mittel bevorzugt; es wird eben¬
falls Argentum nitricum empfohlen nach vorheriger Reinigung der Ge¬
schwüre. Wenn der Schorf sich abgestossen hat, abermalige Application
') Batemann. Prakt. Darstellung der Hautkrankli. 1835.
7 ) Alibert. Nosologie naturelle ou les malad, du corps humain. 1838.
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lieber die Behandlung des Lupus vulgaris.
357
von Höllenstein und so fort; es ist keine Frage, dass mit Höllenstein-
behandlung einzelne Fälle, die von Natur günstig im Verlauf, vielleicht
geheilt, viele wohl gebessert wurden. Die Chirurgen empfehlen nach
diesem Autor Liniraentum volatile, l’esprit de rosmarin, er empfiehlt
warm die „Pommade stibiee des Allemands u und spricht bei Anwendung
dieses Mittels von einem Exantheme arteficiel, das eine heilwirkende
Entzündung verursacht. Endlich werden empfohlen Luftveränderung,
Seebäder und Douchen, wohl ut aliquid fiat. Interesse hat immerhin der
Hinweis, dass künstlich eine Entzündung durch Anwendung einer Aetz-
paste herbeigeführt wird, durch deren Schwinden der krankhafte Process
mit beeinflusst wird; es ist das ja das Prinzip der Heilwirkung aller
Aetzmittel.
Bei Cazenave und Schedel 1 ) (1839) finden wir schon eine Ein¬
theilung in oberflächlich zerstörenden Lupus, in tief zerstörenden Lupus
und in Lupus mit Hypertrophie, eine Eintheilung, die im Grossen und
Ganzen auch heute noch zu Rechte besteht. Zur allgemeinen resp. in¬
ternen Behandlung wird Kalkwasser, Eisen und Sclrwefeleisen empfohlen;
örtlich wenden dieselben an zur Verheilung nicht exulcurirter Fälle
Quecksilber und Jodpräparate. „Sollte dabei ein Erythem oder gar ein
Erysipel entstehen, so kann das nur heilsam sein.“ Also auch hier wieder
die Idee von der künstlich hervorgerufenen Entzündung, die heilwirkend
sein soll. Als Kaustica dienen: Höllenstein, Kalium causticum, Butyrum
Antimonii, Arsenikteich des frere Cöme, also die allbekannten Aetzmittel;
noch bis in unsere Zeit werden manche davon zuweilen von Fuschern
als Geheim- und Wundermittel verwendet.
Bayer (1839) 2 ) theilt den Lupus ein in L. exedens und Lupus non
exedens; hier wird der Anwendung des Glüheisens insofern Erwähnung
gethan, als gesagt wird, dieselbe sei wieder ausser Gebrauch gekommen ;
eine so schmerzhafte Behandlung konnte ja auch erst unter Unterstützung
der Narcose festen Fuss fassen, wie das ja in den späteren Jahrzehnten
und besonders nach Erfindung des Pa que lin’schen Benzin Platina-
brenners in der That der Fall war. Ray er gibt ein ganz neues Princip
der Behandlung; er habe, um den lupösen Process einzudäramen, ringsum
Einschnitte gemacht oder kauterisirt, um so eine Narbenbildung herbei¬
zuführen, die der Lupus nicht überschreiten sollte; leider musste Bayer
selbst schon einsehen, dass diese Methode der Behandlung jenen ge¬
wünschten Erfolg nicht hatte.
Bei Fuchs ä ) (1840) ist die Eintheilung der Lupusformen folgende:
') Cazenave und Schedel. Praktische Darstellung der Haut¬
krankheiten. 1839.
2 ) Ray er. Theoretische und praktische Darstellung der Haut¬
krankheiten. Deutsche Uebersetzung Stammins. 1839.
3 ) Fuchs. Die krankhaften Veränderungen der Haut und ihrer
Anhänge. 1840.
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F a b r y.
3üS
1. Lupus exedens (eine Varietät ist der L. exedens sine tüber¬
eil 1 i s; hier finden wir zuerst die Bezeichnung Lupusknötchen).
2. Lupus excorticans oder der schuppige Hautwolf, was wohl un¬
serem Lupus exfoliatious und serpiginosus entsprochen haben mag.
3. Lupus tumidus; wir vermuthen hierbei den Lupus mit chronisch
ödematöser Schwellung.
4. Lupus exuberans (Framboesia sen syco^is scrofulosa: unzweifel¬
haft der Lupus papillaris oder hvpertrophicus, dessen Bezeichnung als
Framboesia klinisch gewiss zutreffend ist).
Von diesem Autor werden im Allgemeinen dieselben interna und
externa empfohlen; besonders wird der Anwendung der dodpräparate
das Wort geredet: Jodtinetur, Jodsalbe, Jodwasser.
Von späteren sei Anderson 1 ) (1863) angeführt, der die ev. dia¬
gnostische Schwierigkeit zwischen Lupus und Eczema hervorhebt und
darauf aufmerksam macht, dass Lupus sehr oft mit Drüsen- und Knochen-
scrophulose combinirt ist; man brauchte nur für Scrophulose Tuberculose
zu substituiren und würde glauben können, ganz moderne Lehren zu
hören. Eine sehr erschöpfende und lehrreiche Darstellung über Lupus
vulgaris aus der Feder Kaposi’s rinden wir in dem Handbuch von Hebra
und Kaposi; 1 ) hier ist auch die Geschichte eingehend gewürdigt. Dort
wird nun im Jahre 1876 der Lupus noch definiert „als eine nicht an¬
steckende und nicht erbliche Krankheit der allgemeinen Decke und der ihr
angrenzenden Schleimhaiitpartieu, bei welcher in chronisch sich fortspin¬
nenden Eruptionen stecknadelkopfgrosse, hirsekorngrosse braunrothe, nieht
schmerzhafte, derbe, in das llautgcwebe gleichsam eingesenkte Knötchen
ei scheinen, die in einem äusserst lentescinirenden Verlaufe bis zu linsen-
und erbsengrossen Knoten und grösseren confluirenden Infiltraten sich
entwickeln, alsdann aber durch Flccration oder Involution verschwinden
und an ihrer Stelle wirkliche Narben und narbige Atrophie der Haut
veranlassen.“ Abgesehen von der Auffassung des Lupus als nicht erbliche
und nicht infectiösc Erkrankung wird man die meisterhafte Darstellung
und Auffassung bis ins kleinste Detail bewundern müssen.
Wir müssen auch heute, ehe wir zum eigentlichen Gegen¬
stände, der Behandlung des Lupus übergehen, einige Augen¬
blicke bei der pathologischen Anatomie verweilen und dieselbe
kurz vom mikroskopischen und makroskopischen Standpunkt
beleuchten, schon in der einfachen Ueberlegung, dass dadurch
die Abhandlung der Therapie wesentlich erleichtert wird.
') An der sou, A. Practical Treatice upon Eczema, in cluding its
I.iehenous, Impetigiuous, and Pruriginous varities. 1803.
*) Hebra und Kaposi. Lehrbuch der Hautkrankheiten. I. Band.
1874. II. Bd. 1870
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Ueber die Behandlung des Lupus vulgaris.
359
Untersuchen wir einen senkrechten Schnitt durch tuber-
culöse Haut, so finden wir bekanntlich und zwar gewöhnlich
in den oberflächlich gelegenen Schichten der Cutis eine Neu¬
bildung, die sich auf Kosten respective unter Verdrängung des
normalen collagenen und elastischen Gewebes entwickelt hat
und diese Neubildung ist uns ein alter, wenn auch nicht gern
gesehener Bekannter, nämlich der Tuberkel, den wir bei jeder
Form der Tuberculose und in jedem Organ finden, wo sich
tuberculöse Erkrankung entwickelt.
„Ein feinstes Gewebe zartester Fasern und darin vertheilt
enthalten zahlreiche epithelartige Zellen, das — Plasmom
Unnas — und hie und da einzelne Riesenzellen und, wenn
wir bei der Untersuchung Glück haben und die nöthigen Vor¬
färbungen anwenden, einzelne Tuberkelbacillen. Das ist in all¬
gemeinen Zügen gegeben, die pathologisch-anatomische Be¬
schreibung des Tuberkelknötchen; die pathologisch-ana¬
tomische Einheit des Tuberkelknötchens ist nicht zu ver¬
wechseln mit der höheren klinischen Einheit des Lupus-
knötchens; in einem mikroskopischen Schnitt durch ein einzelnes
Lupusknötchen finden sich immer zahlreiche Tuberkelknötchen
oder miliare Tuberkel. Wir mussten der Vollständigkeit halber
auch auf diese fundamentalen Sachen eingehen und wollen
aus demselben Grunde noch einige Augenblicke bei der Histologie
verweilen.
Während nun an inneren Organen, besonders in den
Lungen, dem Lieblingssitz des Tuberkelbacillus und des Tuberkels
gar schnell der krankhafte Process bis zur Verkäsung Fort¬
schritte macht, scheinen in der Haut die Bedingungen für das
unheilvolle Wirken des Bacillus insofern ungünstigere zu sein,
als ein Zerfall des Gewebes nicht so leicht wie anderwärts
eintritt, leider aber entschädigt sich hier die Krankheit hin¬
reichend durch die Zähigkeit und Hartnäckigkeit, mit der sie
sich einnistet und, wenn auch zumeist langsam, so doch mit
unfehlbarer Gewissheit fortschreitet und der gesunden Haut
immer mehr Terrain abgewinnt. Wer, wie ich hier in West-
phalen Gelegenheit hat, sehr oft weit vorgeschrittene und
furchtbar entstellende Lupusfälle zusehen — denn in Westphalen
im Münsterlande sowohl wie im hiesigen dichtbevölkerten
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360
Fab r y.
Industriebezirke ist diese scheussliche Krankheit sehr verbreitet,
entschieden häufiger wie in der Rheingegend, dem kommt leicht
der Gedanke, dass der Lupus mit seinen Entstellungen und
auch Verstümmelungen die Erbschaft der früher in Deutschland
so verbreiteten Lepra in gewissem Sinne übernommen hat.
Histologisch ist nun in der Haut der Krankheitsprocess
mit dem Auftreten des Tuberkels nicht abgethan, vielmehr
involvirt dies Veränderungen secundärer Natur in der Epidermis.
Wir finden in manchen Fällen den epithelialen wie den binde¬
gewebigen Papillarkörper hypertrophisch, in anderen atrophisch,
in anderen hinwiederum eitrige Einschmelzung des Gewebes
bis zur tJlceration, eine Folge des früheren Stadiums, der klein¬
zelligen Infiltration längs den kleinen Capillaren der Cutis und
sich fortsetzend bis in’s subcutane Gewebe. Oft finden wir
alle jene histologischen Details in einem und demselben Prä¬
parate respective in Schnitten eines und desselben Falles ver¬
einigt. Wir sind ja gewohnt, den Lupus klinisch zu scheiden
in Lupus hypertrophicus, atrophicus sc. exfoliativus und exul-
cerans und wissen aus Erfahrung, dass in einigermassen fort¬
geschrittenen Fällen fast immer alle Formen zusammen vor¬
handen sind und von (1er krankhaften Haut abgelesen werden
können.
Makroskopisch oder klinisch lässt sich nach den in vivo
bei der Operation gewonnenen Befunden der Lupus scheiden
in zwei Hauptgruppen, wenn ich so sagen darf, in einen
centripetalen und einen centrifugalen Lupus. Mit
anderen Worten und an Beispielen illustrirt. Aus unbekannten
Gründen oder sagen wir durch Impfung — es sind hinreichend
Fälle von durch Impfung entstandenem Lupus beschrieben —
ist an der äusseren Haut ein aus ganz wenigen winzigen
Knötchen zusammengesetzter Lupus entstanden. Lange Zeit
bleibt die ursprünglich wenig auffällige Erscheinung auf dem¬
selben Standpunkt stehen, bis auf einmal vielleicht erst nach
Jahren geschwüriger Zerfall und Tiefergreifen des Processes
eintritt, Vergrösserung und Ausdehnung dieses tuberculösen
ITimäraffectes, Infection der benachbarten Drüsen, endlich
Weitergreifen des Processes auf das widerstandsfähigere Binde¬
gewebe, auf Knorpel- und Knochensubstanz.
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Ueber die Behandlung des Lupus vulgaris.
361
Das ist das Bild eines centripetalen Lupus und gleich
die Nutzanwendung hierzu. Wären jene primären Knötchen
sofort excidirt worden, man hätte dann die Krankheit im Keime
erstickt und die weiteren Verheerungen wären nicht ent¬
standen.
Leider macht nur zu oft die Aengstlichkeit der messer¬
scheuen Patienten und die Zaghaftigkeit der Angehörigen
unserem therapeutischen Wollen einen Strich durch die Rech¬
nung. Nichtsdestoweniger soll die Entfernung mit dem Messer
als die conditio sine qua non für die Behandlung strenge
verlangt werden; nur ja nicht die günstigste und beste Zeit
verlieren mit der Anwendung von Aetzpasten, Aetzstiften und
Salben. Je bestimmter wir die Nothwendigkeit eines operativen
Eingriffes verlangen, um so öfter wird man doch vernünftigen
Rathschlägen Folge leisten.
Und nun umgekehrt zwei Beispiele eines centrifugalen
Lupus. Eine Patientin consultirt uns — es handelt sich hier
um einen von uns selbst erlebten Fall und ich kann Ihnen
heute die Patientin demonstriren — wegen eines haselnuss¬
grossen fluctuirenden Knotens links am Kinn; sonst ist absolut
nichts Krankhaftes nachzuweisen; der kleine Abscess wird
entleert; Patientin consultirt uns erst nach Monaten wieder
und siehe da, um das primäre Scrofuloderma hat sich ein Lupus
disseminatus entwickelt und auch treten schon versprenkelte
Knötchen an der Nasenspitze auf. Wir rathen nunmehr auf
das energischeste zur sofortigen Vornahme einer gründlichen
Operation, aber durch die Nachlässigkeit der Patientin ver¬
gehen wieder Monate, ohne dass etwas geschehen kann und
als nun endlich Patientin wieder kömmt, präsentirt uns dieselbe
einen sehr ausgedehnten Lupus der Gesichtshaut, vorwiegend
der linken Gesichtshälfte, der der Behandlung recht viele
Schwierigkeiten machte, wiederholt operirt wurde und zwar
mit Excision und Transplantation und schliesslich doch noch
zu einem befriedigenden Heilresultate geführt hat.
In einem anderen Falle unserer Beobachtung will ein
Lupus exulcerans der Hand nach mehrfachen gründlichen Aus¬
schabungen und Cauterisationen nicht heilen und wie wir, natür¬
lich in Narcose, genauer Zusehen, finden wir, dass an einer
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362
Fahr y.
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Stelle der tuberculöse Process sich in eines der Fingergelenke
fortsetzt und hören bei darauf hin angestelltem Examen, dass
das Kind ursprünglich einen geschwollenen Finger — Spina
ventosa — hatte, dass derselbe bald aufbrach und dass im
Anschluss daran der Lupus der Haut an den Fingern sich
entwickelte.
Folgende Krankengeschichte, als Beispiel dafür, dass sich
nach einem primären tuberculösen Knochenleiden ein Lupus
der Haut entwickelt, halten wir gleichfalls einer ausführlicheren
Mittheilung werth.
Es handelt sich um den 45 Jahre alten Maschinisten Heinrich Grote
aus Lasphe bei Iserlohn.
Nach der Anamnese erkrankte Patient in seinem 18. Lebensjahre
mit Schmerzen oberhalb der rechten Kniegegend und mit Schüttelfrost.
Andauernd hatte Pat. heftige Schmerzen im Knie, etwa '/, Jahr lang;
dann bildete sich die Krankheit wieder zurück, bis nach einem Jahre
plötzlich neue Schmerzen auftraten und bald oberhalb des Knies Eiter
durchbrach. Dieser Abscess heilte mit einer Fistel, die mehrmals geheilt
gewesen sein soll, aber stets wieder von Neuem aufbrach und die also
Patient fast ununterbrochen annähernd 20 Jahre mit sich herumtrug,
ohne dass dieselbe geheilt wäre.
Vor sieben Jahren nun bekam Patient — an der äusseren Haut
waren bis dahin krankhafte Veränderungen noch nicht bemerkt worden
— am rechten Unterschenkel ein Geschwür („Beule“), das incidirt wurde,
aber nicht heilen wollte; im Gegentheil entwickelte sich im Anschluss
daran eine Erkrankung der Haut des ganzen Unterschenkels. Seit 6 Wochen
fängt auch am linken Unterschenkel ein Exanthem an sich zu entwickeln. Wir
glauben nicht zu irren, wenn wir nach der Erzählung des Patienten an¬
nehmen, dass der rechte Unterschenkel im Anschluss an den Abscess im
ersten Stadium ganz ähnlich erkrankt ist.
Der objective Befund war nun bei der Aufnahme des Patienten am
29./IX. 1895 folgender:
Am linken Unterschenkel im unteren Drittel besteht ein oberfläch¬
liches, etwas nässendes Hautekzem. Am rechten Oberschenkel findet sich
an der Vorderseite etwa 8 Cm. über dem Knie ein 5 pfennigstückgrosser
Defect der Haut, von dem aus man nach oben mit der Sonde in eine tiefe
Tasche gelangt.
Der ganze Unterschenkel ist kolossal elephantiastisch verdickt, mit
einem '/, Cm. dicken Schuppenbelag bedeckt, also eine auffallend starke
Epidermisabschuppung; nach Entfernung dieser Schuppen tritt eine nässende
exeoriirte Hautfläche zu Tage und darunter mächtige hypertrophische
respective papillöse Excrescenzen. In der Mitte des Unterschenkels ein
grosses Ulcus. Am Baude finden wir neben den papillösen Wucherungen
typische Lupusknötcheu. Patient ist sehr herunter gekommen und schleppt
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lieber die Behandlung des Lupus vulgaris.
3G3
nur mühsam den schweren klumpigen Fuss nach sich; er ist seit längerer
Zeit arbeitsunfähig und in Folge des schauderhaften Geruches, den das
schmutzige eiternde Geschwür im Verein mit den zersetzten Epithel¬
schuppen verbreitet sich selbst und anderen sehr zur Last geworden.
Deshalb wurde Patient von Sanitätsrath Dr. Becker’s dem hiesigen städ¬
tischen Krankenhause überwiesen.
Die Diagnose lautete: Tuberculöse Ostitis des rechten Unter¬
schenkels, Lupus hypertrophicus und Elephantiasis des rechten Unter¬
schenkels und Fusses, tuberculöses Ekzem des linken Unterschenkels.
In Narkose wurden die ganzen hypertrophischen Partien in der
ganzen Peripherie des Unterschenkels mit dem scharfen Löffel ausgekratzt,
was bei der grossen Ausdehnung des Lupus und bei der relativen Festig¬
keit des Gewebes eine recht mühsame Arbeit war.
Die heftige Blutung wurde durch Compression gestillt und vor
Allem Sorge getragen, die Geschwürsfläche mit Scheere und Pinzette oder
mit dem Messer zu säubern und schliesslich konnten wir uns wohl nach
langer mühsamer Arbeit sagen, dass wohl alles Lupöse entfernt sein müsste.
Um nun die Elephantiasis in zweiter Linie zu beseitigen, wurden in
der ganzen Peripherie mit dem Messer vom Knie bis zu der Fussspitze
reichende, tiefe, weit in’s subcutane Gewebe reichende Entspannungsschnitte,
etwa 30—40 an der Zahl gelegt. Abennals starke, hauptsächlich venöse
Blutung. Dann wurde ein Corapressionsverband angelegt. Zum Schlüsse
wurde die Fistel am Oberschenkel breit gespalten, ausgekratzt, kaute-
risirt und dort ebenfalls eine Jodoformgazetamponade mit Compression
angelegt. Das Ekzem am linken Oberschenkel wurde mit starker Argen-
tumnitricumlösung (10%) geätzt und mit Salbe (Borglycerinlanolin) ver¬
bunden. Am 4. Tage wurde der erste Verband gewechselt; die elephan-
tiasiastische Schwellung hat schon merklich abgenommen in der ganzen
Peripherie des Unterschenkels finden sich gereinigte Geschwüre mit zum
Theil beginnender guter Granulation; es wurden nun Patienten auf die ganzen
lupösen Flächen 5%igö Höllenstein-Umschläge verordnet fast ununter¬
brochen etwa 4 Wochen lang nach der Operation; nach 6 Wochen sind
alle Ulcerationen tadellos geheilt, nirgends eine Spur von Lupusknötchen
bemerkbar und der Umfang des rechten Beines ist nicht grösser wie der
des linken.
Patient musste nichts desto weniger noch weitere 6 Wochen im
Krankenhause verbleiben, weil die Fistel am Oberschenkel nicht heilen
wollte.
Es wurde deshalb in Narkose die Fistel nochmals breit gespalten,
der Knochen des Oberschenkels freigelegt, muldenförmig aufgemeisselt,
und ein reichlich bohnengrosser Sequester entfernt; die Fistel communicirte,
wie sich nun ergab, mit einem im Knochenmark gelegene tuberculösen Er¬
krankungsherd. Derselbe wurde mit Hammer und Meissei breit freigelegt,
kauterisirt und tamponirt; auch hier erfolgte nun nach weiteren 6 Wochen
völlige Heilung und Patient konnte wieder als vollständig arbeitsfähig
entlassen werden. Wir hatten auf diese Weise Gelegenheit uns zu über-
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364 Fabry.
zeugen, dass die Heilung des Lupus der Haut des Unterschenkels eine
dauernde blieb und dass die Elephantiasis völlig geschwunden war.
Hier haben wir also in extenso wiedergegeben die Kran¬
kengeschichte eines Lupus verrucosus oder papillosus, der sich
im Anschluss an eine primäre tuberculöse Erkrankung des
Oberschenkelknochens entwickelt hat; wir konnten daher Pa¬
tienten nicht eher als geheilt betrachten, bis auch diese chirur¬
gische Grundursache beseitigt war. Und ähnlich die beiden
vorhergehenden Fälle, wo auch die chirurgische Erkrankung
die primäre war und daran schloss sich die Erkrankung
der Haut.
Meine Ansicht über die nicht so ganz seltene Entwicke¬
lung eines Lupus im Anschluss an Scrofuloderma und tuber¬
culöse Knochen- und Gelenkentzündungen, die seinerzeit nicht
überall von der Kritik anerkannt wurde, muss ich auch heute
noch vollständig aufrecht halten; man muss sich nur eben die
Mühe nehmen und die Anamnese genau erheben, dann hört
man oft genug, dass bei einem Lupus des Gesichtes oder
Armes Drüsenvereiterung das Primäre war und dass im An¬
schluss an eine Ineision oder nach spontanem Durchbruch
Lupus in der Nähe und um die Narbe oder Fistel entstand;
in anderen Fällen beobachten wir das Auftreten von Lupus
in der Knie- oder Ellenbogengelenksgegend und hören, dass
vorher Schwellung und eitrige Entzündung des benachbarten
Gelenkes vorhanden gewesen ist. Hier handelt es sich also
nicht um Muthmassungen, sondern um exacte klinische Be¬
obachtungen; und zugegeben, dass diese Beobachtungen in der
Literatur selten mitgetheilt sind; umsomehr lag uns daran,
darauf aufmerksam zu machen, was mir Chirurgen immer zu¬
gegeben und selbst beobachtet haben, dass der secundär im
Anschluss an eine primäre tuberculöse Drüsenvereiterung oder
tuberculöse Knochen- und Gelenksentzündung entstehende
Lupus eben doch nicht so selten ist. Wohl mag er weniger
oft dem Dermatologen wie dem Chirurgen begegnen.
Weiter haben wir klinisch olt beobachtet, dass die schon
angedeutete Complication des Lupus mit Bindegewebstubercu-
') Fabry, 1. c.
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Original ffom
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lieber die Behandlung des Lupus vulgaris.
305
lose, mit Tuberculose des Knochen- oder Knorpelgewebes
die Ursache ist, weshalb eine Heilung des Lupus der Haut über¬
haupt nicht eintritt oder doch nicht Stand hält. Man soll daher
im einzelnen Fall sich nicht begnügen, die Diagnose Lupus ge¬
stellt zu haben, sondern sich auch noch die Unterfrage vorlegen:
ist der tuberculose Process ausser in der Cutis auch in tiefer
liegenden Geweben etablirt und müssen wir auch diese Tuber¬
culose beseitigen? Allerdings ist sehr oft die Beantwortung
der zweiten Frage erst bei der Operation möglich, wie wir es
bei dem folgenden Falle erlebten.
Ein junger Mensch (Fall Hasenkamp) leidet an einem
ganz umschriebenen Lupusherd unterhalb des rechten Auges
und wurde dieserhalb mehrmals ausgeschabt und kauterisirt;
nichtsdestoweniger trat bald ein Recidiv ein; als wir Patienten
abermals operierten, bemerkten wir, dass der Jochbeinfortsatz des
Oberkiefers erkrankt, vom Periost entblöst und rauh war; es
wurde nun das Krankhafte am Knochen mit Hammer und Meissei
entfernt und dann gleichzeitig der Lupus behandelt; hier er¬
gab sich erst die richtige Diagnose bei der Operation, während
man vorher nichts anderes hatte annehmen können, wie einen
Lupus vulgaris exulcerans der Gesichtshaut und derartige Be¬
obachtungen sind häufiger wie man denkt. Nach diesen all¬
gemeinen Expositionen wollen wir nun zum eigentlichen Thema
übergehen und uns die Frage zu beantworten suchen, die wir
uns vorgelegt haben: Welches ist die zweckmässigste Behand¬
lung des Lupus, d. h. welche Methode ist am besten im Stande,
das Krankhafte gründlich zu entfernen und leistet dabei
auch in kosmetischer Beziehung am meisten und dabei in
kürzester Zeit? Die Beantwortung dieser Frage ist nicht so
einfach, nicht zum geringsten Theil deshalb, weil eine so
grosse Zahl von Medicamenten und Methoden angegeben sind,
über die der einzelne Praktiker nicht ausreichende Erfahrungen
sammeln kann, dann aber ist es gerade bei Lupuskranken
schwer, hinsichtlich des Erfolges oder Misserfolges der Therapie
über Jahre hinaus Beobachtungen anzustellen, da die Patienten
selbst nur zu oft den Arzt und die Methode wechseln. Wir
sind daher zum Theil auf das Urtheil anderer Autoren ange¬
wiesen, die einzelne Medicamente besonderer Prüfung unter-
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zogen, anderntheils müssen wir froh sein, doch wenigstens eine
geringe Zahl von Beobachtungen bieten zu können, die über
eine ganze Reihe von Jahren von uns verfolgt werden konnten.
Sehen wir uns nun die Literatur der Lupusbehandlung
etw^as genauer an, so müssen wir gestehen, dass bis in die
neueste Zeit eine Anzahl von Medicamenten äusserlich anzu¬
wenden, angegeben worden sind, die mit Rücksicht auf den
Sitz der tuberculösen Erkrankung einen besonderen Erfolg
nicht haben können.
Damit treten w r ir also ein in die Besprechung der viel¬
fach geübten Methode der chemischen Behandlung. Es ist
hier vorher nothwendig, sich zu einigen über das Princip der
Behandlung und die Anforderungen, die im Allgemeinen an
jede Methode gestellt werden müssen. Wir müssen zunächst
streng scheiden, ob irgend eine Medication einen Lupus bes¬
sert, an einzelnen Stellen zur Heilung bringt, oder aber ein
radicaler Erfolg erzielt wird; jeder wird zugeben müssen, dass
damit nicht viel erzielt ist, wenn es gelingt, Lupusstellen, viel¬
leicht exulceirte oberflächlich zum Heilen zu bringen, während
in der Tiefe der Process unberührt bleibt, im Gegentheil leider
weiter zerstört. Die Erfahrung lehrt zur Genüge, dass eine
solche Besserung nur scheinbar und nicht von Dauer ist.
Es ist zu bekannt und verdient kaum angeführt zu wer¬
den, dass einfache Wasserdunstverbände einen exulcerirteu
Lupus insofern beeinflussen können, dass die Krusten abwei¬
chen und durch die ein lache Reinigung und Reinhaltung hie
und da Vernarbung eintritt.
Setzen wir diesen feuchten Umschlägen irgend ein Des-
inficiens in der gewöhnlichen Concentration Carbolsäure, Sublimat,
Creolin, Lysol, Borsäure, Argentum nitricum zu, so muss natur-
gemäss der Erfolg in dieser Richtung ein noch bedeutenderer
sein. Hier handelt es sich schon um eine Behandlungsweise,
deren wir auch bei fast allen später zu besprechenden Methoden
kaum entrathen können, wenigstens als unterstützende Hilfsmittel
und wir wollen deshalb hier einen Augenblick verweilen. Be¬
kannt sind die störenden Sublimat- und Carbolekzeme bei der
Nachbehandlung des Lupus; wir sahen sie oft genug bei Su¬
blimat 1:4—5000, 7„%—U’/o Carbollösungen; Creolinlösungen
Gck igle
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Leber die Behandlung des Lupus vulgaris.
307
haben nun entschieden den Vorzug, dass bei ihnen derartige
Störungen durch arteficielle Ekzeme kaum beobachtet werden;
wir ziehen daher Creolin den erstgenannten desinficirenden
Mitteln bei weitem vor; kommt es uns aber darauf an, eine
tiefergehende Wirkung bei der Nachbehandlung beispielsweise
nach einer Ausschabung zu erzielen, so applicirten wir wochen¬
lang täglich mehrmals Höllensteindunstverbände und zwar in
Concentrationen von 2%—10% uud diese letztere Behandlung
bis zur völligen Vernarbung — es sei nochmals hervorgehoben
— nur zur Nachbehandlung bei Anwendung anderer Methoden.
Insbesondere zu üppige Granulation, bei Lupus eine fast regel¬
mässige Erscheinung, wird so bequem in Schranken gehalten
und wir brauchen dann den immerhin sehr schmerzhaften
Höllensteinstift in diesen Fällen nicht anzuwenden; die Appli¬
cation der Höllensteinlösungen, auch der concentrirteren ver¬
ursachen wenig und nur geringe Zeit anhaltenden Schmerz.
Wenn wir nun uns zu den weiteren Mitteln wenden, die
angepriesen wurden, durch chemische Einwirkung den Lupus
zu beeinflussen und zu heilen, so müssen wir im Hinweis auf
unsere vorhergehenden pathologisch-anatomischen Reflexionen
ihnen einen besonderen therapeutischen Erfolg deshalb ab¬
sprechen, weil sie nicht tief genug Vordringen zu dem eigent¬
lichen Sitz der Erkrankung. Dies ist auch wohl der wahre
Grund, weshalb Anthrarobin, Perubalsam, Hydroxylamin sich
in der That in der Praxis nicht eingeführt haben und ein¬
führen konnten.
Und was diese Skepsis anlangt, so kann ich auch das
viel gerühmte Salicylcreosotpflaster Unna’s nicht ganz davon
ausschliessen, wenngleich man von manchen Seiten Rühmens-
w r ertkes hört. Ich führe hier zwei Fälle an, die mit Salicyl-
kreosotpflaster anderwärts behandelt worden waren.
In dem einen Falle bandelte es sich um einen etwa fünfmarkstück-
grossen Lupus der rechten Wange, der mit wunderschöner glatter Narbe
geheilt war; aber die Narbe war, was uns auffallend war, denn doch sehr
roth und wenn man mit dem Finger über die Narbe intensiver herstrich,
so konnte man in der Tiefe Knötchen durchschimraern sehen. Es war also
nur eine scheinbare Heilung und wird auch wohl das Recidiv nicht aus¬
geblieben sein. Die Methode der Phaneroskopie (Liebreich, Unna) als
diagnostisches Hilfsmittel bei Lupus war damals noch nicht veröffent¬
licht; es ist heute wohl allgemein anerkannt, dass vermittels derselben
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Knötchen entdeckt werden können, die bei noch so grosser praktischer
Uebung und Erfahrung mit blossem Auge nicht zu sehen sind.
Der zweite Fall ist augenblicklich im hiesigen Krankenhause in
unserer Behandlung; Fräulein Dr. aus Dortmund, 18 Jahre alt. Eine
fünfmarkstückgTosse Stelle auf der linken Wange ist tadellos geheilt;
dagegen sind im Bereiche zweier annähernd gleich grosser Stellen auf
der rechten Wange in der Gegend unter dem Auge und vor dem linken
Ohre Recidive eingetreten; und dasselbe ist zu sageu von verchiedenen
disseminirten grösseren Flecken an den Armen auf dem Dorsum beider
Hände, an den Oberschenkeln, in der Glutaealgegend, vor allem ist fast
der ganze linke Vorder- und Oberarm an Streck- und Beugeseite von einem
grossen Recidiv im Bereiche weiss glänzender Narben befallen. Es ge¬
lang uns an den Armen und Händen verschiedene Stellen zu excidiren
und durch primäre Naht zum Verheilen zu bringen. Im Gesicht haben wir
excidirt und nach Thi ersch transplantirt. Doch davon später, am Vorder¬
arm haben wir einfach tief kauterisirt und mit 1<>° 0 Höllenstein-Um¬
schlägen behandelt.
Unsere Ansicht über Sulieylkreosotpflasterbeliandlung ist also
die, dass das Mittel wie kaum eines im Stande ist, oberfläch¬
liche Lupus-Ulcerationen zum Heilen zu briugen und dass da¬
bei schöne glatte Narben entstehen, aber auch bei Combination
des desquaminirend wirkenden Salicyl — vergleiche hierüber
die Arbeiten Unna’s und seiner Schüler — mit dem desiufi-
cirenden Creosot, das ja besonders als Specificum gegen
Tuberculose gerühmt wird, kommt für den Lupus keine aus¬
reichende Tiefenwirkung zustande und das haben uns die
eben mitgetheilten Krankengeschichten zur Evidenz gelehrt.
Selbst die als schärfere reducirende Mittel auch für die
Behandlung von Lupus angegebenen Pyrogallus- und Chrysa-
robmsalben (10%—20%), ferner Höllenstein und Sublimatsalbe
(letztere 1% und 2°/ u ) wirken nur dann intensiver, wenn eine
Ausschabung und Cauterisation vorausgegangen ist.
Unter diesen letztgenannten Mitteln wird von den meisten
Autoren Pyrogallussäure am höchsten geschätzt; besonders bei
der abwechselnden Behandlung mit einweichenden Sublimatdunst-
verbänden und dazwischen wiederholter Application von 10%
Pvrogalluspflaster sah ich schöne Resultate, die aber leider
oft nicht Stand hielten. Nur zu oft war wenige Monate nach
der Entlassung ein Recidiv da.
Für Behandlung nach letztgenannter Methode, die bis vor
einigen Jahren ja wohl noch sehr viel geübt wurde, steht mir
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Ueber die Behandlung des Lupus vulgaris.
3li'J
eine Krankengeschichte mit auffallend günstigem Heilresultat
zur Verfügung, die ich jahrelang and heute noch Tag für Tag
bezüglich des Erfolges der Behandlung controliren kann, und
nur solche Fälle sollte man füglich benutzen, um über den
Werth einer Behandlungsmethode ein Urtheil zu fällen.
M., männlich, 50 Jahre alt, aus Dortmund, wurde von mir vor
7 Jahren an Lupus behandelt. Derselbe litt seit seiner frühesten Kindheit
an Lupus der rechten Wange, der sich im Laufe der Jahre bis zum Halse,
zum unteren Augenlide und über das ganze Ohr hingezogen hatte, zum
Theil 8erpiginüs, zum Theil exulcerirt, die ganze Wange bläulich ver¬
färbt und inclusive des Ohres stark intumescirt. Patient leidet seit längerer
Zeit an Asthma, ist aber im Uebrigen von blühender Gesundheit. Tuber-
culöse erbliche Belastung ist vorhanden.
Patient wurde in tiefer Narkose ausgekratzt, dann wurden die
hängen bleibenden Gewebsfetzen sorgfältig mit Scheere und Piuzette ent¬
fernt und nun zum Schlüsse mit dem Flach- und Spitzbrenner alle ver¬
dächtigen und verfaroten Stellen tief und laug anhaltend ausgebrannt. Die
Nachbehandlung geschah mit Sublimatumsclilägen (1 : 2000) und abwech¬
selnder Application von 10% Pyrogallus-Salbe in wiederholten dreitägigen
Touren. In genau 8 Wochen war der ganze Lupus mit äusserst günstigen
kosmetischen Resultate d. h. mit wunderschönen glatten Narben geheilt;
nirgendwo Röthungen oder gar Lupusknötchen. So blieb es mehr wie
drei Jahre, wo sicli inmitten der rechten Wange ein typisches Lupus¬
knötchen zeigte; Patient Hess sich aber leider nicht bestimmen, dieses
Knötchen wegbrennen zu lassen; so hat sich, wie ich dieser Tage noch
constatiren konnte, dort ein kleines Reeidiv, etwa zwanzigpfennigstück¬
gross entwickelt, nicht exulcerirt; wäre das erste Knötchen gleich zer¬
stört worden, so wäre das Resultat noch besser gewesen, ja sogar eine
vollständige Heilung erzielt worden.
Es ist sehr schwer, dem Patienten die Wichtigkeit einer
längeren Beobachtung und Nachbehandlung plausibel zu machen.
Und noch ein nach V o 1 k m a n n’scher Behandlung be¬
handelter Fall mit ausgezeichnetem Heilresultat und nach
jahrelanger Beobachtung möge kurz mitgetheiit werden.
Walter Seeger, 16 Jahre, höherer Schüler, Dortmund, corisultirte
mich zuerst vor 4 Jahren mit Lupus disseminatus an 2 Stellen des rechte-i
Oberarmes, 1 Stelle unterhalb der linken Claviculargegend — diese Stellen
konnten noch excidirt und primär durch die Naht geschlossen werden;
daun aber fanden wir am linken Oberarm hauptsächlich aussen, Beuge- und
Streckseite gleich stark befallend, einen Lupus serpiginosus et exulcerans
und eine complicirende Tuberculose eines triceps Bauches. Wir waren
noch fünfmal nach der ersten Operation genöthigt, Patienten an Recidiven
zu behandeln znm Theil mit Excision, zum Theil mit Cauterisation und
haben seit einem Jahre die Befriedigung, bei dem jungen, kräftigen und
Archiv f. Dermatol, u. Syphil. Band XXXIX. 24
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370 I-’abiy.
vor allem energischen .jungen Manne eine geradezu ideale Heilung erzielt
zu haben mit glatter, schöner, weisser und leicht verschieblicher Narbe.
Auch ist die Musculatur des erkrankten Armes dank fleissigen Turn¬
übungen eine gute und kräftige geblieben. Doch hiervon genug.
Mir stehen eine ganze Reihe von Beobachtungen zur
Verfügung, die hier alle mitzutheilen zu weit fuhren würde,
hei denen ich nach genannter Behandlungsweise sehr zufrieden¬
stellende Resultate erzielte.
Es möge hier der Passus über die Behandlung nach
Volk mann, wie wir ihn vor fast 4 Jahren abfassten, kurz
wiederholt werden:
„Die erste Operation soll in tiefer Narcose vorgenommen
werden, bei sehr ausgedehntem Lupus in mehreren Sitzungen:
— wir haben doch in letzter Zeit Sorge getragen, gleich bei
der ersten Operation alles Tnberculöse möglichst zu beseitigen
— dabei soll man Sorge tragen, mit Scheere und Pinzette
die bei der Ausschabung hängenbleibenden Fetzen sauber zu
entfernen, möglichst im gesunden, weil gerade vom Rande aus
von solchen wieder anheileDden Gewebstheilen, die noch
Lupusherde, wenn auch vielleicht mikroskopisch nicht sichtbare,
enthalten, die Recidive sich zu entwickeln pflegen. Es folgt,
wenn sich der Brandschorf abgestossen hat, Nachbehandlung
mit Pyrogallol, Sublimat, Salicyl, Creolin. Treten dann den¬
noch, wie es bei veraltetem und weit vorgeschrittenem Lu¬
pus immer der Fall ist, Recidive ein, so haben wir keinen
Augenblick gezaudert, die Patienten in ganz kurzen Zwischen¬
räumen zum II., III. und IV. Male einer eingreifenden und
gründlichen Operation in Narkose zu unterziehen. Es gelingt
dann zumeist, auch schwere Lupusfälle soweit zu bringen,
dass sie durch alle paar Wochen, später noch seltener vor¬
zunehmende Cauterisationen einzelner auftretender Lupus-
knötclien mit dem Galvanocantor in Schranken gehalten wer¬
den, in einer gewissen Anzahl aber auch eine dauernde Hei¬
lung zu erzielen. Allerdings scheitert die Durchführung dieser
Behandlung nicht selten an dem Widerstande der Patienten,
die meist schon lange behandelt, nicht gerade mit besonderem
Muth und Vertrauen auf Erfolg zu uns kommen.“ Wir können
auch heute nach weiteren Erfahrungen unsere damaligen Aus¬
einandersetzungen im Grossen und Ganzen zurechte bestehen
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Ueber die Behandlung des Lupus vulgaris.
371
lassen, wenngleich, wie wir sehen werden, in den letzten Jahren
doch mehr nach anderen Principien behandelt haben.
Beim Kauterisiren mit dem Paquelin nach vorhergegan¬
gener Ausschabung, welche Methode wir in früheren Jahren
fast ausschliesslich angewandt haben, legten wir insbesondere
Werth darauf, die tieferen Herde aufzufinden und durch län¬
gere Einwirkung des Ferrum candens auszusengen; allerdings
entstehen dann für die Nachbehandlung gewöhnlich sehr tiefe
Wunden, die jedoch sehr günstig ausheilen; tiefere Taschen
nun, die vom tuberculüsen Process ausserdem seitlich unter-
minirt waren, wurden ausserdem noch mit dem Scalpell breit
gespalten und freigelegt und dann noch tief auscauterisirt.
Wir gingen immer von der Ansicht aus, in erster Linie sei
Sorge zu tragen, alles krankhafte Gewebe möglichst zu zer¬
stören. Man kann im Allgemeinen sagen, je gründlicher und
exacter das tuberculöse Gewebe beseitigt, umso reiner, glatter
und schöner werden die Narben. Und eine Beobachtung möchte
ich hier noch im Zusammenhang anführen; auch der glühende
Paquelin findet an gesundem Gewebe einen weit grösseren
Widerstand wie an tuberculös verändertem und man erhält
bald einige Uebung, um schon aus dem Grade der Wider¬
standsfähigkeit des Gewebes an einer vorher ausgeschabten
Lupusfläche zu schliessen, ob verdächtige Stellen vorliegen
oder nicht, abgesehen davon, dass sich dieselben durch eigen
thümliche schmutziggräuliche Verfärbung kenntlich machen.
Der Vollständigkeit halber wollen wir hier noch einige
schärfere Aetzmittel anführen, die theils rein, theils gemischt
oder in Combination, theils offen, theils als geheime Wunder¬
mittel von mancher Seite empfohlen werden. Wir werden solche
Mittel, wie Unguentum tartar., Calomel, Arsenpaste, Milchsäure
wenn wir die älteren Autoren naclilesen, schon zumeist vor¬
finden; auch unterliegt es keinem Zweifel, dass es gelingt mit
Hilfe derselben und bei sachgemässer Anwendung gewisse Er¬
folge beim Lupus zu erzielen; nichtsdestoweniger sind diese
Mittel im Vergleich mit anderen Methoden wegen der überaus
grossen Schmerzhaftigkeit der Application und dann wegen des
doch sehr problematischen Erfolges geradezu als veraltet zu
betrachten.
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F abry.
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Zur Entfernung der bei fast allen Lupuskranken und
insbesondere bei vorgeschritteneren Fällen sich leider zu oft
einstellenden Recidive bedienen wir uns mit Vorliebe der
Galvanokaustik; wenn der Platindraht schön weiss glühend
ist, haben die Patienten auch nicht sonderlich über Schmerzen
zu klagen und der kleine operative Eingriff dauert nur Secunden.
Bei Lupus im ersten Anfang, wenn derselbe, wie nicht so selten,
an der Nasenspitze localisirt ist, bedient man sich gleichfalls
zweckmässig derselben Methode, weil Excision und Transplan¬
tation oder Excision und primäre Naht aus kosmetischen Rück¬
sichten oft nicht zu verwerthen sind. 1 ) Dass aber dann die
Galvanokaustik doch in der Lage ist, allen Anforderungen an
eine ideale Heilung zu genügen, dafür einige Beispiele mit
über Jahre hinaus anhaltender Heilung. Die Frühdiagnosen
sind leider selten und schon aus diesem Grunde führe ich die
Krankengeschichten mit an.
1. V., 12 J., m. aus Dortmund, leidet an einem seit Monaten persi¬
stent gebliebenen Knötchen an der Nasenspitze. Schleimhaut der Nase — Pat.
wurde auch daraufhin von einem Specialistcn (J>r. Hansberg) unter¬
sucht, der denselben meiner Behandlung überwies; die Mutter leidet an
Phtihisis pulmonum. Diagnose: Lupus der Nasenspitze im allerersten An¬
fang. Therapie: in Bromäthylnarkose gründlich Kauterisation des Knotens.
Glatte Heilung in etwa 14 Tagen unter Borpuderbehandlung. Heute nach
4 vollen Jahren ist ein ltecidiv weder in loco noch an irgend einer
anderen Körperstelle eingetreten. Wäre der gründliche Kingriff nicht ge¬
schehen und hätte man die beste Zeit zum operativen Handeln mit der
Anwendung unzulänglicher Heilmittel — hierzu rechnen wir auch die
Anwendung der nicht gründlich und nicht tief genug wirkenden Aetz-
stifte — vergeudet, so würde von diesem primären Knötchen gar bald
die nächste Nachbarschaft inlicirt worden sein; leider ist das der ge¬
wöhnliche, traurige Verlauf. Ganz ähnliche Verhältnisse bot der fol¬
gende Fall.
2. W., 34 Jahre alt, Ehefrau. Patientin fiel schon seit längerer
Zeit eine nicht weichen wollende Röthung der Nasenspitze auf und
consultirte, da sie glaubte, dass eine Erkrankung der Nasenschleimhaut
vorliege, gleichfalls einen Nasenspecialisten, der Patientin an mich verwies,
da im Innern der Nase nichts Abnormes nachzuweisen war. Bei genauer
Inspection fand ich bei der gleichfalls tuberculöy belasteten Patientin eine
entzündliche Köthung der Nasenspitze, die auf Druck erblasste und im
') Wir haben jedoch später eine ganze Reihe von Patienten mit
Lupus der Nase mit Excision und Transplantation behandelt; siehe dar¬
über unten die Krankengeschichten.
Gck igle
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Ueber die Behandlung des Lupus vulgaris.
37.5
Centrum dieser Röthung eine knötchenförmige Efilorescenz. Diagnose :
Lupus im Beginn. Therapie: Galvanocaustische Zerstörung des Knötchens
im Centrum; in Folge dessen bald Verschwinden des Knötchens so wie
der therapeutisch nicht beeinflussten reactiven Röthung. 1 Jahr nachher
stellte sich Patientin wieder vor und litt an zwei kleinen flachen Ulcera-
tionen rechts und links von der Nasenspitze. Es war das eine Bestätigung
meiner ersten auf Lupus lautenden Diagnose. Abermalige Cauterisation,
Heilung; Patientin ist bis heute von einem Recidiv frei geblieben nach
vollen drei Jahren; noch vor wenigen Wochen habe ich Patientin
gesehen.
3. A., 39 Jahre, w. Patientin consultirte mich zuerst vor fast
8 Jahren wegen Frost an den Händen und eines hartnäckigen Ausschlages
an den Ohren. Dabei fiel mir bei Patientin an der Nasenspitze eine
Knötcheneftlorescenz auf, deren Beachtung ich für viel wichtiger hielt.
Da das Knötchen schon monatelang bestand, so schlug ich Patientin die
galvanocaustische Zerstörung vor, worauf dieselbe einging. Meine Wahr-
scheinlichkeitsdiagnose lautete auf Lupus an der Nasenspitze im ersten
Beginnn. Der Vater ist frühzeitig gestorben, woran ist unbekannt. Patientin
selbst ist bis dahin immer ganz gesund gewesen. Auch bei dieser Patientin
traten im Laufe der nächsten Jahre wiederholt ulceröse Recidive ein ;
ferner zeigte Patientin gelegentlich einer Tuberculincur deutliche örtliche
und allgemeine Keaction. Im Verlaufe der Erkrankung wurde die Diagnose
sowohl wie die Behandlung nicht unwesentlich erschwert, durch wieder¬
holte acute Eruption von Lupus erythematosus Efflorescenzen, die zeit¬
weise fast das ganze Gesicht befielen. Seit etw r a zwei Jahren ist der
Lupus vollständig geheilt, der Lupus erythematosus bis auf kleine Stellen
an den Händen und Ohren. Auch diese Patientin ist in meiner beständigen
Beobachtung.
Einen Augenblick sei es noch gestattet, bei den Methoden
zu verweilen, die durch eine allgemeine Behandlung den Lupus,
sei es innerlich, sei es hypodermatisch zu heilen suchen. Weder
Tuberculin noch das von Liebreich so warm empfohlene
Cantharidin haben sich bewährt. Liebreich will zwar von
Cantharidin deutlich günstige Beeinflussung des Lupus gesehen
haben, jedoch hat Köbner dies mit grosser Entschiedenheit
in Abrede gestellt. Auch S aal fei d bleibt bei seiner Ansicht
beharren, dass er in den Lupus fällen, die er mit Cantharidin
behandelt hat, Besserung gesehen habe; bei Cantharidin scheint
selbst die primäre Beeinflussung des Erkrankungsherdes oder
die Reaction, die bei Tuberculin in den meisten Fällen so schön
eintritt, kaum beobachtet zu werden; auch ist Cantharidin
wegen seiner ungünstigen Einwirkung auf die Nieren keines-
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wegs ungefährlich, wie wiederholt in der Literatur mitge-
theilt wurde.
Die Behandlung des Lupus kann nur daun eine erfolg¬
reiche sein, wenn sie eine gründliche chirurgische ist und, dass
hier der schönste Erfolg in der Frühdiagnose und in der Früh¬
behandlung des Lupus liegt, wurde schon angedeutet.
Wir müssen beim Lupus nach denselben Grundsätzen
verfahren, wie beim Epitheliom und beim Carcinom der Haut
und nicht den schönsten und günstigsten Zeitpunkt für die
Operation, vielleicht noch eine einfache Excision verstreichen
lassen mit der Anwendung von Pflastern, AetzmitteLn etc.
Haben wir es aber nun, wie ja leider in der Praxis zu¬
meist mit recht ausgedehnten Lupusfällen zu thun, wie haben
wir dann zu verfahren, welches sollen dann die allgemeinen
leitenden Principien chirurgischer Behandlung sein.
Es sind zwei Bedingungen zu erfüllen:
I. Entfernung allen lupös oder tuberculös erkrankten
Gewebes der Haut und Subcutis und eventuell auch des
darunter befindlichen Knorpels oder Knochens.
H. Erzielung einer möglichst schnellen und guten Ver¬
narbung und möglichst geringer Entstellung.
Wir wollen zum Schlüsse unserer Abhandlung unter diesen
Gesichtspunkten beleuchten:
Die Methode der Thiersch’schen Transplantation nach vorher¬
gegangener Excision. G
Steffen Hugo, Dreher, Witten, 27 Jahre, wird am 6. März 1893
in’s städtische Krankenhaus atif genommen mit Lupus exulcerans, am
Lande serpiginosus der ganzen rechten Wange. Durch Narbenverzug ist
ein ziemlich hochgradiges Extropium des rechten unteren Augenlides
eingetreten. Der Lupus besteht seit frühester Kindheit und hat sich die
Krankheit im Anschluss an einen in Suppuration iibergegaiigenen Drüsen-
l ) Ich halte es für meine Pflicht hier ausdrücklich zu bemerken,
dass ich mich bei allen meinen Lupusoperationen im hiesigen städtischen
Krankenhause der liebenswürdigsten Unterstützung des chirurgischen
Oberarztes Dr. Gerstein erfreut habe und dass die meisten der im
verllosseuen wie im folgenden Kapitel wiedergegebenen Ideen der Ausfluss
sind des mit demselben während einer Reihe von acht Jahren fast un¬
unterbrochenen gepflogenen wissenschaftlichen Gedankenaustausches.
Gck igle
Original frum
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(Jeher die Behandlung des Lupus vulgaris.
375
knoten entwickelt. Patient ist nicht gerade besonders kräftig gebaut,
jedoch von gesundem Aussehen; an den Lungen wie überhaupt an den
inneren Organen nichts Abnormes nachzuweisen.
Am 6./IIL 1893 wurde in tiefer Narkose die ganze Wangenhaut,
soweit sie ulcerös oder narbig mit eingesprenkelten Lupusknötchen ver¬
ändert war, excidirt, dann wurde gleichzeitig Sorge getragen, alle
spannenden, nach dem rechten unteren Augenlide hinziehenden Stränge
zji durcbschneiden, wodurch das Lid wieder in seine normale Lage quasi
zurückschnellte. Nachdem durch Compression die Blutung einigermassen
gestillt und das Operationsfeld sichtbar gemacht war, wurden alle tieferen
verdächtigen Stellen energisch mit dem Flach- und Spitzbrenner des
Paquelins behandelt; darauf ein Jodoformgaze - Compressionsverband
angelegt.
Am 4 Tage post operationem Verbandwechsel, abermals Jodo¬
formgaze-Verband ; am 8. Tage Implantation von Haut aus dem Ober¬
arm. Es blieb zwar nicht alles haften, jedoch trat nichtsdestoweniger
eine tadellose Heilung und Vernarbung ein. Das Extropium stellte sich
nicht wieder ein.
Dass es uns in diesem Falle gelungen war, radical in
einer einzigen Sitzung alles Lupöse zu beseitigen, davon konnten
wir uns im Laufe der folgenden Jahre zur Genüge überzeugen.
Wir hatten einmal nicht nöthig bis zum heutigen Tage auch
den geringsten operativen Eingriff vorzunehmen und konnten
im vorigen Herbst den Patienten im Arnsberger Bezirksverein
als tadellose Heilung vorstellen. Die Narben waren wunderschön
glatt, ohne eine Spur von ominöser Röthung, weder auf Finger-
noch auf Glasdruck, weder mit blossem Auge noch bei Lupen¬
besichtigung Hessen sich Knötchen nachweisen. Auch hatte
sich, was leider öfter eintritt, das Ectropium nicht wieder ge¬
bildet. Nunmehr hat diese Heilung in das vierte Jahr Stand
gehalten und da glaube ich mich doch für diesen Fall der
berechtigten Hoffnung hingeben zu können, dass die Heilung
auch für die Dauer Stand halten wird.
Schmidt, Ehefrau, 47 Jahre, Hamm. Patientin leidet an einem
Lupus, der genau das untere Nasendrittel befallen, etwa in der Aus¬
dehnung eines Markstückes, mit typischen Lupusknötchen, beginnender
Ulceration und leichten Narbeneinziehungen, der Process greift auf das
Naseninnere beider Nasengänge über. Die Anamnese ergibt, dass der
Vater an Phthisis pulmonum gestorben ist. Der Lupus besteht, soweit
den Angaben der Patientin zu glauben ist, bei der schon ziemlich weiten
Verbreitung verhältnissmässig kurze Zeit. Im Naseninnern seit sechs
Monaten, aussen seit zwei Monaten. 17./VI. 1893 Aufnahme in’s hiesige
städtische Krankenhaus ; in Narkose tiefe Excision allen lupösen Gewebes
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Fahr y.
37ß
bis auf den Nasenknorpel, verdächtige Stellen des letzteren werden
gleichfalls entfernt; ebenso wird Sorge getragen, den Lupus des Nasen-
innern (befallen sind da nur die Nasenflügel) zu entfernen. Die Blutung
wird durch Compression sowie durch Torsion grösserer Gefässe gestillt
und dann sofort aus dem Oberarm nach Thiersch’scher Methode Haut trans-
plantirt und Sorge getragen, dass auch die gesetzten Defecte im Innern
gedeckt werden- Compressionsverband mit protectiv silk, Jodoformgaze
etc. — 24./VI. erster Verbandwechsel: alles ist tadelles angeheilt. 28./VI.
wird Patientin bereits mit der Weisung zu pudern entlassen.
Patientin habe ich im ersten Jahre öfter, zuletzt noch in diesem
Jahre gesehen; dieselbe ist von einem Recidiv verschont geblieben; auch
ist, wie ein Photogramm zeigt, der kosmetische Erfolg ein durchaus
guter zu nennen
Borgstedt, Fräulein, 22 Jahre, Camen. Patientin stellte sich zuerst
vor am 4./I. 1893 und lautete die Diagnose: Lupus exulcerans et hvper-
trophicus am Kinn, kleiner serpiginöser Lupusherd am Kinn.
Die Eltern der Patientin leben und sind ganz gesund, sechs lebende
gesunde Geschwister; Patientin selbst hat als Kind eine Meningitis Über¬
stunden; der Lupusherd am Habe besteht seit 6 Jahren, seit 2 Jahren
der am Arm. Rechte Lungenspitze suspect.
9./L Aufnahme: Auskratzung und nachfolgende Cauterisation mit
dem Paquelin. 18./I. Transplantation auf die schön granulirende Wund-
iiäche vom rechten Oberarm. Die Lappen heilten nur theilweise an,
jedoch ist Ende Januar die ganze Wumlfläche vernarbt. Die Narbe blieb
r >th und es zeigten sich innerhalb der Narbe umschriebene Lupusreeidive.
Die Stelle am Arm konnte excidirt und primär durch die Naht ver¬
einigt werden.
Wir entschlossen uns nun am 15. Juni 1694 zur gründlichen
Excision der ganzen lupösen Narbe und transplantirten 8 Tage darauf
auf die vorher durch Ausschabung von den überwuchernden Granulationen
befreiten Flächen. Es trat nun nach 14 Tagen Heilung ein, die bis zum
heutigen Tage Stand gehalten hat. In der HerbstveiSammlung 1895 des
Vereines der Aerzte im Regierungsbezirk Arnsberg, mehr wie zwei Jahre
nach der Entlassung aus der Behandlung, konnte ich Patientin noch als
völlig geheilt vorstellen. Die Heilung hat bis heute derart Stand ge¬
halten, dass auch nicht das geringste verdächtige Knötchen zu sehen.
Ich stehe daher nicht an, in diesem Falle von einer Radicalheiluug zu
sprechen.
Die mikroskopische Untersuchung der excidirten Narbe
ergab neben stark gewuchertem Granulationsgewebe, zwischen
welches sich echtes Epithel ganz tief hinein erstreckte, ver¬
einzelte typische Tuberkelknötchen, ein Beweis, wie nothwendig
der radicale Eingriff gewesen war. Gleichzeitig zeigte uns das
Präparat, eine wie energische active Proliferation von der an-
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Ueber die Behandlung des Lupus vulgaris.
577
geklebten Epidermis auch in die Tiefe vor sich geht. Ein wie
energisches Flächenwachsthum des Epithels statthat, ist ja
klinisch immer zu sehen bei den Reverdin’schen Transplan¬
tationen sowohl wie bei denen nach Thier sch, wenn nicht die
ganzen Flächen bedeckt sind oder die Lappen nicht in
toto anwachsen.
Middendorf Theodor, 15 Jahre, Hamm. Lupus exulcerans, Hyper-
trophicus et disseminatus der ganzen rechten Gesichtshälfte und der
Unterkinngegend bis zur linken Wange. Patient ist von auffallend
blühendem Aussehen, die Eltern desselben sind gesund, er hat fünf
lebende gesunde Geschwister, abgesehen von seinem Lupus, der 9chon
seit langen Jahren von frühester Kindheit besteht und allmälig bis zu
der jetzigen Ausdehnung sich entwickelt hat, soll Patient immer ganz
gesund gewesen sein.
Am 10./VI. 1892 in Narkose Abschälung der Haut der ganzen lupösen
Partie, also der ganzen rechten Wange und der ganzen Unterkinngegend
bis zur linken Wange in einer Sitzung, also bedeutend mehr wie der
einen Gesichtshälfte entspricht. Sehr starke Blutung, wie das nichts
anders bei dem Gefassreichthum der Gesichtshaut und dem zum grossen
Theil narbig verändertem Gewebe mit den starrwandigen Gelassen zu
erwarten war; durch Torsion und Compression Stillung der Blutung, es
brauchen nur wenige grössere Gefässe unterbunden zu werden. Den
12./VI. Transplantation nach Thiersch, die Lappen werden vom Ober¬
schenkel entnommen; bis zum 80. Juni ist etwa die Hälfte der Fläche
bewachsen, sehr starke Granulation, die vielfach die anhaftenden Läppchen
überwuchert, deshalb in Narkose Ausschabung der Granulation, abermalige
Transplautation, Verband wie gewöhnlich mit Puder, Protectiv silk etc.
Den 16./V111. wurde Patient geheilt mit leichtem Ectropium des rechten
unteren Augenlides entlassen; im Laufe der nächsten zwei Jahre habe
ich ihn wiederholt gesehen und konnte jedesmal constatiren, dass von
Kecidiven keine Spur zu Beheu war. Das Ectropium leichten Grades be¬
stand noch; Patient konnte sich zu der von mir vorgeschlagenen operativen
Beseitigung nicht entschliessen. Da ich nun Patienten seit dem Jahre
1894 nicht mehr gesehen, so richtete ich an den Arzt, der mir den
Patienten zur Operation überwiesen hatte, eine Anfrage über das augen¬
blickliche Betinden des Patienten. Darauf antwortete mir Dr. Falk
in Hamm: „Dem p. Middendorf geht es im Allgemeinen gut. Recidiv
ist nicht eingetreten, das Ectropium ist noch vorhanden. Aber das Aus¬
sehen ist trotzdem so Vertrauen erweckend, dass kürzlich seine Auf¬
nahme in eine Krankencasse, bei der vorherige Untersuchung erforderlich
ist, nicht beanstandet wurde.“
Eine Abbildung des status ante operationem findet sich in meiner
Abhandlung „über die tuberculösen Affectionen der Haut“ auf Seite 3.
Gassmann, C., 28 Jahre, Buchdrucker, Dortmund. Patient ist
tuberculös belastet, der Beginn seiner Erkrankung datirt auf die ersten
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Kinderjahre zurück. Es findet sich bei demselben ein Lupus serpiginosus
malae sinistrae, der nach vorne bis zura Mundwinkel und linken Nasen¬
flügel reicht, nach oben bis zur Schläfengegend und scharf bis an die
Grenze des unteren Augenlides, nach rückwärts ist die Ohrmuschel mit
erkrankt, nach unten hin endlich noch ein grosser Theil der entsprechen¬
den Halsgegend. In der Mitte zeigt der Lupus spontane Tendenz zur
Heilung, es war also jene Form, die man als Lupus exfoliativus zu be¬
zeichnen pflegt, während wir in den Randpartien es mit der progressiven
Form des Lupus serpiginosus zu thun hatten. Dies der Befund vom
10. März 1893. Patient wurde am 8. Agril iiTs städtische Krankenhaus
aufgenommen und ich excidirte bei demselben in vier Sitzungen in der
breite von etwa 3 Cm. die Randpartien und Hess in gewohnterWeise wenige
Tage nach jeder Excision die Transplantation nach Thiersch folgen. Am
16. Juni wurde Patient entlassen. In der Mitte war also absichtlich
nichts geschehen. Im Laufe der folgenden Jahre und bis zum heutigen
Tage konnte ich nun constatiren, dass auf der einen Seite an den Rand¬
partien da, wo wir excidirt und transplantirt hatten, sich auch nicht
eine Spur eines Recidivs entwickelte, ebenso wenig über diese Exisions-
linie hinaus nach dem Gesunden; auf der anderen Seite aber ging unsere
Hoffnung, im Centrum werde eine vollständige spontane Zurückbildung
erfolgen, der Lupus werde dort verkümmern, nicht in Erfüllung. Wir
haben uns daher zweimal entschliessen müssen, zahllose kleine Lupus¬
knötchen mit dem Spitzbrenner des Paquelin zu zerstören.
Das Resultat ist nun heute in diesem Falle folgendes: Der Lupus
ist nicht weiter vorgeschritten in den Randpartien, in den transplun-
tirten Stellen ist nirgends eine Spur von Knötchen zu sehen, die kleine,
etwa ein Fünftel der ursprünglich befallenen Wange betragende Stelle im
Centrum der Wange zeigt noch suspecte Röthungen und Knötchen, aber
es ist keine Tendenz zur Exulceration vorhanden. Trotz diesem zufrieden¬
stellenden Resultate habe ich Patienten doch noch vorgeschlagen, dem-
näfhst auch die centrale Partie excidiren und transplantiren zu lassen.
Wir haben in diesem Falle die Excisionen in vier Sitzungen vornehmen
zu müssen geglaubt, weil jedesmal die Blutung eine ganz kolossale war
und weil Patient nach jedem operativen Eingriff ganz bedenklich eolla-
birte, so dass wir ihm einen grösseren Blutverlust nicht zumuthen
durften. Auch dieser Patient wurde in der Ilerbstsitzung des ärztlichen
Vereines im Regierungsbezirk Arnsberg, Frühjahr 1896, demonstrirt.
Für uns unterliegt es keinem Zweitel, dass auch in diesem Falle die
Heilung eine ideale gewesen wäre, hätten wir gleich von vornehereiu
auch in einer fünften Sitzung das Centruin excidirt. Dieses soll, wie
betont wurde, demnächst noch nachgeholt werden.
Fischer Heinrich, 16 Jahre, Dortmund. Lupus exulcerans et
hvpertrophicus der rechten Wange, Tuberculose des rechten Nasen¬
beins. Vater an Phthisis gestorbeu. Patient ist Epileptiker. Ab¬
gesehen von seiner Hauterkrankung ist Patient von gesundem
kräftigem Aussehen. 24. September 1891 Aufnahme in’s Kranken-
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Ueber die Behandlung des Lupus vulgaris.
379
haus. Zuerst wurde Patient ausgekratzt und cauterisirt, es traten aber
Recidive ein; vor allem aber macht die zum Nasenbein gehende Fistel
eine ganze Reihe von Cauterisationen, Entfernung von Knochensequestern
erforderlich. Dagegen gelang es in viel kürzerer Zeit durch gründliche
Excision und nachfolgende Transplantation den Lupus zur vollständigen
Verheilung zu bringen. Verfahren bei der Transplantation wie gewöhnlich
und tadelloses Anheilen der vom Oberarm entnommenen Hautlappen. Die
Heilung hat, wie ich mich noch vor ganz kurzer Zeit überzeugen konnte, bis
heute Stand gehalten. Ich nahm fünf volle Jahre post operationem fol¬
genden Befund auf: Patient ist von auffallend kräftigem gesunden Aus¬
sehen. Wo früher der in seinem Verlauf rapide fortschreitende Lupus
localisirt war, finden wir eine wunderschöne glatte, ganz unverdächtige,
d. h. nicht die geringsten Spuren von Knötchen zeigende Narbe. Keine
Spur von Ectropium, obschon früher der Lupus und jetzt die Narbe ver-
hältnissmässig dicht an das rechte untere Lid heranreicht. Am Kinnrande
rechts findet sich ein unter der glatten dünnen Narbenhaut verschieb¬
licher Drüsenknoten, sonst keine Drüsen am Halse oder vor dem Ohre.
Die Entfernung soll in Kurzem vorgenommen werden und dürfte die
Ausschälung nach meinem Dafürhalten kaum mehr Schwierigkeiten
machen wie die eines einfachen Ateroms. Die Heilung dieses Lupus, die
über fünf Jahre Stand gehalten hat, glaube ich als eine radicale be¬
zeichnen zu dürfen; d. h. die Gefahr des Auftretens neuer Knötchen ist
kaum vorhanden. Und das kosmetische Resultat ist in diesem Falle ein
vorzügliches, die Narben sind allerdings sichtbar, aber sonst ist eine Ent¬
stellung nicht vorhanden.
Becker Lina, 24 Jahre alt, Ehefrau aus Hacheney, überwiesen von
Dr. Broelemann in Hörde mit Lupus exulcerans der linken Gesichts¬
hälfte und des rechten Armes. Aufnahme Febr. 1893 zur Operation nach
Thiersch. Die Erkrankung begann am Arm vor 13 Jahren und im Ge¬
sicht vor 10 Jahren. Am Arm findet sich ein über Handflächen grosser
Lupusfleck, die grössere Hälfte der linken Wange bis zum Mundwinkel
ist befallen von einem zum Theil ulcerirten, zum Theil hypertrophischen
Lupus.
Es wird in Narkose unter ziemlich vehementer Blutung alles
Lupöse rein excidirt und dann am Arm, wo die Blutung durch Com-
pression zu stillen ist, sofort, im Gesicht, da wir sehr tief gehen mussten,
erst nach acht Tagen transplantirt. Am Arm haftet der eine aufgelegte
Lappen vollständig, im Gesicht lösen sich jedoch hie und da kleinere
Fetzen ab, jedoch ist bereits nach 14 Tagen hier alles verheilt.
Patientin sah ich zum ersten Male wieder am 25. October 1890,
also nach fast 3'/ a Jahren und constatirte Folgendes: Dieselbe ist, wie
auch vor der Operation, von gutem blühenden Aussehen, hat mehrere ge¬
sunde Kinder, die sie selbst stillte und was den Lupus anbelangt, so
wurde notirt: am Arm schöne weisse Narbe, nichts von Recidiven be¬
merkbar. Es findet sich aber ein typisches Lupusknötchen an der Ober¬
lippe und ein gleiches an der rechten Wange; dagegen sind die trans-
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380
Fahr y.
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plantirten Stellen an der linken Wange vollständig tadellos, das Recidiv
in Gestalt zweier Knötchen hat sieh weit davon entfernt entwickelt und
nicht ira Zusammenhang mit dem primären Herd der Wange. Ich
schlug nun Patientin gründliche Excision der beiden neuen Knötchen
vor und, da dieselbe sich hierzu nicht entschliessen konnte, cauteri-
sirte ich dieselben tief und gründlich mit dem Paquelin. Der weitere Verlauf
und das eventuelle Neuauftreten von Knötchen bleibt in diesem Falle ab¬
zuwarten, nichtsdestoweniger können wir mit dem Erfolge der Methode
mehr wie zufrieden sein.
Die nunmehr folgenden Krankengeschichten, bei denen
gleichfalls excidirt und nach T h i e rs c h transplantirt wurde,
wurden zwar in späteren Jahren operirt und ist somit die
Dauer des Erfolges noch nicht über so lange Jahre hinaus
verfolgt worden, nichtsdestoweniger werden sie mit zur Beur-
theilung der Leistungsfähigkeit der Thierse Irschen Methode
verwerthet werden können.
Gregor Marie, 21 Jahre, Näherin aus Marten. Leidet an einem
etwa handtiäehengrossen Lupusfleck der linken Wange. Patientin ist
tuberculös belastet, leidet an Kyphose, sowie an Spitzenatlection der
Lungen beiderseitig. Die Erkrankung der Wangenhaut besteht schon
seit langen Jahren und ist ganz allmälig am Rande weiter fortge¬
schritten. Fleck fast kreisrund, im Centrum an mehreren Stellen ulcerirt.
Am 22./I1I. 18D5 Excision, die sehr tief gemacht werden musste, da sich
intra operationem ergab, dass der tuberculoso Process verhältnissmässig
weit in die Tiefe, jedoch nicht bis zuin Oberkielerknochen vorge¬
schritten war. Jodolörmgaze - Compressiousverband, der nach vier
Tagen in Nareose entfernt wird, es wird dann die nicht mehr starke
Blutung durch Anliegen von 0.0% Kochsalzcompressen gestillt und die
ganze Wundtiäche mit zwei Thierse huschen Lappen vom Oberschenkel be¬
deckt. ln den nächsten Tagen heilen die Lappen tadellos an und glaubten
wir bereits in Kurzem Patientin entlassen zu können, als von einer
kleinen eiternden stelle aus ein Erysipelas faeiei sich einstellte, das mit sehr
hohem Fieber verlief, Patientin sehr elend machte und einen grossen
Theil der iiuplantirten Stellen wieder löste; eine erneute Transplantation
war jedoch nicht erforderlich, indem von den haftenden Läppchen aus
die Wundfläche sieh schön überhäutete. Im Monat September 18^0
hatte ich Gelegenheit, Patientin zu untersuchen und konnte eonstatiren:
die Narbe ist, wenn auch etwa uneben, so doch vollständig blass und ent¬
halt keine Spur von verdächtigen Stellen in Gestalt von Hyperämien
oder tuberculüsen Knötchenherden. Die bei der Entlassung noch sehr
stark eingesunkene Wange — wir hatten sehr tief excidiren und auch
noch krankhaft veränderte Partien von der Musculatur entfernen müssen
— ist viel flacher geworden, die Entstellung eine sehr geringe. Das
Allgemeinbefinden der Patientin ist relativ gut; dieselbe hat auffallend
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lieber die Behandlung des Lupus vulgaris.
381
lange Zeit gebraucht, um sich von dem iiberstandenen Erysipelas zu
erholen.
Die Krankengeschichte eines 20jährigen Bergmannes, Wilhelm
Scheich, will ich nur ganz kurz anführen, da der Fall ganz analog war
dem Fall Borgstedt. In diesem Falle haben wir 22./III. 1895 sofort die
ganze zwei handflächengrosse lupöse Stelle unter dem Kinn excidirt und
in gewohnter Weise nach 4 Tagen transplantirt; auch diesen Kranken
habe ich im August dieses Jahres noch untersucht und mich davon über¬
zeugen können, dass die Heilung bis dahin Stand gehalten hat.
Kranefeld Hulda, 17 Jahre, Lütgendortmund. Patientin, die väter¬
licher und mütterlicher Seite tuberculös belastet ist, wurde am 13./VII
1894 in’s städtische Krankenhaus mit Lupus exulcerans der linken Ge-
sichtshälfte, weit über die Hälfte die Wange bedeckend und bis zur
Oberlippe und zum Mundwinkel hinziehend, aufgenommen. Zuerst Be¬
handlung nach Volkmann und Nachbehandlung mit Pyrogallus und Su¬
blimat. Es traten Recidive ein und so entschlossen wir uns 6./V. 1896
nach abermaliger Aufnahme der Patientin in’s Krankenhaus zur radicalen
Exstirpation des Lupusrecidivs sammt den Narben. In gewohnter
Weise Transplantation; am 23./V. wurde Patientin entlassen mit einem
auch kosmetisch zufriedenstellenden Resultat. Patientin steht natürlich
noch in unserer Beobachtung; bis heute hat sich aber auch nicht die
geringste Spur eines Lupusrecidivs gezeigt.
Kleinschnittger Maria, 16. Jahre, Dienstmädchen, Dortmund. Lupus
serpiginosus antibracchii dextri, kaum handfiächengross. Aufnahme in\s
städtische Krankenhaus am 4./III. 1895. Patientin ist von blühendem ge¬
sundem Aussehen. Der Fleck am Arm hat sich im Laufe der Jahre
und zwar ganz allmälig entwickelt. In Narkose radicale Exstirpation
alles Lupösen und da es nach kurzer Zeit gelingt, die Blutung zu stillen,
so wird sogleich in derselben Sitzung vom Oberarm transplantirt. Schon
nach wenigen Tagen konnte Patientin als geheilt entlassen werden. Am
28./IX. 1896 wurde constatirt, dass die Heilung unter Bildung schöner
glatter Narben erfolgt und ein Recidiv nicht eingetreten war.
Bach Maria, 40 Jahre, ledig, Oberhausen. Lupus faciei exulcerans
et hypertrophicus über das ganze Gesicht verbreitet mit entsetzlich ent¬
stellender Verstümmelung der Nase, narbiger Schwellung und Verziehung
der Ober- und Unterlippe, Lupus des Zahnfleisches der oberen und unteren
Zahnreihe. Patientin steht seit fast vier Jahren in meiner Behandlung
und wurde von mir wiederholt ausgesebabt und gründlich cauterisirt;
aber es gelang auf diese Weise kaum den ungeheuer progressiven Fall
in Schranken zu halten und so entschlossen wir uns auch, bei diesem
Fall bei der letzten Aufnahme 28./1. 1896 zur radicalen Operation, wohl
wissend, dass ja eine Abschälung zunächst fast der ganzen Gesichtshaut
nötbig war und weiter, dass bei dem so inveterirten Fall ein Tiefer¬
greifen des Processes an manchen Stellen erwartet werden musste.
Operirt wurde in einer Reihe von Sitzungen: rechte Wange, Unterkinn¬
gegend, Unterlippe, Nase und linke Wange, beide obere Augenlider,
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382 Fabry.
manchmal wurde eine Transplantation mit einer neuen Excision ver¬
bunden. Da Patientin durch die wiederholten Narkosen und operativen
Eingriffe mit heftigen Blutverlusten sehr geschwächt war, so wurde sie
Anfang April entlassen und sollte sich dann in diesem Winter die noch
restirende Lupuspartie an der Oberlippe excidiren lassen. Dies soll dem¬
nächst ausgeführt werden. Wir haben den Fall ausführlich mitgetheilt,
obschon aus verschiedenen Gründen von einer Heilung noch nicht ge¬
sprochen werden kann, weil derselbe von den bisher mitge-
theilten der am weitesten ausgedehnte Krankheitsfall war und weil er
aus diesem Grunde technisch die grössten Schwierigkeiten darbot.
Ganz cursoriscli und mehr der Vollständigkeit halber
mögen auch die Fälle hier Erwähnung finden, die bis in die
letzte Zeit von uns nach der Thierse h’schen Methode behandelt
wurden, die aber aus den schon angeführten Gründen für die
Kritik der Methode nicht den gleichen Werth haben.
1. Frau Niemann, 54 Jahre, Dortmund, leidet an ausgedehntem
Lupus serpiginosus et exulcerans in Schmetterlingsform; die ganze Nase
ist befallen und intumescirt, die Wangen sind befallen bis zum unteren
Augenlide als obere, bis zum Mundwinkel als untere Grenze und bis zur
Parotisgegend als Grenze nach rückwärts. Patientin ist im Laufe der
Jahre wiederholt in Kliniken zumeist nach Yolksmann’scher Methode
behandelt worden. Im Frühjahr excidirten wir die ganze Fläche in
einer Sitzung und schlossen nach 4 Tagen die Transplantation an; schon
nach 14 Tagen konnten wir die Patientin mit allerdings noch frischen,
jedoch bereits festen Narben vorstellen; bis heute ist ein Recidiv noch
nicht eingetreten.
2. Ganz ähnlich lag die Sache bei einem Fall, der ein Fräulein
König, 44 Jahre, aus Arnsberg betraf, aber in der Fläche sowohl wie
nach der Tiefe hin weiter vorgeschritten war; diese Patientin war zur
selben Zeit auf der Station, wir mussten dieselbe jedoch länger in dem
Kiankenhause zurückbehalten, da Nachoperationen sowohl an den Augen¬
lidern wie am Munde nöthig wurden. Ein halbes Jahr post operationein
habe ich Patientin wieder gesehen und dieselbe war zu meiner grössten
Freude noch frei vom Recidiv.
3. Ein Kind, Sagolla, 12 Jahre, aus Dortmund, behandle ich jetzt
seit etwa 1 Jahr an Lupus exulcerans et hvpertrophicus der linken
Wange und der Unterkinngegend rechts. Leider war hier, wie so oft,
die günstigste Zeit zum operativen Handeln durch homöopathische und
hydropathische Behandlung verloren; dem Homöopathen schlug schliess¬
lich doch sein alloeopathisches Gewissen, als er keine Besserung sah und
er rieth schliesslich zur operativen Behandlung. Wir führten auch hier
in einer Sitzung die Excision aus trotz sehr starken Blutungen. Die
Transplantation gelang in diesem Falle nicht so gut und in Folge dessen
nicht zum geringsten Theile hat 9ich ein Ectropium des linken unteren
Augenlides herausgebildet. Wir haben in diesem Falle uns vorgenommen,
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Ufber dir Behandlung des Lu 2 >us vulgaris.
383
zunächst zu beobachten, ob derselbe recidivfrei bleibt und dann später
die Ectropiumoperation auszuführen; bis heute haben wir noch nichts
von Lupusknöcben beobachten können.
Wir haben absichtlich zuerst die Krankengeschichten
Revue passiren lassen und hielten es für zweckmässig, erst
nachdem die objective Darstellung gegeben war, unser sub-
jectives Urtheil über den Werth der Transplantationsmethode
zu geben. Ueberblicken wir aber die immerhin nicht geringe
Zahl von nach Thier sch behandelten Lupusfallen und beden¬
ken wir, dass bei einer Reihe der mitgetheilten Fälle der Ver¬
lauf über eine Reihe von Jahren post operationem controlirt
wurde, so dürfen wir hoffentlich frei bleiben von dem Vorwurf,
zu frühzeitig oder zu übereilt unsere Meinung uns gebildet
zu haben.
Da die operative Behandlung insbesondere des Gesichts¬
lupus entschieden ein Grenzgebiet darstellt zwischen Chirurgie
und Dermatologie, indem die Entfernung mit dem Messer eine
verhältnissmässig grosse technische Fertigkeit verlangt, so ist
die Behandlung des Lupus vielfach übergegaugen auf den reinen
Chirurgen und mit einer gewissen Berechtigung, da letzterer
gewohnt ist, tagtäglich mit derartigen Schwierigkeiten zu rech¬
nen und umzugehen und da dem Dermatologen vielfach diese
chirurgische Uebung abgeht. Nichtsdestoweniger kann es keinem
Zweifel unterliegen, dass der Lupus in der Hand des Derma¬
tologen, vorausgesetzt, dass derselbe sich jene technische
chirurgische Gewandtheit angeeignet hat oder aber, dass der
Dermatologe in Gemeinschaft mit einem Chirurgen derart arbeitet,
dass der letztere die Operation ausführt und der erstere
dabei zugegen ist einmal zwecks Abmessung dessen, was zu
entfernen und was zu erhalten ist, dann aber vor allem zur
Leitung der Nachbehandlung, besser aufgehoben ist besonders
in Hinsicht auf Erzielung eines guten kosmetischen Resultates.
Wenden wir uns nun zur ausführlichen Besprechung der
operativen Technik, so unterscheiden wir zweckmässig drei
Stadien, das der Vorbereitung, die eigentliche Excision und
drittens die Transplantation mit Nachbehandlung.
Die Vorbereitung für die Operation bezweckt nichts wie
die gründliche Desinfection des zu excidirenden Terrains, das
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man zweckmässig erzielt durch Application desinticirender
Sublimatumschläge etwa 24 bis 48 Stunden lang oder man
reinigt und desinficirt die Stelle mit Aether, Alkohol, Sublimat
in bekannter Weise. Diese Desinfection kann natürlich nur eine
relative sein, denn es wird doch wohl kaum gelingen in tieferen
Schichten des tuberculösen Gewebes einzudringen und es unter¬
liegt jawohl keinem Zweifel, dass auch beim Lupus die Eiter-
coccen dem Tuberkelbacillus liebenswürdige Gesellschaft leisten.
Sind aber die Eitererreger dabei mit thätig. so setzt das
in noch kürzerer Zeit tiefer greifendere Zerstörungen; ist
es aber einmal zu Exulceration gekommen, so i»t die Misch-
infection zwischen Tuberkelbacillus und Eitercoccus auch bald
da. Wenn es auf der anderen Seite richtig, und viele Behand¬
lungsmethoden gehen von dieser Grundidee aus, dass das Eiter¬
gift im Stande sei das tuberculöse zu vernichten, so geht für
uns daraus das hervor, dass das deletäre Zusammenwirken
von Tuberkelbacillus und Eitermikroorganismen in der Natur
schon eine gewisse Begrenzung gefunden hat. Um nun nicht
zu weit abzuschweifen, so kann die vorbereitende Desinfection
nur eine relative sein, dennoch entspricht es den modernen
Grundsätzen der Chirurgie, auch diese relative überhaupt mög¬
liche Desinfection anzustreben.
Bei der Ausführung der Excision des hipüsen Gewebes
hat man von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen, es zu
erstreben, dass möglichst die Hälfte des Fettgewebes resp. des
subcutanen Bindegewebes stehen bleibt; es muss aber dabei
oberster Grundsatz bleiben, alles irgendwie Verdächtige zu
entfernen, möglichst den Tuberkelbacillus in seine Mauselöcher
zu verfolgen, tiefere Gänge zu spalten und vollständig frei zu
legen, tuberculöse Drüsen gleichzeitig mit zu entfernen. Die
Aufgabe der Excision, also der ersten operativen Sitzung ist
nur dann vollständig und lege artis gelöst, wenn wir sagen
können, wir haben oder wir glauben alles Tuberculöse entfernt
zu haben; man darf sich dabei nicht beirren lassen, dass das
kosmetische Resultat nun eventuell nicht so gut ist.
In der Mehrzahl der Fälle haben wir es, wie auch unsere
Krankengeschichten zeigen, mit Gesichtslupus zu thun, und da
pflegen einmal wegen des ungeheuren Gefässreichthums im
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Ueber die Behandlung des Lupus vulgaris.
385
Gesicht, dann aber auch, weil im Narbengewebe — und um
Narbengewebe handelt es sich beim Lupus mehr weniger in
allen Fällen — die Gefässlumina venöse und arterielle, aus-
gespannt bleiben und sich nicht retrahiren können, Blutungen
viel heftiger zu sein. Wie aber hat man sich dieser Blutungen
zu erwehren ? In der ersten Zeit, wo wir anfingen nach T h i e r s c h
zu behandeln, haben wir grössere Gefässe unterbunden resp.
umstochen; wir sind jedoch bald zu der Einsicht gekommen,
dass die Unterbindungsstellen später der Transplantation
Schwierigkeiten bieten und verfahren seit etwa zwei Jahren
folgendermassen. Während die lupöse Haut abgeschält wird,
fassen die Assistenten möglichst alle grösseren und kleineren
Gefässe mit Schiebern und Klemmen; ist die lupöse Haut ab-
präparirt — wir haben wiederholt in einer Sitzung die Hälfte
bis ein Drittel der ganzen Gesichtshaut entfernt — so kann
schon die grössere Mehrzahl von Schiebern sofort entfernt
w r erden, grössere Gefässe werden torquirt, dann legen wir einen
Jodoformgaze-Compressionsverband an, der nach drei bis vier
Tagen in Narkose wieder entfernt wird; es entstehen dabei
nur hie und da kleinere Blutungen, die durch Auflegen von
Kochsalzcompressen leicht und bald zu stillen sind. Die Wund¬
fläche ist dann für die Transplantation sehr geeignet. Wir halten
dieses Verfahren für einfach, schonend und vor Allem sehr
praktisch, haben es dabei in einer ganzen Reihe von Fällen
erprobt und glauben es daher zur Nachahmung empfehlen zu
können. Früher hatten wir länger bis zur Vornahme der Trans¬
plantation gewartet, es war dann Granulation vorhanden und
diese musste erst durch Ausschabung wieder entfernt werden.
Wir berichteten ja auch über einen Fall, wo gleich in der
ersten Sitzung die Transplantation vorgenommen werden konnte ;
das war aber ein Lupus der Extremitäten; im Gesicht aber
haben wir immer mit sehr starken Blutungen und auch
Nachblutungen zu rechnen, die die sofortige Vornahme der
Implantation einfach illusorisch machen.
Wir können nunmehr, nachdem das Terrain präparirt ist
zur Ausführung der eigentlichen Transplantation, uns auslassen
über die von uns speciell bei diesem Punkte gemachten Er¬
fahrungen. Es unterliegt gewiss keinem Zweifel, dass die Epi-
Archlv f. Dermatol, u. Sypliil. Band XXXIX. 25
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38*1 Fubrv.
dermislappen um so leichter und besser anhaften, je grösser
dieselben sind und hierin liegt ja vor Allem der Vorzug der
Thiersch’schen Transplantation vor der älteren Reverdin-
sclien. In zweiter Linie soll man erstreben möglichst dünne
Lappen zu erlangen; allerdings haften auch dickere Lappen
gut an, aber je dicker dieselben sind, desto mehr stösst sich
nachher von den oberflächlichsten Epidermisschichten ab; es
kömmt hinzu, dass je dünner die Epidermis entnommen wird,
um so leichter auch die secundär gesetzten Wunden heilen.
Das leichte Einfrieren nun der zu excidirenden Haut mit
Aethylchlorid ist gewiss im Stande, ähnlich wie bei Gefrier¬
schnitten beim Mierotom uns die Operation zu erleichtern; es
gelingt mit dieser Aushilfe, wovon wir uns des öfteren über¬
zeugt haben, leicht dünne, grosse und feine Hautstücke zu
erhalten; dennoch haben wir später Aethylchlorid fortgelassen,
indem wir glaubten, dass nicht eingefrorene Epidermislappen
leichter anwachsen und zudem gelingt es auch ohne Anwen¬
dung desselben bei einiger Uebung und einigem Geschick aus¬
reichend grosse und passende Flächen zu erhalten. Dass der
Oberschenkel und Oberarm das geeignetste Gebiet sind, dem
die Lappen entnommen werden, bedarf eigentlich kaum der
Erwähnung.
Wenn der Lappen aufgelegt war, so wurde zunächst durch
sachten Druck mit Kochsalzcompressen dafür Sorge getragen,
dass die Lappen überall dicht und unmittelbar auf der Untei-
fliiche anlagen, mit anderen Worten, eventuelle Luft- oder
Flüssigkeitsblasen entfernt. Darauf wurde der Lappen mit
Dermatol bestreut, in letzter Zeit auch mit Nosophen und Airol,
mit protectiv silk bedeckt und endlich mit einem Compressions-
verbande abgeschlossen.
Grade in den jüngsten Monaten haben wir mehrere Fälle
von Lupus der Wange etwas anders behandelt und möge diese
Modification der Nachbehandlung hier kurz Erwähnung finden.
Es handelt sich um folgende Fälle:
I. Fräulein Berg. Lupus der linken Wange, Recidiv, früher wieder¬
holt nach Volk mann behandelt.
II. Frau Flasche. Lupus der linken Wange und des linken Ober¬
arms; beide Stellen handfiächengross, endlich ein thalergrosser Fleck der
linken l’atellargegend.
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Ueljer ilie Behandlung des Lupus vulgaris.
387
III. K rau Harrwig. Lupus der linken Wange und Unterkinngegend.
IV. Frau Wolflf, 65 J. Lupus dissemin. beider Wangen, Kecidiv.
V. Werner Anton, Io Jahre. Lupus des unteren Nasendrittels,
Septum perforatum.
Es handelte sich bei allen tunten um Fälle von mittel-
grosser Ausdehnung, wir werden aber wahrscheinlich demnächst
bei den ausgedehnten Lupusfällen ganz ebenso verfahren; es
kam uns bei diesen Kranken sehr zu statten, dass die Blutung
durch minutenlange Compression sowie durch Auflegen von
eiskalten Coiupressen bald zu stillen war; so konnte in einer
Sitzung exeidirt und transplantirt werden. Wir haben nun
sofort, nachdem die Wundflächen mit Hautlappen bedeckt
waren, die Fläche mit Jodoformgaze bedeckt und darüber einen
Compressionsverband angelegt; nach acht Tagen erster Ver¬
bandwechsel und in allen Fällen tadellose überraschend gute
Anheilung; wir haben dann mit einfachem Talcum nachbehan¬
delt; es ist gewiss angenehm, bei einem Lupus schon nach so
kurzer Zeit einen eclatanten Erfolg verzeichnen zu können,
während alle anderen Methoden sich doch immer über mehrere
Monate hinziehen; natürlich muss diese noch sehr junge und
zarte Haut auch in nächster Zeit noch sehr aufmerksam be¬
handelt und beobachtet werden, Blasenabhebung oder zu starke
Granulation, wenn sich später hie und da noch eine Stelle
löst, inhibirt werden.
Die erste Anleimung der Lappen erfolgt sehr bald, wenn
die Lappen dicht auf der Unterlage anliegen; Theile aber, die
beispielsweise im Gesicht, am Munde viel in Bewegung sind,
bieten für die Transplantation grössere Schwierigkeiten und
damit ist zu rechnen. Früher Hessen wir den ersten Verband
post Transplantationem 4 Tage liegen in dem Glauben, dass
dann erst ein gutes Anhaften der Lappen eingetreten sei. Wir
sind aber nach unseren Erfahrungen später dazu übergegangen,
den ersten Verband vorsichtig schon nach zwei Tagen zu lösen;
hat sich dann vielleicht an der einen oder anderen Stelle eine
Eiterblase gebildet, die die Lappen abzuheben im Begriffe ist
— und das kommt zuweilen vor — so wird dem schnell durch
Anstechen der Blase Einhalt gethan. In einzelnen Fällen haben
wir auch gerade mit Rücksicht auf diese Eiterblasenbildung
und ihre sofortige Beseitigung offen behandelt: bei einem Falle
25*
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F a b r y.
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von Lupus nasi mit recht gutem Erfolge; dennoch halten wir
es für besser in allen Fällen, nachdem aufgepflanzt worden ist,
eine leichte Compression auszuüben.
Stossen sich nun im weiteren Verlaufe hie und da trotz¬
dem Theile der Implantationen ah, und tritt die bei Lupus
immer so üppige Granulation zu Tage, so haben wir uns nie
gescheut, diese Granulation mit starken Höllensteinlösungen
zu bekämpfen, damit von den anhaftenden Theilen ausgehend
auch diese Stellen überwachsen werden konnten. Ideal wäre
es ja, wenn mit einem Schlage die ganze Fläche zuwüchse,
aber das ist eben nicht immer der Fall.
Wir wollen noch nachtragen, dass wir bei den Trans¬
plantationen immer Sorge getragen haben, dass die aufzulegen¬
den Lappen auch noch bis auf die gesunde Haut reichen, es
ist das ein einfaches und gutes Fixationsmittel, indem die
feuchte untere Epidermisseite der Lappen fest an der Unter¬
lage der gesunden Haut anklebt; aus denselben Gründen
sorgten wir, dass die Lappen sich dachziegelförmig überein¬
ander legten.
Beim Ausbreiten der feinen Lappen Epidermis auf der
neuen Grundlage bedienen wir uns in letzter Zeit der be¬
kannten feinen Schäufelchen, wie sie bei Verarbeitung von
Microtomsehnitten im Gebrauch sind; wir kommen damit besser
zum Ziele wie mit Sonden.
Wenn die neu geschaffene und zu transplantireude Grund¬
fläche recht schön trocken ist, so machten wir oft die Beob¬
achtung, dass schon bei der Operation, also nach wenigen
Minuten, ein verhältnissmässig festes Ankleben stattgefun¬
den hat.
Haben wir kleinere Stücke Lupushaut, etwa bis zu Hand-
ilächengrösse exoidirt, so gelingt es leichter eine Eiterung zu
verhüten, anders bei grösseren Flächeuexcisionen, wenn etwa
in einer Sitzung die Hälfte des Gesichts und noch mehr ent¬
fernt wurde; es ist dann schon schwieriger vollständig aseptisch
zu bleiben und es entsteht dann die Frage, wie sollen wir uns
gegen diese Eiterung, die das Anhaften frischer Lappen ganz
gewiss illusorisch macht, verhalten?
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Leber die Behandlung des Lupus vulgaris.
389
(Erwähnen will ich kurz an dieser Stelle, dass ich auch
in einem Falle von echtem Lupus erythematosus der Nase,
der zwar ganz umschrieben kaum zehnpfennigstückgross auftrat,
aber trotzdem Jahre lang erfolglos mit Pflastern und Kauteri¬
sationen behandelt worden war, in kurzer Zeit eine definitive
Heilung erzielte; in den meisten Fällen von Lupus erythema¬
tosus wird man ja mit schonenderer Behandlung auskommen,
aber für einzelne nicht zu ausgedehnte und hartnäckige Fälle
glaube ich auch die Transplantationsmethode empfehlen zu
können.)
Es empfiehlt sich, in derartigen Fällen den ersten Ver¬
band schon nach kürzerer Frist, vielleicht nach 24—48 Stunden,
zu erneuern; ist dann doch schon Eiterung eiugetreten, so ge¬
lang es möglichst viel von dem Iinplantirten zu retten, wenn
ein Trockenverband mit Jodoform oder Airolgaze angelegt
wurde, über die Gaze Verbandwatte und comprimirender Ver¬
band; auf diese Weise gelingt es die Flächen möglichst trocken
zu halten; auch die folgenden Verbände wurden möglichst oft
erneuert; wie schon angedeutet, tritt nach 3—5 Tagen wieder
eine neue Schwierigkeit uns entgegen in Gestalt der üppigen
Granulation; es hat sich zwar nun entschieden, wie viel von
den Lappen haften geblieben ist, aber wir müssen doch zu ver¬
hüten suchen, dass die Granulation nicht die anhaftenden
Stellen überwuchert und um diesen Zweck zu erreichen, gibt
es zwei Wege, zwischen denen wir zu wählen haben, je nach¬
dem hinreichend oder doch nicht ausreichend im Verhältniss
zu den zu überhäutenden Stellen oder Flächen haften geblieben
ist: entweder nochmals nach vorheriger Ausschabung des Gra¬
nulationsgewebes zu transplantiren oder durch tägliche Pinse¬
lungen mit 2—G°/ 0 igen Höllensteinlösungen oder durch Appli¬
cation 0*5—2°/ 0 igen Höllensteinumschläge für die Möglichkeit
der Ausbreitung der Läppchen in der Fläche Sorge zu tragen.
Wir haben wiederholt uns, je nach der Auswahl der Fälle zu
dem einen oder anderen entschliessen müssen und dann doch
zum Ende gute und besonders gute kosmetische Resultate
erzielt; das nun hat sich uns besonders zur Evidenz gezeigt,
dass Höllensteinlösungen frisch anhaftenden Läppchen nicht
im weiteren Wachsthum hinderlich sind und dieselben nicht
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3Ml) I’abry.
zerstören; die Zerstörung des Argentum nitricum richtet sich
nur gegen die Granulationswucherung. Wir ziehen Aetzungen
mit Lösungen schon aus dem Grunde vor, weil sie den Patienten
weniger schmerzhaft sind wie der Lapis in Substanz, dann aber
glauben wir auch, dass der Stift der jungen anhaftenden Epi¬
dermis nicht so zuträglich ist, wie die eben erwähuten Lö¬
sungen.
Bekanntlich neigt der Lupus, wenn er operirt ist, da es
sich doch zumeist um oberflächlich gesetzte Wunden handelt,
nicht so sehr zu accidentellen Wunderkrankungen; dennoch ist
auch mit diesen Eventualitäten zu rechnen. Ein echtes Erysipel
mit hohem Fieber zerstörte uns in zwei Fällen die Transplan¬
tationen und machte eine erneute Ausführung derselben erfor¬
derlich. Natürlich werden derartige Zufälle durch strengste
Antisepsis möglichst zu vermeiden sein, vollständig lassen sich
dieselben auch bei grösster peinlichster Aufmerksamkeit nicht
verhüten.
Andere Uebelstände bei den Transplantationen verdienen
noch erwähnt zu werden. Eine keloidartige Narbenhypertrophie
kommt auch bei Transplantationen vor; wir wissen, dass eben
manche Individuen aus uns unbekannten Ursachen dazu iucli-
niren. Zu Anfang soll man, wenn derartige besonders im Ge¬
sicht entstellende Hypertrophien sich einstellen, abwarten, da
sich dieselben oft noch spontan zurückbilden. In einem Falle
haben wir, und wir glauben dies zur Nachahmung empfehlen
zu können, die Hyperplasien nach der M i k u li c /.'sehen Methode
für Naevi entfernt und dadurch auch ein zufriedenstellendes
kosmetisches Resultat erzielt.
Besonders in Fällen, wo durch das Tiefergreifen des
lupösen Processes wir gezwungen waren auch tiefer zu exci-
diren, kann es bei gleichzeitig in der Fläche ausgedehnten
Lupusfällen d. h. bei Fällen, bei denen über die Hälfte des
Gesichts befallen ist und, wo die Krankheit sich nahe an die
Augenlider oder an die Peripherie des Mundes heranzieht,
noch mehr, wenn wir gezwungen sind, Theile der Lippen und
der Lider selbst zu excidiren, zur Ausbildung eines Ectro-
') Miculicz. Chirurgische Behandlung der Hautmäler. Yerhandl.
des IV. Congr. der Deutschen dermat.. Ges. 1804 p. 176.
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lieber die Behandlung des Lupus vulgaris. 391
piums kommen und es ist vorausgesetzt, dass wir von dem
Grundsätze ausgehen, alles Tuberculöse entfernen zu wollen,
eine solche Störung nicht immer zu vermeiden, ebensowenig
eine Verziehung der Mundöffnung nach der einen oder an¬
deren Richtung. Was die unteren Augenlider nun anlangt,
so ist es auffällig, wie nahe man bei der Excision an das¬
selbe herangehen darf, ohne dass ein Ectropium entsteht.
Aber, wie schon hervorgehoben, haben wir in einzelnen Fällen
in Nachoperationen die Beseitigung eines sich ausbildenden
Ectropiums zu erstreben. Es würde zu weit führen und zu sehr
in das Gebiet der reinen Chirurgie übergreifen, wollten wir
uns hier näher darauf einlassen, welche von den plastischen
Operationen zu wählen sei. Wir möchten nur ein Verfahren
lidvand
näher skizziren, das sich an die Thiers che Transplantations¬
methode eng anschliesst, ziemlich gute Dienste leistet, sich
auf ziemlich viele Fälle anwenden lässt und vor Allem den
Vorzug der Einfachheit hat.
Exemplificiren wir auf ein Ectropium des rechten unteren
Augenlides, so haben wir einen Schnitt zur Entspannung parallel
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392
Fabry.
dem Lidrande geführt und diesen, um das Lid vollständig zu
lockern, bis zu den Augenwinkeln verlängert — Linie aaaa —
Natürlich müssen alle spannenden Stränge gespalten werden;
es geht nun das Lid in seine ursprüngliche Lage zurück, die
Auswärtsstülpung der Schleimhaut ist beseitigt; zur Vorsicht
wurde das Lid in dieser Lage durch zwei temporäre Nähte
an der Stirn fixirt, endlich sofort der Defect durch eine
Thiersche Implantation gedeckt, — War die Mundöffnung
etwa in der Richtung a narbig post operationem oder in Folge
des Krankheitsprocesses verzogen, so haben wir in ähnlicher
W eise nach der Richtung, wo die stärkste Spannung war, durch
Entspannung in bekannter Weise einen Defect gesetzt, diesen
dann wieder in derselben Weise nach Thier sch gedeckt.
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Zur Frage von der Injectionstechnik bei
der Behandlung von Syphilis.
Von
Magnus Möller,
Docent der Syph. und Derm. in Stockholm.
In einer kürzlich gemachten Mittheilung, *) betreffend
Lungenembolien bei Injectionsbehandlung von Syphilis, kam ich
zu einigen Schlüssen, von denen folgende die wichtigsten waren:
1. In der Literatur habe ich 29 Fälle von Lungenaffection
zufolge intramusculären Injectionen von unlöslichen Quecksilber¬
präparaten veröffentlicht gefunden; selbst habe ich 28 solche
Complicationen beobachtet.
2. Der klinische Verlauf ist in den bisher beobachteten
Fällen in der Hauptsache übereinstimmend und bildet einen
typischen, gut charakterisirten Symptomencomplex. Die Symptome
sind theils local, von den Lungen: Hustenparoxysmus, Athemnoth,
Stich, blutiges Sputum; theils allgemein, oder von anderen Or¬
ganen: Fieber, Anämie, Mattigkeit, Albuminurie, Digestions-
Störungen.
3. Bei angestellten Thierversuchen (Kaninchen) ergab es
sich, dass bei intravenösen Injectionen von essigsauerem Thymol¬
quecksilber, suspendirt in irgend einem Vehikel, regelmässig
embolisch-inflammatorische Veränderungen in den Lungen ent¬
stehen. Diese werden von den grösseren Partikelcheu des Prä¬
parates hervorgerufen, welche zufolge ihrer Grösse nicht die
feinen Verzweigungen der Lungenarterien passiren können,
sondern abfiltrirt werden, stecken bleiben und Embolien bilden.
Durch die Irritation, welche sie in ihrer Umgebung bewirken,
werden exsudative Processe, perivasculäre pneumonische Herde,
hervorgerufen. — Die Hauptmasse des Hg-Präparates, welche
aus äusserst kleinen amorphen Körnchen besteht, wird dagegen
durch den Lungenkreislauf mit der Circulation weitergeführt.
4. Bei intravenöser Injection des Vehikels allein (Paraffin,
Gummischleim) entstehen wohl auch Circulationsstörungeu beim
') Arch. f. Derm. u. Syph. 1896. 37. Bd. 3. H. p. 395.
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394
Möller.
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Passireu des Lungenkreislaufes, indessen nur solche von un¬
vergleichlich milderer Art: kleine capilläre Infarcte ohne Spur
von den ausgeprägten Exsudationsprocessen, welche das Hg-
Präparat hervorrief.
5. An den Versuchsthieren gemachte intramusculiire In-
jectionen von essigsauerem Thymolquecksilber bewirkten keine
Veränderungen in den Lungen.
Aus diesen Befunden zog ich die Schlussfolgerung, dass,
wenn bei Menschen nach Injection von unlöslichen Hg-Präpa-
raten obenangedeutete Complication seitens der Lungen ent¬
steht, diese in embolisch-inflammatorischen Processen ihren
Grund hat, welche durch die in den Lungen abfiltrirten grösse¬
ren Partikeln des Injectionspräparates hervorgerufen werden.
Die übrigen Symptome: Digestionsstörungen, Anämie, Mattig¬
keit, Albuminurie, sind als Ausdruck einer acuten Quecksilber-
intoxication aufzufassen, welche durch die Menge des Hg-Prä-
parates leicht entstehen können, die auf einmal hineinkommt
und mit dem Blute circulirt und wahrscheinlich in löslichen
Verbindungen schnell übergeführt wird.
6. Alle meine Fälle von Lungenembolien sind bei 3—3*5 Cm.
tief in die Musculatur gemachten Injectionen vorgekommen;
seitdem aber das Verfahren dahin geändert worden ist, dass
die Injectionen weniger tief gemacht werden, sind niemals mehr
derartige Fälle vorgekommen.
Bevor ich weitergehe, muss ich mich gegen die von Har¬
tung, ') einem der letzten Autoren in diesem Gegenstände,
ausgesprochene Besignation bezüglich dieser Complicationen
aussprechen. Nach der Erwähnung von Lungenaffection in un¬
mittelbarem Anschluss an die Injection von Salicylquecksilber
schliesst H. nämlich mit folgenden Worten: „Wir können diese
Gefahr mit in den Kauf nehmen, und ich glaube, wir können
es ganz ruhig bei intacten Lungen mit Rücksicht auf die grosse
Seltenheit des Zufalles und den sehr bedeutenden Werth gerade
dieser Form der Hydrargyrumtherapie.“
Hartung’s Mittheilung veranlasste Lesser,-) das Wort
zu ergreifen. L. spricht die Ansicht aus, dass diese Fälle
*) Deutsche med. Wochenschr. 1894. Nr. 29 p. 601.
7 ) Deutsche med. Wochenschr. Nr. 39. Separatabdr.
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Zur Frage v. der Inject .-Technik bei d. Rehamll. v. Syph. 3<)5
ganz gewiss nicht so selten sind, aber wahrscheinlich oft ver¬
schwiegen werden, dass es ferner nicht richtig sein kann, „sie
ruhig mit in den Kauf zu nehmen“. Denn obgleich bislang
kein bekannter Fall einen unglücklichen Ausgang genommen
hat, so ist damit nicht bewiesen, dass nicht ein solcher ein-
treffen könnte. — Jedenfalls bezweifle ich, dass die Patienten,
welche ganz plötzlich und unerwartet in die erwähnte, oft sehr
qualvolle Situation mit ihrem Hustenparoxysmus, Seitenstechen,
Athemnoth u. s. w., der tage-, zuweilen wochenlangen Arbeits¬
unfähigkeit, geneigt sind, die Sache „ganz ruhig“ zu nehmen.
Es kann nicht befremden, dass verschiedene Patienten mit
Kenntniss der Gefahr, welcher sie sich aussetzten, die Iujections-
behandlung ablehnten. Gerade mit Rücksicht auf „den sehr
grossen Werth dieser Form der Hydrargyrumtherapie“ muss
man es wohl deshalb wie Lesser für höchst wünschenswerth
halten, einen Ausweg zur Vermeidung dieser mindestens sehr
unangenehmen Complicationen zu finden.
Bei meinem ersten oben angeführten Punkte muss es
unbedingt auffällig erscheinen^ dass auf mein Los 28 solcher
Fälle kommen, während die früheren Autoren auf diesem Ge¬
biete nur wenige hierhergehörige Beobachtungen mitzutheilen
hatten. Dies muss seine besondere Ursache haben.
So selten, wie man nach den Ziffern in der Literatur zu
glauben versucht sein könnte, kommen diese Lungencomplica-
tionen indessen gewiss nicht vor. Ich habe mich in dieser Be¬
ziehung theils mündlich, theils schriftlich bei fünf schwedischen
Specialisten (den Doctoren Södersten in Gothenburg, Welin
in Malmö, Lindholm, Kempf und A hl ström in Stockholm)
erkundigt, welche alle Injectionsbehandlung der Syphilis in
grösserer Ausdehnung ausgeübt haben. Sämmtlich haben sie
die Auskunft gegeben, dass sie bezüglich solcher Lungen-
complicationen Erfahrung haben; alle haben mir ganz charak¬
teristische Fälle mitgetheilt, von deren genauer Wiedergabe
ich indessen abstehe, weil sie alle dem nunmehr bekannten
Typus folgen mit plötzlich, oft unmittelbar nach der Injection
eintretendem Hustenparoxysmus, Athemnoth, Stich u. s. w. —
Anderseits hat Prof. Welander mitgetheilt, 1 ) dass er, mit
') Svenska Lakaresällsk. förhandl. 1896 p. 200.
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396
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seiner überlegenen Erfahrung, niemals eine solche Lungen-
complication bemerkt hat.
Bei Erwägung dieser anscheinend unvereinbaren Mit¬
theilungen lag die Frage nahe, oh die Erklärung nicht in der
Ungleichheit der Injectionstechnik der verschiedenen Aerzte zu
suchen sein könne. Diese Annahme bestätigt ja schon meine
eigene Erfahrung (Punkt 6), nach welcher verschiedene In-
jectionsweisen einen wesentlichen Unterschied in der Frequenz
der Lungencomplication ergaben.
Die Lungenaffectiou kommt dadurch zu Stande, dass die
Injectionsmasse in eine Vene und durch diese in den Lungen¬
kreislauf gelangt — dies dürfte wohl in Analogie mit den Re¬
sultaten meiner Injectionsversuche an Kaninchen (Punkt 3)
als erwiesen betrachtet werden können. Die Gefahr, Gefässe
zu lädiren, muss natürlich in demselben Masse grösser sein,
als der Gelassreichthum des zu injicireuden Gebietes grösser ist.
Dies könnte deshalb zunächst ein Grund sein, den relativen
Gefässreichthum verschiedener Theile desGebieteszu untersuchen,
wo die Injectionen vorzugsweise angebracht werden, d. h. die
Glutealgegend.
Die Hauptgefässstämme der Glutealgegend ’) sind die Vasa
glutea und Vasa ischiadica, welche das Becken durch das Fo-
ramen ischiadicum verlassen, die ersteren über, die letzteren
unter dem M. pyriformis. Die Art. glutea mit den begleitenden
Doppelvenen biegt sich um den oberen Rand der Incisura
ischiadica major und theilt sich in zwei Hauptäste, von denen
der eine sich oberflächlicher, im oberen Theile des M. gluteus
maximus, der andere, tiefer, in den Mm. glutei medius und
rainimus verzweigt. Die Art. ischiadica ist da, wo sie an dem
unteren Rande des M. pyrif. hervorkommt, von einem reichlichen
Plexus mehr oder weniger grossen Venen umgeben. Die Arterie
theilt sich in eine Anzahl divergirender Aeste, welche sämmtlich
von Doppelvenen begleitet sind. Es lassen sich drei Haupt¬
richtungen unterscheiden: 1. rückwärts in den unteren Theil
des M. gluteus maximus; 2. seitwärts, unterhalb und parallel
mit dem unteren Rande des M. pyril. nach den tiefen äusseren
Hüftmuskeln und dem Hüftgelenk und 3. abwärts, in der
') Vergl. Heule. Handb. der Gefässlehre. Braunschvveig 1868 p. 172.
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Zur Frage v. der Inject.-Technik bei d. Behandl. v. Syph. 397
Richtung nach dem äusseren Theile des Tuber ischii, zu den
langen Beugemuskeln u. s. w. Ausser den diese Arterien be¬
gleitenden tiefen Venen gibt es subcutane Venenstämme, welche
an Breite bis 3 Mm. und darüber betragen können. Sie ana-
stomosiren mit den tiefen mitten durch die dazwischen lie¬
gende Musculatur. Der M. gluteus maximus ist sehr gefässreich.
Die intramusculären Venen haben keinen constanten Verlauf
und begleiten die Arterien nicht.
Um nuD zu untersuchen, ob und in welchem Masse bei
intramusculären Injectionen die Spritzenspitze in eine gefähr¬
liche Nähe von grösseren Gefässen kommen kann, erbat und
erhielt ich Prof. Lindström's Erlaubniss, einige solcher In¬
jectionen im Anatomiesaal des Karol. Institutes auszuführen.
Die Leichen, ihrer 3, waren männlichen Geschlechtes und hatten
mässige oder mehr als mässige Musculatur, waren aber ziemlich,
obwohl nicht hochgradig mager. Im Anschluss an die in
der Injectionstherapie gebräuchlicheren Prädilectionsstellen
wählte ich fü$ die Injectionen drei leicht bestimmbare Punkte:
I. im obersten Theile des M. gluteus maximus, ungefähr
3—5 Cm. von der Crista ilei;
II. ungefähr 2 Cm. hinter und 1 Cm. oberhalb der hinte-
ren-oberen Spitze des Trochanter major.;
in. in dem Mittelpunkte zwischen der Spina ilei post,
sup. und der unteren Fläche des Tuber ischii, Ü Cm. von der
Medianlinie.
Die Canüle der Injectionsspritze war 3'5 Cm. lang. Zur
Injection wurde eine Paraffinsuspension von essigsauerem Thymol¬
quecksilber verwandt, welche sich durch ihre weisse Farbe von
den umgebenden Theilen gut unterscheidet.
An den zwei letzteren Punkten wurde die Injection winkel¬
recht zur Hautfläche 3—3 - 5 Cm. tief in die Musculatur gemacht.
Dies in Uebereinstimmung mit der nunmehr allgemein ange¬
nommenen Regel, die Injectionsmasse möglichst tief') zu de-
') „Mais surtout qu’on n’oublie pas qu’il faut piquer profondement
avec de longues aiguilles de 6 centimetres et effectuer le depot en pleines
massea .musculaires“ (Jullien. Ann. de derm. et de syph. 1896 p. 177).
-„J’enfonce perpendiculairement dans toute sa longeur l’aiguille . . .
j’emploie actuellemont une aiguille d’une longeur de einq ou six centi-
metre“. (Portalier, idem, p. 800—301.)
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ü 11 e r.
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poniren. An dem ersten Punkte dagegen in der Weise, wie ich
die Injectionen jetzt stets ausführe, d. h. man ergreift eine
dicke Falte von Haut und subcutanem Gewebe, parallel mit der
Medianlinie und führt die Canüle in ihrer ganzen Länge schräg
in der Richtung der Hautfalte tief unter die Haut und das
subcutane Gewebe hinein, um das Depot supra- oder wenig¬
stens mehr oberflächlich intramusculär zu deponiren.
P*ei der Dissection unterstützte mich der Hr.Cand. Forssner.
Nachdem die drei Injectionen auf eben angegebene Weise
gemacht worden waren, wurden nach einander Haut, Panui-
culus adiposus und Faseia abgenommen, wonach die Muskeln
bezw. Muskelbündel vorsichtig zertlieilt wurden. Es ist na¬
türlich, dass das Depot in den verschiedenen Fällen mehr
oder weniger tief, ganz nach der individuell wechselnden Dicke
der betreffenden Gewebelager wiedergefunden werden musste.
An den drei Leichen betrugen Haut und Panniculus adiposus
in keinem Falle mehr als 1 Cm.; die Faseia ist in dieser Ge¬
gend ganz schwach ausgeprägt; die Dicke des M. gluteus ma-
ximus wechselte bei den verschiedenen Leichen und an ver¬
schiedenen Stellen zwischen 2 und 3 Cm., *) am dicksten ist er
an den mit II. und III. bezeichneten Punkten. Haut, Panni¬
culus und M. gluteus maximus betrugen also in keinem dieser
Fälle mehr als 4—±'5 Cm. — In wesentlichen Beziehungen
war volle Uebereinstiruruung vorhanden zwischen den beson¬
deren, auf analoge Weise und Stelle gemachten Injectionen.
Die Resultate der drei Injectionsweisen waren kurz folgende:
I. (im oberen Theile des M. gluteus maximns; supra-oder
mehr oberflächlich intramusculär). Die Injectionsmasse wurde
jedesmal im M. gluteus maximus 0‘5—1 Cm. von dessen Ober¬
fläche wiedergefunden. Kein Gefäss von bemerkenswerther Grösse
konnte in der Nähe des Depots constatirt werden. Ein Ast
der Vena glutea, welche noch mitten im Muskel ziemlich dick
ist, könnte bei tieferer Injection vielleicht lädirt werden.
') He nie, Handbuch der Muskellelire des Menschen, 2. Aufl. 1871
gibt an, dass der M. glut. max. „Behr mächtig (über 3 Cm.) ist“. —
l’oirer, Traite d’anatomie humaine, T. II. fase. p. 189 sagt vom M. gl.
max., dass er „fort epais, 3 ä 4 ctm. moyenne“ ist.
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Zur Frage v. der Inject.-Technik bei d. Behandl. v. Sypli. 399
II. (2 Cm. hinter und 1 Cm. über dem Trochanter major;
winkelrecht gegen die Hautfläche tief in die Musculatur hinein).
Fünf Injectionen wurden auf nahezu derselben Stelle angetroffen,
Das Depot wurde in einem Falle im M. gluteus maximus nahe
an dessen uuterer Fläche wiedergefunden; zweimal in dem lockeren
Bindegewebe zwischen diesem Muskel einerseits und dem M.
gluteus medius und pyriformis anderseits; zweimal am unteren
Rande des M. gluteus medius; einmal unter dem M. pyriformis
im Bindegewebe zwischen diesem und dem M. gluteus minimus.
Gefährliche Nachbarschaft von grösseren Gelassen war nicht
vorhanden. Sobald man sich oberhalb des Troch. maj. hält,
entgeht man den grossen Lateralästen der Vasa ischiadica,
welche nach den Rotatoren etc. laufen.
III. (Mittelpunkt zwischen der Spina ilei post. sup. und
dem unteren Rande des Tuber ischii, 6 Cm. von der Medianlinie;
winkelrecht gegen die Hautfläche, tief in die Musculatur hinein).
Fünf Injectionen wurden auf nahezu derselben Stelle angetroffen,
nämlich unter dem M. gluteus maximus, unter dem unteren
Rande des M. pyriformis, in dem lockeren Gewebe um die
Vena ischiadica (oder den reichen Venenplexus, welcher sich
früher oder später zu einer Vena ischiadica sammelt), an der Art.
ischiadica und dem N. ischiadicus, in unmittelbarer Nähe der¬
selben. Einmal wurde indessen die Injectionsmasse nicht an der
gewöhnlichen Stelle wiedergefunden; nach einigem Suchen
sahen wir bei der Lädirung eines Venenästchens höher hinauf
(von der Vena glutea) zu unserer Ueberraschung einige Tropfen
der weissen Emulsion durch das Lumen dieser Vene heraus¬
kommen und bei Druck auf deren Stamm noch mehrere. Wir
erkannten endlich, dass die ganze Injectionsmasse in die Vena
schiadica gedrungen war, von wo aus dieselbe bis hinauf in
die Vena hypogastrica und deren Verzweigungen verfolgt werden
konnte. Die Spritzenspitze war offenbar in das Lumen der
Vena ischiadica dicht unter dem M. pyriformis hiueingedrungen,
wobei der Inhalt der Spritze vollständig in die Vene entleert
worden war. Es ist zu bemerken, dass in diesem Falle die
Vena ischiadica eine mehr als gewöhnlich breite, zugängliche
Fläche darbot, deren Stamm 1*5 Cm. in der Breite mass.
Ausserhalb der Vene war nirgends etwas von der Injections-
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masse zu bemerken. In diesem Falle hatte es der Zufall ge¬
fügt, dass die Injection, anstatt intramusculär zu
werden, intravenös geworden war.
Besonders aus diesem letzten Injectionsversuche ist zu
ersehen, welch eine gefährliche Stelle für intramusculäre In-
jectionen der gewählte Punkt III ist. Bei einer tiefen Injection
hier, mitten zwischen die Spina il. post. sup. uud den Tuber
ischii, 6 Cm. von der Medianlinie, richtet man nämlich die
Spritzenspitze gerade gegen die Mitte des Foramen ischia-
dicum mit dessen reichem Venenplexus. Dieser liegt je nach
den individuellen Wechslungen in Musculatur und Corpulenz,
in einer Tiefe von 3, 4. 5 Cm. und zuweilen mehr. Auch an¬
dere Theile als Venen sind bei tiefer Injection auf dieser Stelle
der Lädirung ausgesetzt, nämlich die grossen Arterienstämme
wie auch der N. ischiadicus. a ) Der genannte Punkt ist der ge¬
fäßreichste in der Glutealgegend. Lateral von hier nach dem
Troch. maj. hin, wie auch vertical, nach dein Tuber ischii
hinab, riskirt man fortfahrend, wenn auch in viel geringerem
Grade, mit den grossen Ilauptästen der Vena ischiadica in
Collision zu kommen
Bedeutend geringer wird, auch bei tiefer Injection, die
Gefahr, auf grössere Gelasse zu stossen, wenn man sich an die
Theile der Glutealgegend hält, welche oberhalb einer Horizontal¬
linie liegen, die die obere Spitze des Trochanter major tangirt.
Und wenn mau endlich die Injection in oben beschriebener
Weise ausführt, dass mau einen dicken Wulst von Haut und
subcutanem Gewebe (uud Muskel bei mageren Personen) er¬
fasst und die Nadel in ihrer ganzen Länge in der Richtung
des Wulstes tief unter die Haut und das subcutane Gewebe
(bei mageren Personen in den M. glut. max. hinein) sticht, so
wird die Gefahr, auf Gelasse zu stossen. auf ein Minimum
reducirt.
Es ist anzunehmen, dass die Entstehung von Lungen¬
embolien voraussetzt, dass die Nadelspitze in das Lumen einer
*) Cunf. Möller, lieber Lungenembolien usw. Archiv. 37. IM. 3. H
pag. 41‘J.
2 ) Mchrwöchentlichc Parese dos N. ischiadicus nach einer von
einem Collogen gemachten Thymol-IIg-In jeetiun habe ich im vorigen Jahre
beobachtet.
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Zur Frage v. der Inject.-Tecbnik bei d. Behandl. v. Sypb. 401
Vene hineingedrungen und die Injection direct in diese gemacht
worden ist. Dafür sprechen die oft unmittelbar auftretenden
Symptome, vor allem der Hustenparoxysmus. Dagegen habe
ich bei meinen Dissectionen keine Stütze für Längs 1 ) An¬
nahme gefunden, dass der Zutritt der Injectionsmasse zu
den Venen in der Weise erfolgen kann, dass durch die
Grösse des Depots eine Gewebszerreissung stattfindet und
also der Injectionsmasse Gefässe geöffnet werden. Die Menge
des Vehikels, natürlich innerhalb gewisser Grenzen, scheint
mir eine sehr untergeordnete Rolle zu spielen. Auch wenn
ein Gefäss abgerissen oder möglicherweise durchstochen werden
sollte, so ist die dabei entstehende Blutung genügend, um das
Eindringen der Injectionsmasse zu verhindern. Ganz anders
verhält es sich, wenn man die Injection direct in ein Gefäss
macht, dann ist natürlich ein Embolus die nothwendige Folge.
Und wie die Injection einmal an der Leiche intravenös
erfolgen konnte, so ist sie, wie man vermuthen kann, auch an
Lebenden zuweilen intravenös geschehen, und zwar vor allem
an dem oft genannten, in dieser Beziehung gefährlichen Punkt
III. Dann aber ist es nicht mehr schwer zu erklären, warum
die Erfahrung der verschiedenen Aerzte hinsichtlich der Lungen¬
embolien bei der Injectionstherapie so sehr verschieden ist.
Dieselbe muss selbstverständlich verschieden sein je nach dem
Theil der Glutealregion, welche der eine oder der andere als
Prädilectionsstelle für seine Injectionen hat, wie auch nach der
grösseren oder geringeren Tiefe, in welcher die Injectionen
gemacht werden. Der eine Arzt wählt die Fossa retrotrochanterica,
der andere den oberen Rand der Glutealmusculatur u. s. w.
Ich hatte eine verticale Linie, ungefähr 6 Cm. lateral von der
Medianlinie gewählt; es ist daher ganz gewiss, dass ich in
dieser Linie, bei tiefen Injectionen, zuweilen habe auf den
Plexus ischiadicus stossen müssen, und damit ist die Erklärung
gewonnen, warum ich so oft die unangenehmen Complicationen
seitens der Lungen habe sehen müssen. Nachdem ich. meine
Injectionstechnik dahin geändert habe, dass ich theils den oberen
Theil der Glutealgegend (3—4 Injectionen auf jeder Seite in
einem Bogen von innen nach aussen) wähle und andern theils
') Vorles. über Patk. u. Tker. der Sypb. Wiesb. 18% p. 817.
Archiv f. Dermatol, u. Syphil. Band XXXIX.
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402 Möller.
die Injection weniger tief mache, treffen keine Lungencompli-
cationen mehr ein. (Die Stelle hinten — über dem Trochanter
vermeide ich, weil Schmerz und Empfindlichkeit hier grösser
werden und besonders bei Seitenlage in der Ruhe lästig sind).
Ich glaube, hiermit eine Weise angegeben zu haben, wie
Yeneninjectionen und somit Lungenembolien zu vermeiden sind.
Den letzteren kann man indessen auch dann zuvorkommen,
wenn man die Vorsichtsmassregel trifft, welche unter anderen
von L e s s e r ') vorgeschlagen worden ist, und die darin besteht,
dass man, nachdem der Einstich mit gefüllter Spritze in üblicher
Weise gemacht worden ist, die Caniile festhält, die Spritze
aber einige Augenblicke entfernt, bis man constatirt hat, dass
kein Blut aus der Canüle herauskommt. Erst dann setzt man
die Spritze wieder fest und vollendet die Injection.
Aus mehreren Gründen ziehe ich die erstere Weise vor,
nämlich so viel als möglich die Nähe der grossen Gefässe
und des N. ischiadicus zu meiden. Nachdem man einmal bei
Versuchsinjectionen an Leichen den Venenplexus, die Arterien¬
stämme und den N. ischiadicus von der Injectionsmasse um¬
schwemmt gesehen hat, bekommt man einen gewissen Respect
davor, die Spritzenspitze gerade gegen diese Theile zu richten.
Zu den obigen Schlüssen, zu welchen mich eine frühere
Untersuchung geführt hat, kann ich also noch die drei fol¬
genden fügen:
7. Die grösste Gefahr vor einer Veneninjection und Lungen¬
embolien ist bei tiefer Injection an einem Punkt mitten zwischen
der Spina ilei post. sup. und dem Tuber ischii, ungefähr 6 Cm.
von der Medianlinie. Diese Gefahr besteht noch, aber in ge¬
ringerem Grade, von diesem Punkt aus lateral nach dem Tro¬
chanter major und vertical nach dem Tuber ischii hin.
8. Weit weniger Gefahr in augedeuteter Beziehung bietet
die obere Glutealgegcnd, oberhalb der Horizontallinie, welche
die obere Spitze des Trochanter major tangirt.
9. Wenn man die Injection weniger tief verlegt (in der
Weise wie oben S. 8 beschrieben), supramusculär oder in den
oberflächlicheren Theil des M. gluteus maximus, so entgeht
man der Gefahr vor Lungenembolien.
‘) Deutsche in cd. Wochenschr. 1894. Nr. 39. Sep.-Abdr.
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Bericht über die Leistungen
auf dem
Gebiete der Dermatologie und Syphilis.
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Verhandlungen der Wiener dermatologischen
Gesellschaft.
Sitzung vom 10. März 1897.
Vorsitzender Kaposi. Schriftführer: Spie gl er.
S. Kohn demonstrirt
1. einen Fall von Lichen ruber planus, der bereits vor 13
und dann vor 5 Jahren Anfälle der Erkrankung hatte, die auf Arsenbe¬
handlung heilten. Gegenwärtig besteht ein Recidiv an der Wangen¬
schleimhaut und auch in der Kniegelenksgegend.
2. einen typischen Fall von Erythema nodosum, das seit
zweieinhalb Monaten besteht.
Kaposi erwähnt, dass Lichen ruber auf der Schleimhaut schwer
zu diagnosticiren ist, da daselbst alle möglichen Knötchenefflorescenzen
durch Trübung des Epithels sich gleichsehen. In diesem Falle sind
jedoch die Knötchen an der Haut typisch, schwierig wird es, wenn die
Affection an der Schleimhaut beginnt.
Neu mann bemerkt, diese Knötchen könnten mit verstopften
Schleimdrüsen verwechselt werden.
Kaposi demonstrirt ein Kind mit einer Affection, die vielleicht
als Pemphigus contagiosus aufzufassen wäre. Die Mutter des
Kindes brachte vor einem Monate ein 10 Tage altes, reif geborenes,
jedoch hochgradig marastisches Kind, das am ganzen Körper besäet war
mit erbsen- bis kreuzergrossen prallen, tlieils schlappen, tlieils auch ge¬
platzten Blasen. K. diagnosticirte Pemphigus vulgaris et foliaceus, be¬
ziehungsweise cachecticus. Das Kind starb nach drei Tagen.
Gleich darauf erkrankte ein 2 J / 2 jähriger Knabe derselben Frau. Er
zeigte am rechten Handrücken eine kreuzergrosse rothe Scheibe, die
durch Austrocknung einer vorausgegangenen Blase entstanden war. Dann
traten Nachschübe von gleicher Form, kreuzer- bis thalergrosse rothe
Scheiben ad nates über dem rechten Hypochondrium auf, manche zeigten
randständig gelbe, von einem Blasenkreis herrührende Krusten, ferner
frische Blasen ad nates, mehrere schlappe Blasen, an der rechten Wange
vor dem Ohre, am linken Oberschenkel, andere grössere Herde glatt
überhäutet.
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Gleichzeitig erkrankte ein 14 monatliches Kind derselben Frau an
der gleichen Affection.
Die Kinderärzte unterscheiden einen Pemphigus contagiosus neona¬
torum, der aber von manchen als Varicellen, Impetigo oder als Ver¬
brühung gedeutet wurde. Es gibt auch Herpes tonsurans mit grösseren
Blasen, dabei besteht aber kein ungleicbmässiges peripheres Fortschreiten,
sondern Bläschenbildung an der Peripherie. K. hat eine ähnliche
Aftection noch nicht gesehen; wenn es einen Pemphigus contagiosus
gibt, müsste dieser Fall dazu gehören. Bei einem ähnlichen Falle sind
einmal sehr feine Mycelien eines Pilzes dargestellt worden. Ferner hat
Dem me einen Kokkus in Pemphigusblasen gefunden.
Schiff hat wiederholt solche Fälle bei Kindern gesehen und sie
nie anders aufgefasst, wie als etwas abnorme Formen von Herpes tonsurans.
Lang meint, es sollten die letzt erkrankten Stellen auf Pilze
untersucht werden. Er hat in einem ähnlichen Falle denselben Pilz wie
bei Dermatomykosis circinata gefunden. Es ist eine grosse Zahl von
Fällen bekannt, in denen bei der Impetigo contagiosa statt der vesicu-
lösen bullöse Efflorescenzen sich bildeten.
Neu mann hat ähnliche Fälle gesehen, sie sind selten. Bei
Impetigo contagiosa kommt eine randständige Bläschenbildung bei voll¬
ständiger Bückbildung im Centrum der Kfflorescenz nicht vor. Das
findet sich nur bei Herpes tonsurans. Die kindliche Haut ist empfind¬
licher gegen die Mycelien, daher entstehen eher Blasen.
Kaposi demonstrirt einen Fall von Lichen ruber acumi-
natus. Der 35jährige Patient erkrankte vor 10 Wochen, es trat eine
Röthung an der Brust, auf, die sich rasch ausbreitete, dabei bestand
Spannungsgefühl, Frösteln, Abschuppung. Jetzt sieht man das Bild einer
Pityriasis rubra pilaris (Devergie), die wohl jetzt allgemein als
Lichen ruber acuminatus angesehen wird. Die ganze Haut ist
diffus geröthet, blos am Thorax sind einzelne kreuzergrosse Stellen vor¬
handen, die vor zwei Wochen über thalergross waren, an denen die Haut
ganz normal ist. Die Haut sieht. ferner fein chagrinirt. aus, an den
Fingerrücken, am Handrücken stehen dichtgedrängte Knötchen, reib¬
eisenartig am radialen Rande. Aehnlich ist der übrige Stamm erkrankt,
am Rücken ebenfalls einzelne freie Herde mit randständigen Knötchen.
Stärkerer Schuppenbelag fehlt noch, da die Erkrankung erst 10 Wochen
dauert.
Lang demonstrirt einen 10jährigen Patienten, der am 17. Februar
d J. mit einer exuh*erirten Sei er ose im sulcus und am Bändchen neben
struraatöser suppurativer Lymphadenitis inguinalis aufgenommen
wurde. Gleichzeitig besteht Lichen ruber planus an der Penisbaut,
der in charakteristischen Knötchen gruppirt. zu Ringen oder Ovalen an¬
geordnet ist. Auch in der linken Carpalgegend finden sich volarwärts
drei Gruppen. Nebenbei schiessen schon hie und da Papeln auf.
Popper stellt vor aus der Abtlieilung Langes eine Patientin
mit Syphilis maligna praecox geheilt mit Jodothyrin, welche be-
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der Wiener dermatologischen Gesellschaft.
4ü7
reits in der Sitzung vom 15. April 1896 mit einer Syphilis maligna
praecox demonstrirt wurde. Die Kranke, welche im October 1895 rait-
35 Einreibungen gegen recente Syphilis behandelt worden war, bot da¬
mals guldenstückgrosse gummöse Ulcerationen und Knoten an der be¬
haarten Kopfhaut, sowie Geschwüre am rechten Nasenflügelrande und
am Septum nasi. Unter der mit Decoctum Sassaparillae eingeleiteten
Therapie besserte sich der Zustand der Kranken ursprünglich sehr rasch,
doch traten sehr bald Nachschübe in Form von Knoten und Infiltraten
auf, von denen viele geschwürig zerfielen. Ein Versuch, die Erscheinungen
durch Verabreichung von Jodol und später von grossen Jodkalidosen
zum Verschwinden zu bringen, misslang, indem bei der Patientin Er¬
scheinungen von Jodismus, heftige Conjunctivitis, starke Rhinitis und
Störungen des Allgemeinbefindens eintraten. Ebensowenig konnte der
Process durch eine nach einem längeren Intervalle aufgenommene
Quecksilbertherapie beeinflusst werden und musste die zweimal begonnene
Injectionstherapie aufgegeben werden, da sie den Process durchaus nicht
im günstigen Sinne zu beeinflussen im Stande war und die Infiltrate und
Geschwüre keine Tendenz zur Heilung zeigten, vielmehr immerfort neue
Nachschübe auftraten. Das Hauptaugenmerk war daher darauf gerichtet,
die Kranke neben indifferenter Behandlung (Emplastr. plumb etc.) in
möglichst gutem Ernährungszustand zu erhalten, was auch gelang; die
Kranke ist trotz der schweren Erkrankung wohl genährt und kräftig ge¬
blieben. Trotz des guten Ernährungszustandes jedoch zeigte die Krank¬
heit keine Rückbildung, es traten, wenn auch hie und da Involution auf¬
trat, immer neue Nachschübe in Form von gruppirten papulös-crustösen,
zum Theil auch ulcerösen Infiltraten am ganzen Körper auf. Erst durch
die Verabreichung von Jodothyrin im Vereine mit grauen Pillen trat
eine auffallende Besserung und nach länger fortgesetzter Verabreichung
vollkommene Heilung ein.
Patientin erhielt im ganzen in der Zeit vom l./XII. 1890 bis
4. Januar 1897 44 Gr. Jodothyrin. Der Gewichtsverlust während dieser
Zeit betrug nur 30 Deka. Vom 4. Januar an wurde wegen einer fieber¬
haften Erkrankung durch 10 Tage hindurch jede Therapie sistirt und
am 14. Januar die Verabreichung von Jodothyrin bis zum 8. März fort¬
gesetzt, daneben erhielt die Kranke vom 2. Feber bis zum heutigen Tage
graue Pillen, 3 Stück pro 'l ag. Die Kranke erhielt in der Zeit vom
14. Januar bis 8. März 101 Gr. in toto, 145 Gr. Jodothyrin, daneben 108
Stück graue Pillen. Während in der Zeit vom 1. Decemberbis 4. Januar, wäh¬
rend welcher die Kranke 44 Ggr. Jodothyrin erhielt, der Gewichtsverlust nur
30 Deka betrug, verlor die Kranke in der Zeit vorn 14. Januar bis
8. März, also nach Verbrauch von weiteren 101 gr. 7 1 /, Kg. Doch ging
der Gewichtsverlust nur sehr langsam vor sich, so, dass jeden 4. Tag,
beim Registriren des Körpergewichtes, nur eine Gewichtsabnahme von
30—50 Deka constatirt werden konnte.
Gegenwärtig, also nach beinahe einjähriger Dauer der Erkrankung,
sind die Erscheinungen sämmtlich zurückgegangen und kann Patientin als
geheilt betrachtet werden.
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Lang bemerkt, man könnte meinen, dass die Erkrankung auch so
gut geworden wäre. Es war die Besserung nach der Jodothyrindar-
reichung eine offenbare, die Ulcera reinigten sich, es traten keine neuen
Infiltrate mehr auf, während bis dahin immerfort Nachschübe kamen.
Kaposi demonstrirt
1. eine 62jährige Patientin, Mutter von 4 lebenden Kindern, die
aussen und innen in der Ellenbogengegend thalergrosse, im Centrum ein¬
gesunkene, blaurothe Knoten zeigt. Es handelt sich um gummöse
Syphilide.
2. eine 58jährige Frau mit gruppirtem Syphilid (Syphilis
corymbosa) am linken Ellenbogen und au den Rippen, entsprechend der
3. und 4. Rippe. Die Narben, welche nach dieser Affection Zurückbleiben
werden, dürften ähnlich sein, wie dies nach einem Herpes zoster dieser
Gegend der Fall wäre. Auch über der r. Schulterregion finden sich hand-
{ellergrosse Gruppen.
Ehrmann hat an den nach einem Herpes zoster zurückgebliebenen
noch hyperämischen Narben gruppirte Syphilide auftreten gesehen.
Neumann demonstrirt 1. einen 17jährigen Pat. mit Favus, der
1863 von Lang und Nobl auf der Wiener Naturforscheryersammlung
mit universellem Favus vorgestellt wurde. Damals bestanden entsprechend
den noch vorhandenen narbigen Residuen am Stamm und Extremitäten
des sehr herabgekommenen auch mit Caries behafteten Kranken massige
schwefelgelbe Favusauflagerungen. Jetzt ist namentlich die Kopfhaut
affieirt, an welcher ausser atrophischen Stellen auch isolirte und conflui-
rende Favusscutula sich finden. Auch an den Oberarmen ist je ein etwa
kreuzergrosses lebhaft gelb gefärbtes Scutulum vorhanden, ferner hier und
am Stamme mehrfache linsengrosse, blassgeröthete, leicht abschilfernde
Effiorescenzen, von denen einzelne im Centrum bereits einen gelben Punkt,
das beginnende Scutulum, erkennen lassen. Die Krankheit soll seit minde¬
stens 8 Jahren bestehen.
2. einen 32jährigen Fleischhauer aus Galizien mit ulceröser
Syphilis der Nase. Die Nasenflügel hochgradig geschwellt, erisypelatös
geröthet, der linke, von der Wange abgetrenut, das knorpelige Septum,
der untere Theil des knöchernen zerstört, die Muscheln und das gesammte
Naseninnere, soweit sichtbar, von einem einzigen schmerzhaften Geschwür
eingenommen, das unebenen Grund, infiltrirte Ränder zeigt. Vor 10 Jahren
wurde Pat. infieirt, machte 30 Einreibungen durch, auch jetzt vor dem
Spitalseintritte 50 Inunctionen.
3. den bereits demonstrirten Pat. mit tu bereu lösen Geschwü¬
ren der Schleimhaut der Unterlippe, des Zahnfleisches und der Zungen¬
spitze.
4. den bereits wiederholt vorgestellten Pat. mit tuberculosem
Syphilid und scorbutischen Pirscheinungen. Unter Gebrauch
von Sublimatbädern und Deeoet. Zittmanni haben namentlich die Knoten
am Kinn, am Mundwinkel bis zu Nussgrösse zugenommen, am Stamme
und Extremitäten sind aus den Effiorescenzen vielfach bis kronengrosse,
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der Wiener dermatologischen Gesellschaft.
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flach vertiefte, scharf umschriebene schmerzhafte Geschwüre mit dickem
Eiterbelag entstanden.
Kaposi demonstrirt
1. einen Fall von Actino rave ose am rechten Unterkieferrande.
Man findet unregelmässige, rothe Knoten, theilweise mit Krusten bedeckt,
aber auch jenseits dieser Knoten die Haut derber; eigenthümlich ist die
unregelmässige Configuration, auch die Consistenz, unregelmässig aus harten
und weichen Partien zusammengesetzt. Die Punctionsflüssigkeit ergab
charakteristische Actinomycesdrüsen. Patientin ist jetzt Puerpera, die
Mamma sind also geschwollen, überdies ist aber die r. Mamma grösser,
angeblich seit der vorletzten Schwangerschaft im vorigen Jahre. Die
untere Hälfte derselben ist hart infiltrirt, die Haut darüber geröthet.
Vielleicht handelt es sich um Actinomyces der Mamma. Die Frau
hat nie auf dem Lande gelebt. Sie bekommt innerlich grosse Dosen Jod¬
kalium, local graues Pflaster.
Rille verweist mit Rücksicht auf die actinomycotischen Tumoren
an der Brust der vorgestellten Krauken auf den 1893 von ihm beobach¬
teten Fall von Hautaetinomycose, welcher, was die Form und das klinische
Bild der Erkrankung betrifft, ausgenommen den später von Pringle
publicirten, einzig dastehen dürfte. Es bestand, wie die vorgezeigte Ab¬
bildung ergibt, bei einer 50jährigen, sonst gesunden Frau an der oberen
Rückenhälfte, dann an der Brust eine grössere Zahl umschriebener, derb
teigiger, hellrother, bis guldenstückgrosser Knoten und Wülste, zum Theile
in eigenartiger bogen- und kranzförmiger Anordnung. Daneben an der
•Schulter und den Nates über flachhandgrosse, das subcutane Gewebe be¬
treffende, fluctuirende Erweichungsherde, jedoch ohne Perforations¬
öffnung, ohne Fistelgänge. Im Gegensätze zu den sonst bekannten
Formen von Actinomycose, beispielsweise Kieferactinomycose waren ferner
in dem durch Incision gewonnenen mehr fettig und ölig als eitrig aus¬
sehenden Inhalte der Knoten makroskopisch keine Actinomyceskörner
nachzuweisen und gelang die Auffindung des Strahlenpilzes erst nach
langwierigem Suchen. Ueber die Art der Uebertragung wie über die
Eingangspforte war nichts zu eruiren. Die Heilung erfolgte nach (37tägiger
Behandlung mit 348 Gr. Jodkalium.
Kaposi demonstrirt einen Fall von Sclerodermie. Die Patientin
ist schon vor einem Jahre mit der gleichen Affection an der r. Hand
demonstrirt worden. Der Fall war damals dadurch instructiv, dass die
sclerotischen circumscripten Herde von einem rothen Hof umgeben waren.
Diese Röthung geht der Sclerosirung voran, in anderen Fällen sieht man
von derselben nichts. Seitdem hat sich die Affection bedeutend ausge¬
dehnt, an den unteren Extremitäten beinahe diffus. An der oberen Extre¬
mität, vorne am Thorax in Herden, immer mit Voranschreiten eines
rothen Hofes, der später braun wird, während das Centrum marraorähn-
lich wird. Dabei Ernährungszustand schlecht, Motilitätsstörung, Gelenk¬
schmerzen.
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2. eine 48jährige Frau, die über dem linken Oberkiefer einen flach¬
handgrossen Herd, an der Nasolabialfurche eine längliche Scheibe von
sepiabrauner Farbe zeigt, nahe dem inneren Rande eine pigmentirte,
narbenähnliche Stelle, im übrigen die Haut glatt, nicht schuppend, be¬
weglich, stellenweise scheint das subcutanc Gewebe doch betheiligt zu
sein. In einer Lepragegend würde man an Lepra denken. Vielleicht ent¬
stand es durch ein chemisch irritirendes Medicament. Canthariden könnten
eine solche bleibende Pigmcntation erzeugen, oder es ist ein angeborener
Naevus pigmentosus, der nun weiter schreitet. Allerdings sollte er dann
dunkler und nicht so gleicbmässig sein.
Neu mann bemerkt, dass Pigmentirungen nach Hautreizen (Daphne,
Sinapis) flach, nicht verdickt sind. Es könnte noch Lupus erythematodes
sein oder eine Atrophie der Haut, wie sie mitunter mit Pigmentirung
Schwellung beginnt, später hört die Pigmenthildung auf, die Haut wird
atrophisch. Das wurde freilich bisher nur am Stamme beobachtet. Wahr¬
scheinlich handelt es sich um einen Naevus.
Kaposi entgegnet, dass für Lupus erythematodes keine Symptome
vorhanden sind, bei Atrophie der Haut besteht keine Pigmentirung, sondern
Röthung. Es wird Sublimatalkohol aufgelegt, um die Pigmentschichte
zur Ablösung zu bringen.
Kaposi demonstrirt
8. eine Patientin mit Lupus erythematodes, die ursprünglich
die typische Scheibenform zeigte, welche auf Behandlung abblasste. Nach
8 Monaten sucht Pat. wieder das Spital auf und zeigt die Scheiben be¬
deutend vergrössert und eine neue Eruption über dem Jochbein, ebenso
an den Fingern frostbeulenartig.
4. ein 1 öjübriges Mädchen mit e 1 e p h a n t i a s t i s c h e r V e r dick u n g
d e r G e s i c h t s h a u t nach r e c i d i v i r e n d e in Erysipel. Die Wangen
sind polsterartig aufgetrieben, die Haut glatt, etwas geröthet, die Augen¬
lider ödematös, das linke kaum zu öffnen. Die Patientin leidet seit 8 Jahren
an recidivirenden Erysipel. Die Quelle desselben ist eine Conjunctivitis
pustulosa, die eine immerwährende Entzündung der Nasenschlcimhaut
unterhält, von der aus das Erysipel ausgeht, wahrscheinlich sind auch schon
die Lvmphgefässe der Haut erweitert und zur Entzündung disponirt.
Finger demonstrirt Culturen mit einem neuen electiven Nähr¬
boden für Pilze. Favus, Mikrosporon furfur, Trichophyton gedeihen
sehr gut. Bacillus pyocyaneus wächst und verfärbt noch etwas, prodigiosus
wächst ebenfalls, Staphylucoccus, Streptococcus gedeihen jedoch nicht und
aus einer Mischung derselben mit Pilzen gehen bloss die letzteren auf.
Der Nährboden enthält Hautpulver und Agar. 5 Gramm Hautpulver (von
Rindshaut gewonnen in Droguerien käuflich) werden mehrere Stunden in
100 Gramm Wasser macerirt, mehrere Stunden gekocht, mit 2 Gr. Agar
eine Stunde gekocht und Hltrirt. Der Nährboden erstarrt sehr gut, ist
durchsiehtig, so dass auf Platten unter dem Mikroskop studirt werden kann.
Rille macht Mittheilung über einen von ihm verbuchten, ähnlich
hcrgcstellteu Nährboden. Zu demselben wurde aller nicht thierische,
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sondern menschliche Haut und zwar sowohl solche von Cadavern als
auch „lebende“ Haut verwendet, letztere gewonnen durch Circum-
cision der Vorhaut, welche sofort nach der Operation in physiologische
Kochsalzlösung eingelegt und dann zu dem Nährmateriale weiter ver¬
arbeitet wurde. Nur im Anschlüsse an die eben gemachten Ausführungen
Finger’s bringt R. den Gegenstand zur Sprache; hierüber gleichwie
über die mit diesem Nährboden von ihm unternommene Reinzüchtung
desBacillus des venerischen Geschwüres soll demnächst be¬
richtetwerden. Rille erwähnt noch, dass der von ihm angegebene Nähr¬
boden gegenüber dem von Finger den Vorzug der grösseren Durch¬
sichtigkeit besitze.
Sitzung vom 24. März 1SAT.
Vorsitzender: Kaposi. Schriftführer: Spie gl er.
Kaposi demonstrirt das von Freund vor etwa 2 Monaten vor¬
gestellte Mädchen, bei dem durch Behandlung mit Röntgenstrahlen
die Haare eines ausgebreiteten Naevus pilosus zum Ausfallen gebracht
wurden. An den belichteten Stellen war nach etwa 14 Tagen eine erythe-
matöse Entzündung aufgetreten, wenn auch nicht an allen Stellen. K. hatte
sich damals dahin ausgesprochen, dass die Wirkung der X-Strahlen ähn¬
lich wie bei der Insolation den chemisch wirkenden ultravioletten Strahlen
zuzuschreiben sei, welche eine Hyperämie und später eine dauernde Parese
der Gefässe veranlassen. Während jedoch die Sonnenstrahlen mehr die
oberflächlichen Gefässe beeinflussen, machen die X-Strahlen mehr ihre
Wirkung auf die tiefliegenden Gefässe um die Haarpapillen und Talg¬
drüsen geltend, daher tritt das Erythem in den oberen Partien der Cutis
erst nach einiger Zeit auf. K. vermuthete, dass, wenn die Gefässe ihren
Tonus wieder erhalten würden, auch wieder normale Haarbildurig statt-
flnden werde. Thatsäcklich sind die Haare am Hinterhaupte alle nach¬
gewachsen. Ueberdie8 wurde am Rücken vom 8. Rückenwirbel bis zur
Crena nie die Haut gleichmässig gangränös, ein Effect, der vielleicht auf
eine Alteration der Eiweisssubstanzen des Gewebes zurückzuführen ist.
Freund möchte sich die genaue Mittheilung der betreffenden
Daten und Beobachtungen für eine spätere ausführliche Darstellung des
Krankheitsverlaiifes Vorbehalten. Er bemerkt nur, dass die nekrotischen
Partien länger belichtet wurden als die Stelle am Nacken. Die Nekrose
besteht erst seit etwa einer Woche. Bis dahin bestand nur eine ganz
oberflächliche Excoriatiou, welche allerdings sehr hartnäckig jeder thera¬
peutischen Beeinflussung widerstand.
Ne umann bemerkt hiezu, dass aus der letzten Zeit zahlreiche Publi-
cationen über nachtheilige Wirkung der Röntgenstrahlen vorliegen. Dies
demonstrirt eine Illustration von C r o o k e r, in welcher ein schwer heilendes
Geschwür nach bloss einstündiger Belichtung resultirte. In einem anderen
Falle entstand ein handtellergrosses Geschwür im Epigastrium nach ein-
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maliger Durchleuchtung wegen Nierensteinen. Ferner beobachtete man
Exfoliation der Haut und Ausfall der Nägel bei Demonstratoren der
X-Strahlen. Der Haarausfall ist nicht constant. Es ist also eine gewisse
Vorsicht bei Anwendung der X-Strahlen geboten.
Nobel demonstrirt aus der Abtheilung Grünfeld einen Fall von
perniciöser Lymphodermie. Es besteht bei einer Frau eine diffuse
erythematöse Röthung im Gesicht, Nacken, sich ausbreitend bis über die
Brust, theils in Form von Scheiben, theils contluirend. Die Haut fühlt sich
derber, teigig an, an den Extremitäten erscheint sie satinartig. Besonders
deutlich ist die Verdickung der Haut des Gesichtes, da die Plumpheit
der Hautfalten demselben einen morosen Ausdruck verleiht. — Starkes
Jucken stört der Patientin die Nachtruhe, sie ist auch in der Ernährung
sehr heruntergekommen. Es könnte sich um ein toxisches Erythem handeln,
wie es bedingt wird durch Toxine, die von irgend einem versteckten
Krankheitsherd, einer Pleuritis, einer Abdominalerkrankung ausgebend
direct die Haut oder die vasomotorischen Centren reizen. Dafür ist kein
Anhaltspunkt zu finden. Es dürfte sich demnach um eine pernieiöse
Lymphodermie (Kaposi) handeln, die zunächst Röthung, daDn Infiltra¬
tion der Haut erzeugt, später Hyperplasie der Lvmphapparate. Es bestellt
auch bei der Patientin Hyperplasie besonders der Leisten- und Cubital-
drüsen.
Kaposi erinnert daran, dass dieselbe Patientin bereits am 14. Nov.
1896 von ihm vorgestellt wurde. Die damals bestandene starke Hyper-
hidrosis und Schmerzhaftigkeit haben sich verloren.
Grosz demonstrirt aus der Abtheilung Mracek einen Fall von
luetischer Neuritis multiplex. Die Pat. war im vorigen Jahre
wegen einer Selorose mit folgendem Exanthem behandelt worden. Im
Februar d. J. kam sie wieder mit Papeln am Genitale und an den Anal-
falten und einer blassen Roseola am Stamme. Ferner bestand Vertau¬
bungsgeiuhl am 4. und ö. Finger der 1. Hand, sowie reissende Schmerzen.
Die Untersuchung ergab, dass die Motilität vollständig erhalten sei,
Muskelatrophie bestand nicht., dagegen ein Sensibilitätsmangel für alle
drei Empiindungsqualitäten, ferner starke Druckschmerzhaftigkeit im
Gebiete des Ulnaris sowie auch spontane nächtliche Schmerzen. Retlexe
normal. Nach 8 Tagen entwickelte sieh auch rechts die gleiche Sensi¬
bilitätsstörung, überdies auch Hyperästhesie im Bereiche des Oberarms,
wo auch verlangsamte Leitung der Empfindungsqualitäten sich naebweisen
liess. Die elektrische Untersuchung ergab völligeUnerregbarkeit für denfaradi-
seben Strom im Adductor policis und den tiefen Muskeln der Hand,
für deu galvanischen Strom Entartungsreaetion. Ebenso bestand im Ge¬
biet des rechten Peroneus totale Anaesthesde, der Nerv ist druck¬
empfindlich. Es bandelt sieh also um eine multiple Neuritis, u. zw. die
sensible Form derselben. Bezüglich der Aetiologie lässt sieb Tuberculose,
Alkobol, Bleivergiftung, Inl’ectionserkrankung anderer Art ausscbliessen,
es handelt sieb also w'ohl um eine Neuritis luetischen Ursprungs. Auffallend
ist das Zusammenfallen mit dem Luesreeidiv. Singuläre Neuritis ist in
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der Wiener dermatologischen Gesellschaft.
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Frühstadien der Lues nicht selten, multiple dagegen wurden selten be¬
obachtet. Am ähnlichsten ist dem demonstrirten Falle ein von Ehr¬
mann publicirter. Für den luetischen Ursprung sprechen auch die
nächtlichen Schmerzen und die Besserung auf mercurielle Behandlung.
Ehr mann hat eine Reihe von derartigen Neuritiden in der
medicinischen Wochenschrift publicirt. In einem Falle schloss sich daran
progressive Paralyse mit tabischen Symptomen. In anderen Fällen wurde
Pachymeningitis luetica im Ansschlus beobachtet. Auch C har cot machte
auf diese Formen von ascendirender Neuritis aufmerksam.
Ehr mann demonstrirt einen Fall von Lichen scrophuloso-
rum. An einem Hautstreifen am Rücken vom 5. Halswirbel abwärts
finden sich Knötchen in eigenthümlicher Anordnung in Gruppen und
Scheiben.
Wappner demonstrirt aus der Abtheilung Grünfeld ein
gummöses Geschwür der Zunge. An der Zungenspitze findet sich
ein dreieckiger Substanzverlust mit scharfen Rändern, etwas belegter
Basis, die Umgebung des Geschwürs ist bläulich verfärbt exeoriirt. Es
ist zu entscheiden, ob es sich um ein Gumma oder Carcinom handelt.
Da die Aflfection erst seit 4 Wochen besteht, 1891 der Pat. mit einem
Primäraffect, 1893 mit palmarem Syphilid behandelt wurde, seine Frau
von ihm inficirt wurde, handelt es sich gewiss um ein Gumma. Pat. hat
keine Allgemeinbehandlung durchgemacht.
2. ein Erythema multiforme. Vor 5 Tagen erkrankte Pat.
unter Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit. Es traten zuerst am Unterschenkel,
jetzt auch an den Oberschenkeln zahlreiche im Centrum etwas cyanotische,
in der Peripherie heller rotbe kleine Knötchen auf.
Kaposi demonstrirt einen Fall von idiopathischer Atrophie
der Haut. Dieselbe tritt in der Regel bei erwachsenen Individuen in
vorgerückterem Alter an einer oder beiden unteren Extremitäten auf,
selten auch an den oberen Extremitäten und am Gesicht. Es kommt zu
allmäliger Atrophie der Haut unter Aultreten von Teleangiectasicn. Zu¬
letzt erscheint die Haut eigenthümlich gerunzelt wie zerknittertes Ciga¬
rettenpapier.
Der vorgestellte Fall zeichnet sich gegenüber der sonst chronischen
Entwicklung durch den rascheren Verlauf aus. Die Erkrankung begann im
Juni vorigen Jahres damit, dass die Haut der Flachhand sich röthete,
anschwoll, schuppte. Ende November breitete sich der Process rapid
über die ganze Haut aus. Der Pat. war vor einem Monate am ganzen
Körper krebsroth, Hand- und Fussrücken waren polsterartig angeschwollen.
Dabei die Haut gefeldert mit grossen unregelmässigen Linien. An den
Rändern der Felder hob sich die Epidermis ab wie bei Ichthyosis serpen-
tina. Mitten drin fanden sich Stellen an denen die Haut verdünnt schien.
Dabei starke Anschwellung der Submaxillardrüsen, Achsel- und Pectoral-
drüsen, Jucken, Schlaflosigkeit, Abmagerung, Gewichtsverlust. 17 Kg.
Jetzt sind die Hände und Füsse abgeschwollen, ebenso die Submaxillar¬
drüsen. Seit 8 Tagen besteht an der rechten inneren Vorderarmtliiche
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eine über guldengrosse, atrophische weisse Stelle, die an Lepra er¬
innert. Doch ist die Sensibilität normal. Nach ihrer acuten Ent¬
wicklungsweise wären diese und ähnliche Fälle als Dermatitis atro-
phisans am besten zu benennen.
Neu mann bemerkt, dass die wenigen bisher bekannten Fälle
nicht in allen Punkten übereinstirnmen. Was jedoch allen gemeinsam
ist, das ist die Felderung der Haut, die zerknittertem Cigarettenpapier
ähnliche Haut, die Schüppchen, die im Centrum haften, peripher abge-
Jöst sind, die weissen atrophischen, die dunkelrothen jüngeren Stellen.
Auf die histologischen Verhältnisse soll demnächst zurückgekommen
werden.
Lang hat einen ähnlichen Process circumscript im Gesicht be-
obachtet. Es bestand monatelang eine ciroumscripte Rüthung im Gesiebt,
alliuälig wurde die Stelle atrophisch.
Neumann entgegnet, dass dies der erste Fall wäre, in dem die
Erkrankung im Gesicht begonnen.
Neumann demonstnrt
1. einen 36jälirigen Patienten mit aphthösen Geschwüren am
Scrotum und Penis. Bei der Aufnahme am lö. März 1897 bestanden
dichtgedrängte stecknadelkopf- bis linsengrosse Substanzverluste, meist
einzeln, theilweise auch contiuirend, mit weisslichgelbem festhaftendem
Belage. Der Rand nirgends unterminirt, doch lebhaft geröthet. Eine
ähnliche Efilorescenz bestand an der linken Tonsille. An dieser bat die
Zahl der Eftlorescenzeu zugenommen, dagegen sind diejenigen am Geni¬
tale bei indifferentem Verbände (1% Carbollösung) innerhalb 4—5 Tagen
vollständig überbautet. Im Penoscrotalwinkel rechts lassen sich noch
schiefergraue eireumscripte Ueberhäutungsstellen nachweisen. Leisten¬
drüsen von normaler Grösse. Im Geschwürseiter Staphylococcen, auch
gezüchtet.
2. einen 49jährigen Patienten mit ausgedehntem Lupus vulgaris
der Gesichtshaut. Die Nase der ganzen Ausdehnung nach, ferner
beide Wangen, ein Theil der Augenlider, die linke Ohrmuschel sind
afficirt. Nur an der Peripherie umschriebene Knötchenbildung. Der
Patient wurde schon vor 40 Jahren an F. Hebra’s Klinik an der
gleichen Affeetion behandelt.
3. einen 2öjährigen Patienten mit Lupus vulgaris der Nase,
Oberlippe und der Mundschleimhaut. Die NasenHiigel verdickt, dadurch
die Nase breiter, an der Nasenspitze und den Nasenflügeln einzelstehende
und conÜuirte Lupusknötchen, am Rande des rechten Nasenflügels eine
ulcerirte, druBig unebene, von einer Borke bedeckte Fläche, die sich ins
Naseninuere erstreckt, das rechte Nasenloch verlegt, das linke verengt.
An der Mundschleimhaut analoge Veränderungen. Krankheitsdauer 7 Jahre.
4. einen 40jährigen Patienten mit ausgebreitetem papulo-
pustulösem Syphilid namentlich des Gesichtes und der Kopfhaut.
Daselbst dichtgedrängte, kupierrothe Knoten, an den Unterschenkeln
sind die Efllorescenzen theilweise geschwürig zerfallen. Am Vorhaut-
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rande noch eine frische über kreuzergrosse Narbe nach dem Primär-
affect. Krankheitsdauer 4 Monate.
5. einen 26jährigen Kaufmann mit gruppirtem pustulösen
Syphilid. An den oberen und unteren Extremitäten, am Rücken,
namentlich in der Lumbalgegend und ad nates vielfache, etwa kreuzer¬
grosse Gruppen confluirender stecknadelkopfgrosser livider und braun-
rother mit Pusteln und Pustelresten versehener Efflorescenzen, ähnliche
auch am Scrotum und an der Penishaut. Am linken Unterschenkel zu
flachhandgrossen diflusen Plaques confluirt. Am Halse beiderseits derbe
Lymphdrüsenpakete. Krankheitsdauer l 1 /* Jahre. Bisher über 170 Ein¬
reibungen. Ausgedehnte Alopecia areata der Kopfhaut.
6. einen 20 jährigen Kutscher mit diphtheroid belegten breiten
Condylomen an der Afterkerbe und am Perineum (bei der Aufnahme
auch am Scrotum und Penis), Papeln im Munde, orbiculäres, schuppendes
Syphilid an der Stirne und behaarten Kopfhaut. Trotz ausreichender
Behandlung (8 Injectionea von Oleum cinereum auf der Abtheilung
Lang) ist in kurzer Zeit ein weit verbreitetes Recidiv aufgetreten.
7. Drei Fälle von Psoriasis vulgaris. Der erste Patient,
25jährig, stand im Juli und August vorigen Jahres auf der Klinik N.'s
in Behandlung (22 Injectionen Sol. Fowleri und Theerbehandlung). Nach
der Entlassung bald Recidiv, jetzt ziemlich allgemein, an den Streck¬
flächen der Extremitäten infiltrirte, stark schuppende Plaques. An der
Innenseite der Oberschenkel, Leisten, mons Veneris, Genitale eine einzige
dunkelrothe schuppende Fläche, auch die obere Brusthälfte in der gleichen
Weise diffus befallen.
Der zweite Patient zeigt die Aftection namentlich im Gesichte.
Der dritte, ein 24jähriger Fleischhauer, leidet seit 2 Jahren au
Psoriasis, ebenso sein Vater, Bruder, Schwester. Bei ihm bestand aus¬
gedehnte Psoriasis nummularis an Stamm und Extremitäten nebst
grossen Plaques am Ellenbogen. Nach 3maliger Application einer 10%
Pyrogallussalbe schwanden die Efflorescenzen mit Hinterlassung brauner
Pigmentirungen, allerdings trat eine universelle Dermatitis und leichte
Albuminurie auf.
Im Anschlüsse an die jüngst erschienene Arbeit von Kuznitzky
verweist Neumann auf die demonstrirten Patienten, welche robuste,
gesunde, durchaus nicht nervöse Individuen sind. Es ist nicht aus¬
geschlossen, dass ein Psoriatiker an den verschiedensten inneren Leiden
erkranken könne. Arthropathien kann N. nicht als charakteristisch an-
sehen. An Schleimhäuten kommt Psorissis nicht vor, höchstens am
Lippenroth. Histologisch ist sicher die Hyperämie das primäre, wie
der Arbeit des Vortragenden zu entnehmen ist. Dass es sich um einen
angioerethischen Vorgang handle, ist vorläufig unerwiesen. Auch für
Rückenmarkserkrankung ist bisher kein Beweis geliefert, und müssen
andere Gründe angeführt werden, wenn über das Wesen der Psoriasis
Klarheit gebracht werden soll.
Rille demonstrirt:
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Verhandlungen
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1. eine 22jährigc Prostituirte mit seit 7 Jahren bestehender, fast con-
tinuirlich recidivirender maligner Syphilis, 1890 Primäraffect an der
Vaginalportion, damals 10 Injectionen 01. cinereum auf der Abtheilung
Lang und von September 1891 bis April 1892 im Wiedener Kranken¬
hause 49 Einreibungen, 45 Sublimatbäder, 200 Gr. Jodkalium und De¬
coctum Zittmanni. Bald darauf auf der Klinik Neu mann 12 Sozojo-
dolquecksilberinjectionen, 4 Sublimatbäder. Damals bestanden multiple
ulcerirte Gummen an Stamm und Extremitäten, ferner ein nahezu flach¬
handgrosses, bis auf die Musculatur greifendes Geschwür an der linken
Wade, das nach mehrmonatlicher Dauer durch Totalexstirpation und
Transplantation nach Thiersch seitens Prof. Lang’s geheilt wurde.
Gegenwärtig bestehen am Fussrücken und den Unterschenkeln zerfallene
Gummata, Syphilis der Nase mit Verlust des Septum, zahlreiche charak¬
teristische Gummanarben an Stamm und Extremitäten.
Lang hebt hervor, wie gut die Transplantation auf dem Muskel
gehalten habe.
2. eine 28jährige Patientin mit seit 4 Jahren bestehender
Syphilis. Am Rücken zwei über thalergrosse Gruppen confluirender
kupferrother Tubercula cutanea, theilweise zerfallend oder mit Narben¬
bildung schwindend. Ferner an vielen Stellen scheibenförmige, gruppirte,
hellweisse oder blassbraun pigmentirte Narben nach ulceröaer Syphilis.
Es bestehen heftige Kopfschmerzen, periostale Auftreibungen au der
Stirne, Olecranon, der r. Clavicula. Die erste Erkrankung 1893, Exan¬
them, 12 Einreibungen, im selben Jahre Abortus im sechsten Monate.
Schon im Jahre darauf ulceröses Syphilid mit mehrfachen Recidiven,
auch Gummen ira Pharynx und schmerzhafte periostale und ostitische
Erscheinungen. Die bisherige Behandlung bestand in 30 Einreibungen,
dazwischen Jodkalium, Decoctum Sassaparilles, Jodqueeksilberhaemol.
Kaposi demonstrirt einen Fall von Eczema papulös um be¬
dingt durch Schwefelsalbe, die gegen Scabies gebraucht wurde. Es be¬
steht ein sehr dicht gesäetes Exanthem von der Mammillarlinie bis auf
den Obersehenkel übergreifend, an den Beugen der Arme, am Bücken,
das aus hirsekorngrossen und grösseren lebhaft rotlien, unter dem Finger¬
druck abblassenden Knötchen besteht. Hie und da linden sich Quaddeln,
am Ellenbogen rechts und an anderen Stellen Krusten. Viele der Knöt¬
chen sind in Kreisen angeordnet. Anderswo würde dafür die Bezeichnung
Lichen tiguratus gewählt werden. Die kreisförmige Anordnung ist jedoch
einfach darauf zurückzuführen, dass bei Leuten, die zu Folliculitiden
neigen, die Follikel am stärksten durch chemisch wirkende Salben ge¬
reizt werden. Da die Follikel nun in Kreisen angeordnet sind, so ent¬
stehen daraus die Kreisformen der Exantheme. Wir wurden also ein¬
fach sagen Eczema folliculare, vielleicht noch tiguratum.
Neumann bemerkt, dass, was wir Lichen nennen, anatomisch
und klinisch ganz etwas anderes wie die in Bede stehenden Knötchen¬
eruptionen sind. Bei Kindern und anämischen Individuen gibt es papu¬
löse Ekzeme, wo die einzelnen Knötchen nicht Uebergan^sformen zum
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der Wiener dermatologischen Gesellschaft.
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Bläschen darstellen, sondern längere Zeit bestehen und gruppirt sind.
Sie sind auch meist mit Borken bedeckt, zeitweise nassend und ver¬
ursachen Jucken.
Kaposi demonstrirt ferner einen Fall von Sycosis parasitaria
des Handrückens. Es entwickelte sich bei einem Kutscher eine Ge¬
schwulst an dem linken Handrücken über 2 Thaler gross, von einem
Epidermissaum umgeben, dicht besetzt von stecknadelkopfgrossen und
grösseren zapfenförmig vorragenden Knötchen, die an der Spitze geöffnet
sind, eine eiterähnliche Flüssigkeit secerniren. Nur an wenigen Stellen
ist die Haut glatt nässend, sonst honigwabenartig durchlöchert von dicht¬
gedrängten Pusteln.
Kaposi hat mehrere ähnliche Fälle bei Fiakerkutschern und
Wagenwaschern gesehen. Es handelte sich stets um eine Dermatitis
mit acuter papillärer Wucherung an der Hand, die sehr hartnäckig der
Behandlung durch Aetzmittel Widerstand leistet, erst gut wird, wenn
alles auf einmal mit dem scharfen Löffel abgeschabt wird. Es ist histo¬
logisch wie eine Vorstufe von Carcinom.
Bei dem demonstrirten Patienten handelt es sich um einen Herpes
tonsurans mit acuter Folliculitis, also Sycosis parasitaria. In dem eiter-
ähnlichen Secret konnten Pilze anfangs nicht gefunden, Hessen sich auch
nicht cultiviren, erst bei sehr genauer Untersuchung fanden sich Pilze
im Ausstrichpräparat und in Cultur. (Demonstrat der Präparate und
Culturen.)
Mracek hat einen ähnlichen Fall in jenem Stadium gesehen, in
dem die Stichelung zu sehen war, als eben die Bläschen geplatzt waren.
M. hatte ebenfalls eine Pilzerkrankung diagnosticirt.
Ullmann hat in seiner Publication über Trichomykosen einen
ähnlichen Befund bei einem Kutscher erwähnt, die Pilze Hessen sich
mühelos im Eiter züchten- Die histologische Untersuchung musste
unterbleiben, da der Patient nicht wiederkam. Die Affection kommt
auch au der Vola manus vor. Daselbst ist sie einem Ekzem ähnlich, be¬
steht monatelang, ohne zu Eiterung zu führen. Das beweist die Rich¬
tigkeit der Ansicht, dass die für die Configuration der Trichophytie mehr
der Ort, an dem sie sich localisirt, in Betracht kommt als die Virulenz
der Pilze. Im festeren Gefüge der Haut an der Vola entwickelt sich die
Affection anders wie an anderen Stellen.
Die Schwierigkeit der Cultivirung der Pilze ist darauf zurückzu¬
führen, dass die Pilze in den tiefen Schichten der Haut ihre Virulenz
verlieren. Man sieht mitunter auch, wie ein Faden gegen die Tiefe zu
seine Form ändert, seine Färbbarkeit verliert.
Lang hat eine solche parasitäre Sycosis einmal bei einem haarigen
Menschen an der Vorderfläche des Unterschenkels gefunden. Dass trotz
eifrigen Suchens keine Pilze gefunden werden, kann jedem einmal
passiren. L. hat die Anschauung gewonnen, dass besonders bei den
acuten Formen, die mit Eiterung einhergehen, die Pilze rascher zu
Grunde gehen.
Archiv f Dermatol, u. .SyjUiil, Band XXXIX. 27
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Verhandlung«;!!
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Rille erwähnt einen analogen Fall aus der Klinik Neu mann. Der
Patient, kein Kutscher, zeigte am linken Handrücken ein thalergrossea
derartiges Infiltrat mit Pusteleruption und siebförmig durchlöcherter
Oberfläche. Trotz der negativen Pilzuntersuchung blieb R. bei der Dia¬
gnose Herpes tonsurans. Damit identisch ist wohl auch das von Leloir
als „Perifolliculites suppurees et conglomerees en placards a beschriebene
Kranheitsbild, wie die seiner Publication (Annales 1884) beigegebene
und den in Rede stehenden Fällen völlig entsprechende Abbildung er¬
gibt, obwohl Leloir ausdrücklich hervorhebt, niemals Pilze gefunden
zu haben.
Kaposi demonstrirt
1. einenCanceren c ui rasseder Mamma bei einem Manne.
2. einen Fall von Bromakne bei einem Mädchen, das in Folge Ge¬
nusses von Bromkalium erkrankte. An der Hinterseite des Ober¬
schenkels pfennig- bis tiachhandgrosse scharf begrenzte drüsige Ge¬
schwülste. theils Krusten theils Pusteln tragend. Ringsum stecknadel¬
kopfgrosse Pusteln mit entzündlichem Hals. Es ist fraglich, ob auch
die frischen Knötchen eine Bromacne darstellen, sie können auch von
einem äusserlich applicirten Medicainent berrühren. Die eigentlichen Ef¬
florescenzen der Acne sind die Plaques.
3. den in der vorigen Sitzung demonstrirt en pigmentirten
Naevus im Gesichte. Eine Naphtolsehwefelpaste hatte keine Wirkung.
Es wurde durch Application von l°/ 0 Sublimat die Epidermis entfernt,
es wird sich zeigen, ob das Pigment wiederkehrt oder nicht.
4. Lupus an der rechten Ohrmuschel, der freie Rand derb teigig,
im Uebrigen sich sulzig anfühlend.
Mracek demonstrirt einen Fall von Erythema bullös um
toxi cum anschliessend an einen in der Gesellschaft 1893 demonstrirten
Fall von toxischem Erythem. Der Patient erkrankte am 15. März. Es
traten kleine wasserkeile Blasen auf zuerst- an den Aohselfalten, den Car¬
palgelenken, der Beugeseite der Vorderarme. Dabei heftiges Jucken,
Hitze- und Kältegefühl. Die Flecken und Blasen wurden grösser, neue
kamen allenthalben hinzu.
Bei der Aufnahme zeigte Patient im Gesicht, namentlich am Kinn,
am Halse, Thorax, Bauch, Rücken, oberen und unteren Extremitäten
stecknadelkopf- bis kronengrosse blassrothe, etwas erhabene kreisfömige
Efflorescenzen, unter dem Fingerdruck abbla9send, gelbliche Tingirung
hinterlassend. Ara Thorax, der Aussenseite der Oberarme sind sie zu
unregelmässigen Herden confluirt. In der Mitte vieler Efflorescenzen
eine Borke von eingetrocknetein Blut. Ferner finden sich zahllose, auf
rothem Grunde sich erhebende Blasen von Grieskorn- bis Bohnengrösse
mit klarem Inhalt, die grossen prall gespannt, manche geplatzt, die Basis
mit eingetrocknetem Secret bedeckt. In der linken Schlüsselbeingegend
dicke, hämorrhagische Krusten. Am Rücken überwiegen die zuerst be¬
schriebenen Formen, Bläschen sind scheuer, drei Blasen haben hämor¬
rhagischen Inhalt. Ganz frei sind Vula inanus, beide Unterschenkel,
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der Wiener dermatologischen Gesellschaft.
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planta pedis. Mund-und Rachenschleimhaut. Gelenke, Muskeln frei, im
Harn Spuren von Albuinen und Nucleoalbumin. Die bakteriologische
Untersuchung des Blutes und Blaseninhaltes gibt negatives Resultat.
Je 1 Ccm Blaseninhalt weissen Mäusen injicirt, bleibt wirkungslos. Am
22. d. M. trat Fieber auf, viele Blasen zeigten eitrigen, andere hämor¬
rhagischen Inhalt. Nach den geplatzten Blasen bleiben zahlreiche ober¬
flächliche Substanzverluste zurück. Therapie: Bad Borsalbe.
Sonntag Mittag, am Tage vor der Erkrankung, ass Patient Scliweins-
braten, am Abend Würstel, befand sich aber darnach ganz wohl. Der
Appetit war während der ganzen Zeit gut, Stuhl regelmässig.
Verhandlungen der Berliner dermatologischen
Gesellschaft.
Sitzung vom 2. März 1897.
Vorsitzender: Lassar. Schriftführer: Joseph.
I. Bruck stellt einen Patienten vor, der vor ungefähr 4 Monaten
mit heftigem, über den ganzen Körper verbreitetem Jucken erkrankte.
Naphtholsalbe und Perubalsam waren damals ohne Wirkung. B. hat den
Patienten erst vor 14 Tagen zum ersten Male gesehen. Abgesehen von
kleinsten, Stecknadelkopf grossen hellrothen Knötchen waren keine Primär-
efflorescenzen sichtbar; nur befanden sieb tiefdunkle Pigmentflecke am
Stamm und Extremitäten zerstreut. Ausserdem war ein beträchtlicher
Ausfall der Kopf- und Barthaare, sowie eine ziemlich universelle An¬
schwellung der Drüsen zu constatiren. Zum Beginn seiner Erkrankung
hatte Patient eine Gonorrhoe und eine Phimose, die gespalten wurde.
Ein Primäraftect war damals nicht beobachtet worden. Was die Dia¬
gnose betrifft, so muss man zuerst an Lues denken, indessen das hoch¬
gradige Jucken spricht dafür, dass es sich um etwas anderes handelt.
Joseph schlägt vor, zur Feststellung der Diagnose eine Inunc-
tionscur einzuleiten.
Rosenthal spricht sich dahin aus, dass Syphilis vorliegt. Das
Jucken würde nicht gegen das Vorhandensein derselben sprechen;
es wäre aber möglich, dass demselben eine besondere Ursache zu
Grunde liegt.
Bruck erwähnt, dass er dem Patienten vor 14 Tagen Arsen mit
gutem Erfolg gegen das Jucken gegeben hat. Ferner bestand eine starke
Schuppenbildung auf dem Kopf, welche sich auf Schwefelsalbe bedeutend
gebessert bat.
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Saalfeld ist der Ansicht, dass es sich um Lues und Lichen
ruber planus handelt.
Bruck erwidert, dass nirgends charakteristische Knötchen von
Lichen ruber planus zu sehen waren.
II. Gerson stellt eine 42jährige Patientin vor, welche seit, ihrer
Pubertätszeit an schmerzhafter Menstrua tion leidet. Zu gleicher
Zeit zeigte sich ein Hautleiden, weiches sich dadurch charakterisiert,
dass im Frühling und Sommer bei warmem Sonnenlicht eine intensive,
erysipelatöse Schwellung der unbedeckten Körpertheile, d. h. des Gesichts
und der Hände, verbunden mit initialen Schüttelfrösten und starkem
Fieber, auftritt. An den Ohren entwickeln sich innerhalb 3—4 Stunden
oft kinderfaustgrosse serumhaltige Blasen, ebenso kleinere auf Lippen und
Wangen. Im Winter ist das Exanthem nie vorhanden; nur während der
Menstruation zeigen sich an der Stirn einige kleine Krusten. Ein Aus¬
bruch ist nur durch vereinte Einwirkung des Lichtes und der sommer¬
lichen Wärme zu beobachten. Zur Aotiologie möchte G. anführen,
dass nach seiner Ueberzeuguug die chronische Genitalaffection eine Dis¬
position der unbedeckten Theile zu erysipelatösen Schwellungen hervor¬
ruft, zu deren Ausbruch der Heiz des Sonnenlichts nothwendig ist. The¬
rapeutisch ist bisher noch kein Erfolg erzielt worden.
Joseph fragt, ob zur Zeit der Eruption eine paroxysmale Hämo¬
globinurie besteht.
Gerson erwidert, dass der Urin nicht untersucht sei.
Joseph hat einige Fälle von acutem circumscriptem Hautödem
veröffentlicht, bei welchen ähnliche Zustände beobachtet worden sind.
Im Höhestadium der Erkrankung stellte sich stets eine paroxysmale
Hämoglobinurie ein. J. hält den Fall aus dem Grunde für interessant,
w r eil hier ein Connex der Hautalfection mit der Erkrankung der Ge¬
nitalsphäre besteht. Therapeutisch hat. Chinin, in kleinen Dosen lange
Zeit hindurch verabreicht, in seinen Fällen guten Erfolg gehabt.
Rosenthal kann in diesem Falle einen Zusammenhang zwischen
der AfTection der Genitalorgane und der Hauteruption nicht erkennen.
Nach seiner Ueberzeugung handelt es sieh um das klar beschriebene Bild
der Bazin’schen Hydroa, welches auch als Hutchinson’s suinmer eruption
(Erythema aestivale) bekannt ist.
Gerson führt an, dass der Zusammenhang selbstverständlich
nicht ganz klar ist. Nur ist die Erkrankung mit der Pubertätszeit auf¬
getreten; damals wurde eine Erweiterung des Cervix wegen Dysmenor¬
rhoe vorgenommen, allerdings ohne Erfolg.
Lassar berichtet über einen Herrn, welcher durch Kälteein¬
wirkung ähnliche Erscheinungen auf der Haut (d. h. mächtige Erytheme
mit Exsudaten an Gesicht und Händen) zeigte. Die Therapie warmacht¬
los. Besnier gab dem Patienten den Rath, in mildem Klima zu leben.
Oe st re ich er glaubt, dass trotz des häutig constatirten Zu¬
sammenhangs von Erkrankungen der Genitalien mit Hauterscheinungen
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in diesem Falle eine Zusammengehörigkeit nicht besteht. Er würde
falls Chinin ohne Erfolg ist, empfehlen, Oophorintabletten zu geben.
III. C. Benda: Demonstration mikroskopischer Prä¬
parate.
In letzter Zeit hat Posner an verschiedenen Stellen des Körpers
Verhornungen nachgewiesen. Ferner hat Ernst-Heidelberg bei Cancroid-
bildungen der Lunge wirkliche Horngebilde vorgefunden. Auch in Ge¬
hirncholesteatomen ist von Bostroera und von B. selbst Epidermis beob¬
achtet worden. Das wesentlichste Moment bei diesem Befunde bestand
in dem Nachweis von Keratin. Allein es hat sich herausgestellt, dass
dasselbe an den Stellen, wo man es ohne weiteres nicht erwarten darf,
sehr schwer nachzuweisen ist. Das Keratin färbt sich nämlich durch
die verschiedensten Methoden, sowohl nach Gram als auch durch die
Weigert’sche Fibrinmethode, durch Benda’s Eisen-Hämatoxylinver-
fahren und auch durch die Weigert'sclie Nervenmarkfärbung, mit
einem Wort: das Keratin zeigt eine vielseitige Färbefähigkeit, eine Er¬
fahrung, welche die Wollfärber bei Behandlung der Wolle, einer reinen
Keratinsubstanz, längst verwerthet haben. Sowohl Färbemittel, welche
der sauren als auch der basischen Farbenkategorie angehören, vermögen
das Keratin zu färben, so dass keines derselben zum directen chemischen
Nachweis verwerthet werden kann. Diese Schwierigkeit zeigte sich B. be¬
sonders bei der Untersuchung eines ihm neulich von Dr. Körte über¬
gebenen Tumors. Derselbe stammte von der Haut des Ellenbogens und
hatte seinen Sitz hauptsächlich im subcutanen Gewebe. Beim Durch¬
schneiden des Tumors fiel B. eine eigenthümlich kreidige Beschaffenheit
auf, die er zuerst als Verkalkung deutete. Durch verschiedene Methoden
konnte er aber nach weisen, dass weder Fett noch Kalk in demselben
vorhanden war. Das mikroskopische Bild des Tumors zeigt grosse
Haufen von Zellen mit epithelialem Charakter, die keine Kernfärbung
mehr zeigen, während spärliche ähnliche noch Kernfärbung aufweisen.
Diese Epithelzellen sind in Zapfen angeordnet, welche unregelmässig in die
Tiefe gehen. Das Zwischengewebe enthält sehr viele Riesenzellen. In
demselben fand B. ausserordentlich feine und dichte Fasernetze bei Au¬
wendung derjenigen Methoden, die Keratin zu färben im Stande sind.
Diese feine, faserige Beschaffenheit erinnert an die Faserung, die Kro-
mayer in den Zellen der tiefen Schichten des Rete Malpighii nacbge-
wiesen hat. Da aber an demselben Präparate normales Rete Malpighii
vorhanden war, so zeigte es sich, dass die K r om ay er ’sche Faserung
bei den angewandten Färbemethoden ungefärbt geblieben waren, somit
die hier vorliegende Faserung mit derselben nichts zu thun hatte. Offen¬
bar handelt es sich um eine merkwürdige Form der Keratinisirung.
B. nimmt au, dass es sich ursprünglich um ein Atherom handelte, welches
zum Theil in eine bösartige Geschwulst degenerirte, indem von der Wand
der Cyste aus Zellzapfen herausgewuchert sind, während andrerseits eine
Abkapselung der freien Atherombestandtheile stattgefunden hat. Die
Riesenzellen des Stroma sind als Fremdkörperriesenzellen zu deuten.
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Heller trägt. den Vortragenden, ob er die Vordammgsraethode
für den JKeratinisirungsprocess angewendet hat. Ferner möchte er
darauf hinweisen, dass die starke Färbbarkeit vielleicht auf mangelhafte
Verhornung zurückzuführen ist. In seiner Untersuchung zusammen mit
Geh.-Rath Lewin über Clavi syphilitici war es ihm gelungen nachzuweisen,
dass einzelne Zellen vollkommen verhornt waren, wahrend andere sich
erst im Uegergangsstadium der Verhornung befanden, in ähnlicherWeise
wie die Unregelmässigkeiten der Verknöcherung boi den syphilitischen
Knochenerkrankungen der Neugeborenen.
Benda hat die Verdauungsraethode nicht angewendet. Im übri¬
gen ist er derselben Ansicht wie II., dass es sich um eine unvollkommene
Verhornung handelt. Diese Faserlbrm hat 13. bisher aber noch nicht
gesehen.
IV. Tann hau ser demonstrirt mikroskopische Präparate von dem
in einer der früheren Sitzungen von 13 lasch ko vorgestellten Falle von
Urticaria hacmorr hagica, welche bei einem jungen Mädchen von
Hl Jahren beobachtet worden war. T. hat eine Quaddel im Augenblick
der Entstehung einer centralen Hämorrhagie excidirt. Der Process sitzt
hauptsächlich im Corium. Man kann bei demselben Veränderungen
im Gebiete der Gelasse und solche im Corium seihst unterscheiden. Die
Gelasse befinden sich in einer dichten Jntiliration-zone; man erkennt in
derselben reichliche, polynucleäre Zellen mit gut färbbaren Kernen, grosse
blasige Zellen, von denen ein grosser Theil Mastzellenfärbung annimmt
und schliesslich rothe Blutkörperchen. Die Veränderungen des Corium^
bestehen in einer Auseinanderdrängung der Bindegewebsfasern mul in
der Anwesenheit von zelligen Elementen. Die polvnucleären Rundzellen
sind bis in die Subcutis und auch bis in die Epidermis zu verfolgen.
JJie einkernigen Zellen sind in der Nähe der Infiltrationen am reich¬
lichsten; dieselben entstehen aus den fixen Bindegewebszellen, während
die polyiiucleären aus dem Blute selbst stammen. Die Frage, ob die
Blutung auf Diapedese oder auf Kliexis der Get’ässe zurückzuführen ist,
konnte T. nicht entscheiden.
V. Tannhauser stellt einen Patienten vor, welcher am Rücken
und an den seitlichen Partien des Rumpfes eine grosse Anzahl weicher,
leicht prominenter, pigmentloser Gebilde von runder Gestalt und miliarer
bis Bohnengrösse zeigt. Vor 6 Jahren hat Patient diese Geschwülstchen
zuerst beobachtet, während er einige Jahre vorher an Syphilis erkrankt ,
war. Mikroskopisch zeigen sich in der obersten Lage der Cutis grosse
einkernige Zellen, welche zum Theil Mastzellenfärbung annehmen, und
ausserdem eine Veränderung der Bindegewebsfasern in der papillären
und subpapillären Schicht des Corium. T. ist der Ansicht, dass es sich
um mutliple weich o F i b r o m e handelt.
VI. Th. Mayer stellt aus der Lassar’schen Klinik eine Ö5 Jahre
alte Iran mit einem kirschgrossen, exulcerirten Tumor an der Nase vor.
Während man an ein Epitheliom denken muss, zeigt die mikroskopische
Untersuchung neben mächtigen breiten Epithelzapfen zahlreiche hvper
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der Berliner dermatologischen Gesellschaft.
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trophische Bindegewebs- und Granulationszellen, kurzum das histo¬
logische Bild des Gummi, so dass eine Vereinigung einer gum¬
mösen Bildung mit einem secundär gewucherten Neoplasma
vorliegt. Anamnestisch hat die Patientin zwei Aborte durchgemacht,
denen die Geburt zweier wenig lebenskräftiger Kinder folgte. Später
sind gesunde Kinder geboren worden. Das Nasendach ist aufgetrieben,
so dass man das Bestehen eines periostalen Gummis annehmen muss.
VII. Th. Mayer stellt ferner ein kleines, a / 4 Jahr altes Kind vor
mit Lichen ruber planus des Oberschenkels. Die Affection entwickelte
sich vor zwei Monaten im Anschluss an eine Gastroenteritis; die Efflores-
cenzen zeigen eine gewisse linienförmige Anordnung. Dem Lichen ging
eine papulöse Eruption voran.
Oestreicher will ebenfalls in letzter Zeit bei Säuglingen häu¬
figer Lichen ruber acuminatus beobachtet haben.
VIII. Th. Mayer stellt ferner einen Knaben vor, dessen Haar
hellblond ist, bei welchem aber an der Nackenhaargrenze eine ungefähr
zwei Querfinger breite Zone von röthlichem Haar besteht. Der Knabe
soll diesen Zustand schon dreimal durchgemacht haben, zuerst vor zwei
Jahren im Anschluss an eine Keconvalescenz, wo die eigentümliche
Haarverfärbung etwa 3 Wochen bestand. Sechs Monate später wieder¬
holte sich derselbe Vorgang und jetzt seit ungefähr 2—3 Wochen zum
dritten Mal. Aehnliche Beobachtungen sind bei psychischen Erkrankungen
gemacht worden.
IX. Schreiber zeigt aus der Lassar’schen Sammlung eine grosse
Anzahl von Moulagen, welche syphilitische Affec-tionen der Zunge be¬
treffen. 0. R o s e n th a 1.
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Venerische Krankheiten.
(Redigirt von Prof. Neisser und Dr. Schaffer in Breslau.)
Gonorrhoe und deren Complicationen.
Lohnstein, H. Zur Behandlung der Urethro-Prostatitis
chronica. Festschrift für Lewin. 5. Nov. 1895. S. Karger. Berlin.
Lohnstein ist der Ansicht, dass die bo häufige Erfolglosigkeit
der Therapie bei Urethro-Prostatitis chronica darin seinen Grund habe,
dass keine der bisher angewendeten Behandlungsmethoden im Stande sei,
die in den Drüsenmündungen fest haftenden Schleimpfröpfe, ohne deren
Beseitigung jede medicamentöse Behandlung erfolglos sein muss, zu ent¬
fernen. Er hat daher ein Instrument („Spüldilatator“) construirt, welches
es ermöglicht, die erkrankte Partie zu dilatiren, die Drüsenpfröpfe zu
lockern und gleichzeitig den entsprechenden Theil der Harnröhre auszu¬
spülen. Zur Spülung verwendet Lohn stein anfangs l / 2 °/ 0 Ichthyollösung,
um bald zu 0*3—0‘5°/ 0 oi& en Höllensteinlösungen überzugehen; in der
Regel werden 3 Liter Flüssigkeit in ca. 15 Minuten durchgespült. Mit
dieser Behandlung will L. von 56 Fällen, die den bisher üblichen Be¬
handlungsmethoden (mit Sonden, Massage etc.) getrotzt hatten, 44 geheilt
haben. Von den übrigen 12 entzogen sich 10 vorzeitig der Behandlung
und 2 holten sich bei ihren Frauen ltecidive.
Ferdinand Epstein (Breslau).
Madlener. Ueber Metritis gonorrhoica. Centralblatt für
Gynäkologie 1S95, p. 1313.
Madlener spricht über den histologischen und bakteriellen Befund
eines wegen Adnextumors exstirpirten Uterus. Die Infection war im letzten
Monat der Gravidität, etwa vor 10 Wochen, erfolgt. Die mikroskopische
Untersuchung ergab die Anwesenheit von Gonococcen auf der Schleim¬
haut sowohl, wie in allen Schichten der Muscularis, theils extra-, theils
intracellulär, theils zwischen einzelnen Muskelbündeln.
Im linken Uterushom fand sich ein etwa erbsengrosser Abseess.
M. bespricht nun die günstigen Verhältnisse, die der blutreiche, puerperale
Uterus dem Eindringen und der Ernährung der Gonococcen dargeboten
hätte. Unter anderen Verhältnissen gehe wohl der auf Schleimhäuten so
widerstandsfähige Gonococcus innerhalb der Uterusmusculatur schnell zu
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der Syphilis.
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Grunde, Theoretisch sei also, wie nachgewiesen, eine Infection des Perito¬
neum vom Endometrium aus ohne Betheiligung der Tuben durch Durch¬
wanderung der Gonococcen durch die Uteruswand möglich.
Paul N eisser (Beuthen 0. S.).
Malherbe. Deux cas d’arthrito blennorrhagique sup-
puree. Association fran^aise des medecines et de chirurgiens urologistes;
premiere 9ession tenue ä Paris d. 23./24. Qctobre 1896. Kef. in La mede-
cine moderne Nr. 87 1896.
Mal herbe hat zwei Fälle von eitriger Gelenkentzündung im An¬
schluss an Gonorrhoe operirt. Aus dem einen Kiterwuchsen abgeschwächte —
denn sie tödteten eine Maus erst nach 4 Tagen — Staphyloeoccen. Er
schliesst daraus: der Gonococcus ist nicht pyogen und die Suppuration
ist eine Mischinfection.
Ihm erwiderte Eraud:
1. er habe niemals den Gonococcus in dem Eiter bei eitriger (Knie)
Gelenkentzündung gonorrhoischer Natur gefunden ;
2. nach den Angaben der Deutschen finde sich derselbe nur in den
ersten Tagen der gonorrhoischen Gelenkentzündung in den Gelenken ;
3. ist der Beweis (Pleuritis, Peritonitis) erbracht, dass der Gono¬
coccus allein Eiter erzeugen kann ;
4. nur in den ersten Tagen bei Gonorrhoe fände sich der Gono¬
coccus allein in der Urethra — später kommen unwesentliche Mikro¬
organismen dazu. Theodor Spiegelhauer (Breslau).
Marx. Lavage sans sonde de Purethre posterieur et
de la vessie. Revue de therap. med. chir., 15 janvier 1896. (Ref.
Ann. gen.-ur. 1896, pg. 264.
Marx bespricht ausführlich die Spülung der Urethra und der Blase
ohne Katheter nach der Lavaux’sehen Methode mit einem von ihm
modificirten Apparate. Ebenso bespricht er Indicationen und Contraindica-
tionen, ohne etwas neues zu bringen. Barlow (München).
Mary. Du bleu de methvlene dans le traitement de
Pu r e t h r i t e et de 1 a vaginite blennorrhagiques. Theses de Paris.
1895/96. Ref. in Gazette hebdomadaire de Medecine et de Chirurgie 1896,
Nr. 80.
Mary empfiehlt das Methylenblau in concentrirten Lösungen gegen
acute und chronische Gonorrhoe. Er hält es für ein gutes Antisepticum,
rühmt seine nicht irritirende Eigenschaft, seine Fähigkeit, das Wachsthura
der Mikroorganismen zu hemmen und ihre Virulenz abzuschwächen und
glaubt als einzigen Fehler dieses Medicaments sein enormes Färbungs¬
vermögen aller mit ihm in Berührung kommenden Objecte anseben zu
müssen. Doye (Breslau).
Murray. Gonorrhoea of the Rectum. Medical News-Vol.
LXVIII. Nr. 10. 7. März 1896.
Murray schildert einen typischen Fall von Rectalgonorrhoe, an
welchem nur die Aetiologie einigermassen interessant ist. Es handelt sich
um eine sonst ganz gesunde Patientin, die, seit Jahren an Verstopfung
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leidend, gewöhnt war, sich täglich mit dem Irrigator einen Ein¬
guss zu machen. Denselben Irrigator benutzte per nefas das gonorrhoisch
erkrankte Dienstmädchen zu Vaginalausspülungen, und übertrug so durch
das Ansatzrohr die Gonorrhoe.
Murray hält die Rectalgonorrhoe für eine überaus seltene Erkran¬
kung, da er sie noch nie beobachtet hat und in der Literatur nirgends
etwas darüber gefunden hat (sic!). Paul 0ppler (Breslau).
Xeisser, A. Forensische Gonorrhoe-Fragen. Aerztliche
Sachverstäudigen-Zeitung. Jahrgang 1895. Nr. 12.
Neisser bespricht und motivirt ausführlich ein von ihm im
Jahre 1895 abgegebenes Gutachten bei einem Falle, in dem es sich um
die Möglichkeit einer Körperverletzung durch Tripperinfection (aus dem
Jahre 1893) handelte. Bei dem betreffenden Mädchen war damals (anno
1893) eine Gonorrhoe nur aus dem klinischen Befunde diagnosticirt
worden; jetzt bot das Mädchen weder klinisch noch mikroskopisch Zeichen
einer Gonococceninfection dar, während bei dem Angeklagten die Reste
eines Trippers mit ziemlicher Sicherheit constatirt wurden. Bei dem
Mangel einer mikroskopischen Bestätigung der von dem Hausarzte im
Jahre 1893 bei dem Mädchen gestellten Tripperdiagnose war es Neisser
theils sehr erschwert, theils gänzlich unmöglich, die von der Staatsan¬
waltschaft an ihn in dieser Sache gestellten Fragen zu beantworten, daher
ermahnt er wiederum nachdrücklich : die Diagnose „Gonorrhoe“ niemals
ohne Zuhilfenahme des Mikroskopes zu stellen, namentlich in solchen
Fällen, in denen in irgend einer Weise ein forensisches Interesse in Be¬
tracht kommen kann. Ferdinand Epstein (Breslau).
Nogn£s. De l’echec des lavages de formol dans le trai-
tement des urethrites ä gonocoques. Ann. gen.-ur. 1896, pag. 787.
Die Versuche, welche Nogues mit Formolspülungen bei Urethri¬
tiden gemacht hat, stellen, wie N. selbst auseinandersetzt, einen ent¬
schiedenen Misserfolg dar. Barlo w (München).
Pazizeau. Traiterneut de Parthrite blennorrhagique
aigue par Partbrotomie precoce. Gazette hebdomad. 4. Oct. 1896.
Ref. in La medecine moderne Nr. 84. 1896.
Pazizeau ist Anhänger der Behandlung der acuten gonorrhoischen
Gelenkentzündung durch frühzeitige Gclonkerüffnung. Die gonorrhoische
Gelenkentzündung kann in zwei verschiedenen Formen auftreten, einmal
mit geringem Erguss und starker periarticulärer Entzündung, das andere
Mal mit viel Erguss und geringem Oedem. Bei beiden hat man durch
frühzeitige Eröffnung gute Resultate gesehen.
Theodor S p i e g e 1 h a u e r (Breslau).
Piehevin. Rheumatisme blennorrhagique. Soc. obstrie.
et gygnecolog. de Paris. Seance du 11. Juni 1896. Ref. in Gazette
liebdom. Nr. 51. 1896.
Piehevin bringt die Krankengeschichte einer Frau, welche mit
einem entzündlichen Tumor im hinteren Scheidengewölbe zur Aufnahme
kam. Ein sieh bald darauf einstellender, allem Anscheine nach gonor-
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der Syphilis.
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rhoiscker Handgelenkrheumatismus Hess an eine gonorrhoische Natur des
Tumors denken. Eine Incision in letzteren lieferte eine Menge Eiter,
welcher Gonococcen enthielt. Glatte Heilung. — Im Anschluss hieran
berichtet Ren du von einer tripperkranken Wöchnerin, welche in der
Regio subclavicularis ein Ganglion bekam, aus welchem sich nach der
Abscedirung gonococcenhaltiger Eiter entleerte.
Ferdinand Epstein (Breslau).
Piery, M. De l’emploi de Pacide carbonique ä Petat
naissant dans 1 e traitement de la blennorrhagie chez la
lern me. Gazette hebdomadaire de medecine et de Chirurgie. Nr. 56.
12. Juillet 1806.
Auf eine Anregung seines Lehrers Cordier hin hat Piery die
Wirkung der Kohlensäure in statu nuscendi auf die Gonorrhoe des Weibes
untersucht. Er hat sich hierbei eines Pulvergemisches von 7 Theilen
doppelkohlensauren Natron und 6 Theilen Weinsteinsäure bedient, das
er in die Scheide einführte; durch das Scheidensecret findet eine Zer- resp.
Umsetzung dieses Pulvers in weinsteinsaures Natron und freie Kohlen¬
säure statt. Mit diesem Verfahren hat Piery zwar keinen Erfolg bei
Metritis, Salpingitis und gonorrhoischer Urethritis gesehen, jedoch trat
eine eclatante Besserung resp. Heilung ein bei gonorrhoischer Vaginitis
mit Vaginismus der jung verheirateten Frauen. Piery schreibt diesen
günstigen Erfolg einestheils der anästhesirenden Wirkung der frei
werdenden Kohlensäure, anderntheils der Nährboden verschlechternden
Wirkung der überschüssigen Weinsteinsäuro zu. Mikroskopische — insbe*
sonders Gonococcen-Untersuchungen sind nicht angeführt.
Spiegelhauer (Breslau).
Powarnin, G. J. Die Gonococcen bei der Gonorrhoe.
Inaug.-Diss. St. Petersburg 1895. 8°. 111 pp. u. 71 pp. mit Taf. Russ.
Powarnin führte seine Untersuchungen im bekannten Militär-
Spital (Ujazdow) zu Warschau in den Jahren 1888—1889 aus. Die bakte¬
riologische Untersuchung von 321 Fällen mit acuter und subacuter
Gonorrhoe ergab die Anwesenheit von Gonococcen in 81*98% der Fälle,
wählend in 18’G1% die Gonococcen nicht cunstatirt werden konnten.
W r as Verlauf und Symptome der gonococcenhaltigen sowie gonococcen-
freien Fälle anbetrifft, äusserst sich Powarnin folgendermassen: Die
gonococcenfreien Fälle verlaufen ira Allgemeinen leichter und schneller
als die gonococcenhaltigen, enthalten im Seerete weniger kernige Elemente
und fast in der Hälfte derselben sind kleine Mikroben zu constatiren. Die
vorhandenen Mikroorganismen sind in keinem einzigen Falle als Ursache
der Gonorrhoe zu nennen. Somit müssen wir als einzige Ursache der
Gonorrhoea die Gonococcen ansehen — eine Thatsache, die ja schon
längst von Prof. Neisser constatirt wurde.
A. Grün fehl (Rostow am Don).
Pryor, W. R. Die Behandlung der gonorrhoischen
Beckencomplicationen beim Weibe. New-York akademv of medio.
12. Nov. 1895. Journ. cutan. and gen.-ur. dis. Januar 1896.
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428 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Pr vor weist zunächst darauf hin, dass einige Gynäkologen bei
Gonorrhoe immer den Uterus und die Adnexe entfernen, da sie doch
später durch die Krankheit vernichtet würden; durch eine solche radicale
Behandlung würde dann eine schnellere Heilung und geringere Mortalität
erzeugt. Die Entfernung des Uterus bedingt jedoch stets ein Cessieren
der Menses und bei jungen Personen häufig cerebrale Störungen. Aus
diesem Grunde ist man gezwungen, eine weniger radicale operative Be¬
handlung einzuleiten. Verf. theilt die Fälle in solche von acuter Salpin¬
gitis, von chronischer Salpingitis mit acuten Exacerbationen, von Hvdro-
salpinx und Pyosalpinx. Von den ersten hat er 17 Fälle operirt, wobei er
besonders betont, dass es sich um erste und acute Attaquen gehandelt
habe, obgleich in dreien, in welchen er nachher noch den Uterus zu ent¬
fernen gezwungen war, die Attaque schon über 3 Wochen gedauert hatte.
In allen 17 Fällen bestanden Vergrösserungen einer oder beider Tuben,
acute Schmerzhaftigkeit, oft Tympanitis und Erbrechen. Die Vergrösse-
rung der Tuben beschränkte sich auf die Wandung, während das Lumen
nicht ausgedehnt war. Pryor betont, dass er das Endometrium für eine
lymphoide Membran und nicht für eine mueöse hält. Da er feststellte,
dass das Lumen der Tuben nicht vcrgrössert war, so glaubt er fest an
Heilung, falls das Küretteinent frühzeitig nach der Attaque ausgeführt
war. Alle 17 Fälle wurden gesund mit Ausnahme der 3 oben erwähnten.
Im Anschluss an die Operation bestand kein Schmerz und die Frauen
menstruirten normal. In gewissen Fällen, welche zwar länger bestanden
hatten, aber acute Symptome darboten, wurden die besten Resultate durch
Kürettement des Uterus mit nachfolgender Incision des Douglas und
Ausstopfung mit Gaze erhalten. In 7 Fällen wurde diese Behandlung mit
Erfolg durchgeführt. Fälle von recidivirender chronischer Salpingitis
waren sehr häufig. Die Tuben enthielten zwar keinen Eiter, aber die
Wandungen waren dick und hart und waren der Sitz einer fibrösen
Schwellung. Obwohl das Kürettement des Uterus auf die Störungen in
den Tuben wenig Effect hatte, wurde sie als Behandlung des primären
Sitzes der Affection dennoch ausgeführt. Verf. eröffnete im Laufe eines
Jahres in allen diesen Fällen den Douglas, löste die Adhäsionen und
dränirte den untersten Thoil des Douglas mit Gaze aus. Diese Behand¬
lung brachte fast immer einen temporären Nutzen. Bei Hydro- und Pyosalpinx
war es wichtig die Adhäsionen an das Omentum nicht zu zerstören ; der
Douglas wurde erofthet und die Tuben freigelegt, der Finger eingeführt,
die Tuben geöffnet und ihre ganze Höhle mit Gaze ausgestopft. Konnte
eine Reinfection verhütet werden, dann entstand kein Reeidiv. Pryor
betont zum Schluss noch einmal, dass eine weniger eingreifende Methode
der Entfernung des Uterus vorzuziehen ist.
Lederin an n (Berlin).
Oi'ton. Rectal Gonorrhoea and Gon o r r h o e a 1 Endom e-
tritis. Medical News. Vol. LXV111. Nr. 15, d. 11. April 18 ! ML
Orton hat einen Fall von Rectalgouorrhoe bei gleichzeitig be¬
stehender Cervicalgonorrhoe beobachtet. Erstere wurde durch Ausspülung
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mit Creolin, letztere durch Currettement und Jodoformgazetamponade
geheilt. Paul Oppler (Breslau).
Raymond. Reumatismo blenorragico. Bull. Med. ref. in
Rivista clinica e terapeutica. Settembre 1896. Nr. 9.
Raymond stellt eine Patientin vor, bei der sich in den letzten
8 Tagen unter fieberhaften Erscheinungen eine Affection des linken Armes
entwickelt hat, welche einen neuralgisch rheumatischen Charakter trägt
und vom Vortragenden als Analogon zur Ischias hingestellt wird. Da die
Patientin seit 6 Monaten an einem profusen Vaginalausfluss leidet, steht
R. nicht an, die Krankheit als Rheumatismus blennorrhagicus zu be¬
zeichnen. Therapeutisch empfiehlt er Salophen (4 Gr. pro die), welches er
für erheblich wirksamer hält, als Salicyl oder Antipyrin.
Ferdinand Epstein (Breslau).
Raymond Petit et Pichevin Adenite cervicale suppuree ä
gonocoque. Journal des mal. cut. et syph. 1896, p. 419.
Die Patientin Raymond Petit’s und Pichevin’s hat seit ihrem
7. Jahr einige Drüsen in der rechten Mandibulargegend am Angulus
mandibulae, welche jedesmal im Monat März etwas anschwoll, um dann
wieder fast völlig zu verschwinden. Im Verlauf einer Gonorrhoe schwollen
diese Drüsen wieder an, vereiterten, und in ihrem Gehalt zeigten sich
typische Gonococcen ohne irgend welche andere Bakterien.
Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Robinson, J. M. Systemic infection from gonorrhca,
with the report of a fatal case. Medical News. August 29, 1896.
Robinson berichtet einen Fall, der unter acut-fieberhaften, auf
eine Meningitis oder eine Septicämie deutenden Symptomen (Fieber,
Delirien, Erbrechen, Pupillenenge, allgemeine Hyperästhesie, Gelenk¬
schmerzen und Gelenkschwellung, Purpura am ganzen Körper) in 4 Tagen
tödtlich verlief. Bei der Seetion fand man Zeichen einer acuten pyämi¬
schen Erkrankung mit Lymphdrüsenschwellung, Hämorrhagien in Haut
und Herz, flüssigem Blut, Fettmetamorphose der Herzmusculatur, eitrigem
Erguss in die meisten Gelenke der unteren Extremitäten. In der Harn¬
röhre Entzündung und Eiter mit Gonococcen (nur mikroskopisch nach¬
gewiesen). Die übrigen Organe und Secrete wurden nicht mit dem
Mikroskop untersucht. P i n k u s (Breslauj.
Romme. Cura della cistite blennorragica acuta nelP
uomo. Presse med. aprile 1896. Ref. in II Morgagni. Nr. 32. 1896.
Romme betont, dass bei der acuten blennorrhagischen Cystitis
des Mannes vor Allem die interne und diätetische Behandlung Platz
greifen müsse und dass nur dann die locale Therapie (Blasenausspülungen,
Guyon etc.) angewendet werden soll, wenn die interne Behandlung ver¬
sagt, oder der Process chronisch wird. Ferdinand Epstein (Breslau).
Rössler, A. Zur Kenntniss der Achillodvnie. Deutsche
Zeitschrift für Chirurgie. 42. Bd. 3. Heft, p. 274. 1896.
Rössler berichtet aus der A 1 berUschen Klinik über 9 Fälle von
Achillodynie und über Untersuchungen, die er an der Leiche über den
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Schleimbeutel zwischen Sehnenansatz und Tuber ealeanei angestellt hat.
Aus den letzteren ergibt sich, dass in einer grossen Anzahl von Fällen
eine chronische Reizung des Schleirabeutels durch die dauernde Inan¬
spruchnahme desselben zu Stande kommt, die ab und zu mit Schmerzen
verbunden sein mag und die zu einer „Bursitis deformans“ fuhren kann.
In anderen Fällen fand er die Ausgänge acuter Entzündung. Die Aetiologie
der Achillodynie ist eine sehr mannigfaltige; neben dem chronischen
und dem acuten Trauma kommt in erster Linie zweifellos die Gonorrhoe,
ferner aber auch die Influenza, Abschürfungen, uratische Diathese, Rheuma,
Tuberculose in Frage. Therapeutisch sah R. besonders von der methodi¬
schen Compression durch feuchte Badeschwämme gute Erfolge; eventuell
wäre die Verödung durch blutige Eröffnung, Tamponade, Auskratzung
zu versuchen. Für den Namen Achillodynie schlägt R. den „Achillobursitis“
(u. zwar „anterior“ — im Gegensatz zu der Entzündung der inconstanten
Bursa tendinis Aehillis posterior) vor. Jadassohn.
Schantz, Eugen. Uebor gonorrhoische Exantheme. Inaug.-
Diss. Bonn 1895.
Schantz beobachtete ein Erythema nodosura bei gleichzeitig be¬
stehender Gonorrhoe und Schwellung des rechten Kniegelenkes. Er glaubt,
dass die Gonorrhoe, sei es durch die Gonococcen selbst, sei es durch
deren Toxine, eine Allgemeininfection des Organismus hervorzurufen
im Stande ist, und dass in Folge dessen ein Reiz auf das vasomoto¬
rische System entstehen kann, wodurch dann die Exantheme bedingt sind.
Ed. Oppenheimer (Strassburg).
Schütze. Die hydriatische Behandlung der Gonorrhoe.
Blätter für klin. Hydrotherapie. 1895, Nr 10.
Schütze hat mit seinem Hydrophor — einer am unteren Ende
geschlossenen, canellirten und mit kleinen Fenstern 1 Cm. oberhalb des
Endes versehenen Röhre — bei acuter und chronischer Gonorrhoe gute
Erfolge erzielt. Er benutzt Spülungen mit Wasser, meist unter 15° C.,
das als Spülmittel, Desinficiens, Adstringens und Dehnungsmittel für die
Urethra wirken soll. Bei der chronischen Gonorrhoe bedingt es eine Her¬
absetzung der Temperatur auf indirectem Wege auch in der Pars
membranacea (durch Messungen im After bewiesen).
Jadassohn (Bern).
S£e, Marcel. Le Gonocoque. Paris (Felix Alean) 189(5.
In seiner, zu einem umfangreichen Buche angewachsenen These
behandelt Marcel See das Thema vom Gonococcus nach allen Richtungen
hin. Die überaus fleissige Arbeit zerfällt in 2 Theile a) experimentelle,
b) klinische Studien und einen Anhang, der die Belege für die erwähnten
Studien in Form von Versuchsprotokollen und Krankengeschichten enthält.
See hat es als Bedürfnis« empfunden, die unzähligen Literatur¬
angaben und das umfangreiche kasuistische Material, die sich überall zer¬
streut finden, zu sammeln, kritisch zu sichten und theilweise nachzu¬
prüfen. Seine eigenen Untersuchungen erstrecken sich auf Culturversuche.
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Da das vorliegende Buch demnach fast ausschliesslich ein Sammel¬
werk darstellt, verbietet sich ein eingehendes Referat von selbst, jedoch
sollen See’s Schlussfolgerungen hier Platz finden.
1. Die Blennorrhagie ist eine specifisehe Infectionskrankheit. Ihre
Erscheinungen sind mannigfach, wie die der meisten Infectionskrankheiten,
und die Urethritis ist nur die häutigste Gonorrhoe. Es kommen auch
nicht blennorrhagische Urethritiden vor, welche sich auch schon klinisch
von diesen unterscheiden.
2. Der Erreger der Blennorrhagie ist der Gonococcus Ne iss er,
ein pathogener durch seine morphologischen und biologischen Eigen¬
schaften ebenso wie durch seine Wirkung auf den menschlichen Körper
wohl charakterisirter Mikroorganismus. Er unterscheidet sich gut von den
Saprophyten des Urogenitalapparates. Man findet ihn niemals normaler
Weise in irgend einem Organe.
3. Zwar sind gewisse blennorrhagische Erscheinungen toxischer
Natur, und es finden sich andererseits bei der Blennorrhagie häutig Secundär-
affectionen, sicher jedoch resultiren die meisten blennorrhagischen Er¬
scheinungen direct aus der Anwesenheit von Gonococcen in den Erkran¬
kungsherden.
Der Gonococcus kann sicher durch die Blutbahnen verschleppt
werden, und dann Krankheitsherde entfernt vom Orte der Infection
etabliren (Arthritis, Endocarditis etc.).
Werth voll wird die Arbeit See’s durch die reichlichen Literatur¬
angaben (bis 1893 in den Anmerkungen der betreffenden Seiten) und eine
ausführliche Bibliographie von 1893 bis April 1896.
Paul Oppler (Breslau).
Sheffield. The Treatment of Vulvo-Yaginitis in C h i 1-
dren. Americ Medic.-Surg. Bull. 30. V. 1896.
Sheffield glaubt, dass die Prognose bei Vulvo-Yaginitis der
Kinder im Allgemeinen gut ist und dass es wesentlich darauf ankomrot,
Complicationen zu vermeiden. Die Kinder müssen sorgfältig isolirt werden. Zur
Vermeidung der Infection der Augen benutzt er eine Bandage für die Augen
und eine, die verhindert, dass das Kind mit den Händen an die Geni¬
talien kommen kann. Seit Anwendung dieser Vorsichtsmassregel hat er
keine Augenblennorrhoe mehr auftreten sehen. (Ref. hat trotz fehlender
Prophylaxe der Augen noch nie von einer Vulvo-Vaginitis eine Augen¬
blennorrhoe entstehen sehen.) Der Verf. meint, dass Urethritis und Peri¬
tonitis die Folge der Vulvo-Vaginitis sein können, dass sie aber ver¬
mieden werden, wenn man nur mit ganz schwachem Druck und einem
weichen Katheter, der nur einen Zoll in die Vagina eingeführt wird,
irrigirt. Zur Vermeidung der Arthritiden gibt er leichte alkalische Diurelica.
Er empfiehlt heisse Bäder im acuten Stadium; die Spülungen macht er
in Sims’scher Lage. Die Krankheit dauert 4 Wochen bis 4 Monate; kürzer
dauernde Fälle sind keine Gonorrhoen oder nicht dauernd geheilt.
Jadassohn (Bern).
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Simon. Du gonocoque enmedecine legale. Revue raedicale
de l’Est, 1 janv. 1896. (Ref. Ann.-gen.-ur. 1896, pig. 357.)
Simon bespricht die Wichtigkeit des Gonocoecenuachweises für
die gerichtliche Medicin an der Hand eines Falles, bei dem das mikro¬
skopische Examen keine absolute Sicherheit ergab. Nachdem nun einmal
der Nachweis des Gonococeus, zumal in chronischen Fällen, nicht ganz
leicht zu erbringen ist, andererseits bei Kindern eine extragenitale Infec-
tion durchaus nicht ausgeschlossen werden kann, selbst wenn man z. B.
in der kindlichen Vagina Gonococcen findet, so kommt Simon zu dem
Schlüsse, dass der Gonoeoccennachweis eine nur sehr massige Unter¬
stützung zur Entscheidung der Schuldfrage bietet.
Barl o w (München).
de Smet, Ed. La formal ine dans le tra item ent de la
bl e n n orrh agie chez la femrne. Journal de la Clinique. Ref. in la
medecine moderne. Nr. 57, 7e annee 15 Juillet 1896.
Smet hat die Blennorrhoe des Weibes mit 0*2 — 0*5%, sogar mit
5% Formalinlösungen behandelt und günstige Resultate gesehen. Bei
5% Anwendung trat allerdings Schwellung, selbst Verschorfung der Schleim¬
haut ein, welche nicht nur nicht schädlich, sondern sogar günstig auf
die acute blennorrhagische Entzündung einwirkte und ausserdem schmerz¬
los war. Spiegclhauer (Breslau).
Sorel. Note sur un cas d’absces de la pro state. Journal
des mal. cut. et sypli. 1896, p. 210.
Im Verlaufe einer acuten Gonorrhoe erkrankte der Patient Sorel’s
an Kpididymitis und Prostataabscess. Grade in dem Moment, als derselbe
vom Perineum aus incidirt werden sollte, perforirte er in die Urethra.
Die vorher vorgenommene Punction vom Perineum aus hatte reichliche
Gonococcen enthaltenden Eiter ergeben.
Paul N ei ss er (Beuthen 0. S.)
Stein, 0. J. Die Irrigation smethode bei gonorrho¬
ischer U ret hritis. Journal of cutan. and gen -urin. diseases. März 1896.
Stein hat hei der Irrigationsbehandlung der Gonorrhoe die besten
Resultate und die wenigsten Complicationen gesehen. Er empfiehlt sie
besonders deshalb, weil die Urethra viele Drüsenöffnungeii und Krypten
besitzt, in welchen sich die Gonococcen localisireu und in welchen sie
mit der gewöhnlichen Art der Injeetionsbehandlung nur schwer ver¬
nichtet werden können. Er hält die übliche Art der Irrigation mit einem
weichen Gummikatheter für fehlerhaft, weil dadurch die Follikel Öffnungen
nicht erweitert werden, während es sehr wichtig ist, den Drüseninhalt
zu entfernen. Dies kann aber nur durch eine Dehnung der Urethra ge¬
schehen. Zu diesem Zwecke empfiehlt er eine nach Art des Urethroskops
hergestellte gefensterte, am Ende geschlossene Ilartgummitube, welche
eingeführt wird, nachdem der Patient urinirt hat. In diese Tube hinein
führt er einen weichen Katheter, der mit einem Irrigator verbunden ist,
und spült mit Kaliumpermanganatlösung 1 : öoOD bis 1 : 3000.
Le derma nn (Berlin).
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Steinschneider und Schäffer. ZurBiologiederGonoeoccon.
(Berliu. Klin. Wochensehr. 1895. Nr. 45.)
Aus den Versuchen der Verf. geht hervor, dass die Reincultur der
Gonococcen sich nicht so einfach herstellen lässt, wie man das nach den
neueren Publicationen glauben sollte. Blutserum, namentlich mensch¬
liches, ist dabei nicht zu entbehren, während Harnagar sich den Verf.
nicht bewährt hat. Statt des Plattenverfahrens bedient man sich zweck¬
mässiger des Vertheilens der Keime mit einer Platinöse oder mit sterilem
Pinsel auf in Pe trPsche Schalen gegossenes Serumagar. Temperaturen
von 40° C. wirken bei Exposition von mindestens 12 Stunden auf die
Culturen abtödtend, während Zimmertemperatur entwicklungshemmend
w r irkt. In Wasser oder Urin, dem gonorrhoischer Eiter beigemengt ist,
können sich die Gonococcen wenigstens 1—2 Stunden entwicklungsfähig
halten. Die in das subcutane Bindegewebe eingebrachten Gonococcen ver¬
ursachen keine Eiterbildung. Karl II e r x h e i m e r.
Swinbury, Knowles George. Die Anwendung des Argonins
im acuten Stadium der Gonorrhoe. Ein vorläufiger Bericht
Joum. of cut. and gen. ur. dis. Aug. 1896.
Swinbury hat das Argonin auf Empfehlung von Jadassohn
bei 50 Fällen von acuter und 12 Fällen von chronischer Gonorrhoe mit
Erfolg angewendet. Die Injectiou wurde täglich einmal vom Verf. selbst
mit der Tripperspritze ausgeführt, nachdem vorher die Harnröhre mit
einer Kaliumpermanganatlösung ausgewaschen war. Die Argonitilösung
selbst verblieb 5—10 Minuten in der« Urethra. Bei der Erkrankung der
Urethra posterior wurden mittelst weichem Katheter zwei Drachmen der
Lösung in die Urethra posterior injicirt, dann beim Herausziehen des
Katheters die Urethra anterior mit der Lösung angefüllt. Der Katheter
selbst wurde in Argoninlösung sterilisirt. Die Stärke der Lösung schwankte
je nach der Empfindlichkeit des Kranken zwischen 2 und 10%. In allen
Fällen wurde eine schnelle Verminderung des Ausflusses constatirt, bei
den meisten auch eine schnelle Abnahme der Gonococcen. Nur wenige
Fälle blieben refraetär. Auffallend war das Fehlen jeglicher entzündlicher
Reaction. Im ganzen hat Verf., welcher am Schluss eine Anzahl von
Krankengeschichten in extenso wiedergibt, den Eindruck, als ob das
Medicament absolut unschädlich ist, dass es die Entzündung der Harn¬
röhre bei acuter Gonorrhoe schnell beseitigt und daher auch im acutesten
Stadium anwendbar ist. R. Ledermann (Berlin).
Thayer und Blumer. Endocardite ulcereuse blennor-
rhagique. Archives de Medecine experimentale d’anatoraie et patho-
logique 1895.
Nachdem die Verfasser eingehend die einschlägige Literatur (cf.
Original) besprochen und besonders hervorgehoben, dass die von Martin,
Gluzinski, Councilmann, Winterberg, Leyden berichteten Fälle
nicht beweiskräftig seien, da entweder keine Culturen angelegt oder die
angelegten nicht gewachsen, kommen sie auf ihren Fall, bei dem es ihnen
geglückt, aus dem Blut einer Armvene Gonoeoccenreinculturen zu erhal-
Arcbiv f. Dorraatol. u. Syphil. Band XXX 1\. 28
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ten. Der Fall ist kurz folgender: Kirie 34jährige Witwe kam mit Herz¬
erscheinungen, nachdem sie kurz vorher an Rheumatismus (gonorrhoisch?)
gelitten, zur Aufnahme und verstarb nach ca. 3 Wochen im Hospital.
Da anfangs wahrscheinlich an Sumpffieber gedacht worden war, wurden
nach der S i t z rn a nn’schen Methode Blut-( */ 3 ) Agar-Agar - Culturen mehr¬
mals angelegt. Bei zwei Versuchen waren nach 48 Stunden kleine weisse
Colonien von Stecknadelspitzengrösse gewachsen, welche sich unter dem
Mikroskop als aus kleinen, ovalen, nebeneinander liegenden Diplococcen
von Biscuitform bestehend herausstellten. Der Versuch, diese Mikro¬
organismen auf Agar-Agar, Gelatine, Kartoffel, Bouillon und Milch weiter
zu züchten, schlug stets fehl. Erst als bei der Autopsie in den Auflage¬
rungen der Mitralklappe sowohl frei, als auch intracellulär, einzeln bis
zu Haufen und im Vaginal- und Uterusschleime sehr ähnliche Diplococcen
gefunden wurden, welche sich nach Gram entfärbten, scheint der Ver¬
dacht auf gonorrhoische Endocarditis aulgetaucht zu sein, denn nun
wurden sowohl die Blutculturen auf Gram’sche Entfärbbarkeit geprüft
als auch von ihnen auf Rindsblutserum, Urin-Agar u. s. w. Weiterimpfungen
vorgenommen. Während jedoch auch bei den Mikroorganismen dieser
Blutculturen die Gram’sche Entfärbbarkeit vorhanden war, gingen
auch diesmal die Weiterimpfungen nicht an. Auch Culturversuche von
bei der Autopsie gewonnenem Herzblut, von der Herzklappe, Milz,
Leber u. s. w. blieben negativ — wahrscheinlich in Folge Fehlens der ge¬
eignete n, d. h. für den Gonococcus Neisser geeigneten Nährböden.
Die Verfasser kommen zu folgendem Schluss: 1. aus der charakteri¬
stischen Form und Lagerung zu einander, 2. aus der intracellulären Lage
rung, 3. aus dem negativen Wachsthum auf ungeeigneten Nährböden,
4. aus dem guten Wachsthum auf Menschcnblut-Agar, 5. aus der
Entfärbbarkeit nach Gram ist der Beweis erbracht, dass es sich um
echte N c i s s e r’sche Gonococcen gehandelt hat. Die Eingangspforte in den
Körper ist zweifellos die gewöhnliche (genitale) gewesen.
Spiegel hau er (Breslau).
Tuffier. C anule de verre pour lavage de Pure th re.
Societe de Chirurgie, 31. juillet 1890. (Ref. Ann. gen.-ur. 1896, p. 459.)
Tuffier gibt eine neue Glascaniile zu Spülungen der Blase ohne
Catheter an. Zeichnung ist beigegeben. Besondere Vortheile dürfte das
neue Instrument nicht haben. Bar low (München).
Tyrrell. Report of a Gase of Gonorrhoeal Arthritis in
a New-Born Infant. Medical News Vol. LXVI1I Nr. 10. d. 7. März 1896.
Tyrrell beobachtete bei dem Kinde einer gonorrhoisch Erkrankten
4 Tage nach der Geburt das Auftreten einer Ophthalmoblennorrhoe und
weitere 4 Tage später eine Schwellung, Rötlnmg und ödematöse Durch¬
tränkung beider Handrücken und Vorderarme. Die Affection, die T. mit
der Ophthalmoblennorrhoe in Verbindung bringt, ging innerhalb 5 Tagen
auf eine Ichthyol-Belladonnasalbe und Bandagirung zurück.
Paul 0 p p 1 e r (Breslau).
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der Syphilis.
4:> 5
Valentine, Ferd. C. Gonorrhoea: its treatment by intra-
vesical injections of potassium permanganate. The Joiirn. of
eilt, and gen. urin. dis. 1895, p. 247.
Valentine schildert das jetzt wohl allbekannte Janet’sche Ver¬
fahren, mit welchem er im Allgemeinen gute Resultate erzielt hat. In
einigen Fällen persistirte der Ausfluss 12 Tage. Fine Woche nach dem
Verschwinden der Gonococcen reizte er die Urethra durch Injeetion einer
2% Argentum nitricumlösung; fanden sich in dem künstlich erzeugten
Ausfluss noch Gonococcen, so wurde die Irrigationsbehandlung noch ein¬
mal aufgenommen. War er jedoch gonocoecenfrei, dann wurde die Harn¬
röhre nach 8 Tagen noch einmal auf gledche Weise irritirt und war der
Erfolg gleich gut, dann wurden die Patienten als gesund betrachtet.
R. Leder mann (Berlin).
V erhoogen. Le traitement de l’u r e t h r i t e chronique par
le8 dilatateurs d’Uber lande r. Ann. gen.-ur. 1896, p. 260.
Der ziemlich ausführliche Aufsatz Verlioogen’s enthält detaillirte
Angaben über Literatur und Art der Behandlung, bringt aber im Grossen
und Ganzen nichts Neues. Barlow (München).
Veillon, A. et Halle, J. Etüde bacteri ologi que des vulvo-
vaginites chez les petites filles et du conduit vu Ivo -vagi¬
nal ä l’etat sain. Arch. de med. exper. et d’anat. pathol. 1. Ser. Tome VIII.
1896. Nr. 3, p. 281.
Veilion und Halle haben 27 Fälle von Vulvo-Vaginitis nur
mikroskopisch untersucht und unter ihnen 25mai Gonococcen gefunden.
Unter 21 Fällen, die mit der Cultur auf den verscdiiedensten Nährböden
explorirt wurden, fanden sich 17 mit Gonococcen, darunter 5raai in Rein-
cultur, 12mal in Combination mit den normalen Mikroben der Vagina,
als welche die Verfasser bei der Untersuchung der Kinder folgende 4 ge¬
funden haben: Bac. pseudo-diphthericus communis; keulenförmiger Bac.
pseudo-diphthericus (Weeks); nicht pathogener Streptococcus, Staphylo-
coccus epiderm. albus. In den 4 Fällen, bei denen Gonococcen fehlten,
wurden ausser den eben erwähnten Bakterien einmal pyogene Strepto¬
coccen, einmal Bacterium coli in Reincultur nachgewiesen. Unter den
Gonorrhoen waren 13 Fälle mit typischem eitrigem Socret, 4 mit sehr
schwachem Ausfluss und ohne entzündliche Erscheinungen. Aus den Schluss¬
folgerungen der Verf. sei hervorgehobeu, dass sie auf Grund ihrer Unter¬
suchungen für die specifische Natur der meisten Vulvo-Vaginitiden ein-
treten, dass sie die Möglichkeit von Complicationen betonen, dass die
Gonococcen in sehr acuten Fällen in Reincultur vorhanden sind, dass die
Vagina des Kindes normalerweise nur nicht pathogene Bakterien enthält.
Man muss auch bei sehr geringen klinischen Erscheinungen bakteriologisch
untersuchen, meist ist die mikroskopische Controle genügend, doch ist
in zweifelhaften oder negativen Fällen die Culturmethode „plus sensible
et plus demonstrative"'. Die Anwesenheit von diphtheriebacillenähnli-
chen Bakterien in der normalen oder kranken Vagina muss bei der
Diagnose der Vulvar-Diphtherie berücksichtigt werden. Die Vulvo-Vaginitis
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
wird häufig indirect übertragen. — Aus den Cultur-Versuchen der Verf.
ist hervorzuheben, dass sie mit Vorliebe mit weiten Reagensgläsern
arbeiten und auf deren breiter schräger Fläche isoliren. Die Gonococcen
sind ihnen auf Ascites-Agar gut und in Ascites - Bouillon sehr gut, aut
gewöhnlichem frisch zu bereitetem Agar nur sehr spärlich und in erster
Generation gewachsen. In Gelatine mit Ascitesflüssigkeit wachsen sie im
Brutofen — die Gelatine erstarrt beim Erkalten; die Gonococcen ver¬
flüssigen also nicht. Anaerob sind die Gonococcen nicht gewachsen.
Von Thierversuchen ist den Autoren nur einer gelungen: Eine mit einer
starken Dosis intraperitoneal geimpfte Maus ist an Peritonitis gestorben;
im Exsudat fanden sich Gonococcen. Jadassohn (Bern).
Vignaudon. L’arthropat hie blennorrhagique chez l’en-
fant. Revue mens, des mal. de l’enfance 1*95, p. 209.
Aus der Arbeit Vignaudon’s über den gonorrhoischen Rheuma¬
tismus bei Kindern ist hervorzuheben, dass trotz der geringen Berück¬
sichtigung, welche diese Affection in der Literatur gefunden hat (bisher
nur 23 Fälle publicirt), V. sie für relativ häufig hält. Sie tritt bei — vielleicht
durch Anaemie prädisponirten Individuen unabhängig vor der Schwere
der Blennorrhoe sowohl in deren frühestem Stadium als auch noch nach
ihrer Heilung, manchmal mit prodromalem Fieber, Gliederschmerzen etc.
auf; ist am häufigsten im Knie, dann im Hand-, dann in den Mehacarpo-
riialangealgelenkcn localisirt. Meist ist nur ein Gelenk, sehr selten mehr
als 2 (und dann immer kleine) Gelenke befallen; die Sehnenscheiden sind
oft — auch primär — die Schleimbeutel nie bet heiligt. Der Schmerz ist
wechselnd, Crepitation sehr selten, immer eine oft enorme Schwellung;
die Haut kann normal oder stark geröthet sein. Das Fieber besteht nie
lange; die inneren Organe waren immer frei. Ankylosen scheinen sich
bei Kindern nicht auszubilden. Ilervorzuheben ist, dass der acute Gelenk¬
rheumatismus bei Kindern unter 5 Jahren selten ist.
Jadassohn (Bern).
Vigneron, G. Infektions peri-uretrales; leur traite-
luent. Association francaise de Chirurgie X. Congres. Seance de 23. octobre.
La medecine moderne 1890. Nr. 88.
Vigneron gibt an der Hand von 0 selbstbeobachteten Fällen eiu
kurzes klinisches Bild der sich an eine Urethritis anschliessenden Infeetion
der urethralen Drüsen mit ihren eventuellen Folgen (periurethraler
Abscess, Durchbruch desselben in die Harnröhre oder nach aussen). Er
empfiehlt ausgiebige chirurgische Behandlung jeder derart inficirton Drüse,
um diesen Folgen vorzubeugen und rühmt die guten Erfolgt?, die er
hierdurch erzielt hat. Job. Doye (Breslau).
Wertheim. Leber L t e r u s g o n o r r li o e. Versammlung der
deutschen Gesellschaft für Gynäkologie in Wien 5.—7. Juni 1895. Kcferirt
im Centralblatt für Gynäkologie 1895, p. 099.
Zu dem sehr interessanten Vortrag über Lterusgonorrhoe erwähnt
Wertheim zunächst, dass der Guuucoccus in der Mehrzahl der Fälle
auf die Schleimhaut beschränkt bleibe und hier die Endometritis intersti-
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der Syphilis.
437
tialis und glandularis liervorrufe. Daneben finden sich aber in vielen
Fällen entzündliche Veränderungen der Muscularis (entzündliche Infil¬
tration des Muskelbindegewebes und Gefässwandbyperplasie), in denen
wahrscheinlich auch Gonococcen vorhanden, bisher aber noch nicht nach¬
gewiesen sind: ebenso wenig sind aber andere Bakterien nachzuweisen,
so dass für eine Misch- resp. Secundärinfection auch keine Beweise vor¬
handen sind. Der innere Muttermund besitzt nach seinen beweisenden
Untersuchungen nicht die Bedeutung als Hinderniss für das Ascendiren
der Gonorrhoe. Die Exacerbationen der Uterusgonorrhoe haben häutig
ihre Ursache in einer Alteration des Nährbodens, wie sie durch verschiedene
schädigende Einflüsse (Menstruation, Coitus) bedingt wird. In vielen
Fällen aber liegt denselben eine frische Infection zu Grunde. Unter den
schädigenden Momenten nimmt das Puerperium eine hervorragende Stel¬
lung ein; hier findet sehr häufig eine Weiterverbreitung der Gonococcen
auf die bisher freie Körperhöhle statt.
Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Wilhelm, Carl. Das Verhältniss zwischen Gonorrhoe
und Tuberculose. (Inaug.-Diss. Königsberg 1 Sl>2.) Ref. nach Baum¬
gartens Jahresber. Bd. IX. p. 00.
Die Arbeit Wilhelm’s stellt aus der Literatur die Fälle zusammen,
bei denen die Autoren an eine Mischinfection resp. an eine Beeinflussung
der Gonorrhoe durch Tuberculose gedacht haben und in dieser Beziehung
bringt der Verfasser eine weitere Casuistik. Aus der ganzen Zusammen¬
stellung geht nun hervor, dass eine Mischinfection durch Gonococcen und
Tuberkelbacillen im gewöhnlichen Sinne nicht vorkömmt.
Joh. Fabrv (Dortmund).
Winterberg. Zwei Fälle von u 1 cerativer Endocarditis
in directem Anschluss an specifische Urethritis. Festschrift
zum 25jährigen Jubiläum des Vereins deutscher Aerzte zu S. Francisco
18b9—1894. Ref. im Centralblatt für Gynäkologie 1895, p. 927.
W int erb erg berichtet über 2 Fälle von ulceröser Endocarditis
im Verlaufe von Gonorrhoe, von denen der eine, der zur Seetion kam,
im Leben das Bild multipler gonorrhoischer Arthritis, Pleuritis und
Endocarditis (blasende systolische und diastolische Geräusche über Aorta
und Pulmonalisj darbot. Die Seetion ergab eine seröseitrige Flüssigkeit
im Herzbeutel, der Herzmuskel selbst von zahlreichen Eiterherden durch¬
setzt. AnStelle der Pulmonal- und Aortenklappen fand sich eine krümme-
lige, leicht zerdrückbare Masse, die, mikroskopisch betrachtet, (ionocoecen
enthielt; in Leber und Milz waren zahlreiche Blutungen; die Niere war
arayloid degenerirt. Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Wossidlo. Zur D i 1 a t a t i o n s b e h a n d 1 u n g der Harnröhren-
stricturen. (Vortrag gehalten in der Berl. medic. Gesellsch.) Berl. klin.
Wochenschrift Nr. 6 1896.
Wossidlo betont, den Werth des Emloskopirens, wenn man sich
einen Begriff von den Fortschritten einer „wirklichen Sfricturheilung u
bilden will. Letztere ist daran zu erkennen, dass an Stelle der früher
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438 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
vorhanden gewesenen starren Infiltrate sieh eine gut gefaltete Schleimhaut
mit einer von der gesunden nicht verschiedenen Färbung findet. Die
Epitheldeeke muss gleichmässig, mehr oder weniger glänzend erscheinen.
Die Drüsen dürfen an ihren Ausführungsgängen und in ihrer Fragebung
keine Spuren von Infiltraten zeigen, die Narben müssen im Niveau der
Schleimhaut liegen. Das wird nach Ansicht des Verfassers nicht erreicht
mittelst der üblichen Sondendehnungen bis zu 30 Charriere. Da nun
höhere Nummern ohne Spaltung des Orifieium externum urethrae nicht
angewendet werden können, empfiehlt Wossidlo das 0 b e r 1 ä n d e r’sehe
oder K o 11 m a n n’sche Dilatarorium. Hiermit werden alhnäüge Dehnungen
derart vorgenommen, dass durchschnittlich jeden 10. Tag eine Sitzung
statt findet, wobei nur um eine bis zwei Nummern der Charrierescala ge¬
stiegen wird, bis Nr. -10—45 erreicht ist. Erst dann ist eine Heilung ira
obigen Sinne zu erwarten. Die Schmelzung der weicheren, mit Kundzellen
durchsetzten Infiltrate geht vor sich unter einer schleimig eitrigen Se-
cretionsentwieklung; wirklich acute Kntziindungserscheinungen müssen
vermieden werden; sind sie dennoch aufgetreten, müssen bis zu ihrer
Beseitigung die Dilatationen ausgesetzt werden (event. Spülungen mit
HöllenstcinlöMingen '/ 2 —1% 0 ). Von der Behandlung ausgeschlossen sind
„residente, harte, caliöse Sfricturen". Verf. betont, dass die angegebene
Methode jede brüske Zerreissung des Narbengewebes vermeidet und nur
durch fortgesetzte Dehnung eine allmalige Einschmelzung des Infiltrats
bewirkt. Hugo NI ü 11 er.
\\ itauoff C o n t r i b u t i o n a letuilö du trmteme n t d e 1 a
bl en norrh agi e de Phomme par les sels d’arge nt. (Nitrate d'ar-
gent, argentamine et Argentumcaseine.) These de Paris 1800.
Witanoff bat 11 Fälle f'theils acute, theils chronische) von Go¬
norrhoe mit Ausspülungen von Argent. nitr., 13 mit Ausspülungen von
Argentamin und einen mit Argent. casein Argonin,i behandelt. Die ersten
beiden wurden in einer Goncentrarion von 1 4oo0 bis 1/3000, das Argonin
(zu Einspritzungen) von 1 200—1/100. Er hat ausser kleinen Schädlich¬
keiten, wie minimale Frethralblutungen, leichtes Brennen und geringe
Grade von Cystitis keinerlei üble Erscheinungen beobachtet. Bei Argent.
nitr. Ausspülungen verschwanden die Gonocoeeen im Durchschnitt nach
2—5 Tagen, bei Argentamin nach 6—12 'Lagen. Der eine mit Argonin
behandelte Fall konnte nicht beobachtet werden.
Paul Oppler (Breslau).
Venerische Ilelkosen.
Audry. S u i* u n pr o c e d e p r a t i q u e d e c h a u f f a g e des
ob an er es s i m p 1s. Journal des mal. cut. et sypli. 1800 p. 207.
Audry empfiehlt zur Behandlung der LTcera mollia den Thermo¬
kauter. Letzter wird in weis*- uder rothglüheudem Zustand, kürzere
oder längere / (dt. je nach der Grösse und Intensität der Glcera dem-
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der Syphilis.
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seihen auf etwa einen halben Centimeter genähert. Kurze Zeit darauf
tritt eine Austrocknung der Oberfläche und an den Rändern kleine
blutige Streifen, eventuell mit Röthuug der umgebenden Haut bei zu
intensiver Anwendung, auf. Falls es nötliig ist, kann man diese Proeedur
nach 2—3 Tagen wiederholen. Verfasser versichert, die Heilung in viel
küizerer Zeit auf diese Weise zu erzielen, als mit anderen Methoden.
Paul X ei ss er (Reuthen Ü./S.).
Audry et Durand, Sur 1 e bubou et Sun traitement. De
Pextirpation des adenites suppurees de Paine. Gazette hebdomad. de
Med. et de Cliir. 43. Jahrg. Nr. 60 d. 26. Juli 1806.
Nach Audry und Durand ist es falsch, die im Gefolge von
Ulcera mollia auftretenden Bubonen als etwas anderes zu betrachten als
alle anderen Bubonen, wenn auch ein bestimmter Procentsatz (15% nach
Au. u. D.) von ihnen bei der Eröffnung specifisch virulent ist. Demgemäss
entscheiden sich die Autoren lur eine rationell chirurgische Behandlung
Ein Mittel, um die Vereiterung entzündlich vergrösserter Bubonen zu ver¬
hindern, gibt es nicht; sie vereitern, wenn sie wollen. Die angegebenen
Methoden, wie Injectionen in die Drüsensubstanz u. s. w. geben keine
besseren Resultate als Ruhe uud Vesieantien oder harmlose abhütende
Mittel. Die Exstirpation der Drüsen vor der Vereiterung verhindert
nicht das Scbankröswerden. Demnach gehen die Verfasser bei vereiterten
Bubonen so vor: Entweder breite Ineision und Curettement des Sackes,
wenn der Abscess gut abgekapselt, wenn eine einzige Drüse ergriffen ist
und die Umgebung keine nennenswerthe Infiltration aufweist, oder wenn
das Gegentheil der Fall ist, lange senkrechte Ineision und Exstirpation
des ganzen Drüsenpaketes. Paul Oppler (Breslau).
Balzer, M. Sur les coinplicatious du chartere mou.
Journal des mahnlies cutanees et syphilitupies 1895 p. 105.
Balzer erwähnt als Complicationen des weichen Schankers in
erster Linie die Gangrän, von der er eine durch pyogene Bakterien hervor¬
gerufene phlegmonöse, rotlie Gangrän und eine durch den septischen
Vibrio Pasteurs hervorgerufene schwarze Gangrän unterscheidet;
letztere kann in kürzester Zeit zu Verlust der ganzen Penis- und Scrotul-
haut und zu typhusähnlichen Erscheinungen führen. Die beste Therapie
ist die schleunige Spaltung des Präputiums. An zweiter Stelle erwähnt
Balzer den phagedänischen Schanker, der sowohl an Breite wie an
Tiefe grosse Ausdehnungen annehmen kann, und dessen Aetiologie eine
sehr verschiedenartige sein kann. Die Therapie besteht in Anwendung
von antiseptischen und Aetzmitteln, von Cauterisation. Als dritte Com-
plication sind die Bubonen zu erwähnen, welche Verfasser mit kleinen
Incisionen mit spitzem Bistouri, Ausspülungen mit 1% Arg. nitr. und
Verbänden mit Chlorzinkpaste zu behandeln räth, während er auch anderen
Behandlungsmethoden ihr Recht lässt. Paul Neis>cr (Reuthen O./S.).
Bloom, H i s t o r i c a 1 Sketch o f t h e E t i o 1 o g y o f C h a n-
croids. The American Practitioner and News Jan. Is90 (Ref. F.diu-
burgh Medical Journal 1896 Juni).
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Bloom bespricht die Entwickelung unserer Ansichten über das
Wesen der venerischen Krankheiten, insbesondere des Ulcus molle. Be¬
züglich der Aetiulogie des weichen Chancre theilt er die Ansicht Tav-
lor's (Venereal Diseases 1805), welcher die pyogenen Mikroorganismen als
die Ursache ansieht. Pinne r (Breslau).
The Treateraent of Soft Chancre. The Therapeutic Gazette
lß. März 1896 p. 200.
La Tribüne medicale Nr. 28, 1805 empfiehlt zur Behandlung
des Ulcus molle: Morgens wird das Ulcus abgetupft mit folgender
Lösung (Menthol gr. j ; Acid carh. Gr. V ; Alkohol f 3 iss) und mit Aristol be-
pudert. Untertags öfters Waschungen mit Carbolsäure-Solution und Be-
pudern mit Aristol. Etwas Gaze soll stets das Ulcus bedecken, um das
Secret aufzusaugen; ferner sollen alle localen Schädigungen möglichst
fcrn gehalt en werden.
Beim phagadenisehen Chancre wird zum Betupfen: Cocain gr. j;
Eerri mangano-tartaric. gr. XV; Aq. dest. f 3 i ss empfohlen und zum Be-
pudern eine Mischung von Jodoform und Menthol (20:5) neben inner¬
lichem Gebrauch von Ferrum mangano-tartaricum. Pinn er (Breslau).
Coignet : Chancrellestraitees parles courant« i n t c r-
m i 11 o n t s ä haute fr e q u e n c e. Lyon medical Nr. 34- 1806.
Eine vorläufige Mittheilung Coignet’s in der Societ.e des Sciences
medicale* de Lyon über Behandlung des weichen Schankers mit starken
fiiradischen Strömen: Umwandlung des Ulcus molle in ein nicht speei-
ksches Geschwür, welches dann schnell heilt.
Spiegelhauer (Breslau).
Uolombini P. La diagnosi batteriologeia de 1 V ulcera
venerea. Gazzetta degli ospedali e della chliniche 27. Febbrajo 1896.
In der Einleitung seiner Arbeit: „(Jeher die bakteriologische
(besser mikroskopische lief.) Diagnose des Ulcus molle hebt C o 1 o m bi n i
hervor, dass ausser der Tnoculationsmcthode fast keine andere Unter¬
suchungsart (auch nicht die von Balz er empfohlene Methode des Nach¬
weises elastischer Fasern im Secret) eine sichere Diagnose des I leus
molle gestatte. X T ur die Untersuchung auf Ducrev-Unnasche Bacillen
gibt Resultate, dereirdiagnostiseher Werth mit dem der Inoculation, deren
Anwendung vielfache Unzuträglichkeiten mit sich bringt, gleichzustellen
ist. Weiterhin bespricht Colombini ausführlich die Technik der Anferti¬
gung und Färbung von Beckgla^präparaten nach seiner Methode. Dann
folgt, eine Beschreibung der Bncrey-Unnasehen Bacillen. Zum Schluss
spricht C. sein Bedauern darüber aus, da*s diese mikroskopische Unter-
suclmngsinethode bisher sich noch nicht in die Praxis eingebürgert hat,
obgleich sie sichere Resultate liefert.
Ferdinand Epstein (Breslau).
Domolder, Sur le traitement dos chanc res mous. Archive«
medicales beiges. Juillet 1896.
Demo ld er wendet das von Neisser in Breslau angegebene Ver¬
fahren an, das Ulcus molle mit acid. carbol. liquefact zu ätzen, mit Jodo-
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der Syphilis.
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form zu bedecken und darüber eine Salbe aus 2 Theilen Argent. nilrie.,
20 Theilen Perubalsara und 100 Theilen Vaseline zu appliciren. Der
Verband wird am 4. Tage gewechselt. Nach 6—7 Tagen ist das Ulcus
meist in Heilung begriffen. Auch in Fällen, wo die blosse Jodoformbe¬
handlung nicht zum Ziele führte, wurde in kurzer Zeit (im Laufe einer
Woche) mit dem Neisser-sehen Verfahren Heilung erzielt. Auf die syphi¬
litische Initialsclerose hat die Behandlung keinen Einfluss. In einem
Falle half diese mangelnde Einwirkung auf ein suspectes Ulcus die
Diagnose auf syphilitischen Primäraffect begründen.
Felix Pinkus (Breslau).
Dubujadoux, Tra item ent du bubon d’origine chan-
creuse par l’i n j e c t i o n prealable de s a 1 o I c a m p h r e i o d o-
forme. Archives de medec. et de pharmac. militaires Nr. 8. Aug. 1806.
Dubujadoux hat auf Grund früherer guter Erfahrungen betreffend
die antibakterielle Wirksamkeit des Salolum iodoformo-camphoratum,
eine Anzahl von C'lcus molle-Bubonen vor der Incision mit Injectionen
dieses Mittels — 1 3 —% einer Pravaz’schen Spritze, je nach der Grösse
des Bubo — behandelt. Am folgenden Tage kleine Incision, Entleerung
des zu Fäden und „Würmern 4 zusammengeballten Eiters, und Tamponade
mit Tampons, welche mit einer Lösung des oben genannten Mittels ge¬
tränkt waren. Gerühmt wird das schnelle Verschwinden der eitrigen
Secretion, die Schmerzlosigkeit des Verfahrens und die schnelle Narben¬
bildung. Wie aus den beigegebenen Notizen über 18 auf diese Weise
behandelten Fällen hervorgeht, betrug die Durchschnittsbehandlungsdauer
7 Tage. Paul Oppler (Breslau).
Durand, Victor. Chancre simple perfora nt du prepuce.
Jgurnal des mal. ent. et syph. 1806 p. 2u8.
Der Patient Duraiufs litt an Ulcera mollia und durch diese be¬
dingter Phimose. Ohne Abscess und Phlegmone wurde im Verlaufe der
Erkrankung das Präputium von dem darunter) befindlichen ältesten
Ulcus perforirt. Nach der Phimosenoperation heilten sow r ohl die Ulcera,
wie die Perforationsstelle schnell aus. Paul Neisser (Reuthen O/S.).
Estay. Contribuito a 11 o studio de 11 e applicazione d e 11’
eurofene nella cura delP ulcera molle. These de Paris. 1895 Ref.
in II Morgagni. 18. Aprile 1806.
Estay hat in 6 (!) Fällen von Ulcus molle das Europhen mit gutem
Erfolge (Heilung in mindestens 10 Tagen) angewendet und rühmt an dem
Mittel: dass es in loco Joddämpfe entwickelt, dass es leicht caustisch und
zugleich antiseptisch wirkt, dass es geruchlos ist, dass es ein sehr geringes
specifisches Gewicht hat und dass es leicht auf der Wundfläche haftet.
Estay zieht es daher dem Jodoform vor und empfiehlt seine Anwendung
bei einfachen und bei eiternden Wunden.
Ferdinand Epstein (Breslau).
GiOYannini. II valore dcl sublimato come preservativo
de 1 l'u leer a venereu. Gazetta Medica di Torino. Nr. 49. 1896.
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
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Giovannini hat über die Wirksamkeit des Sublimats als Prä-
ventivmittel gegen Ulcus rnolle experimentelle Untersuchungen angestellt
in der Weise, dass er bei Patienten (11 männl. und G weibl.). die an
Ulcus molle litten, Inoculationen auf die Mitte der inneren Oberschenkel-
partie machte und nach verschieden langer Zeit mit verschieden coucen-
trirten Sublimatlösungen diese Inoculationen behandelte. Er kam dabei
zu folgenden Schlüssen: 1. Nach einem suspecten Coitus soll man so schnell
als möglich die Genitalien mit einer Sublimatlösung waschen; keinesfalls
darf man damit länger als 8 Stunden warten. 2. Am besten nimmt man
Sublimatlösung 1 : 1000, namentlich, wenn nach der Infection mehrere
Stunden verilossen sind. Schwächere Lösungen bis zu 1 : 1000 darf man
nur in den Fällen anwenden, in denen noch nicht eine Stunde seit dem
betreffenden Coitus verflossen ist. Vortheilhaft ist es bei der Bereitung
der Sublimatlösungen auf ein Thcil HgCl 2 5 Theile Kochsalz zuzusetzen.
3. Natürlich müssen alle Falten an den Genitalien sorgfältig berück¬
sichtigt werden. 4. Schleim und Smegma sind bei den Waschungen pein-
lichst zu entfernen. 5. Die Prädilectionsstellen des Ulcus molle (beim
Manne: das innere Präputialblatt, der Sulcus coronarius und das Frenu-
lum; beim Weibe: die Fossa navicularis und die kleinen Labien) und
Excoriationen und Exulccrationen müssen besonders vorgenommen werden.
(5. Die Waschungen müssen stets einige Minuten lang ausgeführt werden
und müssen um so länger ausfallen, je längere Zeit seit dem iniieirenden
Coitus verstrichen ist, und je schwächere Sublimatlösungen verwendet
werden. Ferdinand Epstein (Breslau).
Groleau. L e s p a r t. i c u 1 a r i t e s du c h a n c re mou d es d o i g t s.
These de Paris. Mai 1896. Kef. in Gazette hebdomad. de med. et de ebir.
Nr. 50. 1896.
Groleau betont, dass der weiche Schanker am Finger verhältniss-
mässig selten vorkornme, dass er aber diagnostisch häufig Schwierigkeiten
maehen könne, insofern als er zuweilen unter dem Biide einer einfachen
inficirten Wunde, eines Nagelgeschwüres, einer Verbrennung oder einer
Frostbeule auftritt. Manchmal verursacht er enorme Schmerzen. Meist
schwellen im Verlaufe die Cubitaldrüsen. Die beste Behandlung ist der
Jodoform verband. Ferdinand E p s t e i n (Breslau).
Glliteras. Ein Fall von weiehem Schanker am Anus.
New-York akademie of mcdic. 11. April 1896. Journ. of cutan. and gen.-
urin. dis. Juni 1896.
Guiteras stellt einen jungen Mann mit zahlreichen Sehankern
am Anus, die seit 4 Monaten bestanden, vor. Patient bestreitet irgend
welche j►räternaturalen sexuellen Manipulationen vorgenommen zu haben;
er gibt vielmehr an, dass sieh die Schanker am Anus im Anschluss an
gleiche l lccrationen am Penis entwickelt haben. Verf. betont, dass ob¬
gleich die Autoritäten gewöhnlich die Entstehung der weichen Schanker
am Anus auf Päderastie zurückführen, dennoch eine Autoinoculation leicht
möglich sei. — In der Discussion gibt Füller au, dass der Patient, der
o Monate vorher in seiner Behandlung gewesen sei, damals Coitus per
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der Syphilis.
443
rectum zugegeben habe. Auch Hayden erwähnt gleiche Angaben von
dem Manne erhalten zu haben. Ledermann (Berlin).
Hayden, James R, Jodoform-ointment injections in the
treatment of suppurative adenitis of the groin. The araer.
assoc. of gen. ur. surgeons. 28 May. The Journ. of cut. and gen.-ur. dis.
1895. Y. 299.
Hayden hat folgende Methode der Behandlung von Leistendrüsen¬
bubonen mit befriedigendem Erfolge ausgeführt und empfiehlt dieselbe:
Nach sorgfältiger Reinigung und Desinfeetion der Haut werden zu¬
nächst wenige Tropfen eiuer 4% Cocaiulösung in die zu punktirende
Hautstelle injicirt. Dann wird der Eiter durch eine kleine Punction ent¬
leert und die Abscesshöhle mit Wasserstoffsuperoxyd gereinigt, mit einer
Sublimatlösung (1 *.5000) ausgewaschen und mit Injection einer 10% Jodo¬
formsalbe ausgefüllt. Auf die Wunde kommt ein kalter Sublimatum¬
schlag. Der Patient muss 48 Stunden ruhen, wenngleich Bettruhe nicht
unbedingt nothwendig ist. Am 3. oder 4. Tag wird der Verband ent¬
fernt. Discussion: Otis hat die Methode gleichfalls geübt, hat jedoch häulig
2 oder 3 Jodoformsalbeninjectionen bis zur definitiven Heilung gebraucht
und in einigen Fällen das Jodoform mit gutem Erfolge durch Perubalsam
ersetzt. Auch hat er von Jodol gute Resultate gesehen. Post hat nach
einfacher Entleerung des Bubos ohne nachfolgende Jodoformsalbeninjec-
tion oft Heilungen erzielt. Er betont, dass überhaupt eine Methode nicht
für alle Fälle passend ist. Taylor hat mit der Scott-Helm-Fontan-
inethode (?) einheitlich gute Resultate erzielt und empfiehlt besonders
das Auswaschen der Wunde mit Wasserstoffsuperoxyd. Lewis erzielt bei
genügend frischen Fällen durch einfache Incision mit einem Bistourie
und nachfolgenden Compressionsverband in der Regel gute Erfolge. Bei
Exstirpation der Drüsen und Intactheit der bedeckenden Haut hat er oft
Heilung per primam intentionem gesehen. Die Injectionsmethode mit
Jodoformöl, nach vorhergehender Auswaschung der Höhle mit Wasser¬
stoffsuperoxyd und Sublimatlösung hat ihm wechselnde Resultate geliefert.
James Zell weist darauf hin, dass bei Vorhandensein von periglandulärer
Entzündung und Drüsenresten nach der Entleerung des Eiters die Injee-
tionsbehandlung nicht anwendbar ist. Otis räth bei septischen Drüsen
zur Totalexstirpation und lässt die Kranken 2 bis 3 Wochen das Bett
hüten: Hayden beschränkt die Injectionsbehandlung nur auf wirkliche
Abscesse. Ledermann.
Nicolii'h. Vasto aseesso de Ile parcti abdominali pro-
vocato da un J adenite inguinale venerea. La settima divisione
sifilitico-chirurgica. Estrafto dal Resoconto sanitario dello spedale civico
di Trießte per l’anno 1893. (Ref. Ann. gen.-ur. 1896, p. 66.)
N icolich’s Patient war ein Matrose von 24 Jahren, der vor einem
Monate eine doppelseitige Leistendrüsenvereiteruug in Folge weicher
Schanker durchgemacht hatte. Derselbe bemerkte eine harte Stelle in der
Bauchwand unterhalb des Nabels, welche bald zu fluctuiren begann. Dabei
hohe Temperatur. Die Bubonen waren seinerzeit operirt worden und be-
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
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reits geheilt bis auf eine kleine Fistel auf der linken Seite. Von dieser
aus hatte ein grosser Abscess unterhalb des Nabels sieh gebildet, welcher
erst nach mehreren vergeblichen Incisionen vollständig geöffnet wurde.
Nach 100 Tageu Heilung. Barlo w (München).
Perry. The Et io 1 ogy and Treatment of Venereal Bu¬
boes. The American Journal. 1806 Novbr.
Perry kommt auf Grund umfangreicher literarischer und stati¬
stischer Studien zu folgenden Schlüssen: 1. Der Bubo entsteht durch Ab¬
sorption chemischer Giftstoffe, welche Producte des Mikroorganismus im
Ulcus molie sind. Der Bacillus selbst geht nicht in die Lymphbahnen.
2. Injectionen von Hydrargyrum benzoatum geben bei nicht vereitertem
Bubo gute Resultate; erst wenn diese Therapie versagt, ist die Exstirpa¬
tion gerechtfertigt. 3. Injectionen von Jodoformöl können mit gutem
Resultat bei frisch vereiternden Bubonen zur Anwendung kommen. 4. Inei¬
sion und Curettement leisten gute Dienste bei schlecht ernährter Haut
und bei schlaffen Granulationen. 5. Die Kxcision bleibt als Ultima ratio
für diejenigen Fälle übrig, bei welchen die vorher erwähnten Methoden
nicht zum Ziel führten. Pinn er (Breslau).
Owings, Edward R. Bericht über einen Fall von p h a g c-
dänischem Schanker. Journ. of cut. and gen.-urin. dis. Juni 1896.
Den nachfolgenden, von Owings beschriebenen Fall von phagedä¬
nischem Schanker geben wir etwas ausführlicher wieder, weil er als ab¬
schreckendes Beispiel einer fehlerhaften Therapie gelten kann. Owings
sah seinen Kranken drei Wochen nach der Infection. Das sehr lange
Präputium konnte noch zurückgezogen werden, die Glans penis und Mucosa
praeputii waren mit stccknadelkopf- bis 5 Mm. grossen oberflächlichen
Geschwüren bedeckt. Es bestand Eitersecretion aus der Urethra, die
Leistendrüsen waren intact. Die Ulecra wurden mit rauchender Salpeter¬
säure geätzt; ausserdem Sublimatirrigationen (1:10000) und Aufstreuen
von Dermatol. Die Geschwüre nahmen an Zahl und Umfang zu. Nach
einigen Tagen erneute Cauterisation der ganzen Oberfläche der Glans und
der Mucosa praeputii mit Salpetersäure (!). Am folgenden Tag war Patient
unfähig das Präputium zurüekzuziehen. Sublinmtirrigationen. Zwei Tage
später: Penis stark geschwollen. Phimosis mit starker eitriger Secretion
und starkem Eoetor. In Aetkernarcose Ineieision des Präputiums. Die
ganze Mucosa praeputii und der grösste Tlieil der Glans jetzt in ein grosses
Ulcus verwandelt, das Frenulum zerstört; das Ulcus mit einer schmutzig
grauen Membran bedeckt. Erneute Cauterisation mit Salpetersäure (! !).
Fünf Tage später Vergrößerung des Geschwürs. Wiederum in Aotiicr-
narcose Aetzung mit Salpetersäure. (!!) Jetzt drei Mal täglich Wasser¬
stuffsuperoxydspray auf das Ficus mit besonderer Berücksichtigung
der Geschwürsränder. Allnrälige Besserung des alten Ulcus und Ent¬
wicklung eines neuen Ulcus an der rechten Seite des Dorsum penis,
das wieder in narcosi mit Salpetersäure geatzt wurde. Auch die
Urethra wurde wegen Verdachts auf ein intraurethrales Geschwür
einer gleichen Behandlung unterzogen (!). Nach dieser Cauterisation An-
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der Syphilis.
445
Schwellung der Leistendrüsen, die nach einigen Tagen zuriickging. Noch¬
malige Aetzung eines kleinen neuen Ulcus der Glans mit Salpetersäure (!).
Dann allmälige Heilung unter Verlust des Präputiums und Frenulums.
Prompte Cauterisation ist nach Verf. das einzig wirksame Mittel für die
Behandlung weicher Schanker. Comraentar überflüssig.
Ledermann (Berlin).
Rondell!. Alcuni tentativi di cura des bubons non
suppurati con iniczioniintra-glandorari diolio di tremen-
tina. Giorn. della R. Acc. di med. di Forino, 1894, et Gazzetta med.
Lombarda. 1894. Nr. 27. (lief. Ann. gen.-ur. 1896, pag. 857.)
Rondelli publicirt nach der Methode von Giovannini vorge¬
nommene Terpentincuren bei eiternden Bubonen. Giovannini glaubt,
dass man durch Anregung einer intensiven Eiterung an Bubonen mit
langsamen Verlauf Zerstörung der Drüse und folglich eine schnellere
Heilung zu Stande bringen könne. In Folge dessen hat er als reizende
Injection Terpentinöl verwendet. Die Methode wurde bei 8 Patienten an¬
gewendet, von denen 7 einen Bubo hatten, der sich an w T eiche Schanker
anschloss, und an einem, dessen Adenitis einer Blennorrhagie folgte. Die
Technik ist sehr einfach. Nach dem Rasiren der betreffenden Inguinal¬
gegend fasst man die Drüse zwischen die Finger, sticht die Nadel einer
Pravazspritze hinein und spritzt ungefähr 1 Ccm. Terpentinöl ein. Sofort
entsteht ein lebhaft lancinirender Schmerz in der Drüse, welcher all-
mälig wächst, um 1 Stunde nach der Injection sein Maximum zu erreichen.
Ein paar Stunden nach der Injection ist das Ganglion bedeutend geschwellt,
die darüber liegende Haut roth und gespannt. Am 2. Tage beginnt Eite¬
rung, die am 3. oder 4. Tage vollständig ist. Entleert man den Bubo, so
erhält man eine reichliche Menge nach Harz riechenden Eiters. Die
Heilung erfolgt schnell. Meist bringen die Injectionen etwas Fieber bei
den Kranken hervor, 3S*2 U —39 , 5°. Bar low (München).
Sorel. Deux observations de chan eres simples extra-
genitaux. Chancre sus-malleolaire. Chancre du penis. Journal des mal.
cut. et syph. 1896, pag. 417.
Im Verlauf einer kleinen Epidemie von Ulcera mollia im Januar
1896 zu Toulouse (20 Fälle) waren 3 extragenitale Ulcera mollia zu
constatiren. Während der eine Fall (ein Ulcus raolle in der Supraclavi-
culargegend) schon von Rouanet beschrieben ist, theilt Sorel die 2 anderen
Fälle mit: In dem einen war ausser einem Ulcus molle am Penis ein
solches oberhalb des rechten Malleolus internus (mit Ducrey’sche Bacillen)
zu constatiren. In dem zweiten Falle entstanden — neben dem vorhandenen
Ulcus am Penis — in der wegen Phthirii rasirten Schamgegend 2 Ulcera an
zwei durch das Rasirmesser verursachten Schnittwunden.
Paul Ne iss er (Beuthen 0. S.).
Tuttle, J. P. Two cases of urethrae chancre, with unusual
secondary Symptoms. (The americ-an association of genito-urinary
surgeons.) The Boston medical and surgical Journal. Nov. 5. 1896.
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
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Im ersten Falle Tuttle’s trat unter Fieber ein masernähnlicher
Ausschlag auf, bei dem nur die auf Rumpf und Extremitäten beschränkte
Localisation und die Kupferfarbe sowie die fehlende Bronchitis den Unter¬
schied vom klinischen Bild der Masern bildeten. Im zweiten Fall bestanden
heftige, Nachts exacerbirende Muskelschmerzen; später entwickelte sich
eine Endocarditis, dann eine Meningitis. Vielleicht handelt es sich, nach
Tuttle’s Meinung, hier um eine Complication mit acutem Gelenkrheuma¬
tismus. Pinkus (Breslau).
Syphilis. Allgemeiner Theil.
Abrahams, R. Syphilis or Tuberculosis. Report of a Case
M< dic. Record. 28. Dec. 1805.
Abrah am's 35jähriger Patient erkrankte an Tuberculosis pulmonum
mit Blutung, reichlich Bacillen etc. Besserung durch Creosot. Frische
syphilitische Infection; Sceundärerschcinungen unter starkem Fieber.
Unter 50 Inunctionen und JNa. heilt die Lues und — jede Spur von
Tuberculose schwindet. J.
Ahlmann, Max. Das Fieber im Eruptionsstadium der
Syphilis. Inaug.-Diss. Greifswald 1805.
Nichts Neues. Ed. Oppenheimer (Strassburg).
Basilevski. Syphilis extra-genitale. Societe medicale de Kief
ref. in Gazette hcbdnmadaire de medecine et de Chirurgie 1806. Nr. 79.
Basilevski berichtet über einen Fall von extragenitaler syphili¬
tischer Infection. Eingangspforte war eine Schnittwunde am Kinn. Er
lässt es unentschieden, ob die Infection durch Küssen eines Syphilitischen
oder durch die später benutzten Utensilien eines unsauberen Friseurs zu
Stande gekommen ist. Doys (Breslau).
Batut, Iiouis. I)e 1 a s t e r n o - m y o s i t e s y p h i 1 i t i q u e. Journa 1
des maladies cutanees et svphilitiques 1805, pag. 304.
Nach einer Aufzählung der in der französischen Literatur vorhandenen
16 Fälle von Gummata des Musculus sternocleidomastoideus berichtet Batut
über 2 von ihm beobachtete Fälle. Es handelt sich, wie schon oben angedeutet,
bei dieser Erkrankung um tertiäre Erscheinungen bei seid echt oder gar
nicht behandelten Individuen; dieselben entstehen eminent chronisch ohne
Schmerzen und Fieber, fühlen sich sehr hart an, können aber auch er¬
weichen und vereitern, und reagiren prompt auch grosse Dosen Jodkali.
Paul Neisser (Reuthen 0. S ).
Bull, du Synd. des med. de la Seine, April 1806. Nourrices
et nourrissons svphilitiques. Referirt im Journal des mal. cut. et
syph. 1806, pag. 376.
Das Bull, du Synd. des med. de la Seine bringt ausführlich die
Gutachten zweier Instanzen in einer Entschädigungsklage einer Amme,
die von ihrem Säugling, der bei der Geburt keinerlei Zeichen von Syphilis hatte
und ihr von der Verwaltung des Enfants-Assistes de Deux-Sevres zum
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der Syphilis.
447
Stillen übergeben wurde, syphilitisch inficirt worden war. Nachdem die
Verwaltung in der ersten Instanz zu einem Schmerzensgeld verurtheilt
worden war, wurde sie in der zweiten Instanz freigesprochen, da sie
keinerlei Schuld träfe, indem sie ein für völlig gesund gehaltenes Kind
einer gesunden Amme zum Nähren übergeben habe.
Paul N e i s s e r (Beuthen O. S.).
Caporali, R. Infezione sifilitica prevalente con lieve
infezione malarica; tumore di milza con cirrosi epatua in-
cipieilte a prevalenza di natura sifilitica. Gazzetta degli ospe-
dali della cliniche 14 Marzo 18%.
Caporali berichtet von einem 38j. Maurer (angeblich kein Potator),
der vor 7 Jahren eine leichte Malaria durchgemacht und 1 Jahr darauf
eine Lues acquirirt hatte, in deren Verlauf er bereits eine Apoplexie mit
Hemiparesis dextra erlitten hatte. Die gegenwärtige Krankheit des
Patienten begann vor 4 Jahren und zwar mit einer Milzschwellung, die im
Laufe der Zeit so zugenommen hatte, dass jetzt die ganze linke Seite
des Bauches von einem brettharten höckrigen, mit einer grossen Incisur
versehenen Milztumor eingenommen ist. Gleichzeitig besteht geringer Ascites
und leichte Leberzirrhose. Hämoglobin 85 Perc. Verhältniss der Loukocythen
zu den Erythrocythen w*ie 1 : 904; keine granulirten einkernigenLeukocvtheii.
Caporali ist der Ansicht, dass in diesem Falle die Lues die Hauptrolle
spielt, während er einen allerdings nur geringen Eiufluss bei der Er¬
zeugung des Milztumors einer Malariainfection zuspricht. In der Anamnese
und im Status fehlen Temperaturangaben.
Ferdinand Epstein (Breslau).
Cat rin. Observation de eontagiun de Syphilis au moyen
Tun rasoir con tarn ine. Societc medicale des höpitaux. Journal des
mal. cut. et syph. 1890, pag. 430.
Ein 71 jähriger Mann inticirte sich nach dem Bericht üatrin's durch
einen Schnitt am Kinn mit dem Rasirmesser seines syphilitischen Sohnes.
Da die Syphilis ziemlich ernst auftrat (nach 9 Monaten doppelseitige
Iritis), wirft Catrin die Frage auf, ob dies durch die ex t r a g e n i ta 1 e
Infection oder durch das hohe Alter des Patienten bedingt sei.
Paul Neisser (Beuthen O. S.).
üietz. Syphilis tertiaire. Societe de med. d’Auvers. Gaz. med.
de Liege. Referirt im Journal des mal. cut. et syph. 1890, pag. 497.
Dietz demonstrirt eine Familie mit tertiär syphilitischen Er¬
scheinungen. Die Mutter leidet an Gloseitis, Leukoderma, Periostitiden
und einem enorm grossen Sypbilom der linken Brust. Die Kinder zeigen
ebenfalls sämmtlich Zeichen tertiärer Syphilis und zwar die ältesten am
ausgesprochensten, die jüngeren im geringeren Masse. Ein Kind hat die
H u t ch i nson’sche Trias. Das älteste Kind, das vor der Infection der
Mutter geboren wurde, bat pich später durch Küsse, die es den jüngeren
Kindern gab, inficirt, und man sieht noch heut an der Lippe die Narbe
von der alten Sclerose. Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Evans, Willmot. The C aus es of the Localisation of Gum-
in ata. The American Journal of the Med. Scimies. Vol. CXII. Nr. 1.
Juli 1896.
Evans nimmt an, dass die tertiären Producte der Syphilis nicht
mehr contagiös sind, da die ])athogenen Organismen nicht mehr im Körper
circuliren. Vor dem Absterben produciren sie jedoch eine Quantität Toxine
zweifellos chemischer Natur, denn das Gumma unterscheidet sich wesent¬
lich von anderen Entzündungen. Vor der Verkäsung finden sich z. B. im
Centrum Riesenzellen (letztere entstehen übrigens nach E. durch einen
Reiz, der auf die Zelle ausgeübt wird, zu schwach ist die Zellkörper zur
Theilung zu veranlassen, jedoch kräftig genug um die Kerne zur Ver¬
mehrung anzuregen) u. a. Nachdem also E. zu dem Resultate gekommen
ist, dass das Gumma durch einen spezifischen Reiz verursacht wird, be¬
spricht er an der Hand von Fällen und klinischen Beobachtungen die
Frage der l’rädilectionsstellen der Gummata und folgert: 1. ein Organ muss
schlecht mit Blut versorgt sein, um der Sitz eines Gumma werden zu
können, 2. dass jedes Moment, welches die Lebensbedingungen eines
Organes verändert, wie mechanische Reize, excessiver Gebrauch oder
Cnterbrechung der Blutzufuhr, dasselbe für gummöse Erkrankungen prä-
disponiren. Paul 0 pp ler (Breslau).
Fordyce, John A. Clinical and pathological not es on
Syphilis. (The american association of genito-urinary surgeons.) The
Boston medical and surgical Journal. Nov. 5. L s 96.
Fordyce bespricht besonders die secundären und tertiären Formen
der Myositis syphilitica. Einzelne Muskeln werden vorzugsweise befallen,
besonders Biceps, Vorderarmbeuger, Masseter, Deltoides, Sternocleido-
mastoideus und Sphineter ani externus. Bei ditVuser Myositis beginnt die
Veränderung in den Blutgefässen des interfibrillären Gewebes, erst secundär
leidet die Muskelsubstanz. In vernachlässigten Fällen tritt ev. unheilbare
Atrophie ein. P i n k u s (Breslau).
Fournier. Frequence relative des accidents du tertia-
risme. Bulletin medical. 3. Mai 1896. Rcferirt im Journal des n.al. cut.
et syph. 1896, pag. 368.
Fournier fand unter 4000 tertiär syphilitischen Fullen:
llautatlectionen
3P8
Proc.
Sarcocele
6T
Proc
Tabes
16*9
n
Zu ngen erschein ungen
5*7
n
Gehirnsyphilis
15 0
V
Afleetionen d. weichen Gaumens
50
7)
K li oc h e n a Ile c t i o n
11-4
v>
Progre ss i ve Para 1 yse
•Pu
r»
Gummata
6*3
r>
Beiällcnsein der Nasenknochen
3*4
n
Afteetion d. harten Gaumens 2 55 Proc.
Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Fournier (de Briey). Reinfec t-ion sv p h i 1 i t i q u e. Gazette
hebdornadaire de niedecine et de Chirurgie. Nr. 71., 1896.
Beim französischen medicinischen (’ongress in Nancy berichtete
Fournier über einen hall von Reinfectio syphilitica. Die erste Infec-
ton lag 15 Jahre zurück und war damals 5 Jahre lang intermitüreiid
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der Syphilis.
449
nach Fournier mit Quecksilber behandelt worden. Patient hatte dann
geheiratet, 3 gesunde Kinder gezeugt und sich stets wohl gefühlt.
Fournier schliesst daher: die Syphilis ist bei der intermittirenden Hg-
Behandlung nach Fournier bei manchen Personen in 5 Jahren voll¬
ständig heilbar, denn sonst hätte sein Patient nicht die 2. Lues acquiriren
können. In der Discussion wendete sich Barthelemy — da in Frank¬
reich eine Reinfection nicht anerkannt wird — besonders gegen die
deutschen Angaben von Reinfectio syphilitica.
Spiegelhauer (Breslau).
Goldenbei*g, S. M. 2 Fälle von Reinfectio syphilitica.
Jeszenjedelnik. 1895. Nr. 37, pag. 531—532. Russisch.
Goldenberg beschreibt zwei Fälle von Reinfectio syphilitica,
welche bei der ersten Infection ebenfalls unter seiner Beobachtung sich
befanden. — Der erste Pat. war zum ersten Male inficirt im Juni 1891
und die Reinfection mit deutlichen primären und secundären Erschei¬
nungen trat nach 4 Jahren auf. Der zweite Pat. wurde wegen seiner
ersten luetischen Erkrankung im Januar 1892 behandelt und nach 3 1 /, Jahre
trat eine Reinfectio syphilitica auf ebenfalls mit deutlichen primären
und secundären Erscheinungen. Goldenberg schliesst seine Mittheilung
mit der Bemerkung, dass die genannten Fälle insofern interessant sind,
als sie hinweisen 1. auf die vollständige Heilung der Syphilis, 2. auf
Reinfectio syphilitica und 3. dass die einmal durchgeinachte luetische Er¬
krankung keinen Einfluss auf die Abschwächung der Form der neuen
syphilitischen Erkrankung hat. A. Grünfeld (Rostow am Don).
E. H. I. C ommunication de la syphilis par an enfant.
ä sa nourrice. Responsabilite des parents. II. Silence du medeein.
Responsabilites. Ruf. in la medccine moderne. Nr. 100. 1890.
Der Pariser Gerichtshof hat eine sehr interessante Entscheidung
in einem Rechtsstreit gefallt, in dem es sich um Uebertragung der Syphilis
eines anfangs gesunden resp. gesund erscheinenden Kindes auf Amme und
consecutiv auf deren Mann und Kind handelte. — Beide Kinder starben
und die Amme endete durch Selbstmord. Die angestrengte Klage wurde
vom Seinetribunal mit folgender Begründung zurückgewiesen: 1. Die
Amme resp. ihr Mann kann nicht beweisen, dass durch das fremde Kind
die Krankheit auf sie übertragen worden sei. 2. Können sie nicht be¬
weisen, dass das Kind die Syphilis schon gehabt habe, als sie es in Pflege
genommen. 3. Vorausgesetzt, dass das Kind die Syphilis bereits vorher ge¬
habt hat, können die Kläger doch niclit beweisen, dass seine Eltern es
gewusst haben. Der von der Amme Mann angerufene Appellationshof holte
das Gutachten Fournier’» ein und gab ihm besonders zwei Punkte
zu beantworten: 1. ob die bei der Amme sicher constatirte Lues auch
von dem Pflegling stamme und woher dieses dann wieder seine Syphilis
habe, 2. ob die Eltern des syphilitischen Kindes zur Zeit, als sie es der
Amme in Pflege gaben, gewusst hätten, dass das Kind diese Krankheit
auf die Amme übertragen könne. Fournier gab folgendes Gutachten
ab: Es steht zweifellos fest, dass der Pflegling von hereditärer Lues be-
Archiv f. Dcrmatwl. u. £\phil. Kami XXXIX. 29
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Original frum
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4f»f) Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
fallen war und diese Krankheit auf seine Amme übertragen hat, von der
wieder ihr Mann und ihr Kind syphilitisch wurden. Ueber den zweiten
Theil der ersten Frage konnte der Sachverständige keine sichere Aus¬
kunft, geben, da sich weder bei Vater noch Mutter des Pfleglings trotz
genauester Untersuchung Syphilis resp. Residuen von ihr nachweisen
liessen, dass aber die Syphilis des Kindes von einem der Eltern „resp. Er¬
zeugern“ herrühre, sei sicher, jedoch Hesse sich nicht sicher sagen, von
wem. Er fügte noch hinzu, dass derjenige Theil, welcher sich schuldig
gefühlt hätte, es nicht hätte zugeben sollen, dass das Kind einer Amme über¬
geben würde. Bei der Verhandlung berief sich der klägerische Anwalt
auf eine nn April (19,) 1874 vom Pariser Gerichtshof gefällte Entschei¬
dung, wonach in einem ähnlichen Falle die Eltern als solche (bei der
Mutter war die Syphilis nachgewiesen) verurtheilt worden waren, ohne
dass das Gericht darnach gefragt hatte, ob die Eltern von der Krankheit
ihres Kindes gewusst. Der Gerichtshof wies jedoch die Klage mit folgender
Begründung zurück: In der Erwägung, dass es ungerecht sei, „beide u Ehe¬
leute zu verurtheilen, da einestheils eine gesunde Frau von einem syphili¬
tischen Mann, ohne selbst syphilitisch zu werden, ein syphilitisches Kind
gebären könne, umgekehrt aber auch die Frau syphilitisch und der Mann
gesund sein und bleiben könne und drittens aber auch beide gesund sein
könnten — jedoch nicht der Hausfreund — sei die Klage fallen zu lassen,
da der schuldige Theil, von welchem der Pflegling die Syphilis gehabt
habe, nicht zu ermitteln sei. Im Anschluss hieran macht Dr. H. auf¬
merksam auf die Verantwortlichkeit des Arztes, was das Ammenwesen
betrifft und weist auf eine Entscheidung des Civilgerichtes von Amiens
(12. August 1893) bin: da der Hausarzt eine Amme gestattete, da er
diese auf Kosten der Eltern immerfort besuchte und da die Syphilis auf
die Amme beim Stillen übertragen wurde, so kann die Amme nicht nur
die Eltern — sondern auch den Arzt verklagen. Denn der Arzt kann
nicht beweisen, dass er die Amme nur auf Kosten der Eltern besuchte,
dass er ihr die Krankheit des Kindes nicht zu verheimlichen hatte und
dass sein Stillschweigen nur bestand in einer Unterlassungssünde, die mit
seiner Verantwortlichkeit als Arzt nichts zu thun hatte: Der Arzt bat
sicher, sobald dich bei dem Kinde Zeichen von hereditärer Lues zeigen,
die Pflicht, Massnahmen zu treffen, dass die Amme nicht augesteckt wird.
Theodor Spiegelhauer (Breslau).
Hawthorne. A Syphilitic Family History. — The Glasgow
Medical Journal. April 1896. pag. 291.
Hawthorne berichtet über eine Familie, deren überlebende Mit¬
glieder mehr oder weniger ausgeprägte Symptome von Lues hereditaria
darbieten (Hutchinson’sche Zahnbildung, Keratitis interstitialis etc.).
Die Eltern sind todt; über ihre Lues ist nichts bekannt. Die Mutter war
7 Mal gravid; ein Abort im vierten Monat, 2 Kinder ganz jung an
„Hydrocephalus“ (?) gestorben. — Interessant ist es, dass die hereditären
Luessymptome bei den 4 überlebenden Kindern unregelmässig in ihrer
Intensität sich darbieten, und nicht — wie es gewöhnlich der Fall zu
0
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der Syphilis.
451
sein pflegt — die Hocbgradigkeit der LueseinWirkung allmälig von Geburt
zu Geburt abnirnmt. — Bei dem sechsten Kinde trat im 14. Lebensjahr
paroxysmale Hämoglobinurie auf, welche nochmals reeidivirte. Verf.
rechnet dieses Symptom zu den Folgeerscheinungen der Lue« und führt
einige Literaturdaten an, welche dasselbe erweisen sollen. P i n n e r.
Howard, Faxten Collius. Bericht über einen Fall von Rein-
fectio syphilitica. Journal of cut. and genito-urin. Diseases. Aug. 1896.
Der 28jährige Patient, ein Minenarbeiter, hatte vor 8 Jahren einen
Schanker gehabt, dem Secumlärerscheiimngen gefolgt waren. Die von
demselben herrührende Narbe ist an der Dorsaliläche des Penis etwa
einen halben Zoll von der Glans entfernt localisirt. Der Schanker erschien
damals 21 Tage nach dem Beischlaf. Später entwickelte sich Roseola am
Körper, Alopecie und Plaques mouqueuses in Mund und Rachen. Die Be¬
handlung wurde zur Zeit über 2 Jahre ausgedehnt, während welcher Zeit
Patient zweimal Curen in den heissen Quellen zu Arkansas durchmachte,
gleichzeitig von competenten Aerzten mit Hg behandelt wurde. Während
der ersten Monate nach der Erkrankung litt er öfters au Plaques mou¬
queuses im Munde. Er blieb dann 6 Jahre vollständig frei von syphiliti¬
schen Erscheinungen. Als Yerf. ihn vor einem Jahre sah, litt er an
rheumatischen Beschwerden, die er auf seine Beschäftigung als Minen-
arbeiter schob. Von Lues waren Symptome nicht zu finden. 9 Jahre nach
dem ersten Schanker und 28 Tage nach dem Coitus erschien ein Schanker
an der Dorsaliläche des Penis nahe der Corona, dessen Narbe vom Verf.
noch gesehen und gefühlt werden konnte. 6 Wochen später entwickelten
sich Plaques in der Umgebung des Anus, die mit veischiedenen Salben
ohne Erfolg behandelt wurden. 2 Wochen später und 2 Monate nach dein
Erscheinen des Schankers erschien eine Eruption auf der Kopfhaut und
am Ende der 10. Woche eine Plaque mouqueuse an der Unterfläche
der Zunge links vom Frenulum; in der 13. Woche nachher entwickelten
sich Flecke in der rechten Glutealgegend von der Glosse eines 25 Cent¬
stücks, dunkler Farbe, exeoriirt und schwer heilend; in der 17. Woche
der Erkrankung sah ihn Verf. und constatirte epitrochlere, suboccipitale
und inguinale Drüsenschwellung. Collius hält diesen Fall für eine reine
Reinfectio syphilitica, den einzigen Fall, den er in seiner grossen Praxis
mit Sicherheit constatirt hat. R. Ledermann (Berlin).
Jacquinet. Contribution ä l’etude de la tubercu lose pul¬
mo n a i r e chezlesayphilitiques. These de Paris, 1895. lief, im Journal
des maladies cutanees et syphilitiques 1895. pag. 377.
Jacquinet schildert die ungünstige Prognose, die eine Combi na-
tion von Tuberculose und Syphilis bieten, indem gewöhnlich die Tuberculose
dabei in dem durch Lues schon geschwächten Körper schnellere Fortschritte
mache und jeder Versuch, die Lues zu behandeln, die Tuberculose
verschlimmere. Eine möglichst peinliche Prophylaxe sei also jedem Luetiker,
besonders mit Mund-, Rachen- oder Larynx-Erscheinungen dringend an-
zurathen. Paul Ne iss er (Reuthen O. S.).
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
452
Lefour. Syphilis et grossesse. Societe d'anatomie et de
Physiologie de Bordeaux. Journal des maladies cutauees et svpbilitiques
181*5. pag. 2*24.
Lefour demonstrirt eine einem 3 Monat alten Kinde amputirte
supplementäre grosse linke Zehe. Die Vorgeschichte der Eltern ist folgende:
Der Ehegatte, der 1880 sich luetisch inhcirt hatte, steckte 1885 bald nach
seiner Verheiratung seine Gattin an. 1887 am Ende des 7. Monats der
Gravidität Ausstossuug zweier macerirter Früchte, 1889 im 8. Monat
Frühgeburt eines nach 24 Stunden zu Grunde gegangenen Kindes. 1891 neue
Gravidität mit Hydramnios und Geburt (durch Wendung) einer macerirten
Frucht. Nach sehr energischer antisyphilitischer Behandlung beider Ehe¬
gatten Geburt des bis auf die Missgestaltung völlig normalen 3V. Kilo
wiegenden Kindes, bei dem sich auch während der 3 Monate seines
Lebens keine Zeichen von hereditärer Lues zeigen. Vortragender schliesst
seine Demonstration mit der Frage, ob man diese Missgestaltung in Ver¬
bindung mit dem dabei vorgekommenen Hydramnios nach dem Vorgänge
Fouruicrs der vorangegangenen Syphilis in die Schuhe schieben solle
oder ob man an ein Versehen (die Mutter soll während ihrer Gravidität
über einen Arbeiter mit einem amputirten Daumen heftig erschrocken
sein) denken solle. Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Lesser, E. Unter welchen Bedingungen dürfen Syphi¬
litische heiraten? (Therap. Monatsh. 189b, lieft 8.)
Den Syphilitischen bedrohen in der Ehe hauptsächlich zwei Gefahren,
die des Auftretens schwerer Tertiärerscheinungen und die der Feber¬
tragung der Krankheit auf die Familienmitglieder. Die erstere darf, da
tertiäre Erscheinungen, wie Lesser als feststehend annimmt, nicht
ansteckend sind und nur in einer Minderheit der Fälle auftreten, nicht
als Ehehiuderniss betrachtet werden, zumal wenn in der „Secundär“-
Periode eine sorgfältige und energische Hg-Behandluug stattgefun¬
den hat. Ausgenommen hiervon sind natürlich die Fälle, die schon
schwere tertiäre Erkrankungen durchgemacht haben. Die Gefahr der An¬
steckungsfähigkeit erlischt wenigstens bei Männern, die vornehmlich hier
in Frage kommen, nach L. gleichzeitig mit derjenigen der Vererbbarkeit.
Da nun die Febertragbarkeit der Syphilis durchschnittlich etwa 3 Jahre
nach der Infection erlischt, so verlangt L. als absolutes Minimum eine
Zeit von 3 Jahren, nach Ablauf deren der Syphilitische im Allgemeinen
heiraten darf, wobei selbstverständlich individualisirt werden muss;
wenn möglich, sollen 5—6 Jahre /wuschen Infection und Heirat ver¬
strichen sein. Karl Herxheim er (Frankfurt a. M.).
Marechal, G. Recherclis s u r fauto i n o c u 1 a t i o n contru
1 a Syphilis ä F a i d e du serum h u m a i n S y p h i 1 i ti q u e M i c r o b e
specifique de la Syphilis. La M« de eine moderne. 28. Nov. 1896.
In dieser Veröffentlichung, für welche die Redaction der „Medecine
moderne“ jede Verantwortung in einer Anmerkung ablehnt, berichtet
Marechal über Impfungen mit syphilitischem Serum, die er an sich
selbst vorgenommen hat, und die mit der Entstehung einer Initialsclerose
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der Syphilis.
453
mit darauffolgender Roseola endeten. Jede Injection verursachte eine
schmerzliche Schwellung der regionären Lymphdrüsen. Aus dem Serum
von Syphilitikern züchtete er (unter 60 Fällen 40 Mal) ein Bakterium,
das auf menschlichem Serum und sauerem Harn leicht wuchs, nach
Gram sich entfärbte und ganz dem Ducrey’schen Streptobacillus des
weichen Schankers glich. Diesen Streptobacillus züchtete er auch aus
dem Ulcus molle direct heraus. Er wächst sehr leicht und schnell. Auf
die Neubelebung der unitarischen Theorie, welche Verfasser aus diesen
Befunden ableitet, weiter einzugehen, verbietet der Raum.
Felix Pink us (Breslau).
Mracek, F ranz, ü e b e r Reinfeetio syphilitica. Wiener
klin. Rundschau. 1896 Nr. 2, 3, 4.
Mracek hält die meisten für Reinfeetio syphilitica angesehenen
und als solche publicirten Fälle für Täuschungen. Es ist zum Mindesten
nothwendig, dass entweder ein und derselbe Arzt die Kranken beide Male
beobachtet habe oder dass über erste Erkrankung klinische Kranken¬
geschichten voWiegen. Anamnestische Angaben von Seiten der Kranken
haben keinen Werth. — Mracek ist der Ansicht, dass viele recidivirende
Sclerosen stärker % infiltrirte venerische Geschwüre, selbst Gummen,
‘alle ohne typische andere reeente Syphilissymptome in ihrem Gefolge,
oft für Reinfeetionen genommen wurden oder doch dafür genommen
werden können. — Wirkliche Reinfeetionen hält Mr. dem entsprechend
für sehr selten. Er selbst gibt nun zwei ausgesprochene, unzweifelhafte
Reinfeetionen aus seiner eigenen Praxis mit Intervallen von je 10 und 5
Jahren zwischen den beiden Infectionen. Beide Fälle waren männliche
Patienten aus der eigenen Privatpraxis. Das eine Mal waren die der
zweiten Infection folgenden Allgemeinerscheinungen ziemlich schwerer
Natur, und zwar schwerer als die nach der ersten Infection aufgetretenen,
im anderen Falle, bei einem Intervalle von 5 Jahren, waren die zweiten
Allgemcinsymptome leichter Natur, d. h. solche, die auf Hg-Behandlung
sehr bald geschwunden waren. Mracek resumirt: 1. Es gibt unzweifel¬
hafte Fälle von Reinfeetio und demnach eine vollkommene Heilung der
Syphilis. 2. Der Verlauf einer zum zweiten Male acquirirten Lues muss
keineswegs immer ein leichter sein. 3. Alle Fälle von zweifelhafter Rein-
fection wurden das erste Mal mit Ilg. behandelt, woraus auf die Wich¬
tigkeit der mercuriellen Behandlung und deren Nutzen geschlossen werden
muss. Ul 1 mann.
Neumann, J. Pathogenese der tertiären Syphilis mit
Rücksicht auf die Behandlung. Wiener klin. Rundschau. 1896,
Nr. 1, 2 und 3.
Neumann erörtert zunächst einige allgemeine Fragen aus dem
Capitel der Pathogenese des Tertiarismus. Syphilis ist heilbar, doch
ist eine sichere Controlle im speciellen Falle und in keiner Periode
möglich. Weder verschuldete der Merkurialismus das Auftreten von
tertiären Erscheinungen, noch sei die These bewiesen, dass unzureichende
Hg-Behandlung den Eintritt tertiärer Symptome befördere. — Wichtig
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sind die anatomischen, constitutioneilen Verhältnisse des Individuums und
specielle Krankheitsmoraente. Netiraann hat durch 10 Jahre post in-
iectionera Uebertragungen beobachtet auch bei tertiären Symptomen,
wenn dieselben in den ersten Jahren auftreten. Weiterhin wird das vom
Autor zuerst nachgewiesene und oft berührte Capitel von der Persistenz
s> politischer Producte nach sonstigem scheinbaren Schwinden sämmt-
lieher Symptome eingehend besprochen. An Stellen, die vielen Reiz¬
momenten ausgesetzt sind, Mundschleimhaut, Vola manus, Corona veneris,
Larvnx, komme es am häutigsten zu Recidiven im secundären Stadium und
durch Persistenz der syph. Exsudatzellen später auch zum Ausbruch von
tertiären Erscheinungen. Nicht nur traumatische Einflüsse mechanischer,
chemischer, thermischer Natur, sondern auch die functioneile Anstrengung
spielt hier eine wichtige Rolle. Myositis gummosa in den angestrengten
Muskeln. Periostitis an oberflächlich liegenden, zufälligen Traumen
ausgesetzten Knochen. — Wichtig ist ferner der Ernährungszustand, die
Constitution und die äusseren Lebensbedingungen für den Ausbruch von
Tertiarismus, welcher bei mehr cultivirten Völkern seltener lind in
milderer Form auftritt als bei Volksstämmen mit niederer Gesittung.
Aus zahlreichen, hier vom Autor angeführten statistischen Tabellen aus
seiner Klinik, sowie aus dem Vergleiche dieser mit den vorliegenden
Statistiken Fournier’s, N e i s s e r ? s, 11 a s 1 u n d ? s, E hier ’s und Mar-
schalko’s kommt derselbe ebenso wie alle genannten Autoren zu dem
Schlüsse von der einschneidenden Wichtigkeit einer rechtzeitigen anti-
syphilitischen Behandlung zur Vermeidung des Tertiarismus.
Ueher die Art dieser Behandlung resumirt Redner folgendermassen:
1. Die Syphilis ist nicht schablonenmässig, präventiv oder chronisch
intermittirend, sondern symptomatisch, nach den für die symptomatische
Behandlung gütigen Principien zu behandeln.
2. Der Primäraftect wird im Allgemeinen örtlich behandelt; bei
exeessiver Grösse, ungewöhnlicher Härte, funetiomdle Störungen verur¬
sachender Loealisatioii wird die Exstirpation vorgenommen, nicht in der
Absicht, die constitutionellen Erscheinungen zu verhüten, sondern auf
Grund der in der Chirurgie für die Exstirpation von Tumoren geltenden
Indicationen.
3. Die Präventivem’, zumeist in Form von Einreibungen, wird
angewendet bei Phimose in Folge von imlurativem Oedciu des Präputium
uud beim Sitz des Primäraflectes in der Urethra, um die Stricturirung zu
verhüten.
4. Die allgemeine Behandlung beginnt mit der ersten Eruption
des Exanthems. Sie muss energisch und möglichst nachhaltig sein.
Gegen Recidive gilt grösste Sorgfalt in der Beseitigung derselben.
5. Eine Behandlung in der symptomlosen Periode findet nur bei be¬
bestimmten Eventualitäten statt: vor Eintritt in die Ehe, bei Schwanger¬
schaft, an einem Mann, hei dessen Frau wiederholt Abortus, Früh- oder
Todtgeburteu stattgefundon, eventuell an der Frau selbst.
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der Syphilis.
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6. Die Aufgabe aller therapeutischen Eingriffe ist gründlichste
Beseitigung aller Syphilissymptome, weil dadurch nach den Ergebnissen
sämmtlicher Statistiken, die Häufigkeit der tertiären Syphilis am wirk¬
samsten herabgedrückt wird.
7. Es gibt zur Zeit kein Heilverfahren, welches den Eintritt
tertiärer Syphilis immer zu verhindern vermag.
8. Gar nicht oder mangelhaft Behandelte liefern das grösste
Contingent tertiärer Syphilis.
Der chronisch intermittirenden Behandlungsmethode ist durch die
oben angeführte Statistik, der gemäss überhaupt nur 22°/ 0 aller Syphiliti¬
schen tertiär werden, die Basis fast vollends entzogen. Uebrigens muss
hervorgehoben werden, dass die nach der chronisch intermittirenden
Methode Behandelten vor der tertiären Lues nicht mehr gesichert sind,
als die symptomatisch Behandelten. Ullmann
Ogilvie. De la reinfection de la Syphilis. La France
Medicale. Nr. 43, 1896.
Ogilvie berichtet über einen Fall von syphilitischer Reinfection.
— Ein Arzt wurde im Jahre 1876 inficirt. Indurirter Schanker von
inguinaler und cubitaler Scleradenitis gefolgt. Patient wurde von
mehreren Aerzten untersucht, die mit der Diagnose Syphilis überein¬
stimmend Quecksilbereinreibungen verordneten. — Die Confrontation ergab
auch ein positives Resultat, da an der Infectiousquelle deutlich secundäre
Erscheinungen nachzuweisen waren. — Bald darauf erschien an der
Brust und am Abdomen ein maculöses Exanthem und Plaques muceuses
im Rachen und Munde. Nach 40 Inunctionen war das Exanthem ge*
geschwunden, die Schleimhauterscheinungen persistirten aber noch längere
Zeit, da Pat: starker Raucher war. Pat. hatte keine specifischen Er¬
scheinungen bis zum Jahre 1891, in welchem die zweite Infection statt
hatte. Nach einem euspecten Coitus mit einer Person, die fast zu
gleicher Zeit einen seiner Freunde mit Lues zum ersten Male inficirt
hatte, bemerkte Pat. einen indurirten Schanker am Penis und zwar au
einer anderen Stelle als der Erste gelegen war. Inguinale Scleradenitis. —
Bald darauf stellte sich ein ausgedehntes maculo-papulüses Exanthem ein,
welches an den behaarten Stellen des Kopfes und Gesichtes pustulös
wurde. Cervicale Scleradenitis. — Da wegen einer vorhandenen Nephritis
die mercurielle Behandlung nur recht vorsichtig angewandt werden konnte,
blieb das Exanthem lange Zeit bestehen. Ogilvie behauptet, die syphi¬
litische Reinfection wäre kein stricter Beweis der Heilbarkeit der Lues,
da Reinfectionen bei Individuen beobachtet wurden, die charakteristische
tertiäre Symptome aufwiesen, die tertiären Erscheinungen müsse man als
specifiseh durch Lues verursachte betrachten, da dieselben öfters mit
secundären zusammen, wie es bei der hereditären Lues der Fall ist, auf-
treten. v. Sachs (Breslau).
Pellizzari, Celso. Syphilide galoppande. l’räsentazione di
un caso Falla all Acadeiuia medico-fisiea fiorentina il 1 April. Sosperi-
mentale XLIX, Nr. 11. — p. 202.
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Pellizzari demonstrirte eine 20jähr. Frau, welche an der Haut
ein schweres knotig-orbiculäres und tief ulcerirendes Syphilid mit Bildung
von Rupiaborken zeigte. Die Infection dürfte drei Monate vorher an
der Mamma erfolgt sein durch ein fremdes Kind, das sie gestillt hatte.
Der Grund, dass die Syphilis so ausserordentlich rasch und heftig ver¬
lief, dürfte darin gelegen sein, dass die Frau eine Stillende war. Ihr
eigenes Kind, Anfang September des Vorjahres geboren, zeigte keine
Symptome von Syphilis, obzwar sie es gleichfalls gestillt hatte, und dürfte
nach Pellizzaris Ansicht durch die Milch der erkrankten Mutter
immunisirt worden sein. Ref. Dr. Spietschka (Prag).
Rochon. De 1 a virulence de sperrae d ans 1 a Syphilis
secondaire. La Medicine moderne. 1898, Nr. 30.
Rochon beobachtete folgenden Fall: Ein Mann heiratete mit einer
noch verhältnissmässig frischen Lues. Aus Furcht, ein syphilitisches Kind
zu zeugen, entleerte er seine Spermaflüssigkeit nicht in die Vagina, sondern
auf das Abdomen der Frau, welche alsbald mit einem Chancre geant
am Nabel sich vorstellte, dem später ein Exanthem folgte.
Dass in solchem Falle nicht das Sperma an sich infectiös zu sein
braucht, lehrte ihn eine andere Beobachtung. Ein junger Mann,
dessen Lues 1V, Jahr alt war, hatte zuletzt eine Gonorrhoe, es fanden
sich bei ihm noch Spuren von Secret ohne Gonoccen. Pat. coitirte
und brachte sein Verhältnis, bei welchem eine Infection durch einen
Anderen angeblich ausgeschlossen war, mit einem Primärallect an der
Vulva nach einigen Wochen zur Behandlung. Rochon unterzog beide
einer Hg-Cur, und alsbald schwand beim Manne das Urethralsecret.
Verf. bespricht im Anschluss hieran die verschiedenen luetischen
Affectionen der Wege, welche das Sperma zu passiren hat, und die Gelegen¬
heitsursachen, welche dem Sperma auf seinem Wege die Beimischung von
luetischem Material bewirken können. Er kommt dabei zu Schlüssen,
welche besonders für die Frage der Intrauterininfection und der concep-
tionellen Lues nicht uninteressant sind. P inner.
Ross, F. d. Js. Syphilis An taganistic to Tuberculosis.
Medical Record. 189f>, 15. Feh.
Ross’ zweifellos syphilitischer Patient ein lSjährigcr Mann,
erkrankte au Lues wurde mit, Hg. u. JK behandelt; es besserten sich auch
die Erscheinungen der Tuberculose. — Der Mann ist noch 7 Jahre nach
der syphilitischen Infection ganz gesund. J.
Royet. Epithelioma de V a m y g d a 1 e c h e z u n s y p h i 1 i t i q u e.
Journal des maladics cutanees et syphilitiques. 1895, pag. 732.
Der Patient Roy et 1 s, ein Syphilitiker, zeigte eine sehr schmerz¬
hafte Ulceration einer Tonsille, welche das typische Bild eines Epithelioms
darbot; in der Submaxillargegend und längs des Sternoclcidomastoidous
waren schmerzhafte Drüsen fühlbar. Unter Jodkaligebraurh besserte sich
der Zustand, namentlich die subjeotivon Beschwerden merklich. Royet
lässt nun die Frage offen, ob es sich liier um eine durch Secundär-
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der Syphilis.
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infection veränderte syphilitische Erscheinung oder um ein durch Jod
nur theilweise verändertes Epitheliom bei einem Syphilitiker handelt.
Paul Neisser (Beuten 0. S.).
Tacenicz. De l’inoculation du chancre indure sur le
meme sujet. Przegl. Lek. 1895, Nr. 1 — 5. Referirt im Journal de9
mal. cut. et syph. 1896 p. 120.
Tacenicz berichtet zwei Fälle von Inoculation von Sclerosen bei
demselben Individuum, ln dem 1. Fall zeigte sich 4 Wochen nach der
Constatirung einer Sclerose an der Innenfläche des linken kleinen Labiums
eine solche in der Fossa navicularis, die sich mit den Labien in
Contact befand. Fall 2 betraf eine Frau von 22 Jahren mit einer Sclerose
der Innenfläche der Oberlippe, circa 40 Tage später Sclerose an der
Zunge. Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Tenney. Four Selected Gases of Syphilis. Boston Medical
and Surgical Journal. April 16. 1896.
Tenney berichtet 4 Lueskrankengeschichten. Die eine ist inter¬
essant dadurch, dass er bei einem Process am weichen Gaumen auf JK-
Darreichung keinen Erfolg sah, welcher jedoch bei gleichzeitiger Hg-
Application alsbald eintrat.. — Bei einem anderen Patienten fanden sich
neben anderen sicher luetischen Symptomen (Iritis, Orchitis, Plaques im
Rachen) eine chronisch verlaufende Lungenaffection, deren Aetiologie
nicht festzusteilen war. Der gute Erfolg einer specifischen Cur lasst aber
die Möglichkeit einer auf luetischer Basis entstandenen Erkrankung
nicht von der Hand weisen. Pinn er (Breslau).
Tommasoli. Sifilide e Sifilismo. Ref. med. Nr. 96, 95,
April c 1896.
Tommasoli geht ausvon der Betrachtung der verschiedenen Ansich¬
ten von Fournier und Bo ulen gi er über die hereditäre Lues, von denen
ersterer 5 Arten der Syphilisübertragung annimmt (1. requirirte, 2. here¬
ditäre (vom Vater her), 8. hereditäre (von der Mutter her), 4. mütterliche
postconceptionelle, 5. conceptionelle), während Boulengier jede Ueber-
tragung des Luesgiftes per ovulum bezw. per semen leugnet. Tommasoli
bespricht nun eingehend die Beweise für und wider jede dieser beiden
Ansichten und hebt hervor, dass ein Fortschritt in der Klärung dieser Frage
so lange nicht zu machen sei, so lange die bisherige Einthcilung der
Lueserscheinungen und der einzelnen Phasen der Krankheit beibehalten
würde. Tommasoli macht folgende Unterscheidungen und nennt:
1. „Syphilitische Infection:“ den Zustand, bei welchem im Organis¬
mus stets infectionstüchtiges Virus vorhanden ist, ganz abgesehen von
der etwaigen Reaction des Körpers auf dasselbe.
2. „Syphilitische Krankheit:“ den Zustand, in welchem a) entweder
Virus und Toxine, oder b) nur Toxine, oder c) weder Virus noch Toxine,
sondern nur Alexine (i. e. Producte der Producte des Virus) im Körper
vorhanden sind.
3. „Wahre und eigentliche Syphilis“: diejenige Phase der Krankheit,
in Welcher die sogenannten primären und secundären Efflorescenzen
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neben den Allgemeinerscheinungen nicht specifischer Art sich zeigen
(cfr. Nr. 2 a und 6).
4 . „Syphilismus : a die Phase der Krankheit, in welcher nur noch
Alexine im Körper kreisen und welche klinisch charakterisirt wird nicht,
nur durch die sogenannten parasyphilitischen Affectionen (i. e. allgemeine
Schwächlichkeit, rhachitischer oder scrophulo-tuberculöser Habitus, Idiotie,
psychische Störungen etc.), sondern auch durch Moditicationen des
Organismus, die ihn immun machen für weitere Infectionen und durch
einen grossen Theil der bisher „tertiär 4 genannten Erscheinungen
(gummöse und tuberöse nicht mehr infectiöse EfHorescenzen). cfr. Nr. 2 c.
Wendet man diese Eintheilung auf die Frage der hereditären Lues
an, so meint Tommasoli, dass per ovulum bezw. per semen nur über¬
tragen werden könne „der Syphilismus 44 , dessen Träger späterhin durch
Contact keine Infection mehr bewirken könne. Ein infectionsfähiges
Lueskind kann nur von einer Mutter geboren werden, die — noch nicht
im Stadium des „Syphilisraus“ — selbst noch im Stadium der „Infection 4
steht und gleichzeitig specifische Läsionen an der Placenta hat, die ein
Durchgehen des Virus durch das normaliter undurchlässige Filter ge¬
statten.
Hiemit im Widerspruche steht der 2. Teil des C o 11 ejr - B al^mCOr’schen
Gesetzes, welcher besagt, dass das durch den Vater bei der Zeugung
syphilitisch gemachte, von der gesund gebliebenen Mutter geborene Kind,
seinerseits wieder die Quelle für Infectionen anderer Individuen werden
kann. Dem gegenüber betont Tommasoli, dass er Fälle von dieser Art
nicht beobachtet habe. Auch hält er die Coli ersehen Beobachtungen
ebensowenig wie den Fall von Neumann (gesunde Mutter, luetisches Kind,
Uebertragung der Lues von diesem Kinde auf die Grossmutter) nicht für
einwandsfrei; da in letztem Falle ihm einerseits nicht festzustehen scheint,
dass die Grossmutter gerade von dem Enkel die Lues acquirirt haben
müsse, und da andrerseits die Mutter des Kindes wohl eine, wenn auch
latente, Lues mit entsprechenden Placentarläsionen gehabt haben mag.
Schliesslich wendet er sich wieder den beiden Theorien von F o u r n i e r
und B ou longier zu und bebt hervor, dass Bo ulengier zwar recht
haben kann, wenn er die Uebertragung des Luesgiltes per ovulum bezw.
semen leugnet, er aber sicher zu enge Grenzen zieht, wenn er nur
die sogenannten parasyphilitiseben AfTectiouon für bei der Zeugung über¬
tragbar hält. Fournier dagegen kann nach Tommasoli darin recht
haben, dass es eine väterliche und mütterliche „sogenannte hereditäre
Lues“ gibt, sofern nur unter dieser bei der Zeugung übertragenen Lues
der oben präcijirt.e „Syphilismus - verstanden wird.
Am Schlüsse betont Tommasoli energisch, dass allerdings alle
diei>e Erwägungen auf hypothetischer Basis aufgestellt seien, die zwar noch
durch eingehende klinische und experimentelle Studien zu stützen seien,
die ihm aber zur weiteren Forschung auf diesem Gebiet recht geeignet
erscheine. Ferdinand Epstein (Breslauj.
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der «Syphilis.
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Tüchapiue. Ramollissement syphilitique du radius.
Wratsch 1894. lief, im Journal des maladies cutanees et syphilitiques
1895, p. 301.
Die Kranke Tschapine’s, welche auch schon an anderen tertiären
Erscheinungen gelitten hat, zeigt eine gummöse Erkrankung des rechten
Vorderarms, Periostitis der Ulna und Knochengumma des um zwei Centi-
meter gegen den linken verkürzten Radius. 3 Centimeter oberhalb des
Processus stytoideus fühlt man über eine Fläche von 5 Cm. hin deutliche
Erweichung und kautschukähnliche Consistenz des Knochens. Supination
und Pronation sind sehr erschwert, die Extremität viel schwächer als die
entgegengesetzte; trotzdem nur geringe und nicht häutig auftretende
Schmerzen vorhanden. Paul Ne iss er (Reuthen 0. S.).
Wioczynski. Deux cas de syphilis tive. Medycyna 1894
Nr. 41. Ref. im Journal des mal. cut et ayph. 1890 p. 116.
Wroczynski berichtet über einen Rectaltumor bei einem Luetiker,
der einen bösartigen Tumor vortäuschend, doch endlich unter antisypbili-
tischer Behandlung verschwand, und über einen Fall von Ascites bei
einem hereditär syphilitischen Kind, der nach der Ansicht des Verfassers
durch die Vena porta comprimirende Gummata bedingt war und ebenfalls
unter Quecksilberbehandlung verschwand. Paul N e i s s e r (Reuthen 0. S.).
Zelenev. Un cas de chloro-anemie syphilitique avec
oedeme sans a 1 bumin e gueri par 1 e mercure. Mediz. Obozreniei
1895 Nr. 2. Ref. im Journal des mal. cut. et syph. 1895 p. 629.
Der 25jährige Patient Z e 1 e n e v ’ s, dessen Knochenbau deutliche
Zeichen einer hereditären Syphilis aufwies, wurde mit einem Gumma der
hinterenHalsgegend,heftigen nächtlichenKopfschmerzen und einem innerhalb
der letzten 21 Stunden entstandenem Gedern fast der gesammten Körper¬
oberfläche in das Krankenhaus aufgenommen; ausserdem litt er seit
längerer Zeit an Malaria, deren heftige Anfälle auch im Hospital zu
constatiren waren. Albumen im Urin war nicht zu constatiren; die Blut¬
untersuchung ergab eine bedeutende Verminderung der rothen Blut¬
körperchen und des Hämoglobingehalts und eine Vermehrung der Leukocyten
Unter täglich vorgeuommenen Injeotionen von 2 Cm. 1% Hydr. benzoic-
Lösung besserte sich der Zustand merklich; nach 30 Injectionen war
eine bedeutende Vermehrung der rothen Blutkörperchen und des Hämo¬
globingehalts, ebenso ein Verschwinden des Gederns wie der Malariaattaquen
zu constatiren.
Vortragender lässt die Frage offen, ob das Hvdrargyrum durch
die Heilung der Lues nur auf den Körper kräftigend und auf diese Weise
indirect auf die Malaria, oder ob es direct auf die Malariaplasmodien
vernichtend gewirkt habe. Paul N e i s s e r(Beuten 0. S.).
Syphilis: Haut, Schleimhaut, Knochen und Gelenke.
Audry, Ch. Surune syphilide polymorphe de la langue.
Lvmphangiectasie syphilitique. Journal des mal. cut. et syph. 1895, p. 652.
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460 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Die Patientin, die ebenso, wie ihr Mann, auf extragenitalem Wege
inficirt worden war, zeigte, als sie in Audry’a Behandlung kam, sehr
hochgradige Zungen- und Mundaffectionen, die alle nach einer anti-
syphilitischen Cur verschwanden; nur am rechten Zungenrande hatte sich
inmitten gesunder Schleimhaut ein gestielter nussgrosser Tumor ent¬
wickelt, der von Audrj^ mit dem Galvanokauter entfernt wurde. Die
mikroskopische Untersuchung des Tumors ergab jugendliches, embryo¬
nales Gewebe, reichlich durchsetzt mit Lymphgefassen, und nur stellen¬
weise von einer sehr veränderten Schleimhaut bedeckt.
Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Balzer. Du ehancre syphili tique. Journal des mal. cut. et
syph. 18115, p. 655.
In dem nichts Neues bringenden Vortrag bespricht Balzer die
Diagnose der Sclerosen und ihr verschiedenes Aussehen, je nachdem
dieselben auf Schleimhäuten oder der Hautoberfläche sitzen. Er erwähnt
sodann die extragenitalen, von denen er besonders die Lippen-, Zungen-,
Tonsillen- und Kectalsclerosen hervorhebt.
Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Bayer. Chane re de Pamygdale. Soc. Beige d’otologie et de
laryngol. ref. in Gazette hebdorn. de med. et derchir. Nr. 51, 18%.
Bayer: Fall von hartem Schanker der Mandel.
Ferdinand Epstein (Breslau).
Berger. Sur le traitement du retrecissement syphi¬
li tique du rectum. Societe de cliirurgie; seance du 14. October 1896
ref. in La medccine moderne Nr. 84, 1806.
Berger spricht zu der Behandlung der syphilitischen Rectum -
stricturen mittelst Dilatation, über die in der vorhergehenden Sitzung
Ueclus einen Vortrag gehalten. Diese von Gosselin empfohlene
Methode war in Vergessenheit gerathen. Berger hat durch sie vor¬
treffliche Resultate gesellen. Jedoch muss sie vorsichtig und nicht über¬
hastet angewendet werden, so dass nicht jeden Tag ein Dilatations¬
versuch stattlinden darf; ferner muss das Bougie gemäss der in Folge
der Stricturirung veränderten Axe des Rectum eingeführt und zwar lang¬
sam eingeführt werden, um den durch die Ulcerationen bedingten
Spasmus zu überwinden. Einhergohen muss eine Behandlung der be¬
stehenden Rectitis mit antiseptischen Ausspülungen u. s. w. Besondere
Vorsicht ist nothwendig, falls nacli dem Coupiren Fieber, peritonitische
Erscheinungen, Analschmerzen u. s. w. auftreten. Contraindication: de¬
solater Zustand des Patienten und hoher Sitz der Strictur (10—15 Cm.
oberhalb der Analöffnung). In diesen Fä llen ist die Rectotomie, nicht die
Exstirpation des Rectum angezeigt.
Quaser hat gute Resultate durch Anlegung eines amis praeter¬
naturalis (Ueumsehlinge) gesehen, in Folge dessen — die stricturirende
Stelle war exstirpirt. — der begleitenden Rectitis Gelegenheit zum
Ausheilen gegeben. Aehnlich Schwartz. Im Schlusswort betont Reclus,
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der Syphilis.
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dass er nur habe darlegen wollen, dass durch vorheriges Einführen von
Cocaintampons die Dilatation schmerzloser würde.
Theodor Spiegelhauer (Breslau).
A. Bruck. Zur Syphilis des äusseren Ohres. (Aus Dr.
B. Baginsky’s Polyklinik für Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten.)
Berlin, klin. Wochenschr. 1896, Nr. 8.
Bruck theilt einen Fall von sog. breiten Condylomen beider
Gehörgänge mit, bei welchem an der linken Ohrmuschel ein framboesi-
formes Syphilid aufgetreten war. Gerade diese letztere Form ist, wie
Ref. im Gegensatz zu dem Verfasser hervorheben mochte, nicht allzu
selten am äusseren Ohre zu beobachten, wie jeder erfahrene Syphili-
dologe weiss. Karl Herxheimer (Frankfurt a. M.).
Brunou. Le chancre syphilitique des fosses nasales.
These de Lyon 1895.
Brunon hat 30 Fälle von Schanker der Nasenschleimhaut ge¬
funden; er entgeht der Beobachtung oft, zumal die Saduration fehlen oder
sehr gering sein kann. J.
Cänas, M. Chancres syphilitiquessuccessifs, ä origines
es pacees. La Loire medioale 15 Apr. 1895. Ref. im Journal des ma-
ladies cutanees et syphilitiques 1895, p. 306.
Der Patient Genas’ zeigt 3 in verschiedenen Intervallen (am 12.,
18. Januar und 1. Febr.) aufgetretene Sclerosen, die derselbe von der¬
selben Person in 5mal in gleichen Zwischenräumen, zuletzt am
23. Deceraber, wiederholtem Beischlaf acquirirt hatte. Nebenbei zeigt er
ein maculo-papulöses Exanthem und Scleradenitis.
Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Cutler. A case of syphilitic onychia. The New York
derm. soc. 26. März 1895. The Journ. of cut. and gen. ur. dis. 1895, p. 383.
Die syphilitische Affection der Nägel wurde von Cutler drei
Monate nach der Infection beobachtet. Afticirt waren die Nägel beider
Hände und Füsse. Die Behandlung bestand in Kurzschneiden der Nägel
und Application von Mernrialpflaster. Discussion: Allen sah bei einem
vor 3 Jahren inticirten Kranken erythematöse Ringe am Hörsum und
der Vola der Hände erscheinen, die wie Erythema iris aussahen: gleich¬
zeitig wurden alle Nägel an beiden Händen brüchig.
Cutler sagte, dass dieser Fall von Nagederkrankung der erste,
ihm bekannte ist, bei dem die Nagelaffection so bald nach der Infection
auftrat.
Alexander hat in 5 oder 6 Fällen von Onychia syphilitica ohne
Paronychia, die er gesehen und behandelt hat, nie irgend einen günstigen
Einfluss von der Localtherapie beobachtet.
Elliot glaubt sogar, dass die locale Therapie die Alleet-ion ver¬
schlimmere. Er empfiehlt local Zinksalbe und intern Quecksilber.
Klotz hält auch locale Behandlung für wenig nützlich und em¬
pfiehlt nur Schutz der Finger gegen äussere Schädlichkeiten.
B. Leder m a n n (Berlin).
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Bericht über die Leistung» n auf dem Gebiete
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4t»2
Davezac. Gommes du genou. Presentat ion de malade.
Societe de medecine et de Chirurgie de Bordeaux. Journal des mala-
dies cutaneeB et syphilitiques. 1805. p. 019.
Die Patientin Davezac's zeigte an dem rechten Knie einen
tiuctuirenden Tumor, während an dem linken Knie mehrere kleinere
furunkulöse Tumoren zu eonstatiren waren. Trotz unsicherer Anamnese
installirte D. eine antisyphilitische Behandlung mit gutem Erfolge, da
der Tumor rechts bedeutend verkleinert, die linksseitigen fast völlig ver¬
narbt sind. Bei der Seltenheit derartiger Localisation von Gummata hielt
Verf. den Fall für wichtig genug, um ihn zu demonstriren. In der Dis-
cussion erwähnte Court in und Armaignae ähnliche Fälle von
Gummata auf dem Fussrüeken und in der Kuiegegend.
Paul N ei sser (Beuthen 0. S.).
üeutu. N o u v e 11 e s considerationssur 1 a leucokeratose.
La Medicine Moderne. Nr. 85. 1800.
Deut u hat bereits 1894 auf dem Chirurgencongress zu Lyon sieb
dahin ausgesprochen, dass die Leucokeratose der Mund- und Zuugen-
sehleimhaut, welche er als einen Verhornungsprocess der Mucosa autfasst,
häufig den Grund für das Entstehen eines Epithelioms abgibt. Seine
weiteren Beobachtungen bestimmten ihn, jetzt jede Leukoplakie als ein
Carcinorn im Ruhezustände anzusehen, welcher jeden Augenblick durch
Wachstliumsvorgänge seinen Charakter auch klinisch äussern kann.
Seine hauptsächlichen Schlüsse uus den beobachteten Fällen sind
folgende: 1. Das Carcinorn hei Leucoplakie ist kein Aecidenz im Verlauf
der Krankheit, sondern das letzte Stadium derselben. 2. Dieses End¬
stadium kommt aber im Verhältnis« nicht oft genug zur Beobachtung.
3. Die Carcinome haben nicht so sehr das ihnen sonst zukomraende Be¬
streben, das submueöse Gewebe zu infiltriren und in die Lymphdrüsen
zu metastasire». 4. Die Entwickelung ist langsamer und der Verlauf der
Krankheit weniger schwer als hei anderen Carcinomen. 5. Eine früher
radicale Entfernung der einzelnen Stellen ist rationell und geboten, ohne
Bücksicht auf das klinische Bild. Pinn er (Breslau).
Dionisio. Sopra alcune forme poco note di sifilide
tertiaria del naso. Gazzetta Medica di Torino 11 guigno 1890. Nr. 24.
Dionisio macht auf eine bisher wenig oder gar nicht beschriebene
Form der tertiären Lues der Nase aufmerksam. D. fand in einigen Fällen
(3 von ihnen sind mit eingehender Krankengeschichte angeführt) als Ur¬
sache einer erst in den letzten Monaten ein getretenen Verstopfung eines
bezw. beider Nasenlöcher, eine derbe Infiltration und Schwellung der
Schleimhaut der unteren Muscheln, so dass letztere meist das Septum
berührten. Die Affection, die er Rhinitis sclerosans tertiaria nennt und
welche jeder andern Therapie trotzte, ging auf antiluetisehe Behandlung
prompt zurück. Besonders hervorzuheben ist der Umstand, dass weder
gleichzeitig noch vor dem Eintritt der Sclerosirung irgend welcher
Katarrh mit Seeret oder irgend welcher Geschwüren - Process zu con-
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der Syphilis.
4(33
statiren war. D. stellt diese Art der Nasenerkrankung in Analogie mit
der Hepatitis interstitialis syphilitica. Ferdinand Epstein (Breslau).
Evans. Chancre of the Tonsil and Tongue with Report
of four Cases. Medical News 1896. Mai 9.
Evans bespricht kurz die Differentialdiagnose zwischen Carcinom
und Initialaffect ira Munde und fügt vier Krankengeschichten bei von
Tonsillarschankern. — Nachdrücklich betont er, dass die Lues nicht immer
durch sexuellen Verkehr übertragen wird. Da diese Ansicht noch nicht
genügend bei den Aerzten durchgedrungen, wird nicht selten die Dia¬
gnose eines extragenitalen Primäraffectes verfehlt. Pinner (Breslau).
Federici. Sifilide terziaria; Gomma sifilitica nel
cellulare periorbitale. Gazzetta degli ospedali e delle
cliniche. Nr. 152. 1896.
Ira Anschluss an die Krankengeschichte eines Falles von tauben-
eigrossem, zum Theil schon erweichtem Gumma am Oberaugenhöhlenrande,
bespricht Federici ausführlich die Differentialdiagnose dieser Affection
mit andern in dieser Gegend vorkommenden Tumoren (Dermoidcysten,
Chondromen, Atheromen, suhperiostealen Hämorrhagien, Carcinomen,
Sarcomen, Abscessen, tuberculösen Granulationsgeschwülsten etc.). Was
die Therapie anlangt, so wurde durch 14 Gr. Jodkali (pro die 1 Gr.) nach
Entleerung der eingeschraolzeneu Tumormassen durch Incision ein voll¬
ständiger Erfolg erzielt. — Bei den Fällen von luetischen Spätformen,
namentlich gummöser Art, gleichzeitig mit dem Jodkali, oder allein,
Quecksilber anzuwenden, hält Federici nicht für empfeklensw r erth.
Ferdinand Epstein (Breslau).
Fournier. Ulcera sifilitica digitale. Journ. de med. et
de chir. ottobre 1895. Ref. in 11 Morgagni 4. Aprile 1^96.
Als Haupttypen des Primäraffectes am Finger stellt Fournier
folgende Formen auf: 1. Das Ulcus hypertrophicum. 2. Das syphilitische
Panaritium. 3. Das Ulcus fungosum. Alle diese Formen können dia¬
gnostisch grosse Schwierigkeiten bieten, zumal da auch Entwickelung und
Verlauf häufig viele Variationen, aber wenig Charakteristisches aufweisen.
Im Verlaufe schwellen die Cubital- oder die Axillardrüseu, manchmal
Leide gleichzeitig. Obgleich von 49 digital infieirten Patienten 14 ter¬
tiäre — zum Theil sehr schwere — Erscheinungen in der Folge zeigten,
so glaubt doch F., dass für die hohe Procentzahl der ungünstig ver¬
laufenen Fälle der Sitz der Eingangspforte nicht verantwortlich gemacht
werden dürfe; denn einerseits sind manche digitale Infeetionen von einem
ausgesprochen gutartigen Verlaufe gefolgt gewesen, andererseits muss
berücksichtigt werden, dass so manche Digitalschanker erst spät dia-
gnosticirt und demgemäss erst spät specifisch behandelt werden. Schliess¬
lich spielt hiebei noch eine grosse Rolle der Umstand, dass unter den
14 schwer verlaufenen Fällen 10 inficirte Aerzte sich finden, bei denen
die Prognose für den Verlauf der Syphilis schon deshalb etwas un¬
günstiger zu stellen ist, weil bei ihnen die Depression nach der Infection
in Folge der genaueren Kenntnis der eventuellen Folgen, die Ueberan-
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464 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
strcngung durch Berufspflichten und die Möglichkeit, dass die specitische
Cur in Folge eines therapeutischen Skepticismus oder des Mangels einer
einheitlichen Directive, nicht energisch genug durchgeführt werde, grösser,
als bei andern Patienten ist. Ferdinand Epstein iBreslau).
Gangolphe, M. Osteo-myelite gommeuse du tibia. Soc.
des Sciences med. de. Lyon. Seance de 29 avril 1896, ref. in La province
mediiale. 2. Mai 1896.
Gangolphe stellt einen Patienten vor, der vor 8 Jahren eine
Lues acquirirt hatte und nun seit einem Jahre an Schmerzen in der
linken Tibia leidet. Diagnose: Gummöse Osteomyelitis. Da Quecksilber und
Jodkali (6 Gr. pro die!) keinen Erfolg hatten, wurde die Tibia mit
Hammer und Meissei eröffnet. Es fand sich kein Sequester, aber die
Schmerzen hörten nach dem Eingriff auf. Gangolphe empfiehlt daher
in den seltenen Fällen von gummöser Osteomyelitis, in denen Jodkali
im Stiche lässt, chirurgisch vorzugehen.
Ferdinand Epstein Breslau).
Gagniere. Sur une ulceration de la fourehette due ä la
presence d’un c r i n de Florence, et avant u m u 1 ö un chancre
in fectant. Journal des mal. cut. et syph. 1896, p. 471.
Gagniere berichtet einen recht interessanten diagnostischen
Irrthum. Eine Prostituirte, die einige Monate vorher entbunden hatte, und
der wegen leichter Scheideneinrisse einige Nähte gelegt worden waren,
wurde mit der Diagnose: Ulcus induratum eingeliefert. Bei genauem
Zusehen stellte es sich heraus, dass die Ursache dieser allerdings
täuschend einem indurirten Ulcus ähnlich sehende Stelle ein vergessener
Faden war, nach dessen Entfernung nach 2 Tagen Heilung eintrat.
Paul Neisser (Beutheu O. S.).
Ghazarossian. Etüde clinique sur la Perforation sy¬
ph i 1 i t i q u e de 1 a v o ü t e p a 1 a t i n e et son traiteraen t. These de
Paris. Nr. 240, mai 1896, ref. in Gazette hebdomad. de med. et de chir.
28. juni 1896.
Ghazarossian unterscheidet bei der syphilitischen Gaumen*
Perforation (n. b. unter den erworbenen Gaumenperforationen sind die
luetischen die häutigsten) 3 Perioden:
1. eine Periode, die sich unmittelbar an die Infiltration der Ge¬
webe anscbliesst, und in welcher die Perforation sich einleitet;
2. eine Periode, in der sich die Perforation ausbildet;
3. eine Periode der Begrenzung des Processes (die Periode der
relativen Reparation).
Die letzte Periode wird günstig beeinflusst durch acute Infections-
krankheiten, welche mit Anginen einliergehen, wie z. B. Masern, Schar¬
lach etc.; ähnlich wie manche Hautsyphilide durch intercurrente Ery¬
sipele schnell zur Heilung kommen.
Die Diphtherie übt stets einen schädlichen Einfluss auf diese Pro-
cesse aus. Die medicamentö^e Behandlung allein kann nur in der ersten
Periode ausreichen. Für die zweite und dritte Periode kommt die chi-
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der Syphilis.
465
rargische Behandlung in Frage, die vortheilkaft mit der medicarncntösen
combinirt wird. Was erstere anlangt, so zieht G. die curative Uranopla-
stik nach Baizean mit der Modilication von Tillaux der palliativen
Prothesenbehandlung vor. Ferdinand Epstein (Breslau).
Gravagna. Uncaso di sifiloma primär io alla caruncala
lacrimale. Gazzetta degli Ospedali e delle Cliniche. 6. guigno 1896.
Gravagna beschreibt ausführlich einen Primäraffect der Carun-
cula lacrimalis einer 42jährigen Krankenwärterin einer Syphilisabtheilung.
Obgleich man anfangs annahm, dass die Patientin den Primäraffect durch
Berührung mit ihren im Dienst inficirten Fingern erworben hätte, ergab
die Anamnese, dass die Infection durch Küsse auf die Augen von einer
mit einem syphilitischen Lippenschanker behafteten Patientin, welche
mit der Wärterin ein sicher nicht platonisches Verhältnis unterhielt,
erfolgt war, so dass dieser Fall nicht in die Gruppe der Syphilis inson-
tium eingereiht werden kann. Ferdinand Epstein (Breslau).
Hausemann, D. Ueber eine häufig bei Syphilis vor*
kommende Veränderung an der Epiglottis. Berlin, klin.
Wochenschr. 1896. Nr. 11.
Hausemann beschreibt eine häufig (25mal in 42 Fällen) bei
Sectionen Syphilitischer gefundene Veränderung an der Epiglottis, wöbe
diese durch narbige Processe des Ligam. glossoepiglottic. med. eine Ante-
flexion erleidet, welche letztere eventuell zu einer Umrollung des oberen
Epiglottisrandes nach vorne führen kann. Im Weiteren kommt es zur
Verwachsung der umgebogenen Partie. Wenn diese Veränderung auch
nicht eindeutig syphilitisch ist, so kann sie doch in Gemeinschaft mit
anderen Erscheinungen den Verdacht auf Lues stützen. Sie kommt
häutig im Anschluss an die glatte Atrophie des Lungengrundes vor.
Karl Herxheimer (Frankfurt a. M.).
Highet, H. Campbell. A case of gumma of the ciliary
region. The British Medical Journal Nr. 1871. Nov. 7. 1896.
Highet berichtet über die Erkrankung eines 30 Jahre alten
Malaien, der sich 2‘/ 2 Jahre vorher mit Syphilis inficirt hatte. Kurz be¬
vor er in Highe t’s Behandlung kam, hatte er eine Iritis durchgemacht.
Es bestanden 2 Gummata. Unter Quecksilber- und Jodkalibehandlung
nebst der nötkigen localen Therapie Verschwinden der Gummata und
Besserung der Sehschärfe. Felix Pinkus (Breslauj.
Knickt. Lese onsequences de la Syphilis nasale. (The
sequelare of Syphilis of the nose) Ref. in Revue hebdomadaire de larvn-
gologie d’otologie et de rhinologie. Nr. 346. 22. Joul. 1896.
Knicht hält die Diagnose der Nasensyphilis oft für schwierig und
unsicher. Er ist daher für conservative Behandlung und räth Sequester
nur dann zu entfernen, wenn sie vollständig gelöst und fassbar sind.
Spiegelhauer (Breslau).
Legrand, Leon Victor Henri. Contributionäl’etude de la
leucoplasie buccale. Nr. 53. (E. Carre et C. Naud). Gazette kebdo-
Archiv f. Dormatol. u. Syphil. Band XXXIX. 30
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
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raadaire de medecine et de Chirurgie. 1896. Nr. 102. S. 1218/19. These
de Paris.
Leukoplakie kann bei alten Luetikern Vorkommen und soll wie
Tabes und Paralyse als parasyphilitische Affection aufgefasst werden.
Speeifische Behandlung ist wirkungslos oder sogar schädlich. Frühzeitige
chirurgische Behandlung allein kann die eventuell drohende Gefahr der
Entwicklung eines Carcinoms verhüten. Löwenheim (Breslau).
Lenz, J. Fünf Fälle extragenitaler Syphilis. Wiener klin.
Rundschau. 1896. Nr. 5—7.
Lenz gibt die Zusammenstellung von 5 Fällen extragenitaler Syphilis-
infection aus der czechischen dermatologischen Klinik Prof. Janovsky's
in Prag. Der Sitz der Primärsclerosen war je einmal die Unterlippe, die
Bauchhaut, die Brustdrüsenhaut rings um die Mamilla, die Daumenhaut,
die Tonsille. Vier dieser extragenitalen Sclerosen betrafen Frauen, eine
einen Mann. Die extragenitale S. bei den auf der Klinik im Jahre 1895
behandelten 35 syphilitischen Frauen betrug demnach 14'2%, eine selbst
bei Frauen hohe Frequenz. Die Fingersclerose betraf eine Hebamme. Die
Diagnosen waren leicht, der weitere Verlauf ein relativ gutartiger.
Ul 1 mann.
Litcwski, M. Ein Fall von Framboesia syphilitica. Inaug.-
Diss. Greifswald 1894.
Der von Litewski beschriebene Fall ist nach Ansicht des Refe¬
renten ein zum Mindesten zweifelhafter Fall von Framboesia syph., da
weder anamnestisch noch objectiv sonstige Zeichen von Lues nachgewiesen
worden sind. Ed. Oppenheimer (Strassburg).
Lustgarten. Ein w a h r s c h e i n 1 i c h e r F a 11 vonMischinfec-
tion: Syphilis und Lupus. The New-York Dermatolog. Society.
21. May 1895. The Journ. of eutan. and genito-urin. dis. 1895. p. 482.
Lust gar ten's Patient, ein junger Mann, litt seit 5 Jahren an
einer Ulceration des Rachens, die nach kurzem Bestände die Uvula und
einen Thcil des weichen Gaumens zerstört hatte. Vor zwei Jahren breitete
sich der Ulccrationsproeess auf die Nase aus und zerstörte sowohl die
Nasenspitze als auch das knorplige und einen Theil des knöchernen
Nasengerüstes. Als der Kranke vor 9 Monaten in Verfassers Behandlung
kam, wurde zunächst an Syphilis gedacht, obgleich die vorhandenen
weichen Granulationsmassen auch den Verdacht auf Lupus wahrscheinlich
machten. Unter einer kräftigen specifisehen Behandlung wurde der Ulcera-
tionsprocess beseitigt, während die weichen Granulationsraas9en blieben.
Diese wurden dann ausgekratzt und mit dem Paquelin und nachfolgender
Application von 10 Proc. Pyrogallussäuresalbe behandelt. Dadurch wurde
eine vollkommene Heilung erzielt, die bereits seit 5 bis 6 Monaten an-
luilt. Lustgarten hält den Fall für eine Mischinfeetion von Syphilis
und Lupus. Durch Anfertigung eines künstlichen Nasenseptums wurde
schöner kosmetischer Effect erzielt. In der Discussion stimmt Allen der
Diagnose des Redners zu, während Jackson, welcher den Fall früher
gesehen hatte, ihn als Framboesia syphilitica auffasste, zumal die
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histologische Untersuchung der Granulationen keine Zeichen von Tuber¬
kulose ergeben hat. Lußtgarten legt auf die histologische Unter¬
suchung nicht so grossen Werth, da in Lupusschnitten Tuberkelbacillen
gewöhnlich nicht gefunden werden. Ledermann.
Marin oni er. Syphilide tuberculo-ulcöreuse geante
ä marclie serpigineuse. Journal des mal. cut. et syph. 1896. p. 261.
Nach einer Besprechung der verschiedenen Arten von tubero-
serpiginösen und tubero-ulcerösen Syphiliden berichtet Marino nier über
einen 69jälirigen Patienten, dessen ganze linke Rückenhälfte von einen
tubero-serpiginösen, ulcerösen Syphilid eingenommen war, während an
der Brust Narben von alten Syphiliden sichtbar waren. Die Infection war
vor circa 15 Jahren erfolgt, 2 Jahre später waren die Ausschläge auf der
Brust aufgetreten, nachdem bald nach der Infection Haarausfall und
nächtliche Kopfschmerzen eingetreten waren. Die jetzige HückenatTection
hat vor 10 Jahren begonnen; Patient hat sich nie antisyphilitisch be¬
handeln lassen. Unter Jodkali- und Hydrargyrumbehandlung trat schnelle
Heilung ein. Verfasser bespricht zum Schluss die Dillerentialdiagnose dieser
Afiection mit Lupus. Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Mora. Gomme syphilitique de la langue. Journal des
maladies cutanees et syphilitiques 1895. p. 308.
Der Patient Mora’s wurde von einem 27 Jahre nach der Infection
entstandenen Lungengumma, das von chirurgischer Seite wegen seiner
Induration, der Drüsenschwellung und Abmagerung zuerst für ein Carcinom
gehalten worden sei, nach sechsmonatlicher streng durchgeführter Jod-
und Quecksilberbehandlung geheilt. Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Morrow, A. Prince. Mittheilungen über Syphilis; Svphi-
loma der Nase von ungewöhnliclier Form und Entwickln n<:.
— Derdiagnostische Werth syphilitischer Narben. — Extra-
genitale Schanker und ihre Prognose. — Gewerbliche,
Syphilis. Journal of cutan. and genito-urin. diseases. April 1896.
I. Syphiloma der Nase: Morrow gibt zunächst die Krankengeschichte
einer 21jährigen, seit 5 Jahren verheirateten Patientin, deren erstes,
3 Jahre und 10 Monate altes Kind gesund, deren zweites im Alter von
l Monat starb und die bei der dritten Schwangerschaft abortirte. Nach
dem Abort litt sie an Geschwüren des Mundes und des Rachens und einer
universellen Eruption von rothen Flecken; die Kopfhaut war mit Ge-
schw r üren reichlich bedeckt, so dass sie sich das Haar abschneiden musste;
eine ausgesprochene Alopecie der Kopfhaut hatte sie nicht, doch waren
die Augenbrauen und die Wimpern vollständig verloren gegangen. Die
Eruption verschwand nach über 3 Monaten. October 1893 erschien eine
Eruption grosser Tumoren an verschiedenen Theilen des Körpers, welche
vielfach mit Narben heilten. Diese Tumoren sind seitdem häufiger auf¬
getreten. Augenblicklich sieht man auf den Armen eine Anzahl nussgrosser
rundlicher Geschwülste, welche über die Hauttläclie emporragen und den
Verdacht auf Granuloma fungoides erwecken. Sie sind weich, schmerzlos
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Hericlit über die Leistungen auf dem Gebiete
nicht fluctuirend. Am interessantesten ist die grosse tumorähnliche Infiltra¬
tion der Oberlippe, die bis zur linken Nasenöffnung hinaufgeht und sich
auf das knöcherne und knorplige Gerüst des linken Nasenflügels fortsetzt
Diese Infiltration, welche sich nicht auf die Wange ausbreitet, ist scharf
von der umgebenden Haut abgesetzt. Sie fühlt sich mit Ausnahme des
unteren Theiles ausserordentlich hart an. Unter dem Einfluss einer ge¬
mischten Behandlung findet eine rasche Involution auf den Armen und
an den linken Augenbrauen statt, während die Aliection der Nase und
der Lippe nur wenig verändert wird, obgleich die constitutioneile Be¬
handlung verstärkt wird durch die locale Application von Quecksilber¬
pflaster und -Salbe. Da die Afiection in ihrer Form und Consistenz sehr
eigenthümlich war und sich gegen specitische Behandlung refraetär ver¬
hielt, so dachte man an eine Combination von Syphilis und Tuberculose.
Später jedoch heilte die tumorartige Masse an der Nase während einer
specifischen Cur unter Narbenbildung. Im Januar lb96 fand Verf. noch
eine geringe Infiltration der Oberlippe, welche, wie Patientin angibt, bei
jeder Menstruation etwas anschwillt.
11. Der diagnostische Werth der syphilitischen Narben; Verf. macht
darauf aufmerksam, dass syphilitische Narben zwar ausserordentlich ähnlich
sein können denjenigen Narben, welche nach einer Verbrennung, einem
Trauma oder andern ulcerösen Processen auftreten, dass sie jedoch, wenn
multipel, gewisse specitische Eigentümlichkeiten in ihrer circularen oder
serpiginösen Begrenzung, in ihrer Anordnung, ihrer Pigmentation und
Localisation darbieten, so dass sie ebenso charakteristisch für Syphilis sein
können, als wenn wir Veränderungen im activen Stadium beobachten.
Lupus oder Ilauttuberculosc können ganz ähnliche Narben erzeugen,
aber sie sind durch ihre Beschränkung auf gewisse Regionen und durch
ihre sonstigen Charaktere zu unterscheiden; die Narben der Tuberculose
sind unregelmässig, uneben, haben eine mehr livide Pigmentation. Die
Narben varieöser Untersclienkelgescliwiire können zwar gleichfalls durch
ihre Localität Syphilis Vortäuschen, sind jedoch hauptsächlich auf das
untere Drittel des Enterschenkels beschränkt, während die nach Syphilis
meist die Mitte und den oberen Tbeil desselben einnehmen ; ihre Pigmcn-
tatiou ist auch mehr diffus und bleibend, oft sogar über die Narbe hin¬
weggehend, während die Pigmentation nach Syphilis meist auf die Narben
beschränkt bleibt und sich allmälig auch wieder aufhellt. Die Narben nach
Zoster können multipel und nach ihrer äusseren Form von denen des
tuberösen Syphilids schwer zu unterscheiden sein, aber die Asymmetrie
und ihre Localisation im Verlaufe gewisser Nerven bieten gewisse Difte-
renzirungspunkte. Verf. gibt auf einem der Arbeit beigegebenen Bilde
Beispiele typischer Narben, welche nicht bloss durch Aussehen, sondern
auch durch Localisation und \ertheilung charakteristisch sind. Endlich
weist er noch besonders auf die diagnostische Wichtigkeit solcher Narben
bei der Diagnostik innerer Krankheiten hin.
111. Extragenitale Schanker: Verf. hat in den letzten 3 Jahren
‘JO Fälle von extragenitalen Sehankern behandelt. In seiner Privatpraxis
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der Syphilis.
4(><>
kamen zu gleicher Zeit lOAerzte wegen Schanker der Hände oder Finger,
die sie sich in der Ausübung ihres Berufes zugezogen hatten, in Behand¬
lung. Er gibt zunächst eine Uebersieht über die Localisation. Besonders
auffällig ist eiu Schanker des harten Gaumens wegen der Seltenheit des
befallenen Ortes. In diesem Falle befand sich das Geschwür links von
der Mittellinie und machte den Eindruck eines ulcerirten Gummas; die
Submaxillardrüsen der linken Seite waren ausserordentlich geschwollen
und der Ausbruch eines maculo-papulösen Exanthems 6 Wochen nach
dem Erscheinen des Geschwürs sicherte die Diagnose. Zu erwähnen ist
ferner ein Schanker des Zahnfleisches, welcher rechts von der Mittellinie
sich befand und den Baum zwischen dem lateralen Incisor, dem Caninus
und dem Bicuspidatus einnahm. Er präsentirte sich als eine halbmond¬
förmige Erosion des Zahnfleisches, das leicht geschwollen und gerothet
war; das Epithel war vom Centrum aus erodirt. Der Schanker heilte
nicht, bis Secundärerscheinungen sich zeigten und eine entsprechende
Cur eingeleitet wurde, lieber den Modus der Infcction liess sich nichts
eruiren. — Ein Schanker der Zunge, welcher bei einer 26jährigen Frau
beobachtet wurde neben einem allgemeinen papulösen Exanthem, wurde
auf die Gewohnheit der Patientin, Geldpapier mit der Zunge zu befeuchten,
zurückgeführt. Einer der drei beobachteten Schanker war durch seine
ausserordentliche Grösse bemerkenswert!!. Der Fall ist dadurch noch be¬
sonders auffallend, dass das ausgedehnte Geschwür für Cancroid gehalten
wurde und erst kurz vor der Operation nach Hinzuziehung eines Derma¬
tologen richtig diagnosticirt wurde. Einer der beobachteten Schanker
der Oberlippe zeichnete sich durch seine elephantiastische Ausdehnung
aus. Die ganze Oberlippe war enorm geschwollen, ectropionirt und zeigte
eine leicht blutende Oberfläche. Die entzündliche Induration war so aus¬
gesprochen, dass die Lippe fast vollständig immobilisirt wurde. Aetiologisch
für die Lippenscbanker wurde entweder Kuss oder Contact mit Pfeifen etc.
angeführt. In einem Falle von Schanker der Unterlippe bei einem
Kinde war die Affection durch eine syphilitische Amme fibertragen worden.
Ein Schanker am Anus war die Folge eines präternaturalen Coitus, den
Patient zugab. Ein Schanker an der linken Wange wurde auf einen Schlag
zurückgeführt. Die Schanker an den Fingern und ein Schanker am Hand¬
rücken wurden ebenfalls auf Verletzungen zurückgefülirt. Von den 10 Fällen,
welche ihre Infection auf ihren Beruf zurückführten, gaben 7 ätiologisch
Digitaluntersuchungen oder Manipulationen in der geburtshilflichen oder
gynäkologischen Thätigkeit an, 3 eine Ansteckung im Verlaufe einer
chirurgischen Operation, zwei Aerzte waren gleichzeitig inficirt bei der
Vornahme einer Dammoperation, der Operateur [durch einen Nietnagel
am kleinen Nagel, der Assistent durch das Messer, welches er bei der
Operation gebrauchte. Was die Prognose extragenitaler Schanker anbe¬
trifft, so glaubt Verf. nicht, dass das syphilitische Virus durch die Ein¬
trittsstelle besonders modificirt werde, sondern dass die Schwere der
Infection auf andere Ursachen zurückzuführen ist. Zum Schluss gibt Verf.
noch einen Leberblick über die Gefahren der Infection mit Syphilis im
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Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
gewerblichen Leben und führt dabei die von F <>u r n i e r an anderer Stelle
angegebenen Anschauungen an. Ledermann (Berlin).
Page. S y p h i 1 i t i c cranial n e c r o s i s t r e a t e d b y t r e p li i -
n i ng. Clinical Society of London. Ref. The Brit. Med. Journ. 30. März 1895.
Page behandelte einen 41 jährigen Mann, der an Syphilis früher
erkrankt gewesen war, lange an Kopfschmerzen gelitten hatte und zuletzt
von Krämpfen, die sieh allrnälig häuften, und Bewusstlosigkeit ergriffen
wurde. Neuritis optica nicht vorhanden. Die Schädelhaut war weich, und
die Symptome schienen eher auf weit ausgedehnten Druck auf das Gehirn
als einen begrenzten Hirntumor hinzudeuten. Page tivpanirte über der
F issura Rolands und fand gummöse Massen zwischen Knochen und
Dura mater, von denen er möglichst viel entfernte. Da die Dura mater
selbst gesund erschien, öffnete er sie nicht. Seitdem blieb Patient von
Krämpfen frei, und die Schmerzen kehrten nicht zurück. 1890 hatte Verf.
einen ähnlichen Fall, bei dem spontane Erleichterung des Druckes durch
Erosion des Knochens eintrat, doch der Patient starb nach einiger Zeit
an Pyaemie. Alfred Sternthal (Braunschweig).
Parenteau. K y s t e s et g o m in e s d e s p a u p i «'• r e s. Soc franc.
d'ophthalmologie. Session du mai 1896. Ref. in La Semainc med. 1896.
Nr. 24.
Par ente au hebt in der Soc. franc. (Tophi halimdogie die Schwie¬
rigkeit der Differentialdiagnose zwisclien Gummen und Cysten der Augen¬
lider hervor, warnt vor frühzeitiger Abtragung der Tumoren wegen der
entstellenden Narben und berichtet von 2 Fallen, in denen solche Guramata
auf ..gemischte Behandlung“ ( Ilg und KJ.) heilten. Dem gegenüber be¬
tont Kalt in der Disrussion, dass er Augenlidcrgummata gesehen habe,
die auf speeifische Behandlung wenig oder gar nicht reagirt hätten.
Ferdinand Epstein (Breslau).
Poitout. C o n t r i b u t i o n ä 1 ’ e t u d e du c h a n c r e 8 y p h i 1 i t i q u e
des paupicres. These de la faculte de Paris, Nr. 4s(>, ref. in Gazette
1 k bdoniadaire de mrdecine et de Chirurgie, Nr. 76, 1896.
Mit der Sicherheit der Diagnose wachsen nach Poitout auch die
Angaben über Schanker an den Augenlidern. Auch der Schanker des
Augenlides ist indurirt, jedoch handelt es sich, entsprechend dem Bau
des Augenlides, mehr um eine parenchymatöse Verdickung. Die Ulce-
rafion — eine einfache Erosion — hat mehr die Tendenz, sich über das
Niveau der Umgebung zu erheben als in die Tiefe zu gehen. Interessant
ist, dass bei Sitz des Schankers am inneren Augenwinkel mehr die sub-
maxillaren, bei den am äusseren mehr die pniaurieularen Drüsen anzu¬
schwellen pflegen. Entgegen der allgemeinen Ansicht („maligne Syphilis“)
gibt der Augenlidschanker keine schlechtere Prognose als der Schanker
insgemein. Die Localbehandlung ist einfach antDrptisch mit Vermeidung
aller Kaustika („Narbenbildung“). S p i e g e 1 li a u e r (Breslau).
Pousson. V 1 c e r a t i o n s v p li i 1 i t i q u e d e 1 a j a m b e c li e z un
en fünf. Soeietc de medeeine et de Chirurgie de Bordeaux. Journal des
mal. eut. et sypli. 1896, p. 29.
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der Syphilis.
471
Pousson demonstrirt eine dreizehnjährige Patientin mit einer
circa 15 Cm. grossen Ulceration der linken Wade. Dieselbe war mit
Borken bedeckt, hatte wallartige Ränder, war schmerzlos und ähnelte am
meisten einem Epitheliom. Das Vorhandensein 2—3 kleinerer Ulcera in
der Umgebung und einiger starker pigmentirter polymorpher Narben
auf der rechten Wade veranlasste Vortragendem trotz fehlender Anamnese
Lues zu diagnosticiren, eine Diagnose, welche durch den Erfolg der
Therapie bestätigt wurde. Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Röhmer. Chancre de la paupiere. Societe de medicine de
Nancy. Seance du 10 Juin 1890, ref. in Gazette hebdomadaire de med.
et de chir. Nr. 63, 1896.
Roh mer stellt einen Kranken vor mit einem harten Schanker des
Augenlides, die Krankheit hatte mit einer Ulceration des unteren Thränen-
punktes begonnen, die sich nach dem inneren Augenwinkel fortsetzte.
Auf intravenöse Injectionen von Cyan Hg V, 00 Heilung. Die Präauri-
culardrüsen waren nicht geschwollen, jedoch später mit Ausbruch der
Roseola die Submaxillardrüsen. Charakteristisches Aussehen der Ulcera¬
tion, jedoch keine Induration. Spiegelhauer (Breslau).
Rosenthal, 0. Erytheme bei Syphilis. Festschrift für Lewin.
5. Nov. 1895. S. Karger-Berlin.
Unter dem Titel: „Erytheme bei Syphilis“, bespricht Kosen thal
zunächst einige Dermatosen, die — nicht syphilitischen Ursprungs — ge¬
legentlich bei luetisch Inticirten beobachtet und mit luetischen Exanthe¬
men verwechselt werden können. Von diesen Erkrankungen komme zu¬
erst die Pityriasis rosea Gibert (bezw. der Herpes maeuiosus et squamosus)
in Betracht; als differentialdiagnostisch gegen Lues maculopapulosa betont
R. das peripherische Wachsen, die Kreisformen und die Schuppung der
Efflorescenzen, welche auch in ihrer Localisation charakteristische Eigen-
thümlichkeiten zeigen. — Ferner hebt R. hervor, dass das Eczema se-
borrhoicum (Unna; häufig Mischformen mit luetischen Effloreseenzen, auf
deren Vertheilung und Gattung es einen bestimmenden Einfluss ausüben
könne, darstelle; besonders häufig sieht man solche Mischformen: in der
Nasolabialfurche, au der Oberlippe und am Kinn. — ln einem noch
engeren Zusammenhänge mit der Lues stehe das Erythema exsudativum
multiforme und das Erythema nodosum, von denen das erstere häufig als
Vorläufer der Allgemeineruptionen erscheine; diese im Verlaufe der Lues
zur Beobachtung kommenden Erytheme will R. als symptomatische auf¬
gefasst wissen, die mit der Hg-behandlung in keinem ätiologischen
Zusammenhänge stehen. — Schliesslich weist R. auf eine Spät form der
recidivirenden Roseola hin, die als Roseola annularis orbicularis oder
circinata beschrieben ist, welche monatelang bestehen könne; gegen die¬
selbe empfiehlt R. eine energische antiluetische Cur. Die Franzosen be¬
zeichnen diese Form als: Roseoie de retour, Roseoie tertiaire, Erytheme
circine tertiaire oder Syphilide ervthemateuse circinee, während Unna
diese Erscheinungen als Neurosyphilide zusammenfasst, gegen welch
letztere Auflassung und Bezeichnung Rosenthal polemisirt.
Ferdinand Epstein (Breslau).
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472 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete der Syphilis.
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Rueda. Syphilurae primitif intranasal de forme anor¬
male. Revue de laryngol. 181)5. 15. Fevr. Nr. 74.
Rueda’s Patientin, eine 24 jährige Frau, hatte einen papulösen
ulcerirten harten Schanker in der Nase mit einseitiger Seleradenitis.
J.
Kutten. Pres entation d'une malade guerie d’un syphi-
1 o m e enorme de 1 a p a r v i laterale d r o i t e de 1 a g o r g e et du
eon. Annal. des malad, de c’oreille. Sept. 1896. Nr. 9.
Die sehr grosse Geschwulst im Halse der Patientin Rutten’s
war mikroskopisch wiederholt als maligner Tumor diaguosticirt worden;
die Operation war von der Patientin verweigert worden. Ein Ulcus
im Rachen erschien R. als syphilitisch; durch die specifische Therapie
trat Heilung ein. Der Verfasser warnt vor dem zu grossen Vertrauen zu
histologisch gestellten Diagnosen. J.
Swinburn, George. Ein Fall von Urethralschanker. New-
York akademie of medicin. 12. Nov. 1895. Journ. of cutan. and genit.-
urin. dis. Januar 1896.
Swinburn berichtet über einen Patienten, der ihn im Juli 1895
wegen eines seit 4 Tagen bestehenden Urethralausflusses consultirte.
Der letzte Coitus hatte 11 Tage vorher stattgefunden. Zahlreiche Mi-
krococcen, aber keine Gonococceu wurden gefunden. Einige Tage später
wurde ein Schanker in der Fossa navicularis entdeckt. In dem Ausfluss
fand sich ausser zahlreichen Mikroben der Ducrey-Krefting’sche Bacillus
Inoculationen auf das Abdomen des Patienten erzeugten nach 48 Stunden
eine runde Pustel, von welcher in Intervallen von 48 Stunden Culturen
angelegt wurden. Erst die dritte Cultur zeigte‘Bakterien, welche jedoch
nicht die charakteristischen Eigenschaften des Krefting’schen Bacillus
darboten. Der Schanker heilte unter Anwendung von Silbernitrat und
Salpetersäure. Ledermann (Berlin).
Tliorndike. A Gase o f S t r i c t u r e o f t h e Deep Urethra in
a Syphilitic. The Boston Medical and Surgical Journal. 6. Febr. 1896.
Tliorndike operirte einen Patienten, welcher angab, früher Lues
und wiederholt Gonorrhoen überstanden zu haben, wegen completer
Harnverhaltung, verursacht durch eine sehr derbe Strictur in der Pars
membranacea. Die Strictur war vom Perinäum aus gespalten und drai-
nagirt worden. In ganz kurzer Zeit indurirte die Operationswunde und
zeigte keine Heilungsteudenz. Erst nach Jodkaliverabreichung ging die
Härte zurück und ebenso die Induration an der stricturirten Urethra,
welche leicht für einen Catheter passabel wurde. — Tliorndike hält
das Vorkommen von Strieturen auf luetischer Basis in den tieferen Ab¬
schnitten der Urethra für sehr selten — sie localisircn sich meist an der
Fossa navicularis — und hat deshalb den Fall mitgotiieilt. Pinn er.
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Buehanzeigen und Besprechungen.
Dr. B. Ho ns eil, Assistenzarzt am pathol. Institute in Tübingen
und Dr. E. Ziemke, vorm. Assistenzarzt am patbol. Institute
in Tübingen. Namen- und Sachregister zu Baum gar ten’s
Jahresbericht über die Fortschritte in der Lehre von den pa¬
thogenen Mikroorganismen.
Angezeigt von Dr. J. Fabry in Dortmund.
Hon8eil und Ziemke haben sich der Mühe unterzogen,
in einem stattlichen Bande die gesammte Literatur der zehn ersten
Jahrgänge von Baumgarten’s Jahresberichten zusammenzustellen.
Von jedem, der wissenschaftlich arbeitet, wird das gewiss freudig
begrüsst werden und besonders von jedem, der nicht Gelegenheit
hatte, auf die Berichte seit der Zeit ihres ersten Erscheinens zu
abonniren. Wir finden ja bereits in jedem Baude respective Jahr¬
gang von Baumgarte n’s Berichten ein vollständiges Namen-
und Sachregister.
Prof. Pospeloff. Kurzes Lehrbuch der Hautkrankheiten. Russ.
Dritte verbesserte und erweiterte Auflage. 212 S. in 8° (mit
14 Abbildungen). Moskau 1897.
Angezeigt von Dr. L. A. Gowsejeff in Moskau.
Das vorliegende in russischer Sprache abgefasste Lehrbuch,
das Werk eines erfahrenen Klinikers, kann nicht allein für Studenten
als ein ausgezeichnetes Vademecum beim Studium der Hautkrank¬
heiten dienen, es bietet auch ein bedeutendes Interesse für prak¬
tische Aerzte. Alle Hautkrankheiten, selbst solche, die in ausführ¬
liche Handbücher nicht Eingang gefunden haben, werden darin sorg¬
fältig gesammelt und tadellos beschrieben. Ausserdem zeichnet sich
die Darlegung durch eine strenge Proportionalität der einzelnen
Theile aus, was bei der Verfassung eines kurzen Lehrbuches von
grosser Schwierigkeit ist.
Der Verf. gibt bei der Beschreibung jeder klinischen Form
eine kurze Darstellung der pathologischen Anatomie, der Aetio-
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Buchanzeigen und Besprechungen.
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logie (nach den modernen Anschauungen) und des Krankheitsver¬
laufes. Die Feststellung des inneren Zusammenhanges zwischen der
Dermatologie und der allgemeinen Medicin bildet, nach unserer
Meinung, den Hauptwerth dieses Buches.
Die Aerzte dürfte dieses Lehrbuch insofern besonders inter-
essiren, als es werthvolle Anweisungen für die Therapie enthält,
die auf einer langjährigen und erfolgreichen praktischen Thätigkeit
des Verfassers beruhen.
Lanz, Dr. Alfred. Klinische and experimentelle Beiträge zur
Pathogenese der mercuriellen Stomatitis und Salivation. Berlin.
Verlag von Oscar Coblentz. 1897.
Besprochen von Prof. Caspary in Königsberg.
Wenngleich das Quecksilber heute von allen Seiten als das
souveraine Mittel gegen Syphilis anerkannt ist, so scheint es doch
fast, als sei der Streit Uber die zweckmässigste Art seiner Ver¬
wendung und der Vermeidung von Schädlichkeiten dabei heftiger
als je. Wie diese Frage 1890 in Berlin und 1895 in Graz auf
dein Programme von Congressen stand, so soll nun auch auf dem
internationalen medicinischen Congresse zu Moskau die der Vene-
reologie gewidmete Zeit von ihr beherrscht werden. Zu sehr ge¬
legener Zeit erscheint das Buch unseres Moskauer Collegen Lanz,
das die häufigste Gefährdung des Organismus durch die mercurielie
Behandlung einem eingehenden Studium unterworfen hat. Gleich
der historisch-literarische Theil, mit dem der Autor beginnt, wird
viele Leser überraschen. Von frühester Zeit her, seit der ersten
Erkenntnis der Luessymptome und der Heilkraft des Quecksilbers
bekannt und gefürchtet und studirt, findet die mercurielie Stoma¬
titis und Salivation noch heute die verschiedensten Erklärungen.
Während Bock hart und Nothnagel — und wohl Viele mit
ihnen — in der Ausscheidung von freilich minimalen Mengen
Quecksilbers im Speichel die eigentliche Ursache sehen, weisen
Andere diese Erklärung zurück, da selbst bei erheblicher Stoma¬
titis, Quecksilber niemals (Wolff) oder doch nicht immer (HaB
lopeau) im Speichel nachweisbar sei. — Während das Vorkom¬
men einer Stomatitis ohne Salivation wohl allgemein zugegeben
wird, gibt es nach Kussmaul und Fournier keine mercurielie
Salivation ohne gleichzeitige Stomatitis; nach Kaposi und Mau-
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Buchanzeigen und Besprechungen.
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riac immerhin, wenn auch selten, Fälle von Salivation ohne Ent¬
zündung der Mundschleimhaut. Ueber den Einfluss von Zahncaries,
von Zahnsteinsauflagerung, Uber die Anfangsstelle der Erkrankung,
über die Art der Ausbreitung, kurz fast über jedes einzelne
Symptom gehen die Ansichten der vielen Autoren, die dieses
Capitel behandelt haben, weit auseinander. L a n z hat nach vielen
klinischen und experimentellen Erfahrungen das Bild zu klären
gesucht. Von den vielen Thesen, die er nach Beobachtungen am
Menschen und den damit übereinstimmenden Resultaten an ope-
rirten Hunden und Katzen aufgestellt hat, führen wir nur einige
an: Die Mercurialgeschwlire der Mundhöhle sind das Resultat einer
Nekrose der Schleimhaut, welche zu Stande kommt 1. durch die
in Folge der Quecksilberwirkung sich entwickelnde Nutritions¬
störung der Gewebe und 2. durch den auf gewisse Schleimhaut¬
bezirke ausgeübten Druck seitens der Zähne. Der Speichel und
das in demselben enthaltene Quecksilber sind von keiner wesent¬
lichen Bedeutung für das Entstehen der Mercurialstomatitis. Unter
den localen Momenten nimmt das Ausschalten der Zähne beim
Kauakt die hervorragendste Stelle ein, indem die Stomatitis sich
stets auf der beim Kauakt unthätigen Mundhälfte entwickelt;
die Wirkung dieses Moments ist gleichzeitig auch eine indirecte,
denn es führt zu Zahnsteinablagerung und zu Gingivitis margi-
nalis. Das Vorhandensein cariöser Zähne übt meist nur einen
indirekten Einfluss auf die Entstehung der Stomatitis aus, indem
sie den Kranken zum einseitigen Kauen veranlassen.
Diese und manche andere der Thesen, die man im Originale
lesen wird, werden nicht sofort volle allseitige Zustimmung finden
und auch Ref. ist in mehreren Punkten abweichender Ansicht.
Aber die Begründung durch den Verfasser ist so sorgsam, sein
Beobachtungsmaterial so reichlich und so gut benutzt, dass es
sicher zu weiterem Studium der wichtigen Frage anregen wird.
Wir dürfen annehmen, dass auf dem Moskauer Congresse sich eine
lebhafte und ergebnissreiche Discussion über die Hauptkapitel der
vortrefflichen Arbeit entwickeln wird.
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Nekrolog.
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Henri Feulard
Die entsetzliche Katastrophe, welche über den Bazar de la Charite
hereingebrochen ist, hat auch unter unseren engeren Fachcollegen ein
schweres Opfer gefordert. Die Nachrichtvon dem Tode Henri Feulards,
der sich seit dem Internationalen Derniatologen-Congresse in Paris im
Jahre 1889, dessen Generalseeretär er gewesen ist, durch sein Organisations¬
talent ebenso wie durch seine bezaubernde Liebenswürdigkeit den Dank
und die allgemeine Zuneigung der Collegen erworben hat und sie seither
durch seine Betheiligung an dem Wiener und Londoner Congresse zu
befestigen wusste, hat uns tief erschüttert.
Henri Feulard entstammte einer Aerztefamilie, er promovirte
1886. Seine Doctordissertation r Teignes e Teigneux“ zeichnete sieh
durch gründliche Behandlung dieses für Frankreich, besonders in stati¬
stischer Beziehung, wichtigen Themas aus. Sie bewies, wie die ihr voran-
gegangenen Arbeiten über die Pest im 16. und 17. Jahrhundert (1884)
und eine Geschichte des Höpital St. Louis (188ö), seine Vorliebe für die
historische Behandlung der Gegenstände. Grosse Belesenheit und reiches
literarisches Wissen verbunden mit warmem VerstandniRs für die Künste
haben ihn naeh dieser Richtung besonders gefördert. Von seiner seit¬
herigen regen Thiitigkeit auf dem Gebiete der Dermatologie und Syphili-
dologie gehen die Berichte der Reunion clinique de l’hopital saint
Louis und der Societe franeaise de dermatologie beredtes Zeugniss.
Iuterne des höpitaux seit 1881, chef de clinique ä l’höpital Saint
Louis 1888 widmete er sein organisatorisches Talent den Interessen dieses
Spitals. Dasselbe verdankt Henri Feulard die Ordnung und Cata-
logisirung seines berühmten Museums und seiner Bibliothek, welche beide
erst durch diese ausgezeichnete und sachkundige Thätigkeit als wahre
Schätze dermatologischen Studiums gehoben und geborgen wurden. Seit
1890 leitete er als Seeretär in vorzüglicher Weise die Redaction der
Annales de Dermatologie.
Henri Feulard schien berufen, dereinst eine erste Stelle unter
den Dermatologen Frankreichs einzunehmen. Inmitten einer vielseitigen
Thätigkeit, im vierzigsten Lebensjahre, geliebt, von seiner Familie, ge¬
schätzt von seinen Collegen hat ihn ein tragisches Geschick hinweggerafft
und noch in diesem letzten Augenblicke seines Daseins bat er eine be¬
wunderungswürdige Probe seines starken und edlen Charakters bestanden.
Nachdem er seine Gattin gerettet, erlag er bei dem Versuche sein
Töchterehen dem Tode zu entreisseu. Kr gehörte, wie die Zeitungen
berichten, zu den wenigen heldenhaften Männern, welche ihr eigenes
Leben einsetzten für die Rettung Anderer.
Tief ergriffen sprechen wir Frau Feulard unsere innigste Theilnahme
aus und unser wärmstes Beileid den französischen Collegen. F. J. Pick.
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Auhi füce ‘‘toiugie u Sypl ilis Band XXVIX.
TAF.I
1806
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Archiv t Dermatologie u Syphilis Band XXXIX.
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1896
Ncumaiwi: Lin Lall \on multiplen Dermatomyomen.
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Archiv f Demiatoiogie u Syphilis Band XXXfX.
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Archiv f Dermatolorjie u Syphilis Band XXXK.
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Archiv f Dermatologie u Syphilis Band XXXIX
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Peter Röna; Die Genese der paraurelhralon Gänge etc.
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Archiv f Dermatologie u Syphilis Band .XXXIX
TAF.X
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Archiv f Dermatologie u Syphilis Band XXXIX
TAF. XI.
Fig.2.
Ziegler: Alopeciaronurnila.
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Archiv f Dermatologie u Syphilis Band XXXIX.
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Ziegler: Alopeciacongenita.
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Archiv f Dermatologie u Syphilis Band XXXIX
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THE OHICJ u £WPüPnVERSITY
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Archiv f Dermatologie u Syphilis Band XXXIX
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TAF. XIV.
Joseph: Über Porokeratosis.
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